"Alternativen sind Mangelware."
Anscheinend auch im deutschen Fußball, wo sich der Bundestrainer Joachim Löw bedauerlicherweise mit so einem Nichtskönner wie Marcel Schmelzer begnügen muss. Dummerweise kann er sich nämlich keinen fähigeren Spieler auf der linken Abwehrseite schnitzen, so Löw im O-Ton. Also muss man mit Marcel nun ein paar Monate arbeiten und das Beste hoffen.
Ja, man mag es kaum glauben, aber ohne Not gab es heute diese Aussagen, wo erneut auf Schmelzers Leistung in Bezug auf das Österreich Spiel herumgehackt wurde. Nun soll hier gar nicht über diese diskutiert werden, aber die Frage sei erlaubt, wieso der Bundestrainer erneut mit dieser Schärfe gegen den Dortmunder Spieler angeht.
Die Frage ist, wieso man überhaupt einen Spieler so an den Pranger stellt. Was bezweckt man damit? Möchte er Schmelzer für das morgige Spiel anstacheln? Menschen zu reizen und zu kitzeln ist die eine Sache, ihnen jegliches Selbstvertrauen zu nehmen und sie als Versager oder momentan einzige unwürdige Lösung zu titulieren ist aber nur eines – ganz mieser Stil.
Nach erstem Unglauben kommt da die Wut und man möchte Schmelzer den Rat geben, den ganzen Mist hinzuschmeißen. Würde mein Chef so mit mir oder über mich reden, könnte er seinen Scheiß nämlich gefälligst auch selber machen. Aber ist die erste Empörung verraucht, wird klar, dass es so einfach nun mal auch nicht ist. Hier geht es um die Karriere in der Deutschen Nationalmannschaft und die kann schneller für immer zu Ende sein, als einem lieb ist.
Natürlich ist einem der „eigene“ Spieler immer näher als jemand von einem anderen Verein, aber diese Art von Menschenführung sollte jeder anprangern. Scheinbar muss der Bundestrainer so seine eigene Unzulänglichkeit verarbeiten. Jemand, der mit seinen eigenen Leistungen und seiner Arbeit im Reinen ist, hat so etwas nicht nötig.
Nur über gewisse Fehlentscheidungen, wie z.B. einen für jeden ersichtlich angeschlagenen Bastian Schweinsteiger, durch die komplette EM zu „schleppen“, wird natürlich nicht öffentlich geredet, weil man tatsächlich einmal eigene Fehler zugeben müsste. Stattdessen steckt man den schwarzen Peter einem weiteren Dortmunder Spieler in Person von Mats Hummels zu, der selbstredend das Spiel gegen Italien ganz alleine verloren hat.
Auch wenn ich als Borussin da von mir aus die schwatz-gelbe Brille auf habe, muss jedem, der nur ein bisschen genauer hinsieht doch auffallen, wie hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Schuld sind immer die anderen. Jeder sollte sich kritisch betrachten. Auch ein Marcel Schmelzer, aber eben auch ein Joachim Löw. Immerhin führt er das Team und sollte sich überlegen, wieso Spieler bei ihren Vereinen ein so dermaßen anderes Gesicht zeigen. Entweder man kann nun kicken oder man kann es nicht.
Nach so einer öffentlichen Demontage ist auch der Verein gefragt. Klopp sollte sich vielleicht zurückhalten. Die Journalisten finden es ja momentan besonders komisch, sich darüber aufzuregen, dass er es nicht lustig findet, wenn sich drei Spieler in einem Spiel verletzen und er danach vielleicht nicht ganz so tolle Laune hat. Aber wir müssen uns nicht alles gefallen lassen. Löw ist nicht der Papst und sein Wort ist kein Gesetz.
Das mit dem Schnitzen und den Alternativen ist tatsächlich so eine Sache, denn leider haben wir Fans auch keine und müssen uns mit Herrn Löw begnügen. Ich würde mir wünschen, dass andere Spieler der Nationalmannschaft mal etwas dazu sagen, aber Wahrheiten auszusprechen, ist auch nicht immer das Schlaueste. Immerhin ist deswegen Mats Hummels bereits als Stinkstiefel verschrien. Komischerweise nur beim DFB, beim BVB wird er wegen seiner Intelligenz und Ehrlichkeit bei Mannschaft und Fans geschätzt.
Nach einigen Minuten des Nachdenkens und Schreibens bleibt letztlich nur zu sagen, dass Löw sich mit diesen Aussagen selbst demontiert hat und sie eigentlich nicht die Zeit wert sind, sich überhaupt damit zu beschäftigen. Aber zumindest bis Juli 2014 haben wir wahrscheinlich keine Alternative, wenn wir nicht alles hinnehmen wollen. Vielleicht bietet die Dortmunder VHS bei verstärkter Nachfrage ja auch Schnitzkurse an. Man soll nie aufgeben!
Steffi, 11.10.2012