Ein Spiel dauert 50 Minuten
Es war die endgültige Rückkehr Nuri Sahins. Mit einer überragenden Leistung zeigte er es allen Kritikern und sorgte im Verbund mit Robert Lewandowski für einen am Ende eindrucksvollen 5:1-Sieg gegen den SC Freiburg. Doch was soll nach dieser Demütigung bloß mit der neu entflammten Fan-Freundschaft geschehen, die manche anscheinend zwanghaft wieder einführen wollen?
Zunächst protestiert der Autor dieser Zeilen gegen den unsäglichen Hinrundenbericht aus dem wunderschönen Breisgau. Die stets total sympathischen Freiburger haben es selbstverständlich nicht verdient, als „Scheissgauer" bezeichnet zu werden. Solche Kraftausdrücke gehören sich einfach nicht und sind eines bekanntermaßen stets auf politische Korrektheit bedachten Fanzines wie schwatzgelb.de nicht würdig. Denn was waren das für wunderschöne Szenen auf den Straßen an diesem tollen Samstagvormittag in Dortmund? Unzählige gemischte Grüppchen mit Dortmund- und Freiburg-Fans, die bei einem gemeinsamen Brinkhoffs oder mitgebrachtem Rothaus-Bier den Anpfiff des Spiels erwarteten. Das sind Bilder, die wir auch bei allen anderen Spielen sehen wollen.Kein Hass mehr im Fußball, sondern 100 % das Spiel und 0 % Gewalt.© Um diese fröhlich-friedliche Stimmung auch in Zukunft bei Spielen gegen den knuffigen SC beizubehalten, schlägt schwatzgelb hiermit in der nächsten Saison einen fußballökumenischen Gottesdienst (siehe auch unser Vorbericht) vor, um gemeinsam für ein friedliches Fußballerlebnis zu beten und Andacht zu halten. Auch der neueste Kult-Trainer Deutschlands, Christian Streich, sollte dann dabei sein. Streich ist ja bekanntermaßen auch deshalb zum neuen Liebling der Sportmedien geworden, weil er als einziger Berufstätiger in Deutschland mit dem Fahrrad zur Arbeit kommt. Ei der Daus! Was für ein verrückter Hund.
Nach diesen friedvollen Worten widmen wir uns dem Spiel, welches leider nicht gänzlich ohne Fouls absolviert wurde. Eine Schande für all diejenigen, die auch im BVB-Forum tagein,tagaus um eine Fan-Freundschaft mit dem SCF werben. Wie sollen diese unverbesserlichen Ultras denn überhaupt für die Schönheit der Freiburger Fanszene sensibilisiert werden, wenn die Spieler auf dem Platz mit solch einem schlechten Beispiel vorangehen? Da muss Jürgen Klopp für die Zukunft unbedingt drauf einwirken.
Die Aufstellung unserer Borussia bot keine großartigen Überraschungen. Es hat sich unter der Woche im Training bereits angedeutet, dass auf der Doppel-Sechs der Deutsche Gündogan aus Gelsenkirchen mit dem Türken Sahin aus Lüdenscheid gemeinsam agieren wird. Und einen doppelten Günter gab es auch auf dem Spielberichtsbogen. Während Christian für Freiburg von Beginn an spielen durfte, war unser Koray auf der Bank, um im Fall der Fälle für seine Einwechslung bereitzustehen. Dann wieder ein Blick in den Freiburger Gästebereich: Dort waren weithin sichtbar eine nicht geringe Anzahl von BVB-Fans zugegen, die ohne Angst Trikots und Schals tragen und präsentieren durften. So muss es auch damals in Woodstock ausgesehen haben. Nur das Gras fehlte noch. Love and Peace,Baby!
BVB zeigt Flagge gegen Rechts
Eine beeindruckende Demonstration gegen Rechts von Seiten des Vereins konnten dann alle Zuschauer ganz kurz vor Anpfiff auf den Videoleinwänden sehen. Mit den Protagonisten Dickel, Kehl und Owomoyela wurde von der Geschichte unserer Borussia eine Brücke zu heute geschlagen und insbesondere die rechtsradikal motivierten Angriffe in Donezk auf Jens Volke und Thilo Danielsmeyer aufs Schärfste verurteilt. Sicher kann man immer kritisieren, dass so ein Statement etwas früher hätte erfolgen müssen, aber sowohl Inhalt als auch Form der Botschaft sollten ihre Wirkung nicht verfehlt haben.
Die ersten zehn Minuten des Spiels waren anschließend von einer zunächst fahrigen Borussia und stets gefährlichen Freiburger Kontern geprägt, die in diesem kurzen Zeitraum auch dem größten Fußballlaien deutlich gemacht haben sollten, dass da möglicherweise eine echte Spitzenmannschaft heranwächst. Die Spielweise kam jedem BVB-Fan bekannt vor: Griffig im Zweikampf, schnell im Umschalten und spielerisch kombinationssicher bei hoher Ballsicherheit.
Die beste Möglichkeit hatte dann aber jedoch das Original, als Götze nach einer Ecke per Volleyschuss von der Strafraumlinie Baumann prüfte (15.). Allerdings hätte das Tor aufgrund einer Abseitsposition beim Torschuss nicht gezählt. Sagte Norbert Grudzinski aus Hamburg. Hanseat. Die erste richtige Chance für den SCF saß dann hingegen direkt. Ein Ball aus dem rechten Halbfeld trudelte durch den Strafraum zu Kruse, der aus spitzem Winkel klug abwartete und nicht blind vollenden wollte. SeinLupfer/Chip (bitte wählen Sie selbst aus!) in die Mitte erreichte Schmid, der ohne Probleme zur nicht unverdienten Führung einschieben konnte (28.). Kleiner Hinweis noch an Norbert Dickel und dröflzig Prozent der TV-Kommentatoren: Wenn ein Tor nach, sagen wir mal, 27:46 Minuten fällt, handelt es sich um die 28. Minute und nicht die 27. Minute. Denn sonst wäre ein Tor nach dreißig Sekunden ja auch in der nullten Minute gefallen. Ja, irgendwo muss man seinen Frust ja rauslassen! Und wenn man eben den Klugscheißmodus dafür verwendet.
Nürnberg sorgt für Jubel
Nicht nur die nervigen Verbrüderungsszenen in Stadt und Stadion, sondern auch die Stimmung während der ersten Hälfte ließen weiterhin auf ein Freundschaftsspiel in der Vorbereitung schließen. Trotz Führung kam aus dem Breisgau nichts und bis auf die Ultra-Szene war auch von schwatzgelber Seite nichts zu vernehmen.Erst als auf der Leinwand der Zwischenstand vom Spiel Nürnberg gegen GE eingeblendet wurde, war es erstmals so richtig laut in allen Teilen des Stadions. Bezeichnend?
Dann muss halt der verlorene Sohn nachhelfen. Kurz vor dem Halbzeitpfiff schlug Sahin einen Freistoß aus dem Niemandsland auf Lewandowski, der unhaltbar zum Ausgleich einköpfte.Der vorher bereits von einigen Zuschauern auf der Osttribüne ausgepfiffene Sahin reagierte daraufhin standesgemäß, indem er mit einem Finger auf den Lippen zur Ruhe aufforderte (41.). Glück für die Borussia, dass Freiburg aus dem Hinspiel in puncto Standards nichts dazugelernt zu haben scheint. Und dass Sahin einfach eingroßer Spieler ist, der durch Pfiffe vielleicht nur noch stärker wird, zeigte sich dann nur drei Minuten später. Einen schönen Angriff über links vollendete er, indem er Reus zuvor kam und einen Kuba-Pass eiskalt versenkte.
Der BVB nun wie im Rausch und mit den wohl besten fünf Minuten der Saison. Denn kurz vor dem Halbzeitpfiff und nur eine Minute später nach der Führung wurde die nun total überforderte Scheissgau-Defensive endgültig auseinander genommen.Da kann Baumann auch noch so oft einfach stehen bleiben und so zweimal angeschossen werden. Am Ende haut ihn Lewandowski halt doch rein. Und machen wir uns doch nichts vor: Am schönsten sind die Resultate, wo sich alle Anwesenden fragen, wie das passieren konnte.Was natürlich überhaupt nicht geht, ist so ein Spielverlauf gegen die knuffigen Freiburger. Da muss man einfach mehr Mitleid haben als unsere Spieler, wenn auf den Rängen gerade die Fan-Freundschaft erneuert wird.
Baumann bleibt standhaft
Direkt nach Wiederbeginn hätte Reus dann die endgültige Entscheidung besorgen können, aber bis in die BVB-Kabine hat es sich wohl noch nicht rumgesprochen, dass Baumann einfach weiter konsequent nur stehen bleibt und so die Bälle „hält." Die nächsten zwanzig Minuten gab es dann den großen Thomas Doll-Gedächtnis-Verwaltungsfußball. Inzwischen beherrschen dieJungs aber auch diese taktische Finesse einigermaßen perfekt und ließen hinten wenig zu, während sie nach vorne die ottonische „kontrollierte Offensive" praktizierten. Zwar kam man immer wieder gefährlich in und an den SCF-Strafraum, doch konnten weder Reus (65.) noch Sahin (67.) die Führung auf drei Tore ausbauen. Und auch Götze (69.) war dies nicht vorbehalten. Er rechnete einfach nicht damit, dass Baumann die Kuba-Flanke passieren ließ.
Kurios wurde es nach siebzig Minuten, als Schiedsrichter Michael Weiner, für Borussen der „Wolfgang Stark des vorigen Jahrzehnts", nach einem Rempler gegen Götze auf den Punkt zeigte. Nach Kaffeeklatsch mit Christoph (Bornhorst) entschied er sich für einen Schiedsrichterball. Unkonventionell, aber insgesamt regelgerecht. Denn mit einem Spieler wie Nuri Sahin heute nutzt man einfach den nächsten Angriff. Der dominierende Mann nutzte einen erneuten Abwehrfehler der Freiburger artistisch zum 4:1.
Und weiter ging die große Gala. Der gerade eingewechselte Bittencourt durfte sich wohl einen Kindheitstraum erfüllen, dem er dem Sandmännchen Lewandowski zu 90 % zu verdanken hat. Denn der umkurvte auf links das gesamte Erzbistum Freiburg, ehe er uneigennützig den Ball quer legte. Der Sohn Franklins stocherte den Ball über die Linie (77.). An diesen Treffer mag ihn in Zukunft wohl der Pfostenabdruck auf einem seiner Hoden erinnern. Das sah durchaus schmerzhaft aus, aber das körpereigene Adrenalin nach diesem Erlebnis wird wohl den größten Schmerz vertrieben haben. Am Ende blieb es bei diesem nach 40 Minuten nie für möglich gehaltenen 5:1 und alle Borussen haben sich die Trainingspause am Sonntag redlich verdient, ehe uns nach der Länderspielpause der VfB aus Stuttgart zum Stelldichein bittet.
Die Fotostrecke gibt es wie gewohnt auf unserer BVB-Fotoseite unter diesem Link.
Und dann waren da noch...
... die Irritationen nach Schlusspfiff. Die schöne Stimmung so auf den Nullpunkt zu kriegen, stellt auch eine große Kunst dar. Erst wurde von einigen auf der Südtribüne gepfiffen, weil die Mannschaft sich nicht am inzwischen nur noch nervigen „Hinsetzen" beteiligen wollte, ehe Nuri Sahin als Spieler des Tages auch noch ein paar Pfiffe abbekam. Hat dieser es doch tatsächlich im Mannschaftssport Fußball gewagt, nicht noch einmal alleine zur Tribüne zu kommen. Da kann man nur sagen: Pfeifende Leute, geht zum SC Freiburg oder so was! Die klettern bestimmt nach einem 5:1 sogar noch auf den Zaun und rufen irgendwas ins Megafon. Aber so beendet man diese Gala-Vorstellung mit zumindest etwas Essig im Wein.
Stimmen zum Spiel
Dr. Reinhard Rauball: Freiburg hat toll und intensiv gespielt. Was Freiburg dazusammengebaut hat, verdient alle Achtung. Heute war es zunächst mal ein Sieg aller, die gespielt haben. Ich kann mir vorstellen, dass die Mannschaft auch aus diesen ersten vierzig Minuten lernt. Gerade, was die Vielzahl der Fehlpässe angeht.
Ilkay Gündogan: Ich glaube, Nuri und ich sind beides Spieler, die auf den Ball wollen. Es ist natürlich auch normal, dass man sich ein bisschen abstimmen muss, wer jetzt was macht in der Situation. Ich glaube, wir sind jetzt beide nicht von Grund auf die Defensivspieler schlechthin. Das haben wir uns beide noch etwas erarbeitet in den letzten Jahren. Deswegen war es ein Stück weit normal, dass wir gerade in der ersten Halbzeit nicht das spielen konnten, was wir drauf haben. Dafür haben wir das in der zweiten Halbzeit dann umso besser gemacht. Da hat dasZusammenspiel richtig, richtig gut funktioniert. Am Ende haben wir vielleicht um das eine oder andere Tor zu hoch, aber doch verdient gewonnen.
Daten zum Spiel
BVB (4-2-3-1): Weidenfeller – Piszczek, Subotic, Santana, Schmelzer – Gündogan,Sahin – Kuba (76. Großkreutz), Götze (76. Bittencourt), Reus (81.Schieber) – Lewandowski
Freiburg (4-2-2-1-1): Baumann – Sorg (78. Mujdza), Ginter, Krmas, Günter – Schuster (71. Diagne), Flum – Schmid, Caligiuri (81. Guede)– Kruse –Terrazzino
Tore: 0:1 Schmid (28.,Rechtsschuss, Vorarbeit Kruse), 1:1 Lewandowski (41., Kopfball, Sahin), 2:1 Sahin (44., Linksschuss, Kuba), 3:1 Lewandowski (45., ohne Vorarbeit), 4:1 Sahin (72., Linksschuss, ohne Vorarbeit), 5:1 Bittencourt (77., Rechtsschuss, Lewandowski)
SR: Weiner (Giesen, Assistenten: Grudzinski, Bornhorst, Vierter Mann: Kleve)
Zuschauer: 80.645 (ausverkauft)
Chancen: 11:2
Gelbe Karten: Subotic(74., übertriebener Ellbogeneinsatz im Luftzweikampf) - Schuster (40., Foulspiel), Mujdza (79., Ellbogenschlag)
Einzelbewertung
Roman Weidenfeller: Fantastische Laufleistung bei den BVB-Jubeltrauben 3 bis 5. Ansonsten wenig gefordert und beim Tor machtlos. Note 3.
Lukasz Piszczek: Nach hinten und vorne unauffällig. Biss sich am Ende sichtlich durch. Note 3.
Neven Subotic: Unaufgeregt und abgeklärt in den meisten Spielsituationen. Wurde am Ende aber auch nicht mehr gefordert. Note 2,5.
Felipe Santana: Ließ Schmid beim Gegentor aus den Augen. Ansonsten gerade in Halbzeit Zwei mit gewohnt kultiger Lässigkeit. Note 3.
Marcel Schmelzer: Gute Partie, wenngleich er gegen Schmid nicht mehr rettend eingreifen konnte. Offensiv immer stärker werdend. Note 2,5.
Ilkay Gündogan: Defensiv und im Spielaufbau so gut wie Sahin. Bahnt sich da eine neue Doppel-Sechs an? Note 2.
Nuri Sahin: Unsere Scouting-Abteilung macht echt gute Arbeit, so ein Talent irgendwo in Madrid oder Liverpool, Hauptsache Italien, entdeckt zu haben. Überragend. Ganz der Alte. Note 1.
Kuba: Grundsolider Part in der Offensive. Die Bühne gehörte heute anderen. Note 2.
Mario Götze: Überraschenderweise an keinem Treffer direkt beteiligt. Musste heute aber auch nicht die absolute Top-Form abrufen. Note 2.
Marco Reus: Siehe Götze. Note 2.
Robert Lewandowski: Was soll man dazu sagen? Note 1.
Die Einwechselspieler waren zu kurz auf dem Geläuf für eine Bewertung.
Malte D., 16.3.2013
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