Dann geht doch zum Hallenhalma!
Die gestrige Titelseite im Sportteil der Westfälischen Rundschau war für alle leidenschaftlichen Borussen nur schwer zu ertragen. Es sei denn, man benötigte kurzfristig eine große Portion Moralin. Wie die WR alle Emotionen aus dem Fußball tilgen will und warum das nicht sein sollte. Eine Medienkritik von unserem Redakteur Malte D.
In der 120. Minute in Fürth erlebten wir Borussen wohl einen emotionalen Jubel, der in den letzten Jahren seinesgleichen sucht. Ausgerechnet der Ex-Nürnberger Ilkay Gündogan schoss unter gütiger Mithilfe der gerade eingewechselten Jasmin F. den entscheidenden Treffer in Fürth und ermöglichte uns allen ein Wochenende in Berlin Mitte Mai.
Doch nicht nur wir Fans auf der Tribüne oder vor den heimischen Bildschirmen ließen nach diesem historischen Treffer unseren Emotionen freien Lauf. Auch Spielern und Trainer unseres BVB erging es so. Kevin Großkreutz fragte den ewigen Zweiten und Fast-B 1-Bezwinger Gerald Asamoah, wie oft er denn eigentlich schon Meister geworden sei und jubelte voller Adrenalin vor ihm.
Jürgen Klopp machte an der Seiten Gesten, die dem vermeintlichen Taktikfuchs Mike "Ich muss eben damit leben, nur Meister der Herzen zu sein" Büskens signalisierten, dass seine Torwart-Einwechslung vielleicht doch nicht so schlau gewesen ist. Und nach dem Spiel schallten aus der BVB-Kabine Gesänge wie "Torwartwechsel, Torwartwechsel, hey, hey", die Kleeblatt-Manager Azzouzi respektlos vorkamen.
Diese unglaublichen Skandale waren dem Sport-Chef der WAZ, Dirk Graalmann, ein solcher Dorn im Auge, dass er sich bemüßigt fühlte, seinen Lesern einen Schluck aus der Moralinflasche abzugeben. Seine Kollegen füllten den Rest der Seite unter dem Titel "Momente der Provokation" mit einem Artikel über die Kevin-Asamoah-Auseinandersetzung. Links noch eine mittelmäßig lustige Glosse eines vierten Schreibers, die zudem noch sachlich falsch ist, denn Jimmy Glass erzielte das damalige Tor per Fuß und nicht per Kopf. Fertig ist eine Seite, die neben dem Spiel an sich hauptsächlich von den vermeintlichen Skandalen der Partie geprägt wurde.
Was ist nun davon zu halten? Wer selber Fußball gespielt hat, der weiß, was ein Tor in der allerletzten Sekunde für Emotionen auf beiden Seiten bewirken kann. Selbst in der Kreisliga B. Und hier hilft ein Blick auf den Konjunktiv. Denn wenn die Jasmin im Elfmeterschießen erfolgreich gewesen wäre, hätten alle Büskens für seinen fantastischen Wechseltrick gelobt und ihn in den Trainer-Olymp zu Mourinho und Guardiola gehoben.
Kommen wir zum Konflikt zwischen Großkreutz und Asamoah. Natürlich muss man das nicht machen, aber dass sich ein Asamoah seit Jahren zum Opfer stilisiert, wenn es gegen den BVB geht, ist einfach nur noch lächerlich. Wer hat denn markige Sprüche über den Meistermarsch auf der B 1 gemacht? Und wo war eigentlich Herr Graalmann mit seiner Moralkeule, als Asamoah in Richtung der schwatzgelben Borussenfans die Halsabschneider-Geste gemacht hat? Und wenn man sich dann so wie Kevin mit Leib und Seele mit dem Verein Borussia Dortmund identifiziert, muss man sich auch über dessen Jubel nicht wundern.
Endgültig absurd wird es dann, wenn die angeblich respektlosen Gesänge "Torwartwechsel, Torwartwechsel, hey, hey" von Graalmann thematisiert werden. Wo ist hier die Unsportlichkeit und das angeblich schlechte Verhalten zu sehen? Wir haben hier keine Beleidigung des Gegners, keine rassistischen oder homophoben Schmähgesänge, sondern lediglich die fast schon kindliche Freude über einen total in die Hose gegangenen taktischen Kniff.
Mir ist der Name Dirk Graalmann erstmals im Kicker vor einigen Jahren aufgefallen. Dort hat er über Fortuna Köln berichtet. Zumindest hinsichtlich seiner Kommentare hat er deren aktuelles Niveau inzwischen auch erreicht. Mittleres Regionalliganiveau. Aber dafür schießen die auch in der 120. Minute nicht das entscheidende Tor zum Pokalfinale.
Malte D., 23.3.2012