No risk, no fun - Dortmund steht im Achtelfinale
So, einmal tief durchatmen. Nach einem nervenaufreibenden Kampf gegen 1860 München hat unser BVB das Pokal-Achtelfinale erreicht. In einer – Achtung – stimmungsvollen (!) Münchner Arena hat 1860 dem Pokalsieger von 2012 mehr abverlangt als erwartet. Es wurde eng.
Die Freude auf die Tour nach München wurde beim Blick auf die Schlagzeilen des letzten Wochenendes merklich getrübt: 555 Polizeieinsätze, sieben Schlägereien, 200 Polizei-Einsätze und ein onanierender Betrunkener. Sollte man sich also wirklich in die Gefahr begeben und einen Ausflug in die bayerische Landeshauptstadt wagen? Wer jetzt übrigens denkt, dass es hier um Fußball geht – weit gefehlt. Die oben genannten Zahlen sind das Zeugnis des Oktoberfest-Tages. Zum Vergleich: Dagegen ist jedes Fußball-Wochenende ein Staubkörnchen. Der wohlwollende Herrscher des Freistaats, König Horst I., drückt da gerne ein Auge zu. Ist ja schließlich ein dolles Volksfest. Diesen Status müssen sich die marodierenden Fußball-Horden offenbar noch erarbeiten.
Oktoberfest und Fußball in München. Die Tatsache, dass ein Auswärtsspiel im Bajuwarenland diesmal nicht in den tiefen Winter fiel, nutzten viele Schwatzgelbe, um der Wies'n vor dem Spiel einen Bier-Besuch abzustatten und mit eigenem Auge zu sehen, wo sämtliche Vorurteile über den deutschen Heinz ihren Ursprung haben: Überfüllte Festzelte, ulkige Menschen in komischer Kleidung, (teurer) Alkohol und famose Blasmusik. Was für ein Spaß!
Klopp stellt erneut um
Für uns Fußballfans war sowieso einzig und allein eine „Wies’n“ in München interessant: Der Rasen in München-Fröttmaning. Trotz allen Respekts für den Gegner – Anspannung war vor dem Spiel nur bei wenigen zu vernehmen. Einfach hinfahren, gewinnen und Kilometer nach Berlin gutmachen. Wie sich später zeigen sollte, hätte sich diese Einstellung fast gerächt.
Gehen wir „auffen Platz“. Da hatte Jürgen Klopp im Vergleich zum Nürnberg-Spiel auf einigen Positionen umgestellt. Der wieder genesene Hummels kehrte zurück in die Startelf und verteidigte neben Sokratis, während sich Subotic auf der Bank wiederfand. Großkreutz wieder auf rechts, Bender auf der Sechs und vorne Lewandowski statt Ducksch. Außerdem rückte Mkhitaryan zurück auf die Position des Spielmachers. Youngster Durm musste Schmelzer ersetzen, der wegen einer Oberschenkelverhärtung ausfiel.
Vorbei an nicht in Betrieb genommenen Drehkreuzen nahmen rund 10.000 Borussen ihre Plätze im Süden und Südwesten der Arena ein. Das war Neuland, mussten wir doch sonst immer im lieblosen Gästeblock direkt unterm Dach auf der anderen Seite stehen. Statt Klatschpappen ein ausverkauftes, blau-weißes Stadion voller hochmotivierter Löwen-Fans. Die Heimkurve im Norden präsentierte zum Einlauf der Mannschaften eine wirklich ansehnliche Choreo im Unter- und Mittelrang. Blaue und weiße Pappen, eine große Löwen-Blockfahne mit einer überdimensionalen Maß Bier und das zum Oktoberfest passende, wenn auch zu kurz hochgehaltene Spruchband: „Wiesnbier in der Kehle … heute erblüht die Löwenseele“. Prost! Der Auftakt wirklich starken Darbietung der Heimkurve an diesem lauen Herbstabend unter Flutlicht.
Stimmung in der Arena? Geht doch!
Bereits in der ersten Minute zeichnete sich das Spiel ab, das fortan die folgenden 120 Minuten prägen sollte. Die Hausherren überließen unserer Borussia komplett die Spielgestaltung und igelten sich in der eigenen Hälfte, auf Konter lauernd, ein. Und so lief es dann, wie gegen tiefstehende Gegner des Öfteren läuft. Der BVB hatte in der ersten Halbzeit nur eine gute Chance. Reus kam von links in den Strafraum, die Münchner Abwehr überließ ihm respektvoll die Tanzfläche für die große Show. Sein Schuss ging allerdings rechts am Kasten vorbei. Auch die Sechziger kamen zu einer Chance. Nach einer – oh Wunder – Ecke köpfte Stahl aber knapp neben den Pfosten. Da hatte Zuordnung in unserer Deckung überhaupt nicht gestimmt, Glück gehabt!
Die erste Halbzeit: Normal, unspektakulär, alles wie erwartet, nur ohne Tore für Schwatzgelb. Noch fehlte der eine gefährliche Steilpass aus dem Mittelfeld gegen die Beton anrührenden Löwen und auch die wenig gefährlichen Eckbälle bleiben (noch) ein großes Manko unserer Mannschaft. Trotz 10.000 Borussen leider ein leiser Gästeblock mit niedriger Mitmachquote auch bei (alt-)bekannten Liedern. Die Heimkurve hingegen machte das Spiel schon früh zu einem Festtag und zeigte, dass in dieser Arena sehr wohl gute Stimmung beim Heimverein aufkommen kann.
Durchgang zwei: Komplett anders, nervenaufreibend und rasant. Dortmund spielte jetzt noch offensiver und versuchte es nur noch über die rechte Seite. Immer wieder drangen Kuba oder Großkreutz in den Strafraum ein. Immer wieder der Pass in die Mitte. Aber der Ball wollte einfach nicht über die Linie. Kuba scheiterte an der Latte, Lewandowski vor dem leeren Tor ein bisschen an sich selbst und den Rest erledigte die fliegende Jogginghose und Torwart-Koryphäe Gabor Kiraly. Eigentlich war dieses Spiel prädestiniert für einen Gegentreffer kurz vor dem Ende. Nach dem Motto: Alle Sechziger stehen auf und nach einer Ecke landet der Ball irgendwie abgefälscht im Tor. Diese Befürchtungen kamen so manchem Borussen mit zunehmender Spielzeit. Zwar brachte Jonas Hofmann frischen Wind rein, aber die Null auf beiden Seiten blieb bestehen.
Es war ein Wechselbad der Gefühle: Die Mannschaft spielte schnell und die Stimmung war inzwischen viel besser und beflügelte die Spieler zusätzlich. Doch der Blick auf die Uhr verbreitete zunehend um den Achtelfinal-Einzug. Und dann war sie da, die Chance für 1860. Die 89. Spielminute: Das ganze Stadion erhob sich, klatschte und brüllte für diesen einen Löwen-Freistoß. Unweit der linken Eckfahne. Herzrasen im Gästeblock. Zum Glück konnten die Borussen den Ball klären, so ging es in die Verlängerung. An dieser Stelle sei die Phrase erlaubt: Ja, wer hätte das vorher für möglich gehalten?
Endlich Erlösung
Verlängerung, erste Halbzeit. Es ging weiter nach vorne. Reus' Schuss von der rechten Straufraumkante landete am Pfosten, sein Freistoß prallte an der Latte ab. Erst nach einigen weiteren, ergebnislosen Angriffsversuchen war es dann endlich soweit: Reus wird im Strafraum gelegt, Rote Karte für Stahl, Elfmeter für den BVB. Großes Zittern in beiden Fanlagern – und am Ende explodierte der Gästeblock. Aubameyang endschied sich für die linke Seite und sorgte für minutenlangen Jubel bei den 10.000 Borussen. Jetzt war der Bann gebrochen. Nach einer zuvor höchstens durchschnittlichen Darbietung erreichte die Stimmung im Gästeblock nun endlich ein würdiges Niveau. Nach dem Seitenwechsel zerstörte der bärenstarke Hofmann dann endgültig alle Hoffnungen der Löwen, als er Mkhitaryan auflegte, der Kiraly und Volz vernaschte und zum alles entscheidenden 2:0 einschob. Kleine Randnotiz: Aubameyang ist offenbar nicht nur schnell und torgefährlich, sondern kann auch Freistöße schießen. Einen setzte er nämlich später noch an die Latte.
Abpfiff. Die Sechziger feierten ihr Team, das leidenschaftlich gekämpft und lange Zeit die Hoffnung auf ein Weiterkommen genährt hatte. Nach 39 Torschüssen und knapp 80 Prozent Ballbesitz ist der Dortmunder Sieg ohne Zweifel verdient und am Ende des Abends bleibt die Erkenntnis, dass Reisen in die Münchener Arena eben doch höchst stimmungsvolle sein können. Fraglich nur, warum große Teile der Gästekurve in die, wie wir finden, überflüssigen Anti-FCB-Gesänge der Löwen mit einstimmten. Von denen war an diesem Abend schließlich überhaupt keine Spur und unser großer Rivale trägt immer noch Königsblau und nicht Rot-Weiß.
Die Fotostrecke zum Sieg gegen die Löwen gibt es wie gewhont auf unserer BVB-Fotoseite unter diesem Link.
Hinweis: Das Achtelfinale (3. und 4. Dezember) wird am kommenden Sonntag ab 18 Uhr in der Sportschau ausgelost.
Aufstellungen und Tore
1880 München: Kiraly - Volz, Schindler, Bülow, Wojtkowiak - Stahl - Stoppelkamp, Wannenwetsch, Stark, Adlung - Lauth
Borussia Dortmund: Langerak - Großkreutz, Sokratis, Hummels, Durm - Bender, Sahin - Blaszczykowski, Mkhitaryan, Reus - Lewandowski
Einwechselungen: 112. Friend und Tomasov für Lauth und Volz - 69. Hofmann für Bender, 99. Aubameyang für Blaszczykowski, 105.+3 Schieber für Lewandowski
Tore: 0:1 Aubameyang (105., Foulelfmeter, Stahl an Reus), 0:2 Mkhitaryan (107., Hofmann)
Schiedsrichter: Weiner (Giesen), Rote Karte: Stahl (104., Notbremse), Gelbe Karten: Volz, Stark - Blaszczykowski
Zuschauer: 71.000 (ausverkauft)
(Quelle: BVB)
Guerriero und Malte S., 25.09.2013