Von Korrekturen und moderaten Erhöhungen
Böse Überraschung für viele Dauerkarteninhaber: Insbesondere auf den Unterrängen von Ost- und Westtribüne verteuern sich die Saisontickets zur neuen Saison um eine ganze Preiskategorie nach oben. Aber auch die übrigen Preise bleiben nicht konstant. Im Gegenteil: In knapp 15 Jahren haben sich die Ticketpreise beim BVB mehr als verdoppelt.
Dabei klangen die Worte von Carsten Cramer im Interview mit Schwatzgelb.de eigentlich noch ganz human:
„Wir können das offen sagen: Wir diskutieren, dass das Gros unserer Zuschauer von den Veränderungen so gut wie nichts merken werden und es nur an einigen Stellen Korrekturen geben wird. Diese sind einfach zwangsläufig fällig. Auch in den VIP-Bereichen wird es an einigen Stellen Anpassungen geben, dort handelt es sich nämlich um lange laufende Verträge."
Die Korrektur erwies sich nun als erneute Umgestaltung der Preiskategorien in den Unterrängen auf Ost- und Westtribünen, nachdem genau dort bereits vor zwei Jahren kräftig an der Preisschraube gedreht worden war.
Der Eindruck, den Carsten Cramer erweckt hat und vermutlich auch erwecken wollte, ist also falsch: Es handelt sich mitnichten um ein paar wenige Einzelfälle, sondern vielmehr um Tausende Borussen, die dort mitunter schon seit Jahrzehnten sitzen und ausharren, auch wenn der BVB mal wieder auf Platz 17 steht und Thomas Doll die Trainerbank besetzt.
Wir reden mehrheitlich eben nicht von Bonzen, denen der ein oder andere Euro mehr nicht weh tut, sondern von Borussen, denen die jährliche Dauerkartenzahlung mitunter durchaus schmerzt im Portemonnaie – und die nun zum zweiten Mal in zwei Jahren einen Schlag in die Magengegend bekommen, weil ihr Platz heimlich, still und leise erneut um eine Kategorie verteuert wurde: wohlgemerkt eine Erhöhung um zehn Prozent in Kategorien, in denen Borussia Dortmund ohnehin schon zur Spitzengruppe der Bundesliga gehört. Carsten Cramers euphemistische Beschreibung dieser „Korrektur" muss für die Inhaber solcher Dauerkarten wie Hohn klingen und dürfte entsprechend schwer verdaulich sein.
Warum diese Korrektur vorgenommen werden muss, erklärt widerum Carsten Cramer, diesmal auf bvb.de:
"Die Brüche im bisherigen Preisgefüge sind nicht wegzudiskutieren. Es war schwer nachvollziehbar, dass Fans, die direkt hinter der Trainerbank sitzen, dasselbe zahlen wie Zuschauer in der 18. Reihe des Oberranges"
Das wäre sogar eine durchaus nachvollziehbare Argumentation – zumindest wenn die Erhöhung tatsächlich nur diese wenigen Plätze hinter der Trainerbank betreffen würde, und wenn man einmal außer Acht lässt, dass die dort sitzenden Fans zum Teil seit Jahrzehnten ihren Platz ihr eigen nennen und sich eine gewisse Vorteilsbehandlung durchaus verdient hätten. Doch die Plätze sind immerhin echte Sahnestücke, was man von jenen im Oberrang vielleicht nicht sagen kann. Völlig ad absurdum führt man diese Argumentation allerdings, wenn man im gleichen Abwasch auch die Außenbereiche der Unterränge allesamt um eine Kategorie höher einstuft. Wer einmal das Vergnügen hatte, auf Eckfahnenhöhe ein Spiel zu verfolgen, wird nicht unbedingt von der tollen Übersicht auf das Spielfeld schwärmen. Mehr zahlen darf er jetzt trotzdem.
Überhaupt wirft es ein schlechtes Licht auf den BVB, wenn man auf diese Weise versucht, Zuschauer gegeneinander auszuspielen und auf die Neidkarte zu setzen, in dem man vermeintliche Ungerechtigkeiten thematisiert. Zumal man ja durchaus auch auf die Idee kommen könnte, diese Ungerechtigkeiten zu beseitigen, in dem man jene Preise senkt, die man als vergleichsweise zu hoch betrachtet.
Wir wollen nicht unfair sein: Dies ist in geringen Maße sogar passiert. Tatsächlich gibt es ein paar wenige Plätze in der Mitte der Oberränge von Ost- und Westtribüne, deren Preiskategorie gesenkt wurde. Das ist lobenswert.
Doch beim BVB hat man nicht nur in Sachen Preiskategorien auf Ost- und Westtribüne an der Schraube gedreht. Für alle übrigen Fans erfolgt die mittlerweile fast schon gewohnte Erhöhung um einen Prozentsatz von 2-3 %. The same procedure as every year - ausgenommen natürlich jener Jahre, in denen sich der BVB endlich mal wieder „ins Mittelfeld der Liga" bewegen wollte und sich einen noch saftigeren Preisaufschlag gegönnt hat.
In der offiziellen Lesart heißt es dazu ebenfalls auf BVB.de: „Die Dauerkartenpreise sind nur geringfügig erhöht worden, größtenteils liegen die Anpassungen sogar unterhalb der Inflationsrate."
Die arme Inflationsrate muss also mal wieder als Prügelknabe herhalten. Das klingt ebenfalls auf den ersten Blick ganz einleuchtend. Haben wir nicht alle das Gefühl, dass wir Jahr für Jahr weniger für unser Geld bekommen? Aber war unser Geld vor zirka 15 Jahren wirklich das Doppelte wert? Natürlich nicht! Während die allgemeinen Preise in diesem Zeitraum nicht einmal um ein Viertel und die Bruttolöhne um ein gutes Drittel gestiegen sind, sind im selben Zeitraum die Eintrittskarten im Westfalenstadion tatsächlich etwa doppelt so teuer geworden. Da können bestenfalls noch die Preise für Diesel und Superbenzin mithalten.
Und überhaupt: Wo trifft die Inflationsrate unsere Borussia denn wirklich? Der mit Abstand größte Ausgabenposten sind die Gehälter für die Lizenzspielerabteilung. Die Steigerungen in diesem Bereich hängen ursächlich mit steigendem Erfolg zusammen. Es ist schließlich ganz normal, dass Spieler, Trainerteam und alle in der Verwaltung beschäftigten Menschen davon profitieren wollen – wie bei jeder anderen Firma. Ebenso normal ist aber auch, dass diese Erfolge höhere Einnahmen generieren. Erfolgszahlungen von Sponsoren, höhere TV-Präsenz, internationaler Wettbewerb, bessere Sponsoringverträge. Der BVB hat in den letzten Jahren Umsätze in Rekordhöhe vermelden können, die die Gehaltssteigerungen mehr als aufgefangen haben. Andernfalls hätte, was niemand ernsthaft behaupten würde, die wirtschaftliche Leitung einen schlechten Job gemacht. Hinzu kommen Transfererlöse von Spielern, die deutlich über den Anschaffungswerten liegen und vor allem ein neuer TV-Vertrag mit dem Bezahlsender Sky, der allen Bundesligisten zusätzliche Millionen in die Kasse spült.
Geradezu verhältnismäßig klein im Vergleich zu diesen Ausgaben dürften die Betriebskosten sein, bei denen Borussia wirklich von Preissteigerungen betroffen sein könnte. Und genau hier werden vermutlich, wie beispielsweise bei der Belieferung mit Strom, langfristige Lieferverträge vorliegen, die dem BVB weitgehend gleichbleibende Preise garantieren.
Die Geschichte mit der jährlichen, inflationsbedingten Preiserhöhung ist schlicht und ergreifend ein Ammenmärchen. Insbesondere wenn man gegenrechnet, dass 53.000 Fans dem Verein im Juni ein zinsloses Darlehen gewähren. Der Verein kriegt einen nicht unerheblichen Geldbetrag geliehen, für den er bei einer Bank Zinsen zahlen müsste, und zahlt es den Fans Spieltag für Spieltag in Form des Zutritts ins Stadion zurück. Selbst unter Berücksichtigung der Inflationsrate wird der Gewinner dieser Rechnung der BVB sein. Und wenn man dann noch die Kategorienhochstufung berücksichtigt, bestünde zu einem weiteren Ausgleich aus Inflationsgründen ja eigentlich auch gar kein Grund mehr.
Soviel aber zu den Änderungen, die der BVB wenigstens selbst erklärt. Einen anderen Punkt darf man sich in der beigelegten Broschüre des Reservierungsschreibens selbst heraus suchen:
„Der BVB behält sich jedoch vor, ggfls. einen Topspielzuschlag von max. 20 % zu erheben; bei Spielen der UEFA-Champions League und/oder der UEFA Europa League jedoch frühestens für Zusatzspiele nach Beendigung der Gruppenphase"
Im Klartext heißt das also, dass wir nach der Gruppenphase - und egal in welchem Wettbewerb - gegen namhafte Gegner vermutlich 20 Prozent Zuschlag zahlen dürfen. Wer zweifelt ernsthaft daran, dass Borussia sich diese Einnahmequelle bei Spielen gegen Barcelona, Manchester oder Milan entgehen lassen würde? Nicht nur, dass man sich verpflichten muss, Tickets für diese Spiele in jedem Fall abzunehmen – man kann diese Entscheidung nicht einmal mehr rückgängig machen, wenn die 20 Prozent Zuschlag für einen dann doch finanziell nicht mehr drin sind. Das ist ein prima Blanko-Scheck, den wir Fans dem BVB da neuerdings ausstellen dürften, denn noch vor zwei Jahren hatte man die Freiheit, von Runde zu Runde entscheiden zu können, ob man die Karten haben will oder eben nicht. Wer dieses Spiel nicht mitspielen will, verliert sein Anrecht auf Karten für internationale Spiele dauerhaft – auch das ist eine für Dauerkartenkunden negative Veränderung, die der BVB bereits in der vergangenen Saison eingeführt hatte. Begründet wird dieser Schritt übrigens mit der administrativen Unmöglichkeit, aufgrund der Termindichte für DFB-Pokal und internationalen Wettbewerb Einzeltickets auszugeben. Dann war es wohl ein wahres Wunder, dass das früher all die Jahre über trotzdem geklappt hat. Es fällt schwer, sich bei solchen Aussagen nicht ziemlich billig verschaukelt zu fühlen.
In der vergangenen Saison waren es zudem „nur" die Südtribünenkarten, für man sich bei der Borussia in internationalen Spielen die Möglichkeit zur 20%-igen Erhöhung vorbehalten hatte. In diesem Jahr nun wendet man diese Möglichkeit heimlich, still und leise noch einmal auf das gesamte Stadion an.
Schon ein wenig bigott, wenn man zur letzten Saison nach Gesprächen mit „Kein Zwanni" medial verkündet, dass man Topspielzuschläge für Gästefans im Stehbereich abschafft - und sie dann andererseits für Dauerkartenbesitzer zumindest für den internationalen Wettbewerb durch die Hintertür einführt.
Ehrlichkeit und Demut werden von der Geschäftsführung immer wieder als westfälische Eigenschaften und Leitmotiv angeführt. Besonders im sportlichen Bereich kommt der BVB dieser Verpflichtung im hohen Maße nach. Es wäre schön, wenn man im Bereich des Ticketings dieses Leitbild ebenfalls verinnerlichen würde. Preiserhöhungen erfolgen seit Jahren mit leicht durchschau- und widerlegbaren Erklärungen, oder wie im Fall der Topspielzuschläge für den internationalen Wettbewerb gar gänzlich ohne. Wir Fans zahlen mittlerweile Beträge für den Stadionbesuch, die die untersten Einkommensschichten langsam aber sicher aus den Stadien drängen. Wir alle opfern Zeit und Leidenschaft für den Verein. Ist es dann zuviel verlangt, dass man uns reinen Wein einschenkt?
Der BVB will Erlössteigerungen verzeichnen. Für ein Wirtschaftsunternehmen verständlich, aber dann soll er dazu gefälligst auch stehen und das so vertreten. Niemand von uns treuen Fans hat es verdient, mit diesen Ammenmärchen verarscht und hingehalten zu werden.
Zumal Borussia Dortmund auch mit einer ehrlicheren (oder sollen wir sagen: „echten"?) Außendarstellung wohl keine Nachteile hätte. Oder zweifelt ernsthaft jemand daran, dass am Ende des Vorverkaufs nicht wieder alle Dauerkarten verkauft sein werden?
Doch es werden vielleicht auch wieder Zeiten kommen, in denen man Eintrittskarten wie Sauerbier zu Schleuderpreisen bei Burgerketten anpreisen muss. Auch dieses Szenario gilt es bei der aktuellen Preispolitik zu berücksichtigen. Sie könnte sich nämlich einmal als Boomerang erweisen.
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