Auf Emmas Spuren – Testspiel bei den Würzburger Kickers
Zwei Monate sind seit dem großartigen Spiel in Wembley vergangen, in denen vor allem Erholung, Spaß und eine ordentliche Vorbereitung auf die neue Spielzeit auf dem Programm standen. Selbst wer die Testspiele nur am Rande verfolgte, wird dabei mitbekommen haben, dass Borussia bereits in einer guten Form agierte. Die Spiele im Trainingslager wurden souverän gewonnen, der Telekom-Cup als Charaktertest nach hartem Konditionsgebolze bestanden und der unbesiegbare FC Bayern phasenweise vorgeführt. Ein letzter Test führte die Borussen nun nach Franken.
Die Würzburger Kickers, 1907 gegründet und erst kürzlich in die Regionalliga aufgestiegen, sind neben dem Würzburger FV und dem FC Schweinfurt 05 der größte Verein der Region. Alle drei Vereine spielten bereits in der zweiten Bundesliga, für alle drei Vereine schnürte bereits Lothar Emmerich seine Fußballschuhe. Auch weitere Kickers-Akteure wie Claus Reitmaier, Bernd Hollerbach oder Peter Sippel schafften es nach ganz oben, doch versank der Würzburger Fußball über Jahrzehnte hinweg im Niemandsland des deutschen Fußballs.
Immer wieder kamen unter Sponsoren Ideen auf, die eine Fusion der Erzrivalen Kickers und FV ins Spiel brachten, schließlich hätte die Kombination aus Stadion, Spielern, Lizenzen und gebündelten Geldgebern eine gute Chance geboten, den Blick wieder nach oben zu richten. Dass diese Pläne im Sand verliefen, war dem Stolz der Fans und Mitglieder zu verdanken. Landesligaderbys mit regelmäßig 3.000 bis 3.400 Zuschauern, die als Risikospiele eingestuft und auf Ratschlag der Polizei gerne zeitgleich zu anderen Spielen mit großem Fanpotenzial angepfiffen wurden, waren tatsächlich nicht die beste Voraussetzung für derlei Experimente. So arrangierten sich alle Beteiligten mit der Situation: Das gegnerische Stadion wird höchstens unter Protest betreten und wer hochklassigen Fußball sehen will, fährt eben woanders hin.
Da die nächsten Bundesligisten mindestens 100km entfernt lagen (Nürnberg, Frankfurt, seit neuestem Hoffenheim) und nicht unbedingt ansehnlichen Fußball boten, entschieden sich viele Fans von Kindesbeinen an für andere Clubs. Kein Wunder also, dass der vor wenigen Tagen neu eröffnete Fanshop („Würzburger Kickers and friends“) Merchandise des FC Bayern, des BVB sowie St. Pauli verkauft und sich nebenbei auf Basketball (s. Oliver Baskets, ALBA, FC Bayern) und Handball (Rimparer Wölfe) spezialisiert hat. Ermöglicht wurden der Aufwärtstrend der Kickers und das Testspiel vom BVB Champions-Partner flyeralarm, dessen Hauptsitz ebenso wie der des Textilriesen s.Oliver nur wenige Kilometer außerhalb der Stadt liegt. „Unser Ziel ist es, den Fußball in Würzburg wieder zu verankern, dabei spielt dieses Spiel eine ganz entscheidende Rolle. (…) Ein volles Stadion und die große Fußball-Welt zu Gast, das sind die Dinge, auf die ich mich besonders freue“, zitierte die Main Post flyeralarm-Chef Michael Schlagbauer.
Dass es die große Fußballwelt nicht zum Schnäppchenpreis gibt, überraschte da wohl niemanden. Stehplätze für happige 17 bis 20 Euro und Sitzplätze für 27 bis 30 Euro waren mindestens auf Bundesliganiveau angesiedelt und stießen insbesondere bei den Gästen auf Unverständnis. In der Konsequenz wurden mehrere hundert Karten aus dem BVB-Kontingent wieder zurückgeschickt und verzichteten einige Fans, die das Stadion tatsächlich gerne gekreuzt hätten, auf einen Spielbesuch. Die Leidensfähigkeit vor Ort war da verständlicherweise größer. Sämtliche Karten fanden innerhalb weniger Stunden Abnehmer, die sich glücklich schätzen durften, einen großen Teil zur baldigen Flutlichtinstallation beigetragen zu haben.
Dass die Kickers nicht umsonst als Geheimfavorit gelten und ein Aufstieg in die Dritte Bundesliga alles anderes als ausgeschlossen ist, bekam der BVB schon recht bald im Spiel zu spüren. Zwar hatte Jürgen Klopp mit Neven Subotic, Marcel Schmelzer, Ilkay Gündogan und Neuzugang Pierre-Emerick Aubameyang nur vier Stammelf-Aspiranten aufgeboten, doch staunten die zahlreichen BVB-Anhänger im Stadion nicht schlecht, wie schwer sich selbst diese Auswahl gegen die hoch engagierten Kickers tat. Harte Zweikampfführung, großer Offensivdrang und das Bewusstsein, nichts verlieren zu können, prägten das Spiel der Hausherren und stellten die Borussen vor große Hürden. So dauerte es fast eine halbe Stunde, bis der BVB erstmals gefährlich vors gegnerische Tor kam: Wie schon so oft in dieser Vorbereitung ließ Mittelfeldjuwel Jonas Hofmann sein Talent aufblitzen und hatte das Auge für den durchstartenden Aubameyang, der den Ball mustergültig zum 1:0 in die Maschen drückte.
Erst in der Folge konnten sich unsere beiden Neulinge größere Freiräume verschaffen und dem Spiel ihren Stempel aufdrücken. Während sich Gündogan frühzeitig verletzt hatte und aus Vorsichtsgründen zurückhielt, Sebastian Kehl, Sokratis und Subotic stark in der Defensive gebunden waren, nahmen Hofmann und Aubameyang das Heft des Handelns zunehmend selbst in die Hand. Immer wieder sprintete der Gabuner, der Usain Bolt auf 30 Metern abhängen, Tore selbst mit verbundenen Augen schießen und Gegenspieler mit mächtigen Blitzen aus seinem Gesäß niederstrecken kann, durch die gegnerischen Reihen und sorgte für Gefahr. Blass blieb leider abermals Julian Schieber, dessen Auftreten beim BVB getrost als unglücklich gewertet werden kann.
In der zweiten Halbzeit kamen mit Mats Hummels, Nuri Sahin, Marvin Ducksch und Jannik Bandowski gleich vier neue Kräfte, für sie auf der Bank blieben Subotic, Schmelzer, Gündogan und Kehl. Borussia hatte das Spiel in der Folge etwas besser unter Kontrolle, wassicherlich am hohen Kraftverschleiß der Würzburger lag, aber auch an den zielstrebigeren Abschlussbemühungen Aubameyangs. Leider hatte dieser aber gleich dreimal Pech und versäumte es, den Sack frühzeitig zuzumachen. Mehr Glück war Ducksch beschieden, der nach Vorlage Hofmanns sowie nach einer tollen Einzelaktion des anschließend für Hofmann gekommenen Kevin Großkreutz die Treffer zum 2:0 und 3:0 Endstand beisteuern konnte.
Das Spiel endete ohne besonders neue Erkenntnisse. Schieber hat weiterhin die Seuche am Fuß, Hofmann und Ducksch konnten ihre hervorragenden Auftritte in der Vorbereitung nochmals unterstreichen. Großkreutz ist auf allen Positionen ein Gewinn und kann selbst als Joker wichtige Akzente setzen, Sokratis und Aubameyang sind Neuzugänge der Marke Extraklasse. So kann der zweite Anzug zwar noch lange nicht mit der Stammelf mithalten, doch bleibt der Eindruck haften, dass sich gerade in Folge der hervorragenden Einkaufspolitik und Berufungen aus der zweiten Mannschaft die Lücke teilweise geschlossen zu haben scheint. Der BVB ist damit seiner Ankündigung, in Qualität und Breite zu investieren, in gutem Maße nachgekommen – und wir dürfen uns freuen, schon bald wieder eine richtig tolle Saison erleben zu dürfen.
Aufstellung
Borussia 09: Langerak – Durm, Subotic, Sokratis, Schmelzer – Kirch, Kehl – Hofmann, Gündogan, Aubameyang – Schieber
Wechsel: Hummels für Subotic (46.), Bandowski für Schmelzer (46.), Sahin für Kehl (46.), Ducksch für Gündogan (46.), Lewandowski für Schieber (62.), Reus für Aubameyang (62.), Großkreutz für Hofmann (67.), Sarr für Sokratis (75.)
Tore: 0:1 Aubameyang (29.), 0:2 Ducksch (66.), 0:3 Ducksch (80.)
SSC, 31.07.2013