...dem BVB-Fanclubs "BVB Süd-Winners: Proletensport, Pralinen und Manneken pis
Das 15-jährige Jubiläum des belgischen BVB-Fanclubs "BVB Süd-Winners" steht dieses Jahr an und so haben wir uns zusammen mit Frederik aus Belgien aufgemacht, den Fanclub mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Gerade organisierte Anhänger, die ihre Zelte nicht direkt um die Ecke aufgeschlagen haben, wissen so einige Dinge über die Borussia zu erzählen, die sich nicht unbedingt im Alltag der Masse der BVB-Anhängerschaft wiederfinden, aber durchaus wert sind, mal beleuchtet zu werden. Und wir wagen einen kleinen Blick über den Tellerrand und begeben uns auf einen kleinen Abstecher abseits des Ballspielvereins ins Land der Pralinen und des "Manneken pis".
schwatzgelb.de: Hallo Frederik, bevor wir zu den Süd-Winners kommen, gehen wir zu Beginn einfach mal ein Stück weit zurück. Erzähl doch mal wie du überhaupt auf die Borussia gekommen bist.
Frederik: Bei mir war das so, dass ich als Kind schon den deutschen Fußball im Fernsehen verfolgt habe, da Jean-Marie Pfaff, der Torwart meines damaligen belgischen Lieblingsvereins SK Beveren, zu Bayern nach München gewechselt ist. Bei den Übertragungen der Bundesliga sah man ja immer die Bilder von den Tribünen und die Süd hat mich schon damals so fasziniert, dass ich mir sagte, dass auch ich dort eines Tages mal stehen möchte. Das solte dann auch klappen, zufällig an meinem 18. Geburtstag im Jahr 1996.
schwatzgelb.de: Und wie sieht das bei den anderen aus?
Frederik: Da müsstest du natürlich am besten die anderen Jungs selbst fragen. Einige sind wohl einfach zufällig beim BVB gelandet. Angesprochen von den Farben oder beim Besuch des ersten Spiels mit Anderlecht damals noch in den 80'ern. Andere haben früher aber auch einfach nur in der Nähe gelebt und waren z.B. bei den Streitkräften in Soest stationiert.
schwatzgelb.de: Und da ist man sich dann über den Weg gelaufen und hat gemerkt, dass es doch einige Gleichgesinnte aus dem Nachbarland gibt oder wie kann man sich das vorstellen?
Frederik: Ja, nach 2 Jahren waren einige Leute aus Belgien zusammengekommen, die schon eine gewisse Zeit zur Borussia gegangen sind. Man hatte sich halt in dieser Zeit kennengelernt und so habe ich mich 1998 entschieden, einen BVB Fanclub zu gründen. Am Anfang waren wir 20 Leute und haben das auch bewusst ziemlich klein und intim gehalten. Zumindest für die ersten Jahre.
schwatzgeb.de: Bei der kleinen intimen Gruppe ist es dann ja nun nicht geblieben. Erzähl ma.
Frederik: Naja, wir sind einfach viel zusammen gefahren und sind dabei stetig gewachsen. Natürlich auch speziell in den letzten Jahren, sodass wir jetzt 228 Mitglieder aus ganz Belgien haben.
Fußball verbindet halt
schwatzgelb.de: Stichwort Belgien, das ja als Vielsprachenland mit doch sehr unterschiedlich regional verwurzelten Landsleuten gilt. Wie sieht das denn bei euch im Fanclub aus?
Frederik: Die meisten von uns wohnen zwar in Flandern und sprechen somit Flämisch, was mit Niederländisch identisch ist, aber den schöneren Akzent besitzt. Es gibt aber auch Leute aus dem Süden des Landes, Wallonien also, die Franzözisch sprechen. Auch wenn viele behaupten, wir können uns nicht leiden, stimmt das überhaupt nicht, denn das klappt wunderbar. Fußball verbindet halt.
schwatzgelb.de: Und warum ist es für euch denn dann kein belgischer Club geworden, dem ihr euch verschrieben habt? Ich werfe da einfach mal das Stichwort "Support your local team" in den Raum.
Frederik: Wir sind/waren alle Fans von einem belgischen Club, aber die meisten haben das mit den Jahren eigentlich völlig aufgegeben, da einfach nur noch wenig Zeit bleibt, diese Mannschaften aktiv zu unterstützen. Ausserdem, wenn man jetzt in ein belgisches Stadion geht, naja, da fehlt einem doch was. Die Stimmung ist bei den meisten Spielen dramatisch schlecht und da reden wir noch gar nicht über die Qualität des Fussballs.
schwatzgelb.de: Wie muss man sich denn den aktuellen Zustand im belgischen Fußball vorstellen?
Frederik: Nun, fantechnisch gibt es nur ganz wenige gute Szenen, die Stadien sind alt. Auch wenn manche noch ein gewissen Charme haben. Der Bosuil in Antwerpen z.B. ist sehr empfehlenswert zum Groundhopping. Das aber nur am Rande. Es gibt das unfassbar blöde Play-Off System, auf das es sich gar nicht lohnt, genauer drauf einzugehen, so kompliziert ist das.
Also im Allgemeinen hat der belgische Fussball, wie er heute besteht, schon ein grosses Problem, auch wenn unsere Nationalmannschaft im Moment ganz groß aufspielt. Aber die Jungs spielen ja alle im Ausland. Und um die Spieler in der Heimat zu halten, ist in der belgischen Liga einfach kein Geld vorhanden. Ich denke, dass ein Umdenken in Richtung Beneliga oder z.B. eine Anpassung an das System wie in Schottland zwingend notwendig sein wird. Belgien ist einfach zu klein für das heutige System.
schwatzgelb.de: Jetzt sind wir doch etwas abgeschweift, also zurück zu den Süd-Winners. Wie seid ihr, bzw. du eigentlich auf den nicht so ganz landläufigen Namen gekommen?
Frederik: Ja, der Name Süd-Winners. Das ist schon etwas komisch und jetzt vielleicht auch etwas blöd, da der teils geklaut ist. Seis drum. Ich hatte damals eine Freundin in Marseille, hatte die öfter mal besucht und hatte/habe auch schon gewisse Sympathien für OM. Und dort gibt es wie vermutlich bekannt die Ultragruppe "South-Winners". Da war dann der Bogen hin zur Südtribüne schnell gespannt. Mit 20 Jahren habe ich allerdings auch nicht weiter drüber nachgedacht, dass das nicht wirklich originell war.
Treffpunkt in Antwerpen
schwatzgelb.de: Nähern wir uns mal weiter der Borussia. Wie sieht für euch denn so der typische Besuch eines Heimspiels aus? Wie macht ihr euch auf den Weg? Habt ihr irgendwelche speziellen Spieltagsrituale?
Frederik: Da wir ja eigentlich aus fast jeder Ecke Belgiens kommen, treffen wir uns immer in Antwerpen, wo wir mit verschiedenen Autos losfahren. Kommt halt drauf an, wieviele wir sind. Die PKW-Fahrten mit Schlagerfestival sind auf jeden Fall legendär. 6 Mal pro Saison organisieren wir aber auch eine Busfahrt. Unser Treffpunkt in Dortmund ist dann die Gaststätte "Zur Sonne" am ersten Tisch rechts . Von da aus geht es dann für die Dauerkarteninhaber ins Stadion direkt in den Block 12.
schwatzgelb.de: Und wie sieht dann euer typischer Auswärtsspiel-Spieltag aus?
Frederik: Das hängt natürlich vom Gegner ab. Geht es mit dem Auto, gibt es meistens den gleichen Treffpunkt in Antwerpen. Oft fahren wir aber auch mit dem Zug oder sind mit dem Flugzeug (Berlin, München und International) unterwegs. Auch hier gilt: bei jedem Auswärtsspiel, ob es jetzt Pokal, Bundesliga oder Champions Legaue ist, sind wir vertreten. Manchmal sogar bei den Amateuren. So war Filip letztens z.B. erst in Rostock anstatt beim Spiel gegen den HSV.
Frederik: Insgesamt werden wir immer sehr gut und positiv empfangen. Die Leute verstehen es manchmal einfach nur nicht, warum wir immer aus Belgien nach Dortmund anreisen oder die langen Auswärtsspiele auf uns nehmen. Wir haben grundsätzlich schon einige nette Bekanntschaften in und außerhalb von Dortmund gemacht. Abneigung gibt es eigentlich selten, auch wenn manche nicht immer verstehen, wieso wir als Belgier Karten zugeteilt bekommen.
schwatzgelb.de: Und wie schaut es auf der Seite des Vereins aus?
Frederik: Auch vom Verein selbst wird uns immer sehr geholfen. Vielen Dank an dieser Stelle an die Fanbetreuung! Da dürfen wir uns absolut nicht beschweren.
schwatzgelb.de: Auch die Stadt Dortmund hat es euch angetan, wie ich gehört habe. Das dürfte einen Heimspieltag dann ja vollends abrunden.
Frederik: Ja, nicht nur der BVB hat einen Platz in unseren belgischen Herzen erobert. Auch die Stadt. So fahren einige von uns einfach mal zum Shopping nach Dortmund (man muss der Frau ja auch mal was bieten), einige lesen täglich die lokalen Nachrichten abseits des Fussballs. Es gibt da einfach eine große Verbindung.
schwatzgelb.de: Kannst du uns wohl abschließend noch einen kleinen Ausblick in die Zukunft geben, was den Fanclub betrifft? Also mögliche Ziele, auch was die Entwicklung der Mitgliederzahlen betrifft, seid ihr damit zufrieden? Du hattest ja anfangs angesprochen, dass ihr das lange Zeit klein gehalten habt.
Frederik: Sehr gute, aber schwere Frage, die wir uns gerade auch selber stellen. Da bin ich ziemlich zwiegespalten. Auf der eine Seite sind wir sehr stolz drauf, wie plötzlich alle am BVB interessiert sind, wie wir plötzlich von überall Anfragen bekommen, um Mitglied zu werden. Letztes Jahr kam vorm Finale sogar das nationale Radio (Sporza) für ein Interview bei uns vorbei.
Leider gibt es da aber auch einige Nachteile. Viele wollen von uns einfach nur Tickets. Da frage ich mich immer: wo waren die denn früher alle? Es wird auch unpersönlicher, da es unmöglich geworden ist noch alle kennenzulernen. Das finde ich schon schade. Mal abwarten, was die Zukunft bringt!
schwatzgelb.de dankt für die kleinen Einblicke und gratuliert zu den 15 Jahren des Bestehens mit einem: Toutes nos félicitations pour vôtre anniversaire. Van harte gefeliciteerd met jullie jubileum! Herzlichen Glückwunsch zu Eurem Jubiläum.
Zur Person: Frederik Michiels ist 35 Jahre alt und arbeitet bei der belgischen Eisenbahn, ist verheiratet und Vater von Söhnen, die "nie blaue Klamotten tragen" werden, wie er sagt.
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