Schuster bleib bei Deinen Leisten
Ich hab da mal ein paar Fragen: Was nehmt ihr euch eigentlich raus? Wie könnt ihr nur so unverschämt sein? Dieser geile Sport verdient seine Fans! Findet ihr das eigentlich alles zielführend? Was wollt ihr damit erreichen? Muss das sein, dieses ständige unqualifizierte Dagegensein? Die beiden Seiten müssen endlich wieder miteinander reden?
Ich meine nicht euch, Fans von Borussia Dortmund. Ich meine Sie, Herr Watzke, Herr Klopp, Herr Reus, und alle anderen Verantwortlichen für den Fußballsport bei Borussia Dortmund.
Hallo! Hier spricht Ihre Folklore! Hier spricht ein Fan, der gegen ihr seltsames Verständnis von Fußballfans, nämlich einer dummdoofen Masse plumper Hardliner, anzustinken versucht. Jemand, der kein Gewalttäter und kein Pyrotechniker ist und dieses Papier der DFL trotzdem Scheisse findet (uups, Herr Watzke)! Hier spricht ein Fan, dem das kalte Kotzen kommt, wenn ein nichtswissender Jüngling wie Herr Reus sich herausnimmt über uns zu urteilen. Ohne zu wissen, worum es hier geht, und nur weil die Rahmenbedingungen für sein von Verhätschelungen und tausendfacher Zuneigung geprägtes Millionärsleben am Samstagnachmittag getrübt sind. Ein Millionärsleben, das wir ihm im Übrigen erst ermöglichen und für das er sich wenns hochkommt mit lustlosen Autogrammstunden bei Fanweihnachtsfeiern bedankt. Da kommts mir auch hoch!
Mir stinkt das so gewaltig, genauso wie es mir stinkt, dass ich gerade in diesen Tagen als Fan im Stadion meine Fresse halten muss, weil ich ja selbst und aus meinem inneren Antrieb viel lieber den Ansprüchen der feinen Herren an die Folklore genügen und mir die Seele aus dem Leib schreien würde. Ich tue es nicht und schweige, weil mir eine Sache am Herzen liegt: Mein Fansein, dass ich so sehr liebe.
Liebe Spieler, liebe Verantwortliche, merkt ihr eigentlich noch was? Wir werden für das, was wir tun, für die Wertschöpfung, für die Leidenschaft, für das Schaffen eurer Marketinginstrumente – die Stimmung im Stadion, für treue Ergebenheit auch in absoluten Scheiß-Zeiten, für unsere Zehntausende von Kilometern, die wir euch hinterherreisen, nicht bezahlt! Und ihr verlangt von uns ernsthaft, wir mögen doch bitte sofort wieder singend zur Tagesordnung übergehen, eurem Bild des konsumierenden Heititei-Fußballfans entsprechen und einfach weitersingen, als wäre nix gewesen? Ganz so, als hättet ihr uns nicht ein weiteres Mal brüskiert, vor den Kopf gestoßen, uns in die Magengrube getreten, kurzum: uns verarscht, als ihr am 12.12.2012 euer Ja-Wort zur „Agenda Friedrich 2012" gabt? Scheiße, wenn aus der Folkore die Volklore wird, wa?
Wäre mein Mageninhalt nicht längst von den Kommentaren am 12.12.2012 in der Toilette, spätestens beim Hören eurer Kommentare nach den Spielen zu unserem Protest, landete er eben dort. Solange, bis alles raus ist! Hohoho, der großartige Protest „12:12" wurde von den Medien gelobt. Hohoho, Fans durften endlich sprechen. Auweia, und die können sich auch noch artikulieren, wer hätte das gedacht! Tja, das ham wir gelernt, als wir unter den Bäumen am Borsigplatz großgezogen wurden. Aber nach einer Woche, die ihr uns zugehört habt, muss auch mal wieder gut sein. Die Medien haben das Thema jetzt durchgenudelt, und wenn die schon nicht einmal mehr berichten, kann das ja alles gar nicht so schlimm gewesen sein.
Wir Fans halten uns aber nicht an den Zyklus hysterisch gewachsener und wieder geschrumpfter pseudotiefgründiger Berichterstattungen und positive Rückmeldungen aus der Öffentlichkeit. Wir ruhen uns nicht aus im trügerischen Glanz des neu gewonnenen Fanselbstbewusstseins und freuen uns allein an der Tatsache, dass man uns wenigstens mal erwähnt. Wir wollen mitreden. Von Anfang an. Wir wollen nicht, dass die DFL daherkommt und sagt: „Ich beschränke dich jetzt in deinen Rechten, aber du darfst mit entscheiden, wie ich dich beschränke." Wir wollen ernst genommen werden. Dauerhaft. Und nicht nur, wenn wir wieder einmal zufällig auch einen kleinen Strahl des Scheinwerferlichts der Medien abbekommen und unsere Befindlichkeiten in die Öffentlichkeit tragen. Kapiert das endlich. Vielleicht beginnt ihr dann auch nach Jahrzehnten, uns zu verstehen. Uns, die wir uns seit Urzeiten in Rückzugsgefechten befinden, wenn es darum geht, die Fankultur zu schützen, oder auch einfach nur darum, dass wir in unserer Rolle als Fan lediglich die normalen Bürgerrechte einfordern. So, und jetzt mal unter uns: Was wird wohl geschehen in den nächsten Wochen?
Kleiner Schubser in den Rücken, Kellertür zu, Hände über eure Augen, Ohren und die Münder der Fans. Ein Monat Protest muss reichen, alles weitere ist übertrieben und schadet der Hubba-Bubba-Welt Bundesliga und der eurigen. Da kommt doch die Winterpause wie gelegen. Ein paar Transfergerüchte und Trainerentlassungen später kümmert sich doch keine Sau mehr um dieses Papier und vor allem darum, wie es entstand. Der Schnee tut sein übriges. Und selbst wenn der geschmolzen ist, siehse die Kacke noch nicht, die DFL und Vereine und Politik da verbockt haben. Es geht hier schon lange nicht mehr bloß um einzelne Anträge in diesem tollen Konzept, es geht um uns und um euch und darum, dass ihr uns nicht mehr von oben herab tätschelt und ab und an mal ein Bonbon fallen lasst.
Sonntag in Hoffenheim, das ist euer Fußball der Zukunft. Wohl keine Fanschar ist besser geeignet als Super-Hoffe, um euch vor Augen zu führen, wie die Fans der Zukunft, eurer Zukunft, wie ihr sie euch gerade baut, aussehen. Wollt ihr das? Anscheinend ja nicht. Also redet mit uns! Wir wollen nicht immer die Bittsteller sein und uns anbiedern. Aber wir sind von euch in diese Rolle gedrängt worden. Dass wir es aus dieser Nische heraus trotzdem geschafft haben, Aufmerksamkeit zu erregen, dürfte euch ordentlich wurmen. Allerdings ist das, was in Deutschland gerade abgeht, schlicht und ergreifend eine Lose-Lose-Situation. Also kommentiert das, was auf den Rängen gerade passiert, oder eben auch nicht passiert, nicht mit lapidaren Floskeln. Vielleicht tragt ihr ja mal etwas dazu bei, dass wir wieder voller Inbrunst für euch singen, weil man uns endlich mal zugehört hat? Wie wärs? Ich erkläre gerne jedem Spieler einzeln, warum wir das tun, was wir gerade tun.
Und zum Abschluss ein kleiner letzter Appell bevor ich mich wieder auf die Toilette verdrücke: Redet mit uns, nicht über uns! Gebt uns wenigstens das Gefühl eines Dialogs auf Augenhöhe und nicht eines Dialogs auf Höhe der Schuhsohle, die wir Fans dann aber bitteschön nur von unten sehen dürfen. Macht unseren Protest nicht durch eure teilweise vor Nichtwissen strotzenden Kommentare und bewusste Aufwiegelungen der Fans gegeneinander kaputt. Wir sind gewillt, einen Dialog wieder aufzunehmen, auch wenn der 12.12.2012 für uns der 121212. Rückschlag im Kampf um den Erhalt einer lebenswerten Fankultur war. Ihr wisst ja, wo ihr uns finden könnt. Ansonsten lautet mein Rat: Kümmert euch um die Sache, von der ihr wahrhaftig und offensichtlich etwas versteht: Den Fußball.
Jakob; 18.12.2012