Trend-Wende
Zuerst mal die schönste Nachricht des Tages: Unsere Amateure haben durch ein 1:0 in Stuttgart den Klassenerhalt geschafft. Herzlichen Glückwunsch! Das war es dann aber auch schon mit den guten Nachrichten an diesem schwarzen Samstag. Zum letzten Spieltag kam das Projekt, Hopps Spielzeug, ins Westfalenstadion und wir brauchten sie nur zurück in die zweite Liga zu schubsen, wo sie irgendwann einmal hergekommen sind. Ein Sieg, ein Unentschieden - würde alles reichen und es hieße „Hopp, hopp in die 2. Liga“. Konjunktiv. 90 Minuten später steht die schwarz-gelbe Fußballwelt irgendwo zwischen lähmendem Entsetzen, Bangen um Hummels und der Vorfreude auf Wembley. Gefühlschaos BVB.
Dabei hatte alles so hoffnungsfroh begonnen. Bei angenehmem Frühlingswetter schickte Jürgen Klopp erneut die Wembley-Startelf minus Götze aufs Feld und setzte somit auf Spielpraxis statt Schonung. Wie klug diese Entscheidung war, wird wohl erst das MRT in den nächsten Tagen sagen können. Auf der anderen Seite spielten natürlich nur Talente aus der Sinsheimer Jugendabteilung um den letzten Strohhalm für ihren Traditionsverein. Zuerst wurde aber noch Patrick Owomoyela von der Süd verabschiedet mit einem schön lauten „Wir ham'n die beste Abwehr der Welt.“
Das Spiel begann mit einer Spruchband-Welle auf der Südtribüne. Einige davon werden der Vereinsführung wohl nicht ganz so gut gefallen haben. Am besten lesbar war auf jeden Fall das „Hasta la vista, Hopp“ inklusive Fadenkreuz. Provokation in seiner feinsten Form. Dem wollten die gefühlt 25 Hoppenheimer Gästefans natürlich in nichts nachstehen und präsentierten ihrerseits „Euer Hass ist unser Stolz“, das nicht nur aufgrund der Farbe aussah, als hätten sie es den Buyern geklaut. Die BVB-Fans präsentierten sich zu Beginn in guter Form und schickten schon mal ein paar verfrühte „Absteiger! Absteiger!“ in Richtung Nord-Ost-Ecke, obere Hälfte. Das Spiel, das eigentlich unwichtig war für unseren Ballspielverein und nur vom Wunsch beseelt, den deutschen Fußball von einem seiner Kunstprodukte zu säubern, gingen die Borussen mit viel Leidenschaft an. Bereits nach 6 Minuten war der Ball im Netz und Hoppenheim so gut wie tot. Eine feine Flanke von Schmelzer fand Kubas Kopf, der Lewandowski ans Bein köpfte, von wo der Torhüter den Ball nur noch vor die Beine unseres Toptorjägers abprallen lassen konnte. Und da muss man einen Lewandowski natürlich nicht zweimal bitten – 1:0, Drops gelutscht. Zumal die falschen Blauen keine Anstalten machten, um ihr Leben zu kämpfen. Nur Rennschwein Rudy fühlte sich zu übertriebener Härte hingerissen und hätte eigentlich nach 40 Minuten das Feld verlassen müssen. Warum der Schiedsrichter in der Situation, in der es letztendlich auch um unsere Knochen ging, Gnade vor Recht ergehen ließ, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Und dann waren da ja noch die Reihen „Kuba-in-Freiburg-Gedenkmomente“ und „Mitspieler vereitelt Tor“, die vor allem Kuba und Lewandowski immer wieder mit neuen Szenen anfüllten. Auf der anderen Seite gab es bis auf eine Chance von Salihovic in der 37. Minute kaum gefährliche Szenen in unserem Strafraum. Ganz anders im Hoppenheimer Strafraum: Gündogan schlenzte kurz nach Wiederanpfiff einen Ball ans Lattenkreutz, Großkreutz, Kehl und Kuba vergaben weitere gute Chancen.
Eine Viertelstunde vor Schluss lehnte sich der BVB dann aber zurück, als hätten sie zwei, drei von den vergebenen Chancen genutzt und ließen die Gäste zum ersten Mal überhaupt in unseren Strafraum. Und das wurde dann die Szene, die bei allen Dortmundern noch einen Tag später diese Magenschmerzen verursacht. Hummels will den Ball wegschlagen, trifft dabei aber seinen Gegenspieler und knickt um. Elfmeter und Verletzung, beides auf einmal. Salihovic verwandelt souverän, doch noch immer herrscht beim BVB große Zuversicht, ein Punkt reicht ja schließlich. Auch die Fans, die sich wie die Mannschaft immer mehr zurückgelehnt haben, kommen nicht ins Schwitzen. Diese Hoppenheimer sind nicht in der Lage, uns zu besiegen, dafür sind sie einfach viel zu schlecht. Dann wieder nicht aufgepasst hinten, Schipplock läuft ganz alleine auf Weidenfeller los und der tut auch wirklich alles daran, dass der Schiri nicht auf die Idee kommen kann, er hätte es auf den Ball abgesehen, fliegt dem Gegner auf Oberschenkelhöhe mit seinem ganzen Körper entgegen. Elfmeter und Rot, diese Entscheidung war noch ein Stück eindeutiger als die letzte. Und da bereits schon Kehl für Bender (Warum beschleicht mich das Gefühl, dass mit dieser Auswechslung der Schlendrian erst in unser Spiel gekommen ist?), Schieber für Piszczek und Santana für Hummels gekommen waren, musste Langerak draußen bleiben. Kevin Großkreutz ging ins Tor und versuchte vergeblich, den wiederum stark geschossenen Elfmeter von Salihovic zu halten. Jetzt war auf einmal der Teufel los. Keinen auf oder neben dem Platz interessierte noch, dass es für die Borussia um nichts ging in diesem Spiel. Man wollte mit aller Kraft Düsseldorf in die Relegation verhelfen. Nobby verkündete vier Minuten Nachspielzeit ganz ohne Verhaspeln (was seinem Kollegen bei der Bekanntgabe des Zuschauerrekords nicht gelungen war) und erinnerte damit nicht ganz zufällig an Malaga. Und tatsächlich – in der 93. Minute war der Ball nach einem Freistoß im Tor, die Fahne blieb unten, der Jubel kannte keine Grenzen - bis sich der Schiedsrichter umentschied. Sicher, rein regeltechnisch betrachtet war die Entscheidung korrekt. Lewandowski, der Schmelzers Real-Gedächtnis-Schuss nicht berührt hatte, stand im Abseits und das an einem Ort, wo er im Prinzip nicht als passiv gelten konnte. Dennoch war es natürlich sehr unglücklich, dass die Entscheidung inmitten aller Emotionen zurückgenommen wurde. Es war die zweite Szene des Tages, die bleibende Magengeschwüre hinterlassen hat bei der Borussenfans.
So endete eine ordentliche Bundesligasaison also in einer Enttäuschung. Nur zu gerne hätten alle Beteiligten diesen heutigen Tag anders erlebt. Und dennoch möchte ich den Bericht mit zwei positiven Gedanken beenden: Mit dem 1. FC Kaiserslautern hat ausgerechnet ein weiterer Traditionsverein die Chance, die Hoppenheimer Hoffnungen bereits im Keim wieder zu ersticken und ihnen einen womöglich noch viel schmerzhafteren Gang in die Unterklassigkeit zu bereiten. Alle Borussen werden in diesen zwei Spielen jedenfalls den Lauterern die Daumen drücken. Wir wiederum haben die Chance, das "Kapital" in einem anderen Spiel zu besiegen. Einem, das noch viel wichtiger ist für den Verein (so schön ein Sieg gestern auch gewesen wäre). Wir haben die Chance der ganzen Welt zu beweisen, dass der BVB der beste Club der Welt ist – auf wie neben dem Feld. Lasst uns alle nach London fahren, uns die Kehle aus dem Leib schreien, Vollgas geben. Wenn wir diese Leidenschaft an den Tag legen, die über das Spiel hinaus geht, die uns in Spielen wie dem Derbysieg 2007, dem Pokalsieg 2012 oder dem Halbfinal-Hinspiel gegen Real dieses Jahr ausgezeichnet hat, dann sind wir viel stärker, als die elf Spieler auf dem Platz es alleine wären. Der BVB als Gesamtes, aufgebracht und entschlossen, ist eine fast unschlagbare Mischung! Lasst uns dran glauben!!!
Die Fotostrecke zum Spiel gegen das "Projekt Hoffenheim" findet Ihr wie gewohnt auf unserer BVB-Fotoseite unter diesem Link.
Einzelbewertungen
Roman Weidenfeller: Rettete einmal stark gegen Salihovic, war beim ersten Elfmeter chancenlos und beim zweiten der Hauptdarsteller bei der Entstehung. Note 4
Lukasz Piszczek: Solide in der Defensive, unauffällig nach vorne. Note 3,5
Neven Subotic: Wie Hummels, nur ohne Elfmeterschuld. Note 3,5
Mats Hummels: Gebrauchter Tag. Die Hintermannschaft sah bei den wenigen Hoffenheimer Torraumszenen nicht gut aus und obendrein verletzte sich Mats dann auch noch beim gefühlt einzigen Saisonfoul, das obendrein den Elfmeter mit sich brachte. Note 4
Marcel Schmelzer: Klasse Flanke vor dem 1:0, ansonsten unauffällig, hinten aber gewohnt sicher. Note 3
Sven Bender: Wie Sven Bender eben spielt: Nüchtern, physisch, defensiv denkend. Kein großer Ausreißer nach oben oder unten, aber mit seinr Auswechslung wurde das Spiel schlechter. Note 2,5
Ilkay Gündogan: Konnte dem Spiel nicht wie gewohnt den Stempel aufdrücken. Versuchte es aber immerhin. Note 3
Jakub Blaszczykowski: Positiv wie negativ der auffälligste Akteur. Sehr sehenswerter Alleingang gegen vier Gegenspieler, aber nicht nur in dieser Szene mit kläglichem Abschluss. Für ihn sollte die Woche mit Torschusstraining beginnen. Note 4
Marco Reus: Wirkte lustlos und kann sicher mehr als gestern gezeigt. Note 5
Kevin Großkreutz: Gute Schusschance, bei der er eigentlich alles richtig machte. Im Mittelfeld ansonsten zu ungefährlich, bei der einzigen Prüfung als Torwart praktisch chancenlos. Note 4
Robert Lewandowski: Ein Tor reichte nicht für die Torjägerkanone. Wurde vorne nicht gut bedient, nutzte die vorhandenen Möglichkeiten aber auch nicht. Note 3,5
Sebastian Kehl: Gehörte zu den vielen, die die Chance zum zweiten Dortmunder Treffer hatten. Ansonsten nicht sehr auffällig. Note 4
Julian Schieber: Hm. Naja. Geht Lewandowski, wird Schieber den Polen wohl nicht beerben auf der Position. Ansonsten zu wenig Einsatzzeit für eine echte Bewertung.
Felipe Santana: Noch weniger Einsatzzeit, noch weniger Bewertung.
Statistik
Borussia: Weidenfeller - Piszczek (69. Schieber), Subotic, Hummels (77. Santana), Schmelzer - Gündogan, Bender (60. Kehl) - Kuba, Reus, Großkreutz - Lewandowski
Abstiegstrend: Casteels - Beck, Abraham, Vestergaard, Johnson - Polanski, Rudy (46. Szarka), Salihovic, Ochs (58. Schipplock) - Firmino (85. Süle), Volland
Tore: 1:0 Lewandowski (6.), 1:1 Salihovic (77.), 2:1 Salihovic (82.)
Gelbe Karten: Reus - Rudy, Verstergaard, Schipplock, Firmino
Rote Karte: Weidenfeller
Torschüsse: 22:9
Chancen: 8:3
Ecken: 2:0
Zuschauer: 80.645 (ausverkauft). Insgesamt einemilliomvierundacht... nee... einskomma... öhm... also viele, viele Menschen in der ganzen Saison.
Schiedsrichter: Jochen Drees, Note 4,5. Elfmeter 1 korrekt, Elfmeter 2 korrekt, Abseitsentscheidung ebenfalls korrekt. Dass Rudy nicht schon beim ersten Foul vom Platz geflogen ist, war durchaus vertretbar. Das zweite wäre dann zwingend das Arbeitsende für den Hoffenheimer gewesen. Bei gleichem Maßstab bleibt Weidenfeller auf dem Platz. Insgesamt nicht der Schuldige, aber definitiv spielbeeinflussend.
Nadja, 18.05.2013