Klassenunterschied im Kältekessel
Der BVB hat einen Raketenstart in die Rückrunde hingelegt. Werder Bremen wurde im Weserstadion gedemütigt und war am Ende mit einem 0:5 noch gut bedient. Den schwarzgelben Angriffswellen hatte der SVW zu keinem Zeitpunkt etwas entgegen zu setzen und nur der Dortmunder Übermut vor dem Tor verhinderte ein totales Debakel. Borussia hat ein klares Signal an die Konkurrenz gesendet, dass mit dieser Mannschaft noch zu rechnen sein wird.
Weil sie aus der Weser trinken
Eine erfreulich ereignislose WET-Fahrt führte uns zu den Fischköppen nach Bremen. Nachdem sich der Dortmunder Mob bereits am Hauptbahnhof aufgeteilt hatte, durfte unsere Reisegruppe ausnahmsweise nahezu ohne Begleitung durch Staatsdiener anreisen. Dementsprechend ausgelassen war auch die Stimmung im Zug. In der Privatbahn hinter Herford kämpfte sich zwar völlig gegen jede Regel ein eifriger Schaffner durch die Fanmassen, aber auch der musste irgendwann resignieren. Er merkte, dass man ihn von Pontius zu Pilatus schickte und verkündete dann, jetzt Tickets ausstellen zu wollen, die „keine Schnäppchen würden“. Diesen Worten ließ er aber dann doch keine Taten folgen. Am Ende wurde Bremen ohne das befürchtete Schneechaos und nahezu ohne Verspätung erreicht.
An der Weser empfing uns eine steife nordische Brise und so konnten sich die tapferen Donezk Reisenden schon mal an arktische Temperaturen gewöhnen, wobei die Ukraine in Sachen Temperatur sicher noch ganz andere Tiefpunkte bereithält. Trotz Stadionverbot für Nazis präsentierte sich der Gästeblock unterm Solarzellendach gut gefüllt und farbenfroh. Damit sind die Vorurteile von mancher/m Werder UltràIn wahrscheinlich ins Wanken geraten. Wir sind doch nicht alles Verfassungsfeinde in schwarzgelb, liebe Weltverbesserer. Bereits vor Anpfiff wurde weiteres Salz in die Wunden gestreut, denn mal wieder waren die Dortmunder unter dem Dach erheblich lauter als die grünen Hüpfer. Die Heimkurve sollte sich auch im weiteren Verlauf des Abends mehr auf die Präsentation von Spruchbändern als auf die Unterstützung der eigenen Mannschaft konzentrieren.
Jürgen Klopp ließ Heimkehrer Nuri Sahin wie angekündigt zunächst auf der Bank und auch der zuletzt angeschlagene Kuba Blaszczykowski begrüßte die Rückrunde im Sitzen. Aaron Hunt, der vom Werder Magazin „in der Form seines Lebens“ angekündigt wurde, stand daher die Robben-Verzweiflungs-Kombo Schmelzer/Großkreutz im Weg. Ansonsten entsprach die Aufstellung aber den Erwartungen. Auf der Bank begrüßte der Bremer Stadionsprecher auch unseren Ersatztorwart Michelle Langerak. Der selige Uli Behle nannte den Aussie ja gerne mal Michael, wenn er in der Roten Erde antrat, aber die weibliche Version hatte zumindest ich bislang noch in keinem Stadion gehört.
Erste Halbzeit – Der Sturm bricht los
Beide Teams gönnten sich eine kleine Abtastphase. Nach fünf Minuten schickte Gündogan mit einem Lupfer Marcel Schmelzer auf die Reise, der immerhin einen Eckball erkämpfen konnte. Der brachte aber nur einen Bremer Konter ein. Gündogan schien heute von Beginn an bemüht, den Beweis anzutreten, dass er auch den langen Ball im Repertoire hat. Dies gelang ihm auch vortrefflich. Vielleicht war das ja schon der erste positive Effekt der Sahin-Rückholaktion.
Sensation in Minute 8! Nach einem langen Ball von Weidenfeller ging Robert Lewandowski in den Zweikampf und behauptete den Ball, obwohl er regelwidrig attackiert wurde. Doch statt des üblichen Pfiffes wegen Stürmerfouls gab es tatsächlich mal einen Freistoß für Borussia. Danke für ihre Objektivität Herr Kircher! Marco Reus nahm aus 17 Metern Maß und versenkte den Ball mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit in die linke Ecke des Tores. Er bringt solche Aktionen so beiläufig, dass man leicht vergisst, wie schwierig sie eigentlich sind. Mit ihm hat Borussia eine völlig neue Qualität im Abschluss dazu gewonnen.
Im direkten Gegenzug hatte Werder aber sofort die Chance zum Ausgleich, doch Petersen war vor dem Tor zu eigensinnig und übersah den besser postierten Mitspieler. Wenn man dann nur einen Schuss Richtung Eckfahne hinbekommt, macht einen das bei den Mannschaftskameraden natürlich nicht unbedingt beliebter. Der BVB spielte mit der Führung im Rücken locker auf und Werder fiel nach vorne kaum etwas ein. Zehn Minuten plätscherte das Spiel dahin, dann schalteten die Schwarzgelben erneut einen Gang hoch.
Ein wunderbarer, raumöffnender Pass von Gündogan spielte Großkreutz frei. Der legte den Ball quer zu Götze und der nahm den kürzesten Weg zum Ziel. Er hämmerte den Ball aus 17 Metern direkt unter die Latte. Erneut konnte Mielitz dem Ball nur staunend hinterher schauen. Zu seiner Ehrenrettung muss man aber zugeben, dass der Schuss noch abgefälscht wurde. Die BVB Fans skandierten nun „Hier regiert der BVB“ und das stimmte ebenso für die Leistung auf dem Platz wie auf den Tribünen. Grün-Weiß war auch im Block in eine Schockstarre verfallen und selbst auf Höhe der Mittellinie kaum mehr zu hören. Insbesondere im Angriffspiel tat sich nun ein Klassenunterschied auf. Wo Dortmund schier unendliche Möglichkeiten hatte, offenbarte Werder ein einfallsloses und eindimensional angelegtes Spiel, das die Borussenabwehr nicht unter Druck setzen konnte. Hunt deutete als einziger Bremer so etwas wie spielerische Klasse an, aber auch er war weitgehend abgemeldet. Nach einer guten halben Stunde erarbeiteten sich die Grün-Weißen zwar eine Feldüberlegenheit, der Dortmunder Strafraum blieb aber eine No-Go-Area.
Bei Kontern blieb der BVB auch stets gefährlich. Götze zeigte dann, dass er noch kein Maradona ist. Sein Handspiel im Strafraum, mit dem er den Ball am herauslaufenden Mielitz vorbei spitzelte, war derart offensichtlich, dass Kircher gar keine andere Möglichkeit blieb, als ihm Gelb zu zeigen. Aus Berlin forderte Ermittler Dembowski sogar Rot, aber für fundierte Regelkenntnisse ist der olle Suffkopp noch nie bekannt gewesen. Es ging also weiter für den Dortmunder Wirbelwind. Der BVB Angriff machte nun aber den Fehler, sich an der eigenen spielerischen Überlegenheit zu berauschen. So ließ man die Chance liegen, Werder schon vor der Pause endgültig abzuschießen. Die 2:0 Führung zur Pause gab den Spielverlauf allerdings auch ziemlich akkurat wieder. Der BVB hatte in den ersten 45 Minuten zu jeder Zeit deutlich gemacht, dass Werder derzeit kein Gegner auf Augenhöhe ist.
Zweite Halbzeit – Der arktische Wind erreicht Orkanstärke
Kurz nach Wiederanpfiff wurde Lewandowski erneut gelegt. Diesmal schnappte sich Gündogan den Freistoß, verzog aber knapp. Kurz darauf gab es einen Eckball, den Reus maßgerecht auf Zorro Santana servierte. Der schraubte sich trotz lädierter Nase in die Luft und setzte den Kopfball ins Eck. Damit war die Messe gelesen, doch trotz arktischer Temperaturen musste hier ja noch gut 40 Minuten Fußball gespielt werden. Der BVB tat daher weiter alles, um die Herzen seiner frierenden Fans zu erwärmen. Auch das 3:0 schien noch nicht zu reichen, um den Hunger der Mannschaft zu stillen und so wurde das Bremer Tor weiter berannt. Manchmal wurde die Zauberei im Rausch etwas übertrieben und so durfte Petersen nochmal so etwas wie einen Warnschuss abfeuern, der aber weit am Ziel vorbei ging. Knut Kircher bewies weiter ein gutes Auge und pfiff ab, wenn Lewandowski gefoult wurde. Man würde es nicht so betonen, wenn es nicht solch eine Ausnahme wäre.
Es dauerte bis zur 59. Minute bis Roman Weidenfeller mal sein Können zeigen durfte, aber trotz der Kälte präsentierte er sich auf dem Posten und lenkte einen Kopfball von Petersen über die Latte. Die Bremer Ultras sendeten per Transparent einen Gruß an die ACU, die sich ja kürzlich aufgelöst hatten, weil sie von der eigenen Fanszene bekämpft wurden. Auch wenn ich mir mangels Durchblick keine Bewertung der Zustände in Aachen erlauben möchte, ist es auf jeden Fall eine traurige Entwicklung, wenn die Politik wichtiger wird als das Spiel, um das sich doch letztlich alles drehen sollte.
Der BVB zauberte einfach immer weiter. Lewandowski und Götze können sich nicht durchsetzen? Kein Problem! Schießt stattdessen halt Gündogan aus dem Hinterhalt. Leider ging der Ball wieder ein kleines Stück vorbei, denn es wäre ihm wirklich zu gönnen gewesen, seine grandiose Leistung mit einem Tor zu krönen. Der spielerische Klassenunterschied blieb zu jeder Zeit eklatant. Mit einer Spur mehr Zielstrebigkeit des BVB wäre hier schon nach 60 Minuten ein Debakel des SVW drin gewesen.
Die Anzeigentafel zeigte das ganze Spiel über -5 Grad an, obwohl es kälter und kälter wurde. Der ständige Wind trug dazu bei, dass man sich jenseits des Polarkreises wähnte. Zum Glück kam ab und zu eine warme Brise von Boris Ruperts Heizlüfter(!) bei mir an. Der Mann ist einfach auf alle Bedingungen bestens vorbereitet. Als dann die Deutschen Meister zum Aufstehen aufgefordert wurden, konnte man mal wieder erkennen, wie populär der BVB derzeit ist. Fast im ganzen Rund des Weserstadions erhoben sich schwarzgelbe Menschen. Die deutschen Meister auf dem Rasen ließen es nun eine Spur gemächlicher angehen. Werder hatte aber längst jede Hoffnung fahren gelassen und so verflachte die Partie mehr und mehr. Jürgen Klopp blies auch zum Rückzug und brachte Zerstörer Bender für den Gestalter Götze. Der Gästeblock stimmte nun auch besinnliche Weisen an: Leuchte auf…schallte es durch das ansonsten stille Stadionrund, während die Bremer Fans in Scharen das Weite suchten.
Jeder weiß, dass es den sicheren Erfrierungstod bedeutet, wenn man in der Kälte einschlummert. Da dem BVB die Gesundheit seiner Fans am Herzen liegt, schossen sie mitten in die Besinnlichkeit den nächsten Treffer. Diesmal durfte Robert Lewandowski eine Kombination vollenden, die wie auf der Taktiktafel gezeichnet wirkte. Die Bremer standen aber auch ähnlich teilnahmslos auf dem Platz wie die Plastikmännchen vom Trainingsplatz. Den tödlichen Pass hatte sein Landsmann Piszczek gespielt. Dann wurde es nochmal richtig laut in der Gästekurve, denn der verlorene Sohn machte sich zur Einwechslung bereit. Unter lauten „Nuri, Nuri“ Rufen löste Sahin Kapitän Kehl ab. Und kaum hatte der den Rasen betreten, war der Ball auch schon wieder im Netz. Wieder setzte Piszczek einen Landsmann ein. Diesmal war Kuba der Adressat und der machte die Demütigung der Bremer komplett. „Einer geht noch rein“ forderten die BVB Fans nun und die Mannschaft schien ihnen diesen Wunsch tatsächlich erfüllen zu wollen. Erbarmungslos wurde das Bremer Tor weiter berannt, aber Hummels und Lewandowski konnten sich nicht einigen, wer den nächsten Treffer machen sollte. Jeder wollte dem Mannschaftskollegen den Vortritt lassen und dann war die Chance vertan. Kurz darauf folgte dann der Abpfiff.
Nun hasteten auch die Dortmunder Fans aus dem Stadion Richtung Hauptbahnhof und jeder war froh, als er den warmen Sonderzug erreicht hatte. Doch auch in der schlimmsten Kälte, konnte man sich genügend warme Gedanken machen. Denn wenn die Rückrunde nur halbwegs das hält, was dieses Spiel versprochen hat, dann stehen uns ein paar goldene Monate bevor. Selbst Projekt 81 lebt noch. Es spukte nur noch ein einziger leiser Zweifel auf der Rückfahrt in die Bierstadt in den Köpfen der Supporter herum: Sind wir wirklich so gut oder war Bremen heute dermaßen schlecht? Ob diese Frage nächste Woche gegen Nürnberg schon geklärt werden kann, ist zweifelhaft. Nach der Partie in Leverkusen sind wir sicher schlauer.
Die Fotostrecke zum Auswärtssieg findet Ihr wie gewohnt auf unserer BVB-Fotoseite unter diesem Link.
Statistik
Werder: Mielitz – Sokratis, Prödl (54. Yildirim), Schmitz – Junuzovic – Fritz, Hunt – De Bruyne, Elia (78. Ignjovski) – Petersen (70. Akpala)
BVB: Weidenfeller – Piszczek, Santana, Hummels, Schmelzer – Gündogan, Kehl (83. Sahin) – Reus (71. Blaszczykowski), Götze (76. Bender), Großkreutz – Lewandowski
Tore: 0:1 Reus (9., dir. Freistoß, Lewandowski), 0:2 Götze (19., Großkreutz), 0:3 Santana (48., Ecke Reus), 0:4 Lewandowski (81., Piszczek), 0:5 Blaszczykowski (85., Piszczek)
Zuschauer: 42.100 – natürlich ausverkauft, der Meister war zu Gast
Web 19.01.2013