Charaktertest bestanden - der zweite Anzug sitzt
Der BVB hat sich für die Partie gegen Malaga ordentlich warm geschossen. Ersatzbomber Schieber, Abwehrrecke Subotic und der Serienlewy schenkten dem FCA vier Stück ein. Allerdings zeigte die Abwehr gegen den munter mitspielenden Abstiegskandidaten auch ungewohnte Lücken. So musste lange gezittert werden, bis die Pflichtaufgabe zur Zufriedenheit aller gelöst war. Am Ende fiel das Ergebnis mit 4:2 etwas deutlicher aus, als es nach dem Spielverlauf zu erwarten gewesen wäre.
Vor der Europakür hatte der Spielplan für den BVB noch eine echte Mentalitätsprobe in petto. Mit dem FCA kam eine der grauesten Mäuse der Bundesliga im Westfalenstadion vorbei. Die bayerischen Schwaben waren nach der Hinrunde mit nur 09 Punkten schon so gut wie abgestiegen. Entgegen der Dietmar-Hopp-Doktrin wurde aber in Augsburg nicht die gesamte sportliche Leitung ausgetauscht und überraschenderweise startete Trainer Markus Weinzierl mit seiner Truppe eine veritable Aufholjagd. In der Rückrundentabelle belegte der FCA vor Anpfiff mit respektablen 15 Punkten aus 10 Spielen den sechsten Platz.
Jürgen Klopp hatte ganz entgegen seiner sonstigen Gewohnheit die Rotationsmaschine angeworfen, so dass zumindest sichergestellt wurde, dass jede Menge Spieler auf dem Platz standen, die ganz unabhängig von Ausgangslage und Gegner etwas zu beweisen hatten. So wurde neben den Youngstern Leo Bittencourt und Moritz Leitner sogar Jonas Hofmann in die Startaufstellung gespült. Seine Mannschaftskameraden von der U23 fielen derweil bei einer weiteren Parallelveranstaltung auf den letzten Platz der Dritten Liga zurück. Im Mittelfeld der Profis sollte heute mal wieder Nuri Sahin die Fäden ziehen, Langerak stand im Kasten und ganz vorne erhielt Julian Schieber eine weitere Gelegenheit seine zahlreichen Kritiker im Umfeld der Borussia zum Schweigen zu bringen. Oliver Kirch sollte sich allerdings wohl langsam mal ein paar Gedanken machen, ob die Trauben beim BVB nicht ein wenig zu hoch für ihn hängen. Für ihn blieb erneut nur ein Platz auf der Bank übrig. Kevin Großkreutz, der immer mehr zum neuen Kringe mutiert, verteidigte an seiner Stelle hinten Rechts.
Unter der Südtribüne sammelten die Desperados heute Becherpfand zugunsten vom “ELTERNTREFF leukämie- und tumorerkrankter Kinder e.V.” und des „Malteser Kinder- & Jugendhospizdienst Dortmund“. Eine lobenswerte Aktion an der sich die anderen Fans hoffentlich großzügig beteiligt haben.
Erste Halbzeit
Die Seitenwahl wurde verloren, so musste der Sturm Richtung Süden vorgezogen werden. In der dritten Minute schickte Bittencourt Schmelzer mit einem wunderbaren Pass auf die Reise, aber leider fehlte dem etwas die Übersicht. Er drang in den Strafraum ein und legte den Ball quer, fand damit aber keinen Mitspieler. Die Südtribüne erinnerte dann schnell daran, wer Deutscher Meister ist und auf den Sitzplätzen erhob man sich freudig. Man muss es halt so lange auskosten wie es geht.
In Minute 09 wurde es erneut gefährlich. Sahin trat eine Ecke vors Tor und in der Augsburger Abwehr machte sich Unordnung breit. So kam erst Subotic und dann auch noch Bittencourt zum Schuss. Leider blieb der Ball des Serben in der Abwehr hängen und der Semibrasilianer zielte knapp drüber. Auch die nächste brenzlige Situation im Augsburger Strafraum entstand nach einer Sahin-Flanke. Leider sprang Bender knapp am Ball vorbei. Augsburg beschränkte sich in der Anfangsviertelstunde darauf tief in der eigenen Hälfte die Angriffe der Borussia zu erwarten. Auch die BVB-Reserveelf scheint noch ziemlich respekteinflößend zu sein. Jedenfalls für Augsburg.
Dann schlug der Bulle von Backnang gegen seine schwäbischen Landsleute zu. Bittencourt spielte ihn etwas glücklich im Strafraum frei und er hämmerte den Ball humorlos in die kurze Ecke. Die Rotationsmaschine schien den Borussenmotor nicht ins Stottern zu bringen. Kurz darauf hämmerte Sahin einen Freistoß aus 30 Metern aufs Tor und Manninger konnte den Ball nur nach vorne Fausten, aber kein Borusse stand zum Abstauber parat. Wiederum einige Minuten später bot sich Santana nach einer Sahin Ecke eine gute Kopfballchance. Dann traute sich der FCA das erste Mal nach vorn und Langerak durfte sich nach einem harmlosen Kullerball das Trikot schmutzig machen. Nach diesem kurzen Intermezzo rollte wieder der BVB. Hofmann legte für Großkreutz auf, aber der scheiterte mit seinem Schuss vom Strafraumeck an Manninger.
Die Stimmung auf den Tribünen war zwischenzeitlich total eingeschlafen, aber dann meldeten sich die Borussen mit einem mächtigen Wechselgesang lautstark zurück. Wenn die Nordsteher schwatzgelb bestückt sind, kommt das natürlich besonders gut rüber. Ansonsten wurde aber heute über weite Strecken ein trauriges Bild von den angeblich besten Fans der Liga geboten. Bis auf die Allgemeinschuldigen im Stimmungskern hatte überhaupt niemand Lust, die Mannschaft zu unterstützen. Das kann man keinem Vorsänger oder Dauergesang ankreiden, da sollte sich jeder mal selbst hinterfragen, warum er ins Stadion geht, wenn er dann in 90 Minuten maximal dreimal den Mund aufbekommt.
Nach einer guten halben Stunde verflachte auch die Partie mehr und mehr. Der BVB Angriffswirbel versiegte, weil Augsburg jetzt ein wenig höher aufrückte und den Versuch startete, sich auch aktiv am Spiel zu beteiligen. Die sich daraus ergebenden Räume zum Kontern wurden vom BVB noch nicht gut besetzt. Der FCA hatte zwar nun etwas mehr Ballbesitz, wirklich Konstruktives bekamen sie aber nur selten zustande.
Als man sich auf Seiten der Borussen wohl schon auf den Halbzeittee freute kam Augsburg zu zwei Eckbällen. Der zweite wurde per Kopf nach vorne abgewehrt und fiel Baier vor die Füße, der ihn trocken flach ins Tor drosch. Da war für Mitch Langerak wohl nichts zu machen. Völlig unnötigerweise geriet der BVB direkt im Anschluss sogar noch in Rückstand. Einen eigentlich harmlos aussehenden Schuss von Werner wehrte der Australier unnötigerweise direkt vor die Füße von Vogt ab, der keine Probleme hat locker abzustauben. Nachdem die Mannschaft so innerhalb von zwei Minuten gegen einen bis dahin an Harmlosigkeit nicht zu überbietenden Gegner die Führung in einen Rückstand verwandelt hatte, wurde sie mit einem lauten Pfeifkonzert in die Kabine verabschiedet. Durch eine kurze Unaufmerksamkeitsphase war ein Spiel gedreht worden, das bis dahin eigentlich nur in eine Richtung gelaufen war. Trotzdem finde ich es unangebracht, die eigene Mannschaft in so einer Situation auszupfeifen.
Zweite Halbzeit
Während Markus Weinzierl den unauffälligen Mölders durch Moravek ersetzte, kamen die Schwarzgelben unverändert aus der Kabine. Wer nun mit einer furiosen Dortmunder Aufholjagd gerechnet hatte, wurde zunächst durch einige Augsburger Angriffe überrascht. Der BVB tat sich zunächst schwer, wäre aber trotzdem beinahe durch eine verunglückte Flanke von Kevin Großkreutz zum Ausgleich gekommen, die sich fast noch ins Augsburger Tor gesenkt hätte. Augsburg blieb aber zunächst feldüberlegen. Sie hielten den Ball geschickt in den eigenen Reihen, ohne aber dabei Druck auf das Dortmunder Tor erzeugen zu können.
Nach sieben Minuten der zweiten Hälfte hatte Jürgen Klopp genug gesehen und brachte seine Premiumware in die Auslage. Götze und Lewandowski ersetzten Leitner und Bittencourt. Diese Wechsel sollten sich umgehend auszahlen, denn Lewandowski schickte mit seinem ersten Ballkontakt Hofmann steil, der Schieber seinen zweiten Treffer auflegte.
Kurz darauf durfte Moravek allerdings nach einem Blackout von Schmelzer von der Mittellinie an allein auf Langerak zulaufen. Er entschied sich zum Dribbling zog auch an Langerak vorbei, konnte den Ball aber aus spitzem Winkel nicht im leeren Tor unterbringen. Das hatte fast schon Frank Mill Qualität. Insgesamt ließen sich die Augsburger durch den Ausgleich nicht aus dem Konzept bringen und spielten weiter munter mit. Man bekam in dieser Phase einen guten Eindruck davon, warum diese Mannschaft eine solch starke Rückrunde spielt. Geduldig und gut organisiert suchten sie ihre Chance. Allerdings kam ihnen auch entgegen, dass die Dortmunder Abwehr nun reihenweise Böcke schoss.
Auch Jürgen Klopps zweiter Toppjoker Mario Götze sammelte dann einen Scorerpunkt ein. Er schaufelte einen Freistoß von links in den Strafraum, der Neven Subotic direkt vor die Füße fiel. Aus kurzer Distanz hatte der lange Innenverteidiger keine Mühe, den Ball über die Linie zu drücken. Der nächste Freistoß des BVB kam dann von Rechts in den Strafraum gesegelt und dementsprechend war diesmal der Zauberfuß von Nuri Sahin der Absender. Jedoch wurde Robert Lewandowski der Ausbau seiner Torrekordserie vom Linienrichter verwehrt, der den Polen mit der Fußspitze im Abseits sah.
Der soeben eingewechselte Somen Tchoyi hätte dem Spiel dann fast noch eine weitere Wendung hinzugefügt. Denn er kam aus kurzer Distanz völlig frei zum Schuss, verfehlte das Tor aber deutlich. Auch bei nächster Gelegenheit konnte Lewandowski seinen Torrekord nicht ausbauen. Er wurde von Sahin wunderbar steil geschickt, versuchte aber vor dem Tor einen Haken zu viel und blieb an einem Verteidiger hängen. Er schaffte es im zweiten Versuch auch nicht, den Ball für den nachgerückten Hofmann aufzulegen.
http://www.schwatzgelb.de/manager/Dann spielten Sahin und Hofmann einen Zauberdoppelpass und der Amateur legte auch noch wunderbar für Götze auf, der am langen Pfosten lauerte. Aber der gab lieber seine Bewerbung für den Frank-Mill-Kuba-Blaszczykowski-Gedächtnispreis ab und verfehlte das Tor freistehend deutlich. Das hätte sich im Gegenzug beinahe gerächt, aber Langerak zeigte gegen den Schuss von Ji seine stärkste Aktion des Tages und lenkte ihn noch mit den Fingerspitzen über den Kasten. Die Schlussphase verlief durchaus spektakulär. Während Augsburg auf den Ausgleich drängte, vergab der BVB beste Kontergelegenheiten. Ein Fernschuss von Götze verfehlte knapp das Ziel und Hofmann legte den Ball von der Grundlinie leider hinter den freistehenden Robert Lewandowski auf.
Dann kam sogar die Sonne heraus und bestaunte, wie Robert Lewandowski seine Serie doch noch fortsetzte und in der Schlussminute das Spiel entschied. Lewandowski und Götze wühlten sich durch den Augsburger Strafraum und am Ende bekam der Pole den Ball im Fünfmeterraum mundgerecht serviert und musste nur noch abstauben. So endete das Spiel, das im Schatten der großen Europapokalabende beinahe untergegangen wäre doch noch mit einem überzeugenden Sieg für den BVB. Jetzt gilt alle Konzentration dem Dienstagabend wo der Einzug ins Halbfinale der Königsklasse perfekt gemacht werden kann. Gebt alles Jungs, Eure Reise durch Europa darf hier noch nicht enden.
Die Fotostrecke zum Heimsieg gegen Augsburg gibt es wie gewohnt auf unserer BVB-Fotoseite unter diesem Link.
Noten
Langerak: Das 1:2 muss er sich ankreiden lassen und auch sonst mit ein paar Wacklern. Auf der Habenseite steht seine Großtat gegen Ji und sein Rumgehampel gegen Moravek, mit dem er den Ex-Blauen bei seinem Alleingang aus dem Konzept brachte (3,5)
Großkreutz: Mit großem Aktionsradius und hinten weitgehend solide. Schaltete auch immer wieder den Vorwärtsgang ein (3)
Subotic: Hinten weitgehend solide und vorne mit einem Tor und weiteren guten Szenen (2,5)
Santana: Wirkte zeitweilig hektisch und unkonzentriert. Das muss er Dienstag besser machen, falls er erneut auf dem Platz stehen sollte (4)
Schmelzer: Seinen Riesenbock konnte Moravek zum Glück nicht ausnutzen. Die Maske schien ihn nicht nur beim Kopfball zu behindern. Ansonsten ein typischer Schmelzer. Immer mit Vollgas die Linie hoch und runter (3,5)
Bender: Der Balldieb ging wie immer seinem liebsten Hobby nach: Druck auf den ballführenden Gegner ausüben und sei es an der gegnerischen Eckfahne. Ergänzte sich gut mit Sahin (3)
Sahin: Dreh- und Angelpunkt des Dortmunder Spiels. Mit einigen technischen Feinheiten, die nur wenige Spieler draufhaben. Die Paarung mit Bender hat definitiv Zukunft. Sein Freistoß auf Lewandowski hätte ein Tor verdient gehabt (2)
Hofmann: Zeigte ein ganz, ganz starkes Startelfdebut bei den Pofis. Rannte sich die Lunge aus dem Leib und lieferte zahlreiche brauchbare Vorlagen. Sammelte auch gleich seinen ersten Assist. Sein Doppelpass mit Sahin an der Strafraumgrenze war ein Traum. Von dem Spiel wird Hofmann noch lange träumen (1,5)
Leitner: Der unauffälligste Teil der offensiven Dreierkette. Konnte seine Passsicherheit zwar unter Beweis stellen. Sein Problem ist aber, dass der Unterschied zu Götze derart eklatant ist, dass er im Vergleich immer blass aussieht (3,5)
Bittencourt: Es macht einfach Spaß dem Jungen beim Zocken zuzugucken. Er wuselte über das gesamte Feld, teilweise wirkte das fast übermotiviert. Macht sehr viele gute Sachen, auch wenn ihm natürlich noch nicht alles gelingen will, was er probiert. Der Kleine wird uns noch viel Freude machen (2,5)
Schieber: Nutzte die Chance, sich in Szene zu setzen. Zeigte den üblichen Schieber-Einsatz, paarte ihn aber mit einer unüblichen Effizienz. Nach seinem ersten Tor legte er seine Nervosität ab und zeigte auch spielerisch ein paar gute Ansätze (1,5)
Götze: Er kam rein und sofort merkte man, wie sehr er vorher gefehlt hatte. Zwei Vorlagen aber auch eine slapstickartig vergebene Chance. Den Torerfolg hat er sich wohl noch für Dienstag aufgespart (2)
Lewandowski: Kaum auf dem Platz, schon eine Torvorlage. Danach arbeitete er hart am Ausbau seiner Serie. Teilweise übersah er dabei besser postierte Mitspieler. Dass sich Lewandowski in einer solch guten Form befindet, stärkt die Zuversicht für die Champions League (2)
Stimmen aus der PK
Weinzierl: Glückwunsch an Jürgen zu diesem Sieg. Wir haben in der ersten Halbzeit nicht gut gespielt und gingen trotzdem in Führung. In der zweiten Halbzeit lief es besser. Die Hereinnahme von Moravek hat sich ausgezielt. Wir haben das Spiel dann aus der Hand gegeben. Das lag aber auch an der Hereinnahme von Götze und Lewandowski die einfach eine unglaubliche Qualität haben. Durch Jan Moravek haben wir eine tausendprozentige Chance liegen gelassen. Insgesamt haben wir zu viele Chancen ausgelassen, um hier zu Punkten.
Klopp: Ich habe eine sehr gute erste halbe Stunde gesehen. Da waren wir in den torgefährlichen Räumen. Das ist uns dann ein bisschen verloren gegangen. Augsburg ist einfach stark. Durch Robert und Mario konnten wir dann noch einen Impuls von außen geben. Das hat sich dann direkt mit dem Ausgleich ausgezahlt. Augsburg hatte durch Moravek und Ji gute Chancen, ansonsten haben wir das in der Defensive ordentlich gemacht. Das Spiel war ein richtiger Charaktertest zwischen den beiden wichtigen Champions League Partien.
Fakten
BVB: Langerak – Großkreutz, Santana, Subotic, Schmelzer – Bender, Sahin – Hofmann, Leitner (52. Götze), Bittencourt (52. Lewandowski) – Schieber (83. Kehl)
Augsburg: Manninger, Verhaegh, Klavan, Vogt (68. Oehrl), Baier, Werner (80. Tchoyi), Callsen-Bracker, Ostrzolek, Ji, Hahn, Mölders (46. Moravek)
Tore: 1:0 Schieber (22. Bittencourt), 1:1 Baier (43.), 1:2 Vogt (45. Werner), 2:2 Schieber (53. Hofmann), Subotic (64. Götze), 4:2 Lewandowski (90. Götze)
Gelbe Karten: Schieber - Hahn, Klavan, Baier
Torschüsse: 12:13
Zweikämpfe: 51,1%:48,9%
Ballkontakte: 51,1%:48,9%
Flanken: 7:13
Laufdistanz in km: 124:120,6
Fouls: 13:25
Ecken: 4:6
Abseits: 2:2
80.400 Zuschauer im ausverkauften Westfalenstadion
Web, 06.03+1.2013
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