Gedanken zur Gestaltung einer Eröffnungszeremonie
"Wir stellen uns klar gegen Rassismus, gegen Diskriminierung, gegen Gewalt und auch gegen Böller, Rauchbomben oder Bengalos."
Da steht man nach Monaten des Fußballentzugs auf der schönsten Tribüne der Welt und freut sich wie ein kleines Kind darauf, dass es jetzt endlich wieder los geht ... und dann kriegt man schon direkt vor Anstoß einen mit.
Allein das Thema hängt einem schon zum Hals raus: Gibt es nach einer fürchterlichen Sommerpause mit Todesangst in Düsseldorf, Kerners Schaufensterpuppen und irgendwelchen Runden Tischen beim Innenminister überhaupt noch irgendeinen Aspekt der Pyrotechnik, der nicht bis ins letzte Detail durchgenudelt wurde? Gemessen an der Bedeutung von Bengalos, die ja an sich schon nur für einen kleinen Teil der Fans wirklich wichtig sind und ansonsten eher ein Nischendasein fristen, war das alles bereits lächerlich viel Aufmerksamkeit, und jetzt wird man schon vor Beginn der Saison damit wieder gequält? Hört das denn nie wieder auf?
Und überhaupt: Kennt niemand in Frankfurt den Werther-Effekt, der besagt, dass die Anzahl an Suiziden sprunghaft anwächst, wenn darüber massiv berichtet wird? So abwegig ist der Gedanke wirklich nicht, dass es auf junge Leute womöglich anziehend wirkt, wenn man mit einer sehr einfachen Form der Provokation für maximale Aufregung sorgen kann. Nur bei den Verbänden wurde er anscheinend noch nicht gedacht, denn anstatt das Thema öffentlich etwas herunterzukochen und speziell auf Vereinsebene wieder stärker in Dialog miteinander zu treten, wird der Kessel fröhlich weiter unter Druck gesetzt. Eine nüchterne und unaufgeregte Reaktion auf den nächsten Einsatz von Pyrotechnik erscheint heute kaum möglich.
Die nächste Stufe der verbalen Eskalation wurde mit dem Statement von oben jedenfalls bereits erreicht. Mittlerweile ist Pyrotechnik nicht mehr einfach nur noch (bei unsachgemäßer Anwendung) gefährlich, sondern steht jetzt schon begrifflich auf einer Stufe mit Gewalt und Rassismus. Fragt sich nur, wie sowas bei den Opfern rassistischer Überfälle ankommt, speziell wo man sich bei den Verbänden doch den Kampf gegen jede Form von Diskriminierung im Fußball auf die Fahnen geschrieben und damit zum Teil auch tatsächlich Glaubwürdigkeit gewonnen hatte. Alles weggewischt: DFB und DFB suggerieren en passant, das (oder je nach Geschmack auch ihr) Problem mit Pyrotechnik im Stadion stehe auf einer Stufe mit dem neonazistischer Umtriebe im Fußballumfeld. Mal ehrlich: Geht's noch? Das einzig Positive an dieser fürchterlichen Haltung ist, das man viel dicker gar nicht mehr auftragen kann: Terrorismus fiele einem noch ein, erinnernd an die "Taliban unter den Fans" der Frau Maischberger; ansonsten blieben nur noch Verweise auf die Menschenrechte und den Haager Landfrieden. Muss man sich einfach mal auf der Zunge zergehen lassen.
Auch abgesehen von diesem Statement, das die Mannschaftskapitäne am ersten Spieltag offenbar vorzulesen genötigt waren, war die Eröffnungszeremonie am Freitag eine ziemlich gruselige Veranstaltung. Allein das ganze Brimborium. So richtig mag man sich nicht daran gewöhnen, dass das Auftaktspiel der Bundesliga nicht per se schon spannend genug ist, um sich all das sonstige Gewese zu sparen. Ob Tanzeinlage mit überdimensionalem Fußball im letzten Jahr oder die jetzige Flaggenparade zum 49. Geburtstag, der einem interessanterweise als irgendwie rund verkauft wurde; nichts davon kann auch nur ansatzweise dafür sorgen, dass sich die Vorfreude auf den rollenden Ball erhöht. Vom künstlerischen Wert des Ganzen ganz abgesehen. Was spricht dagegen, in Zukunft das Ganze etwas reduzierter anzugehen? Die 18 Flaggen der teilnehmenden Mannschaften flankieren die Spieler beim Einlauf, in der Mitte liegt das Logo der Bundesliga, und der DFL-Präsident sagt ein paar Sätze:
"Liebe Besucher des Westfalenstadions, liebe Zuschauer vor den Bildschirmen,
wir freuen uns, dass die Fußball-Bundesliga auch im fünfzigsten Jahr ihres Bestehens so viele Anhänger in ihren Bann zieht. Ohne Sie und Ihre Liebe zum Spiel wäre unsere Liga kaum so erfolgreich, wie sie heute dasteht, und ich darf Ihnen im Namen der Vereine der DFL herzlich für Ihre Treue danken.
Um das Spiel auch symbolisch wieder in den Mittelpunkt des Geschehens zu rücken, haben wir uns entschieden, ohne viel Drum und Dran den 50. Geburtstag der Bundesliga zu feiern. Ich wünsche Ihnen und uns eine unvergessliche Spielzeit 2013/14."
Und dann wird das gemacht, wofür alle gekommen sind: Man spielt Fußball.
Scherben, 27.08.2012