Doppel-Derby-Bayernbesieger-Meister - über meisterliche Momente
Meister! Könnte der erste Teil einer Kolumne schöner anfangen? Nein, natürlich nicht. Natürlich hätte da noch mehr stehen können: Doppelmeister, Doppel-Derbysieger, Viermalhintereinander-Bayernbesieger, oder einfach: Verdammte Scheiße, ist das geil!
So geil, dass ich noch gar nicht kapiert habe, was hier überhaupt passiert ist. Superlative ohne Ende. Zahlen, Rekorde. Diese ganzen Momentaufnahmen, die sich am 32. Spieltag zu diesem einen Über-Moment vereinigt haben, als Perisic zum 1:0 trifft und jeder genau weiß, dass der Fisch endgültig gegessen ist. Meister, ey! Schon wieder, ey!
Aber mal ehrlich: War das nicht klar? Und mal ganz ehrlich: Seid ihr ausgeflippt? Mir war es klar und darum bin ich nicht wirklich ausgeflippt. 1995 - eine Meisterschaft nach 32 Jahren, das war scheiß-gigantisches Kino. 2002 im Herzschlagfinale Leverkusen auf der Zielgeraden zu überholen - Alter! 2011, als sich unsere junge Truppe so herzerfrischend in unsere Herzen gerannt, gekämpft und gezaubert hat - meine Fresse!!! 2012? Wenn ich ganz, ganz ehrlich bin, fühl sich 2012 für mich eher an wie die zweite Fahrt zum Grand Canyon. Du weißt, da kommt etwas ganz Gigantisches. Du freust dich, es kündigt sich an... Und wenn du da bist, stehst du da mit offenem Mund, weit aufgerissenen Augen und staunst über das Naturwunder und dann kommt dieser Moment, der viele tolle Erlebnisse tötet: Du fängst an nachzudenken. Wie viele Millionen Jahre hat der Fluss für das Loch gebraucht? Sechs Millionen? Woooooow! 1800 Meter tief? Uiiiii!
Was der Grand Canyon mit der Meisterschaft 2012 zu tun hat? 26 Spiele ohne Niederlage, mal als Beispiel. Ich finde, 26 Spiele ohne Niederlage sind fern jeder Vorstellungskraft. Die beste Rückrunde aller Zeiten - bis jetzt 41 Punkte! Huuuuuh, 'ne ganze Menge, oder? Rekord? Oh! Was ich meine: Irgendwie ist diese wahnsinnige Saison zu oft auf Zahlen reduziert worden oder mit Zahlen umschrieben worden. Siegesserien, Punkte-Rekorde und Lauf-Kilometer. Mir hat das ein bisschen die Emotionen geraubt. Ich stehe vor dieser Meisterschaft genauso rat- und hilflos wie vor dem Grand Canyon. Der ist letztlich auch nur da. Und das ist er ziemlich gut.
Oder war die noch nicht ganz abgelaufene Saison vielleicht einfach nur der absolute Overkill an Genialität, so dass ich gar nicht mehr weiß, was ich als erste geil finden soll. Ausgehungert am Riesenbüffet stehen und dann vor lauter Verzweiflung anfangen zu heulen, weil man nicht weiß, wo man anfangen soll... DAS ist diese Saison.
Die meisterlichen Momente lagen in dieser Saison für mich woanders. Neben dem Platz. Meisterlich war das erste Mal, als Kind 2 anfing, lauthals BVB-Lieder zu singen. Im Kindergarten hat's das nicht gelernt, sondern beim Autofahren. Und diese Meistermomente gibt es jetzt Regelmäßig beim Frühstück! Mit guter Laune und voller Begeisterung schmettert "2" einen ganz eigenen Mix aus "Heja BVB", "Rubbeldikatz" und "Dortmund, unsere Stadt". Und sie freut sich immer, wenn sie etwas von der Gruppe hört, zu der ich gehöre. Kind 1 hat mir (und nebenbei sich selbst) ebenfalls meisterliche Momente beschert. Als wir mit unseren Fahrrädern zum Spiel gegen Bremen geradelt sind, habe ich mich meisterlich gefühlt. Die ohnehin schon geniale Bratwurst am Bahnhof Westfalenhalle schmeckte so gut wie nie. Und wie "1" nach den Osterferien vor den Klassenkameraden in der Grundschule damit prahlen konnte, das Spiel gegen Bayern live im Stadion gesehen zu haben - in your face, Jungs!!! Meisterlich.
Ich glaube, das sportliche Meister-Feeling kommt auch noch. In dem Moment, in dem Sebastian Kehl am 5. Mai die Meisterschale in den Dortmunder Hummel recken wird, werden mir Tränen aus den Augen kullern. Das merke ich jetzt schon, weil mir beim Schreiben über diesen Moment schon jetzt etwas mulmig in der Magengegend wird. Das ist Vorfreude auf den Moment, an dem es quasi amtlich und sichtbar wird: Wir sind Meister! Scheißegal, ob Doppel-Double-Derby-Irgendwas-Meister! Schale! Wir!
Alter, wie geil!!!
Euer
desperado09, 25.04.2012
Über mich und die Kolumne.
Die Kolumne heißt "Inne Ecke". Inne Ecke vom Stadion sitze ich. Manchmal stehe ich inne Ecke vom Stadion. Und noch manchmaler hocke oder stehe ich inne Ecke am Spielfeld und fotografiere. Und wenn ich Fußball vonne Couch aus gucke, sitze ich auch da inne Ecke. Ich bin nah dran am BVB und doch auch weit weg. Der BVB ist ein Teil von mir. Vielleicht der Beste.
Der BVB und ich spielen hier die Hauptrollen. In den Nebenrollen: meine Familie und "die Gruppe" und jeder, der mir beim Fußballgucken über den Weg läuft.