Topspiele in schwatzgelb

Dortmund auf Europas Thron

08.07.2012, 21:09 Uhr von:  Simon

Wir schreiben das Jahr 1997, genauer gesagt den 28. Mai dieses denkwürdigen Jahres. An diesem Tag sollte in der bayerischen Landeshauptstadt München das diesjährige Champions Legaue Finale ausgetragen werden. Der Wettbewerb verlief schon zu Beginn für unseren Ballspielverein aus Dortmund vielversprechend. Die Gruppenphase wurde mit den Gegnern Widzew Lodz, Atletico Madrid und Steaua Bukarest souverän übestanden und mit 13 Punkten das Viertelfinale erreicht, wo der AJ Auxerre auf uns wartete und ebenfalls ausgeschaltete wurde. Danach ging es ans Eingemachte.

Olympiastadion München

Das Vorgeplänkel

Im Halbfinale sollte der richtig dicke Brocken Manchester United auf die Borussia warten. Das knappe Hinspiel konnte durch einen Treffer von Rene Tretschok gewonnen werden und so ging es mit dieser Führung ins "Old Trafford" auf die Insel wo Lars Ricken schon früh die Weichen auf Sieg stellte. Geboren wurde in diesem erneut mehr als engen Spiel auch der "Fußballgott" Jürgen Kohler, der die Engländer zur Verzweifelung trieb und so auch dieses Spiel gewonnen werden konnte. Nun war es also passiert, womit wohl kaum jemand gerechnet hat. Borussia Dortmund steht im Finale der Königsklasse, der UEFA Champions League, dem größten Kontinentalwettbewerb für Vereinsmannschaften in Europa. Der Gegner sollte ein alter Bekannter aus Italien sein, "Die Alte Dame" Juventus Turin.

Champions League Finale 1997

Planungsphasen

Soviel also erstmal zur Konstellation. Das Ziel war nun also klar: München und das Olympiastadion. Die Entscheidung, dieses Projekt anzugehen, fiel nicht wirklich schwer und so war man sich schnell einig es mit aller Macht anzugehen.

Die gößte Hürde kam zuerst und nannte sich Karten. Diese konnten allerdings, zur Überraschung aller, recht reibungslos für die Teilnehmer der Reisegruppe organisiert werden. Der bunt gemischte Haufen der zwischen 20 und 25 Jahren alten Borussen konnte also schnell in Planungsphase zwei übergehen. Für das gesetztere Semester kam nur eine Reise mit Übernachtung in Frage und so wurde kurzerhand für zwei Nächte ein Hotel fußläufig zur Innenstadt von München als geeignete Herberge auserkoren. Dies erwies sich noch als ein geschickter Schachzug, aber später dazu mehr. Phase drei, die Anreise, wurde auch schnell abgehakt und man verständigte sich darauf, mit einem PKW und einem Siebensitzer die Tour anzugehen.

So ging es also am Dienstag, den 27. Mai 1997, voller Vorfreude gegen Mittag in Unna auf die Piste Richtung München. Die Fahrt verlief recht ereignislos, allerdings merkte man dass wir nicht die einzigen waren die auf der Landkarte das Ziel Landeshauptstadt angekreuzt hatten. Immer wieder waren Autobesatzungen zu sehen die anscheinend irgendwas mit dem BVB verbinden würde, so zumindest unsere fachkompetente Analyse.

München am Vorabend

Befreiungshalle

Am frühen Abend angekommen und nach erfolgreichem Check-in im Hotel grummelte der Magen und es sollte direkt in die Innenstadt gehen, um was auf die Gabel zu kriegen. Auf dem Weg dorthin die ersten Tifosi aus Turin, die uns am Stachus (Karlsplatz) freundlich und lautstark begrüßten. Nach kurzem Flanieren kehrten wir dann erst standesgemäß auf einem kleinen Zwischenstopp im Hofbräuhaus ein, um danach in eine nahe gelegene Taverne weiter zu ziehen. Hier wollten wir uns mit Schweinsbraten und Knödel für den nächsten Tag rüsten. Ein Schwergewicht unserer Truppe sollte dann später für leichte Irritationen sorgen, als er nach der ersten Haxe verwundert und fragend in die Runde schaute was es als nächstes auf den Teller gibt. Wir waren zwar viel gewohnt, aber das löste dann doch leichtes, kollektives Kopfschütteln am Tisch aus. Da der Dortmunder ansich dem Gerstensaft bekanntlich nicht abgeneigt ist, wurde dann auch noch einiges von diesem Erfrischungsgetränk einer Bierprobe unterzogen und für halbwegs gut befunden.

Nach einem kleinen Verdauungsbummel und einem kurzen Abstecher in das "Valentinstüberl" am Dreifaltigkeitsplatz, verabschiedete sich dann die Alte Garde in Richtung Hotel, um noch einen letzten Absacker zu nehmen und in den verdienten Schlaf zu fallen. Blieb also noch die Young Generation, bestehend aus drei tapferen Nachtschwärmern, die noch nicht vor hatte, den Abend so schnell ausklingen zu lassen und so landeten wir, vermutlich, so wirklich weiß das keiner mehr, in der Boxerkneipe "Cafe Schiller", um uns noch ein bischen auf den nächsten Tag einzustimmen. Ein fataler Fehler, zumindest für meinen Bruder und mich, denn der Getränkemix sollte am nächsten Morgen seinen Tribut zollen.

Gruppenfoto

Der Finaltag

Der Finaltag sollte also beginnen. Geweckt durch das Dröhnen eines Industriestaubsaugers und einer dabei grimmig schauenden Housekeeping-Dame, die uns in unserem Zimmer beglückte, schälten wir uns also notgedrungen aus dem Bett.

Wir waren zwar schon spät dran, aber der Treffpunkt für den Vormittag war abgesprochen und es sollte in einen großen und mehr als gemütlichen Biergarten, dem Augustiner Keller, in der Nähe des Hauptbahnhofes gehen. "Radi" und Brezeln waren dann die erste Basis für die kommenden Stunden. Das zusätzliche Konterbier und die Gewissheit dass es eine "Befreiungshalle" gab, brachte dann richtig Leben in Bude und es konnte gestärkt der Weg zum Marienplatz eingeschlagen werden.

Marienplatz

Hier wimmelte es schon von Dortmundern, Italiener waren irgendwie kaum auszumachen. Die Jungs, die dann doch anzutreffen waren, waren augenscheinlich mehr als siegessicher unterwegs, so dass sich ein älteres Mitglied unsere Truppe kurzerhand einen jungen Italiener schnappte und diesem klar zu verstehen gab, wie sich die Welt dreht. "Heute müsst ihr tapfer sein." war seine Ansage. Sein Gegenüber verstand zwar kein Wort, aber er dürfte am Abend grob verstanden haben, was ihm unser "Ditze" da ins Ohr geplappert hat.

Nun wurden natürlich erstmal die obligatorischen Touristenfotos sowie ein Gruppenfoto als kleines Andenken geschossen. Danach trennte sich die Reisegruppe, um verschiedenste Ziele anzusteuern. Uns verschlug es auf den Viktualienmarkt, der um diese Zeit mit vielen Borussen gut gefüllt war. Das Wetter passte auch und die Sonne lachte über München. Konnte also eigentlich nichts mehr schief gehen.

Viktualienmarkt

Viktualienmarkt

Zu unserer Überraschung trafen wir auch prompt zwei bekannte Weggefährten, die auch diese Lokalität unter dem freien Himmel angesteuert hatten, und wir versorgten uns erstmal gemeinsam in einem nahegelegenen Supermarkt mit einer Ladung Fangetränke. In den folgenden, launigen Gesprächen stellte sich dann herraus, dass die beiden Jungs ohne Karte und ohne einen Hotelplatz angereist waren. Hat uns jetzt nicht wirklich überrascht, da wir die Fußballreisespezifikation der beiden kannten und sie nebenbei noch locker süffisant anmerkten, dass sie eh ins Stadion kommen würden. Da waren wir uns auch sicher, dass es so kommen würde und es sollte auch so sein, wie sich später herausstellte.

So verging der Nachmittag wie im Flug und wir machten uns nach einer kleinen Stärkung auf, um zeitig das Stadion zu erreichen. Die Stimmung rund ums Olympiastadion sowie auch vorher in der Stadt war recht gelöst. Probleme zwischen beiden Fanlagern waren den ganzen Tag eigentlich nicht zu beobachten. So ging es also rein in die Betonschüssel, der man nur das wirklich schöne Dach zugute halten kann. Der Rest ist eher Dreck, wenn man reine Fußballstadien bevorzugt.

Auf in die Betonschüssel

Unsere Karten hatten wir zwar nicht im BVB-Block, aber anliegend auf halber Höhe der Gegengrade im Block L1, für damals 80,- DM. Somit stand einem spannenden Spiel nichts mehr im Wege. Leider war die Reisegruppe über alle Tribünen verteilt, sodass wir nicht geschlossen zusammen sitzen (stehen) konnten, aber gut, immerhin hatten wir alle Karten, besser als nichts und so bestand unser Grüppchen nur noch aus drei Leuten. Nach dem Entern der Plätze galt der erste Kontrollblick den beiden Kurven, um grob abschätzen zu können wer denn hier Herr im Haus ist. Die abschliessende Analyse ergab einhellig, dass wir, um es mal höflich auszudrücken, schon ein paar mehr Leute im Stadion hatten, Juventus sich aber auch nicht verstecken musste.

Auf dem Weg in die Betonschüssel

Der Anpfiff rückte näher, wer allerdings jetzt eine feine TIFO Einlage in der Südkurve, wo die Italiener untergebracht waren, erwartete wurde leider enttäuscht. Das sah einige Jahre zuvor beim letzten Endpspiel im UEFA Cup 1993 doch deutlich besser aus. Die Dortmunder Kurve wirkte sehr kompakt und war überwiegend gelb gefärbt, allerdings auch ohne größere Highlights setzen zu können. Stimmtechnisch hatten wir allerdings schon zu diesem Zeitpunkt den Laden hier fest im Griff.

Der Anpfiff erfolgte und es sollte nun endlich los gehen. Zum Spiel selbst braucht man eigentlich nicht mehr viel schreiben, denn der Spielverlauf dürfte bekannt sein. Einige kurze Anmerkungen dürfen aber an dieser Stelle auch nicht fehlen.

Das Spiel

Karlheinz Riedle brachte uns in der 29. Minute in Führung, eher er kurz später in der 34. Minute das 2:0 nachlegte. Das Stadion, zumindest die Bereiche in denen BVB Fans zu finden waren, kochte. Die Italiener, die bis dahin auf den Tribünen akustisch noch halbwegs gut dagegen hielten, verstummten nun verständlicherweise zunehmend.

Mit einem nicht erwarteten 2:0 ging es also erstmal relativ beruhigt in die Kabine. Das sollte sich aber schlagartig in der 64. Minute ändern als Del Piero mit einem Zaubertor zuschlug. In vielen Gesichtern der umstehenden Leute konnte man lesen wie in einem Buch: "Scheiße, das wird jetzt eng!" stand da. Dazu muß man sagen dass Turin ja als absoluter Favorit ins Spiel gegangen ist. Die Angst war spürbar, dass diese abgezockte Truppe mit ihren vielen internationen Stars das Spiel noch drehen könnte.

Champions League Sieger Borussia Dortmund

Die Rechnung wurde aber nicht ohne den Wirt, dem Ottmar gemacht, denn dieser brachte in der 70. Minute den blutjungen Lars Ricken. Und was dann passierte kommentierte Marcel Reif treffend mit “Die Gebrüder Grimm drehen sich Grabe um”. Jeder der die TV Übertragung im Hinterkopf hat dürften sich folgende Worte ins Gedächtnis eingebrannt haben: „Legenden werden geboren!“ und „Möller, Ricken, Ricken, lupfen jetzt! Jaaaaaaa! Fünf Sekunden auf dem Platz, fünf Sekunden…". Das 3:1 und damit die Entscheidung in diesem Spiel. Die Betonschüssel explodierte grade zu und es gab kein Halten mehr. Fahne, Pullover, Schal und Sonnenbrille waren plötzlich nicht mehr auffindbar, die Reihe war auch nicht mehr die selbe wie noch vor diesem Treffer. Geschenkt, was für ein Jahrhunderttor.

Als sich alles wieder halbwegs sortiert hatte wanderten dann auch aus verschiedenen Ecken alle Utensilien nach- und nach wieder zurück an ihre Besitzer. So muß das sein. Mit dem Schlußpfiff überkam mich dann eine recht komische Mischung aus völliger Extase über diesen Triumph, aber auch das flaue Gefühl nach dem Anschlusstreffer klopfte nochmal kurz an. Aber eben auch nur kurz und daher auch hier nochmal: Geschenkt. Denn die Gewissheit kehrte ein, wenn auch langsam, dass wir das Dingen tatsächlich gewonnen haben. Damit hatte wohl wirklich kaum jemand gerechnet, aber wir haben das tatsächlich gepackt. Borussia Dortmund hatte als dritte deutsche Mannschaft in München den europäischen Fußballthron bestiegen und so war die Freude auch dementsprechend groß.

Nachspielzeit

In dem Trubel nach dem Spiel haben wir uns dann völlig aus den Augen verloren und so waren wir nur noch zu zweit unterwegs, mein Bruder verschollen. So machten wir uns auf ins "Paulaner Brauhäus" am Kapuzinerplatz (kein Ultra Treffpunkt) wo wir für den Abend vorsorglich einen Siegertisch für alle Mitreisenden reserviert hatten um dort den Abend gebührend zu feiern.

Wir fahrn den Pott heim

Irgendwann sollte auch mein Bruder eintrudeln, der die Verzögerung damit erklärte, dass es mit dem Taxifahrer ein Kommunikationsproblem gegeben habe, da er diesem nur mitteilte "Ins Paulaner" zu müssen. Auf die Gegenfrage "Welcher Laden denn?" hatte er zur Fährtenfindung dann eine Antwort parat die jede Doktorarbeit in Geographie und Kartographie in den Schatten stellen dürfte: "Ja, weiss ich doch nicht!". Guter Schachzug also wenn man in München unterwegs ist. Die Runde war dann also doch wieder vollständig und so konnte noch einige Zeit richtig Gas gegeben werden. Die lästige Sperrstunde, auch wenn wir eine Stunde ermogeln konnten, zwang uns dann leider recht früh zurück ins Hotel, wo es dann allerdings an der Bar noch recht hoch her ging und wir irgendwann am frühen Morgen lächelnd im Bett landeten.

Am nächsten Morgen ging es dann ziemlich zerknittert, dafür aber mit Liedern über die "2. Klasse" auf den Lippen und dem "Wir fahren den Pott heim" Gedanken von Dudu im Hinterkopf, früh zurück in Richtung Bierhauptstadt, die wir dann nachmittags erreichten, um so noch den Empfang der Siegermannschaft in der Stadt mitnehmen zu können.

Fazit

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Tour nach München ein recht entspannter Trip war und wir als Champions League Sieger die Heimreise antreten konnten. Die Reisegruppe war gut zusammen gestellt, das Wetter spielte mit und die drei Tage München wurden mit dem Erklimmen von Europas Thron vergoldet. Fußballherz was willst du mehr.

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