Pride in Battle - Stimmungsbericht aus Manchester
So gut wie überall in den Katakomben des City-Stadions prangt das Motto der Hausherren, Superbia in Proelio, gelegentlich alterniert mit der englischen Übersetzung, Pride in Battle. Am Ende dieses Spiels waren es allerdings nicht die Manchester Citizens, die diesem Schlachtruf alle Ehre gemacht hatten – es waren die Gäste aus Dortmund, die den Kampf gesucht, gefunden und über ordentliche Strecken des Spiels für sich entschieden hatten.
Im Vorfeld des Spiels war viel geschrieben und gemutmaßt worden, angefangen bei der Kartensituation (das Spiel war letzten Endes nicht ausverkauft, die offizielle Besucherzahl lag bei 43.306) über die vermutete Taktik des Gegners (Dreier- oder Viererkette) bis hin zu den vermeintlichen Außenseiterchancen, die der deutsche Meister beim englischen Pendant maximal haben könnte.
Die großartige englische Gastfreundschaft genießend, war es interessant, mit englischen Journalisten ins Gespräch zu kommen. In kurzen Wortwechseln war zu erkennen, wie sie das Spiel und Borussia Dortmund wahrgenommen hatten. Respekt und Anspannung vor dem Spiel wichen bis Spielende der Begeisterung wie Ernüchterung – zehn Feldspieler mit dem Börsenwert des gesamten BVB wurden deklassiert von einer Truppe leidenschaftlicher Jungspunde, gute 40.000 Engländer von nicht einmal 2.500 Borussen in Grund und Boden gesungen. So und nicht anders müssen sich schon Leonidas und Xerxes gefühlt haben, als 300 alles in die Waagschale werfende Spartaner das persische Söldnerheer der Tausenden an den Rand einer krachenden Niederlage geführt hatten.
Den ganzen Tag über bevölkerten mehr und mehr
Borussen das Stadtzentrum von Manchester, dabei neugierig beobachtet und freundlich aufgenommen von den Einheimischen. In den umliegenden Pubs konnten Rekordumsätze verzeichnet werden, und das obwohl sich Manchester – vollkommen untypisch – bei strahlendem Sonnenschein präsentierte. „Schatz, ich bin ma ein bisschen Sonne tanken in England“. Haha.
Die Polizei hatte im Vorfeld einige klare Regeln aufgestellt, bei denen man sich nach erstem Hinschauen nicht wirklich als Gast willkommen sah. Allerdings stellte sich die Situation vor Ort gänzlich anders dar: Freundliche und hilfsbereite Polizisten, die auch das ein oder andere Bier in der Öffentlichkeit gutmütig übersahen und auch sonst keinerlei Einschränkungen durchzusetzen suchten. Somit war die Stimmung den ganzen Tag über sehr heiter, ausgelassen und friedlich – so muss Europapokal sein!
Um den Fans einen guten Zugang zum Stadion zu ermöglichen und auch dort alles friedlich zu halten, hatten die Hüter der Ordnung aus Manchester im Vorfeld nach Abstimmung mit den Gästen einen Fanmarsch angekündigt. Dieser erfreute sich großer Beliebtheit. Nicht nur bei den BVB-Fans, auch die Einwohner von Manchester zückten zu hunderten ihre Handys, Kameras oder was ihnen gerade in die Hand kam, um die kleine schwarzgelbe Feierkolonne abzulichten. Hier wurde die Menschenmenge immer wieder von den Bobbies zusammengehalten und die immer mit einem freundlichen „please“ versehenen Aufforderungen von den Fans befolgt. Am Stadion ergab sich dann noch für einige Fans die Möglichkeit, in den umliegenden Pubs ein paar Bier mit den Einheimischen zu trinken, die allesamt ausschließlich positiv über die Fans und die Mannschaft von Borussia Dortmund parlierten. Angenehme Gespräche mit Fans eines Teams, das nun wirklich nicht das Musterbeispiel für gesund gewachsene Strukturen darstellt.
Im Stadion dann auch nochmal ein Zeichen für die Lockerheit, wie Ordner und Polizisten mit potenziell kritischen Situationen umgingen: Für die deutschen Fans, die sich im Bereich der Heimkurven aufhielten und dort ausfindig gemacht werden konnten, war es da wohl keine besondere Strafe, von Polizei und Ordnungsdienst der Plätze verwiesen und kurzerhand in den Gästeblock gebracht worden zu sein (so die Berichte einiger Fans aus dem Gästeblock). So einfach ist das manchmal, wenn man eben ein paar Mal über seinen Schatten und die einem zueigenen Machtbefugnisse springt und unkonventionell reagiert. An dieser Stelle ein schöner Gruß an die Herren (Bundes-)Polizisten und Ordner in und um deutsche Stadien herum!
Im Stadion waren Heim- und Gästefans lediglich durch eine Reihe Polizisten getrennt, und konnten sich dadurch gegenseitig zu ausdauernden Sangesleistungen animieren. Naja, zumindest galt das für die Schwarzgelben, die über 90 Minuten wirklich alles rausholten und eine absolut überragende Visitenkarte hinterließen. Einen der Chef-Ordner veranlasste dies nach dem Spiel zu der Aussage: "Your guys are so passionate, it comes from the heart, just look in their eyes, fantastic!". Auch die britischen Medien überschlugen sich ob dieser fantastischen Kombination aus Team- und Fanleistung in Lobhudeleien und Superlativen. Ein paar Auszüge gefällig?
Der Independent schreibt: „The German model is what fans of this country want. Sustainable football that puts fans at the heart of the game, where they should be. Last night we saw two completely different cultures in terms of football and in terms of fans. We saw the 'might' of an oil baron against the sustainability and inclusion of a club run the right way. We saw 'sit down, shut up, hand over your money' against 'stand up, make noise, enjoy yourself and hand over a nominal fee'. Some fans in Germany pay as little as £93 for their season ticket. The PL treats supporters as cash cow customers, who need to be policed to within an inch of their life.The Bundesliga treats supporters as the lifeblood of the game, who can have a drink and enjoy themselves watching the team they love.“
Der Daily Telegraph adelt die BVB-Fans: "Along with Hart and Dortmund’s keeper Roman Weidenfeller, the real stars of a terrific, if scoreless first half had been the Borussia supporters, a mass of yellow and black, jumping up and down in synchronised fashion, engaging in rhythmic clapping and English-style chanting, all powered by the percussive beat of their drummer."
Auch Aki Watzke findet ein paar lobende Worte über den Auftritt von “Trainer, Team und Fans“: „Ebenso, wie mir die Leistung der Mannschaft imponiert hat, bin ich vom Verhalten unserer Fans begeistert. Das war großartig! Unsere Fans haben eine tolle Visitenkarte unseres Klubs abgegeben. Sie haben unseren Klub im Ausland würdig vertreten. Dafür möchte ich allen, die dabei waren, herzlich danken!“
Abseits all der Lobhudeleien sollte man aber nocheinmal das Verhalten des Vereins Manchester City kritisieren dürfen: Es war einfach schade, dass nur so wenige Borussen den Weg ins Stadion hatten finden dürfen. Während Manchester United nach eigenem Bekunden mehr Karten an die Gastvereine aushändigt, als von der UEFA vorgeschrieben (4.500 Karten ~ sechs Prozent), hatte sich der Stadtrivale wohl auf Anraten der Polizei von seiner harten Seite gezeigt. Ganz überflüssig schien diese Regelung zu sein, als Berichte die Runde machten, deutsche Austauschschüler und Studenten hätten erheblich vergünstigte Tickets (zu hören waren Beträge zwischen 15 und 20 Pfund) über die Universität und ähnliche Kanäle beziehen können.
Es bleibt hier zu hoffen, dass die positiven Erfahrungen des noch recht unerfahrenen Clubs mit dem deutschen Anhang dazu führen, freie und an den Gästeblock angrenzende Plätze zukünftig zusätzlich an die Gastvereine abzugeben – nicht nur, weil reiselustige Fanszenen es verdient haben, sondern auch um den Herrschaften in den Heimbereichen vor Augen zu führen, wie leidenschaftlich Fußball aussehen kann.
Wir können uns sehr darauf freuen, die Engländer im Dezember in Dortmund begrüßen zu dürfen. Nachdem wir (ebenso wie schon vergangene Saison in London) eine Lehrstunde in Sachen guter und deeskalierender Polizeiarbeit erfuhren, werden dann vielleicht wir an der Reihe sein, mit einem kochenden und vor Leidenschaft geradezu explodierenden Westfalenstadion unseren Teil zum gegenseitigen Lernen beizutragen.
Doch zurück zum Spiel, dass sich auch aus neutraler Stadionperspektive nicht schlecht liest: Mit perfekter Sicht auf Spielfeld und Gästeblock waren die 90 Minuten nichts weiter als ein reiner Hochgenuss. Zur linken Seite eine komatöse Heimkurve, die man nach der Würdigung eines Blickes getrost wieder vergessen konnte, zur rechten Seite eine riesige gelbe Masse singender Fußballfans, die keine Minute des Spiels ruhig bleiben oder gar auf ihren Sitzschalen Platz nehmen wollten. Streckenweise wusste man gar nicht mehr, wo man lieber hinsehen sollte – auf die großartigen und leider erfolglosen Sturmläufe Mario Götzes oder auf diesen Mob, der unseren Verein von seiner besten Seite präsentierte.
Der Gästeblock explodierte nach dem Führungstreffer einfach mal so richtig und auch in den folgenden 30 Minuten war das einfach nur extrem laut und mit viel Bewegung, was unsere Fans auf die Tribünen zauberten. Bei der Meisterleistung auf dem Rasen aber auch das mindeste was wir für unsere Jungs tun konnten. Leider brachte die strittige Elfmeterentscheidung kurz vor Schluss Spieler und Fans um den verdienten Lohn. Doch gerade in der Niederlage (oder im Unentschieden) brach sich ein Gefühl Bahn: Der Stolz, wie man als Einheit hier und heute aufgetreten war.
Wir haben im Nachgang noch einige Stimmen zum Spiel für Euch gesammelt.
Pressekonferenz mit Jürgen Klopp
Auf die Frage, wie er die Elfmetersituation empfunden habe:
Jürgen Klopp: „Es stört mich, dass hier so ein fantastisches Fußballspiel stattgefunden hat und Ihre erste und wahrscheinlich letzte Frage ist dann die nach einem Elfmeter. Das finde ich schade. Ich hätte zunächst einmal Foul an Weidenfeller gegeben, dann Foul an Schmelzer, danach springt der Ball aus ganz kurzer Entfernung an die Hand von Neven – wenn man ihn pfeifen will, pfeift man ihn.“
Auf die Frage, ob er jemals einen so starken Torwart wie Joe Hart gesehen habe:
Jürgen Klopp: „Klar, Roman Weidenfeller! Joe Hart hat immer wieder richtig gut gehalten, einige Chancen zunichte gemacht. Beide Torhüter haben ein unglaublich gutes Spiel gemacht und auf allerhöchstem Niveau gespielt. Meine Meinung zum Spiel ist – vielleicht interessiert es ja jemanden und wenn nicht, ist es mir auch scheißegal – dass meine Mannschaft sehr, sehr gut aufgetreten ist und ich sehr zufrieden mit ihr, tendenziell sogar stolz auf sie bin. Manchester City hat zuletzt vor sehr langer Zeit daheim verloren und heute waren sie sehr kurz davor, das ist meiner Mannschaft anzurechnen. Es ist am Ende ein verdientes Unentschieden, weil City auch einige Chancen gehabt hatte, aber es ist natürlich auch klar, dass wir bei einer so engen Situation wie am Ende ein bisschen brauchen, um zu realisieren, dass wir einen Punkt gewonnen und nicht zwei verloren haben.“
Auf die Frage, ob sich der Gegner den Punkt verdient und er den BVB nicht deutlich stärker gesehen habe:
Jürgen Klopp: „Wir waren besser heute Abend. Aber City hatte auch gute Chancen, normalerweise nutzt Agüero davon mindestens eine und macht es dann unheimlich schwer. Es ist also nicht so, dass der Punkt für City komplett unverdient ist und wir traurig nach Hause fahren müssen.“
Auf die Frage, wie er die vergebene Großchance Lewandowksis in der zweiten Halbzeit empfunden habe:
Jürgen Klopp: „Genauso wie die 45. Minute, als Ilkay Gündogan ganz allein vorm Tor stehend vorbei geschossen hat. Es ist mir ehrlich nicht wichtig, wie groß die Chancen waren, denn es passiert im Fußball, dass man daneben schießt. Der Rasen war sehr nass und der Boden sehr hart, wenn da ein Ball von der Seite hereinkommt reicht eine Millisekunde, um ihn nicht zu verwandeln. Meine Mannschaft hat ihre taktischen Vorgaben heute so fantastisch umgesetzt, wie man in dieser Einseitigkeit kaum damit rechnen konnte. Wir haben 4-3-3 gespielt, Lewandowski in der Offensive als 10er ein bisschen versteckt, versucht die Jungs über die Außen hoch bis hinter die letzte Linie zu bringen – wir haben ganz vieles versucht, meine Jungs haben das toll umgesetzt. Was Kuba in den Halbräumen und Manni vor der Abwehr gespielt haben, war großartig. Es darf am Ende nicht so aussehen, als ob es nur an dieser einen Chance gelegen hätte, dass wir hier nicht als Sieger vom Platz gegangen sind. Wir hätten das Ding auch 1:0 gewinnen können, stattdessen haben wir den Elfmeter gekriegt – das sind alles Dinge, die passieren können. Weiter geht’s! Wir haben für uns gesehen, dass wir heute Abend auf diesem hohen Niveau mitspielen konnten und sogar das bessere Team waren. Mit der Art, wie meine Mannschaft aufgetreten ist, bin ich einfach richtig einverstanden.“
Auf die Frage, ob man mehr Werbung für ein Fußballspiel hätte machen können:
Jürgen Klopp: „Meine Mannschaft hat das schon häufiger getan in dieser Saison, 3:2 in Hamburg verloren und 3:3 in Frankfurt gespielt. Da haben wir sicherlich Werbung für den Fußball gemacht, mir hat das trotzdem nicht gefallen. Ich weiß auch nicht, ob Manchester City nun heute mit dem Gefühl vom Platz gegangen ist, Werbung für den Fußball gemacht zu haben. Unser Auftrag war es auch nicht, aber das Spiel war spektakulär und wird den meisten Menschen Spaß gemacht haben, die es gesehen haben. Wir haben einen guten Eindruck hinterlassen, das ist für uns wichtig – wir wollen Borussia Dortmund in der Champions League anders darstellen als im letzten Jahr. Das war heute ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“
Neven Subotic
Neven Subotic: „Natürlich konnten wir nicht alle Chancen verhindern, diese Jungs sind einfach der Wahnsinn. Die spielen Pässe, von denen du nur träumen kannst, das gibt es in der Bundesliga nicht. Du kannst dich also vorbereiten wie du willst, du wirst es nie schaffen, keine Chance zuzulassen oder deinen Torwart nicht erheblich zu fordern. Das ist nicht realistisch angesichts der Qualität und Kreativität in diesem Team. Dennoch war es international das beste Spiel, das wir bislang gemacht haben, weil es auf einem unglaublich hohem Niveau stattfand – keiner hatte erwartet, dass wir so viele Chancen und dann auch noch solche Hochkaräter herausspielen. Das ist dann allerdings wieder unserer Qualität geschuldet. Gegen Real Madrid wird uns ein ähnliches Spiel erwarten wie heute. Viel bessere Spieler kann man sich mit keinem Geld der Welt kaufen, wir haben heute schon die Creme de la Creme gesehen. Es ist einfach krass, was diese Jungs auf der Bank sitzen haben. Real wird versuchen gegen uns zu dominieren und wir werden das nicht zulassen. Was den Elfmeter betrifft: Ich weiß auch nicht, was ich getan habe, dass ausgerechnet ich immer der Pechvogel bin. Ich hab es im ersten Moment einfach nicht geglaubt, dann den Pfiff gehört und anhand der Reaktionen des Publikums gemerkt, dass er das Ding tatsächlich gegeben hat. Da war die Enttäuschung einfach richtig groß, weil wir so nahe an einem Sieg waren. Vor dem Spiel hatten wir noch gelesen, dass Manchester City international zuhause seit 15 Spielen nicht mehr verloren hat, wir waren so kurz davor – dass es dann so entschieden wird und sozusagen meine Schuld ist, obwohl ich da gar nichts anderes machen kann, ist sehr schmerzhaft.“