Scheitern wir an unserer Fairness?
„Merke: Anständig wird Meister!“, titelte bundesliga.de nach der letzten Saison und meint damit, dass unser BVB nicht nur in der Punktetabelle, sondern auch in der Fairplay-Tabelle mit großem Abstand Platz 1 errang. Seit mehreren Spielzeiten stellen wir die fairste Mannschaft der Bundesliga. Doch dies ist momentan eher ärgerlich, denn der ein oder andere Schiedsrichter scheint zu glauben, dass so viel Fairness nicht realistisch sein kann und pfeift unserem Stürmer Robert Lewandowski so ziemlich jede Zweikampfaktion ab. Gleichzeitig treten unsere Gegner wie bis in die Haarspitzen mit Adrenalin vollgepumpte Kampftruppen auf. Sie rennen sich nicht nur die Lunge aus dem Hals, sondern treten auch noch ordentlich dazwischen. Es nervt so langsam.
Erinnern wir uns an den letzten Sonntag. Mario Götze ist mal wieder viel zu schnell für die eher hüftsteife Hintermannschaft von Hannover 96. Er will gerade mit Ball in den Strafraum eindringen, als ihm ein 96er (ich glaube, es war Stindl) einfach von hinten die Beine weg trat. So wie früher auf dem Pausenhof, wenn man dem unbeliebten Klassenschleimer eins auswischen wollte und ihm einfach mal über die eigenen Beine stolpern ließ. Weil es ja für kurzfristigen Spaß sorgt. Schiedsrichter Gagelmann stürmte auch wie von der Tarantel gestochen auf die Beteiligten der Szene zu. Aber anstatt dem unfairen 96-Klopper, der nie im Sinn hatte, die Offensivaktion von Götze fair zu beenden, die Rote Karte zu zeigen, wedelte Gagelmann mit Gelb. Das wäre ja nicht so schlimm, wenn nicht kurz vorher Neven Subotic in einem harmlosen Luftkampf zurückgepfiffen worden wäre. Sekunden später erzielte Hannover das 1:1. Nicht unverdient, wenn man den Spielverlauf zu Grunde legt, aber aufgrund des merkwürdigen Pfiffes und daraus resultierenden Freistoßes sehr ärgerlich.
Das waren nur zwei Szenen, die für zumindest etwas Unverständnis in den letzten Wochen sorgten, was Schiedsrichterleistungen und Auftreten des Gegners bei BVB-Spielen anbelangt. Aber auch gegen Nürnberg und den HSV gab es diskutable Szenen, die dann aufgrund eines Pfiffes oder eines nicht erfolgten Pfiffes zu Gegentoren führten. Vielleicht gleicht sich in einer Saison alles aus. Das ist aber momentan eher ein schwacher Trost, denn diesen Ausgleich kann niemand garantieren.
Es ist ja schön, dass die Teams, die gegen uns anzutreten haben, topmotiviert sind und sich von ihrer besten Seite zeigen wollen. So entstehen dann interessante Spiele. Ärgerlich wird es erst, wenn die gleiche Mannschaft dann eine bis mehrere Wochen später absolut blutleer über den Platz humpelt, weil es entweder gegen einen uninteressanten Gegner aus den unteren Tabellenregionen geht oder gegen stärkere Teams wie Bayern München oder auch diese Mannschaft aus der anderen Ruhrgebietsregion, gegen die dann ja anscheinend Schongang angesagt ist, weil es eh nix zu holen gibt. Natürlich ist man als Deutscher Meister immer der Gejagte. Und jedes Team will uns derzeit schlagen. Wäre aber schön, wenn die gleiche Motivation auch an den anderen Bundesliga-Spieltagen gezeigt wird. Aber darüber soll jetzt hier gar nicht gejammert werden. Denn subjektiv sieht es jeder Fan gleich: Ausgerechnet gegen mein Team trifft der neue Stürmer das erste Mal, holt der neue Trainer die ersten drei Punkte, zeigt der gegnerische Torwart eine Weltklasseleistung oder ist jeder Schuss ein Gegentor.
Wenn es dann aber so ruppig auf dem Platz zugeht, wie gegen Hannover 96, so dass zwei unserer Spieler verletzt vom Platz getragen werden müssen, dann bekommt diese Motivation eine ganz unschöne Note. Die Verletzung von Kuba wollen wir den Hannoveranern ja gar nicht anlasten, der Pole knickte ohne Einwirkung des Gegners um. Aber wer weiß, was er vorher schon auf die Knochen gekriegt hat. Jürgen Klopp mahnte dies auch während des Spiels bei Mirko Slomka an. Der BVB-Trainer sagte hinterher außerdem, dass die faire Spielweise seines Teams nicht belohnt werde, sondern eher noch Aktionen abgepfiffen werden, die im normalen Rahmen sind. Er meinte damit vor allem Stürmer Robert Lewandoswki, der sich inzwischen vorkommen muss, wie auf einem Basketballfeld. Kaum berührt er den Gegner, wird ihm ein Foul angelastet. Im Gegensatz dazu dürfen die Verteidiger an ihm zerren und ziehen, ohne dass dies geahndet wird. Ein Beispiel brachte wieder die Partie bei Hannover 96. Während von rechts eine Flanke in den Strafraum der Hannoveraner geschlagen wird, hält ein 96-Verteidiger vehement unseren Stürmer fest, damit dieser ja nicht zum Kopfball hochgehen kann. Natürlich wehrt sich Lewandowski und versucht, sich zu befreien. Erst als unser Spieler auch am Trikot zupft, pfeift Gagelmann die Szene ab. Es gab sicher nicht wenige BVB-Zuschauer im Stadion und auch am TV-Gerät, die sich schon über einen Elfmeter freuten. Aber Gagelmann entschied auf Stürmerfoul.
Das Problem von Lewandoswki ist einfach zu erklären: Er möchte einfach nicht hinfallen und den sterbenden Schwan spielen. Er bleibt stehen, egal, wie sehr ihn die Gegner bearbeiten. Dasselbe gilt für viele BVB-Spieler. Auch ein Marko Reus interpretiert ein Bein, über das er stolpert, nicht als Einladung, zum Segelflug anzusetzen. So geschehen in der letzten Minute gegen Hannover als Haggui (der war es, glaube ich), mit einer höchst riskanten Grätsche Ball und Gegner weg schlug. Oder nur den Ball oder nur den Gegner, so ganz ist das auch nach Zeitlupe 100 nicht ersichtlich. Reus kam ins Straucheln und lief weiter. Hätte er sich auf den Rasen geschmissen, wer weiß, was der Schiedsrichter dann entschieden hätte.
Bei Kuba hat dieses Verhalten schon zweimal zu einem Tor geführt. Zum Glück, denn zu einem Elfmeter hat es bei beiden Male nicht gereicht, nach Meinung des jeweiligen Schiris. In der letzten Saison wurde der Pole elfmeterreif gefoult und fiel hin. Aber anstatt zu lamentieren, stand er auf, nahm den Ball wieder auf und der landete dann schließlich im Tor des Gegners. Der Schiedsrichter dachte wohl: Wer sofort wieder aufsteht, ist wohl nur gestolpert. Und auch in dieser Saison gab es eine ähnliche Szene zu bestaunen. Kuba wird mächtig gefoult im Strafraum, er strauchelt kurz, bleibt aber auf den Beinen und leitet schließlich ein Tor ein. Wenn es so ausgeht, ist es ja schön. Beide Szenen hätten aber auch an der Fairness unserer Spieler scheitern können. Einen Elfmeter hätte es wohl beide Male nicht gegeben. Der Spieler lag ja nicht am Boden und hat sich gekrümmt.
Auch unsere Jungs können zulangen, das wollen wir nicht verschweigen. Ein Sebastian Kehl hat das gegen Hannover bewiesen, nachdem er zuvor selbst den Ellenbogen ins Gesicht bekam. Aber wie mit einem Sven Bender umgegangen wird, ist ja schon nicht mehr schön. Der Junge hat ja quasi alle sechs Wochen einen Jochbeinbruch. Unser Sechser kämpft halt um den Ball und hat selten im Blick, wie seine Gegner mit dem Ellenbogen seine Gesichtspartien anvisieren – und dummerweise auch immer zielsicher treffen.
Nun ist der BVB-Vorstand mal gefordert, dies auch in Richtung DFB zu äußern. Ein Uli Hoeneß hätte längst Schutz für seine Spieler gefordert. Nun muss auch mal Aki Watzke was dazu sagen. Jürgen Klopp hat das Thema ja schon auf den Tisch gebracht, hat aber leider vergessen, seine Aussage, dass die faire Spielweise seiner Mannschaft immer öfter zum Nachteil wird, an die richtige Adresse zu schicken. Der gemütliche Stammtisch bei Sky90 ist sicherlich nicht das optimale Ziel für eine Beschwerde. Die Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt sollte lieber als Empfänger der Nachricht gewählt werden. Dort sollte klar gestellt werden, dass nicht jedes Kopfballduell von Robert Lewandowski oder Neven Subotic unfair geführt wird, nur weil die beiden größer als ihre Gegner sind. Und außerdem sollten Watzke und Co. deutlich machen, dass ein Foul nicht nur dann geschehen ist, wenn der Spieler am Boden liegt. Desweiteren sollten die Schiedsrichter mal auf die Spielweise unserer Gegner achten. Noch mehr Verletzte können auch wir uns nicht leisten, trotz gut ausgestatteter Bank. Und es wäre schön, wenn unsere wieselflinken Spieler auch mal ein wenig Schutz genießen dürften, sonst kriegen sie diese Saison noch mehr auf die Knochen.
Dieser Text soll keine Kritik an Peter Gagelmann sein. Er hat ja durchaus nicht so schlecht gepfiffen und sich ja auch den Zorn der 96-Fans zugezogen, als er das Tor nicht gab. Aber es haben sich inzwischen einige Dinge eingeschlichen, die auch Gagelmann anscheinend verinnerlicht und konsequent umgesetzt hat.
Wir seien „fairdoof“, hat es ein User im Forum genannt. Lasst uns die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich unsere Spielweise am Ende trotzdem wieder durchsetzt. Denn noch ist es nicht zu spät.
DvB, 09.10.2012