Return of the Ergebniskrise ? oder: Das ist ne echte Scheißstatistik!
Da siehst du die vielleicht beste Partie der Saison und schießt fünf Tore in zwei Auswärtsspielen, nimmst aber trotzdem nur einen mageren Punkt mit nach Hause – das Leben kann manchmal ungerecht sein, in diesem Fall ging die spärliche Ausbeute jedoch absolut in Ordnung. Stolperte Borussia in Hamburg noch über die eigene Ungeschicklichkeit im Torabschluss, stand mit der Frankfurter Eintracht ein Gegner auf dem Platz, der sich mit großem Willen und enormem spielerischen Potenzial einen Punktgewinn einfach nur verdient hatte.
Drei Tage nach dem viel diskutierten Boykott des in preispolitischer Hinsicht unbelehrbaren Hamburger SV, hielt der Spielplan ein echtes Highlight für uns bereit. Der unglückliche Abstieg und der sich anschließende Aufenthalt in der zweiten Liga hatten den Hessen gut getan. Mit neuem Schwung und viel Elan gelang der beste Saisonstart eines Aufsteigers in der Bundesligageschichte, so dass sich SGE-Präsident Peter Fischer in TV-Talkrunden nicht nur mit unmoralischen SMS-Angeboten brüsten konnte, sondern auch mit längst vergessenen Gespielinnen aus seiner Jugendzeit, die sich mit lobhudelnden Kurznachrichten wieder ins Gedächtnis rufen wollten. Selbst in Zeiten des Erfolgs scheint man sich in Frankfurt seiner Traditionen bewusst geblieben zu sein und keine Gelegenheit auszulassen, Pluspunkte mit horizontalen Anekdoten zu sammeln oder dem (nach eigenem Bekunden) gesunden Geschlechtstrieb der Fanszene Respekt zu zollen – irgendwie beruhigend, dass man sich wenigstens noch mancher Konstanten im schnelllebigen Fußballgeschäft gewiss sein darf.
So groß also offensichtlich das Interesse der Frankfurter ausfiel, so sehr schien der Dortmunder Anhang die drei Punkte bereits verbucht zu haben – etwa 200 Karten wurden an den Main zurück geschickt und waren an der Tageskasse für den Gästeblock erhältlich. Unter der Woche ist das sicherlich nicht allzu überraschend, doch wundert man sich schon ein wenig, warum englische Wochen in der Champions League dann wiederum kein Problem darstellen. Andererseits scheint sich vor dem Hintergrund des Europapokals die Situation rund um die Bundesligatickets ein wenig zu beruhigen, so dass sich der geneigte Auswärtsfahrer wieder entspannter seinem BVB widmen kann. Hat ja auch gewisse Vorteile.
Wer es dann trotz einer angespannten Verkehrssituation auch noch rechtzeitig ins Stadion geschafft hatte, erlebte eine respektable Leistung der Frankfurter Westtribüne. Kurz vor Spielbeginn verschwand diese unter einer riesigen schwarz-weißen Blockfahne, unter der sich die Fans für das kommende Spiel warmsangen. Immer wieder abwartend, ob unter dieser Fahne nicht doch ein weiteres Element hervorkommen würde, blieb es bei dieser schlichten und zugleich eindrucksvollen Cheoreographie. Der Gästeblock hatte in dieser Phase stimmlich nur sehr wenig entgegenzusetzen und brauchte eine ganze Weile, um auf Betriebstemperatur zu kommen.
Die Aufstellungen sorgten nur bedingt für Überraschungen. Auf Frankfurter Seite standen der angeschlagene Pirmin Schwegler sowie der Nürnberger Joker Erwin Hoffer für den verletzten Olivier Occean in der Startelf, während Jürgen Klopp zum sechsten Mal in Folge eine neue Elf ins Spiel schickte und Kuba für Mario Götze ins Team rotierte. Ivan Perisic sollte auf der linken Seite für Entspannung sorgen und dem zuletzt nicht immer glücklich agierenden Marcel Schmelzer gegen die aggressiven Frankfurter Außen helfen, Marco Reus im zentralen Mittelfeld für heftige Wallung sorgen.
Die SGE hatte ihre Lehren aus der Dortmunder Pleite beim HSV gezogen und startete engagiert ins Spiel. Überfallartig wollte man dem in spielerischer Hinsicht „großen Bruder“ direkt zu Spielbeginn den Zahn ziehen, mit einem frühen Tor direkt ein Zeichen setzen. Mit phänomenaler Unterstützung der eigenen Fans gingen die Hessen in die Vollen und störten früh – Borussia hatte ihre liebe Mühe, Struktur in diese Anfangsphase zu bringen. Erst nach gut acht Minuten gelang es dem vor allem in der ersten Halbzeit bärenstarken Lukasz Piszczek für Entlastung zu sorgen – bis in den Strafraum konnte er sich in einer sehenswerten Konteraktion durchkämpfen, bis Moritz Leitner die Kontrolle übernahm und wuchtig draufhielt. Gerade noch rechtzeitig bekam Kevin Trapp die Fäuste hoch und lenkte den Ball ins Toraus, die anschließende Ecke brachte nichts ein. Dass sich die Hausherren davon kein bisschen beeindrucken ließen, zeigte Takashi Inui nur eine Minute später – die Dortmunder Defensive hatte er beinahe mühelos durchdrungen, bis Roman Weidenfeller dem Treiben ein Ende setzte.
Das Spiel behielt sein hohes Tempo, beide Mannschaften agierten bissig und begegneten sich auf Augenhöhe. Frankfurt übernahm dabei den aggressiveren Part und attackierte ständig, leistete sich aber zu viele unnötige Fehler im Aufbauspiel, um ernsthaft gefährlich zu werden. Borussia spielte bis zum Strafraum sicherer und überlegter, scheiterte jedoch an der eigenen Genauigkeit oder dem letzten Pass. So verfehlte Sebastian Kehl das Tor nach einer Ecke ebenso wie ein Freistoß aus gut 30 Metern, den Perisic zuvor herausgeholt hatte.
Erst in der 24. Minute sollte es wieder brenzlig werden. Piszczek marschierte wie von einer Tarantel gestochen die Linie entlang, spielte den bisher so souveränen Bastian Oczipka schwindelig und machte uns den Robben – von rechts nach innen ziehend, den gewährten Freiraum dankbar nutzend und einfach mal aufs Tor schießend, erzielte er das 0:1. Dass Oczipka und Bamba Anderson den Ball abfälschten und Trapp ziemlich alt aussehen ließen, ist die eine Wahrheit – dass Piszczek sich für diesen mustergültigen Angriff das Tor mehr als nur verdient hatte, die andere.
Die Schwarz-Weißen waren nun ein wenig irritiert, während Borussia den eigenen Schwung nutzen und in Zählbares verwandeln wollte. Nur vier Minuten nach dem Führungstreffer war es wieder Piszczek, der wie ein Messer durch einen Block warmer Butter glitt und diesmal das Auge für den Mitspieler hatte – fast an der Grundlinie spielte er die scharfe Hereingabe zurück auf Höhe des Strafraums, wo Reus mutterseelenalleine an den Ball kam und trocken abzog. Ein toller Spielzug, der abermals zu recht mit einem Tor belohnt wurde. Als Piszczek ihn nur eine Minute später genauso wiederholen und damit das Spiel in endgültig trockene Tücher bringen wollte, blieb das Glück des tödlichen Passes leider versagt – angesichts des Spielverlaufs wäre das 0:3 in dieser Phase aber mehr als nur schmeichelhaft gewesen.
Der Borussenzug war jedenfalls auf Hochtouren unterwegs, der Eintracht blieben nur gefährliche Nadelstiche. Ein Freistoß von Alex Meier strich nur knapp am Tor vorbei, zur Verteidigung des eigenen Tores wurden zunehmend Nickligkeiten in das Spiel eingebaut. Die Stimmung im Waldstadion war nun richtig aufgeheizt, die Frankfurter wollten unbedingt noch vor dem Pausenpfiff den Anschlusstreffer erzielen. Beinahe hätte ihnen Weidenfeller mit einem Leichtsinnsfehler diesen Gefallen auch noch getan – in der 43. Minute wollte er einen relativ harmlosen Ball sicher fangen, griff jedoch knapp daneben. Neven Subotic sei Dank blieb es bei der deutlichen Führung, die zumindest beruhigend auf die zweite Hälfte blicken lassen sollte.
Mit Mario Götze für den leicht angeschlagenen Torschützen Reus ging es in eine der besten Halbzeiten, die man als Zuschauer in den letzten Monaten hatte sehen können. Wie bereits zu Spielbeginn startete Frankfurt furios und drängte auf den frühen Treffer. Doch zunächst landete ein Dortmunder Freistoß aus der eigenen Hälfte im Frankfurter Strafraum, wo Kuba mit einiger Übersicht auf den freistehenden Kehl zurücklegte. Statt sich am Torschuss zum 0:3 zu versuchen, ließ sich Kehl den Ball allerdings ohne großen Widerstand abnehmen – Schwegler setzte Inui in Szene, Stefan Aigner stand goldrichtig und hämmerte das Leder nach einem mustergültigen Konter unhaltbar ins linke Toreck. Aus dem eigenen Angriff bei sicherer Führung den Gegentreffer kassieren, darf sicherlich in der Rubrik dämlich geführt werden – wie souverän die Frankfurter diesen Konter spielten, nötigt andererseits auch eine gehobene Portion Respekt ab.
Nur zwei Minuten später rollte die hessische Offensive wieder in Richtung Dortmunder Tor. Schmelzer bekam Aigner überhaupt nicht unter Kontrolle, Mats Hummels zog den Kürzeren im Laufduell am eigenen Strafraum und in der Mitte mühten sich Kehl, Subotic und Piszczek im Wettbewerb um das schlechteste Stellungsspiel – zwei Frankfurter standen frei im Strafraum und konnten dem Treiben munter zusehen, der japanische Hüne Inui gab das Ungeheuer und nickte zum wahrscheinlich einzigen Kopfballtor seiner Karriere den Ball ins Netz. Binnen weniger Sekunden den Ausgleich kassiert, das ganze Stadion ins Leben zurückgeholt – so hatte sich Borussia den Auftakt in den zweiten Durchgang sicher nicht vorgestellt.
Besonders unzufrieden schien Götze, der mit seiner Einwechslung nicht den Verlust der sicher geglaubten Punkte in Zusammenhang bringen lassen wollte. Nur wenige Minuten nach dem doppelten Nackenschlag der Frankfurter fasste er sich ein Herz und stampfte im Alleingang durch die gegnerische Abwehr, brachte Anderson zum wiederholten Mal zu einem einfachen Ballverlust und schob den Ball lässig vorbei an Trapp ins Glück. Während plötzlich im Westen die Köpfe hingen und Ernüchterung einsetzte, tobte der Gästeblock – das musste es ja nun wirklich gewesen sein!
Doch entgegen aller Fußballweisheiten hatten die Frankfurter noch längst nicht aufgesteckt – eine Minute nach dem 2:3 hämmerten sie einen Ball aus gut 30 Metern aufs Dortmunder Tor und hätten die Führung beinahe schon wieder egalisieren können. Allerdings war es nun wieder Götze, der im direkten Gegenzug das 4:2 hätte erzielen können – nur dank Trapps großartigem Reflex blieben nun die Hessen im Spiel. Erneut wurde es hitziger auf dem Spielfeld, vor allem Carlos Zambrano bediente sich zahlreicher Attacken, die sich am Rande des Erlaubten bewegten. Als er Robert Lewandowski bei einem weiteren guten Angriff an der Seitenlinie umholzte, markierte dies einen Bruch im Spiel – Kuba und Perisic wechselten die Seiten, Lewandowski hatte endgültig die Schnauze voll und das Tempo ging auf beiden Seiten spürbar zurück.
Die Spannung blieb jedoch erhalten: Inuis Doppelchance in der 66. Minute wurde vereitelt von Weidenfeller und dem gut aufgelegten Moritz Leitner. Kevin Großkreutz kam für Perisic und fand sich sofort in einem Doppelpass mit Götze wieder, der ihm den Weg in den Frankfurter Strafraum ebnete – statt wie Piszczek beim 0:1 einfach draufzuhalten, entschied sich Großkreutz jedoch für den Querpass und blieb mit diesem in der nun erstmals stabil agierenden Innenverteidigung hängen. Diese Nachlässigkeit wurde fünf Minuten später bestraft: Inui spielt eine kurze Ecke mit Oczipka im Doppelpass, der Ball segelte vor den Dortmunder Kasten, Anderson blieb unbedrängt und konnte mühelos den Ausgleich erzielen.
Das Publikum feierte die wieder einmal zurückgekommene Eintracht frenetisch, die Westtribüne und weite Teile der Gegentribüne hüpften um die Wette. Beiden Mannschaften war das 3:3 dabei zu wenig – der BVB musste mehr aus der Partie herausholen, um unangenehme Diskussionen zu vermeiden, die beflügelten Hausherren wollten ihre makellose Serie fortsetzen und die Unsicherheiten der Dortmunder Defensive zum Lucky Punch nutzen. So entwickelte sich eine hektische Schlussphase, die hüben wie drüben zahlreiche Chancen entstehen ließ, im Abschluss oder Spielaufbau allerdings zu viele Unkonzentriertheiten offenbarte.
Ein deutliches Chancenplus lag auf der Dortmunder Seite, die mit Götze erneut den Führungstreffer auf dem Schlappen hatte. Als Subotics Fallrückzieher in der 90. Minute auf der Linie geklärt werden konnte und Frankfurt ein letztes Mal den Turbo einlegte, war es um Klopps Nervenkostüm endgültig geschehen. Eine strittige Entscheidung des Schiedsrichters bei der letzten Frankfurter Offensivaktion ließ den Vulkan ausbrechen: „Das war ein Foul! Das war ein Foul! Das war ein Foul!“ schrie er den vierten Offiziellen an und durfte die letzte Ecke aus der Kabine verfolgen. Diese brachte nichts ein, die Mannschaften teilten sich die Punkte und nahmen die Gewissheit mit, ein herausragendes Spiel geboten zu haben.
Nach gut einem Jahr haben wir sie also wieder - ordentliche Spiele mit den falschen Resultaten, the "Return of the Ergebniskrise"...
Die Fotostrecke zum Auswärtsspiel gegen die SGE gibt es wie gewhnt auf unserer BVB-Fotoseite unter diesem Link.
Statistik
SGE: Trapp - Jung, Zambrano, Anderson, Oczipka - Schwegler - Rode - Aigner, Meier, Inui – Hoffer
Wechsel: Matmour für Hoffer (59.), Kittel für Aigner (85.), Lanig für Meier (90.)
BVB: Weidenfeller - Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer - Leitner, Kehl - Kuba, Reus, Perisic – Lewandowski
Wechsel: Götze für Reus (46.), Großkreutz für Perisic (68.), Gündogan für Kuba (85.)
Tore:
0:1 Piszczek (25.)
0:2 Reus (28.)
1:2 Aigner (49.)
2:2 Inui (51.)
2:3 Götze (54.)
3:3 Anderson (73.)
Gelbe Karten: Zambrano, Schwegler – Lewandowski
Gewonnene Zweikämpfe: SGE 47% (Zambrano 85%), BVB 53% (Leitner 65%)
Meiste Ballkontakte: Neven Subotic (80)
Stimmen zum Spiel
Jürgen Klopp: „Ich
weiß gar nicht, ob ich Armin zu einem Unentschieden heute gratulieren
darf, aber ich denke, wir haben heute ein verdientes Unentschieden
gesehen. Es war spektakulärer, als wir es wollten, was zum einen Teil
daran lag, dass wir eine Menge falsch gemacht haben, vor allem aber auch
daran, dass die Eintracht ein sehr gutes Spiel gezeigt hat. Bei den
beiden Gegentoren haben die Frankfurter sensationell umgeschaltet und
das überragend gemacht – die Laufwege haben bis ins letzte Detail
gepasst, am zweiten Pfosten standen immer zwei Leute frei und es war
unsere einzige Chance, dass die sich gegenseitig über den Haufen rennen.
Aber das hat leider auch nicht geklappt. Natürlich haben wir noch das
3:2 gemacht und hatten viele gute Möglichkeiten für weitere Tore, aber
wenn du 2:0 führst, ist es das eiserne Gesetz des Fußballs, dass du dich
nicht auskontern lassen darfst. Wir haben die nächsten Tage ein
bisschen was zu tun – das kann man wohl ganz bestimmt sagen, wenn man in
vier Tagen sechs Tore bekommt und ein Spiel so aus der Hand gibt. Wir
haben bislang die drittmeisten Gegentore gekriegt, das ist ne echte
Scheißstatistik, und die müssen wir angehen. Unseren Spielern läuft das
Offensivpotenzial zu den Ohren raus, das müssen wir aber defensiv
absichern – wenn uns das gelingt, werden wir auch wieder zu Null spielen
und es sehr gut spielenden Gegnern nicht mehr so leicht machen, uns
auszukontern.“
Auf die Frage, was er gesagt oder getan habe, bevor er kurz vor Schluss in die Kabine geschickt wurde:
Klopp:
„Gesagt habe ich: Das war ein Foul, das war ein Foul, das war ein Foul!
Und das scheint zu viel gewesen zu sein, dann war ich drin. Es waren
heute einige Szenen zu viel, die gegen Robert Lewandowski gepfiffen
wurden. Wenn so ein Spieler in einem Spiel mehr Fouls bekommt, als ein
Abwehrspieler, dann ist das schon etwas überraschend. Das habe ich dann
irgendwann zum Ausdruck gebracht und bin damit wohl nicht auf Anklang
gestoßen.“
Auf die Frage, wann und wie angesichts des engen Terminplans die Abwehr besser organisiert werden soll:
Klopp:
„Es ist eine Mischung aus Praxis- und Theorieschulung. Es ist ja nicht
so, dass wir das komplett verlernt oder die Spieler ihr Gedächtnis
verloren hätten. Wir legen einfach auf die falschen Dinge wert. Uns
fehlt am Ende immer wieder ein halber Meter oder Meter, mehr ist es
nicht. Wir stehen hoch im Raum und wollen ein starkes Gegenpressing
spielen, daran werden wir sicher nichts ändern. Wir müssen sehr viel
investieren, um hier gegen einen Gegner in Topform mit 2:0 in Führung zu
gehen, und bringen uns dann mit zwei Aktionen, die wir einfach schlecht
lösen, um die Früchte dieser Arbeit. Dementsprechend ist das kein
großes Problem, das uns in die Krise stürzt – wir wissen genau, wo der
Fehler liegt und was wir anders machen müssen. Das kann man in drei bis
vier Tagen also wirklich ganz gut trainieren, viel einfacher als so
manche andere Dinge, die man vielleicht auch besser trainieren sollte.“
Auf die Frage, ob der BVB gegen Nürnberg, Hamburg und Frankfurt zu überheblich gespielt habe:
Klopp:
„Nein. Wir haben acht Gegentore bekommen und machen Fehler, definitiv.
Damit werden wir umgehen. Entscheidend ist aber, und da bin ich ehrlich
gesagt enttäuscht von Ihrer Frage, dass wir bis zum Schluss alles geben.
Wenn Ihnen das nicht auffällt, tut mir das Leid für Sie. Die Mannschaft
ist in Hamburg über 120 Kilometer gelaufen, das macht eine überhebliche
Mannschaft nicht. Sie macht zwar Fehler, ist aber immer auch dazu
bereit, diese Fehler wieder gut zu machen. Dass das Spiel nach 90
Minuten vorbei ist und du bis dahin vor dem Tor die eine oder andere
falsche Entscheidung fällst, hat mit Überheblichkeit auch nichts zu tun.
Dass wir dreimal auswärts gespielt haben, zweimal unentschieden und
einmal verloren, ist schade, ändert aber auch nichts daran, dass im
Fußball schon mal schlimmere Dinge passiert sind. Jetzt über die
Mannschaft herzufallen, wie pomadig das alles sei, das ist so leicht –
aber was waren die Spieler denn vorher, als sie ewig nicht verloren
haben? Da waren sie die Allergrößten, was den Willen angeht. Mehr muss
man dazu eigentlich nicht sagen.“
Armin Veh:
„Für die Zuschauer war das heute ein geiles Spiel, keine Frage. In der
ersten Halbzeit habe ich Dortmund überlegen gesehen, Borussia war sogar
die klar bessere Mannschaft. Das kann man nur schwer verteidigen, wenn
man sieht, wie erfolgreich Dortmund die letzten Jahre schon spielt. Wenn
man eine solche Riesenqualität auf sich entgegen kommen sieht, hat man
es als Innenverteidiger sogar verdammt schwer. Trotzdem hätte ich mir
gewünscht, dass wir frecher spielen. Wir haben in der ersten Halbzeit zu
ängstlich agiert, was natürlich am Gegner lag, aber auch an uns. Die
zweite Halbzeit war dann komplett anders, da sind wir dann aufgetreten,
wie wir es uns eigentlich von Anfang an vorgenommen hatten. Da war die
Leidenschaft im Spiel, wir haben mit die beiden Tore gemacht, sind
unheimlich viel gelaufen und hatten vor Augen, mit ein bisschen Glück
gegen Borussia Dortmund zu gewinnen, dann bekommen wir gerade in dieser
Phase mit den erneuten Gegentreffer einen Nackenschlag. Da muss ich ganz
klar sagen: Wenn einem so etwas gegen einen solchen Gegner passiert,
braucht es eine Menge Moral, um noch einmal ins Spiel zurück zu kommen.
Dass wir diese Moral gezeigt haben, darüber freue ich mich sehr. Dazu
muss ich natürlich auch sagen, dass Borussia unser großes Vorbild ist –
im Trainingslager haben wir uns viele Spiele der Dortmunder angesehen,
nicht etwa Spiele des FC Bayern oder anderer Topmannschaften, sondern
ganz bewusst Dortmund, weil wir versuchen wollen, so zu spielen. Da
darfst du mir bei einem Unentschieden sehr gerne gratulieren, Jürgen,
vielen Dank.“
Auf die Frage nach dem Inhalt seiner Halbzeitansprache, als das Schlimmste zu befürchten stand:
Veh: „Ganz
so schlimm wie Sie habe ich unsere erste Halbzeit jetzt nicht gesehen,
dass man da gleich vom Schlimmsten hätte ausgehen müssen. Dortmund hat
zwei Tore geschossen, musste sich das aber hart erarbeiten. Es ging also
darum, möglichst schnell den Anschlusstreffer zu schießen, um das
Stadion wieder hinter uns zu bringen – das hatten wir das gesamte Spiel
über zwar ohnehin, doch mit dem Treffer sah das natürlich noch einmal
anders aus. Außerdem wissen wir, dass 2:0 ein Scheißergebnis ist – beim
3:0 ist alles klar, beim 2:0 reicht dir aber schon ein Anschlusstreffer,
um das Spiel wieder auf die Kippe zu bringen. Das erfordert natürlich
Mut und ganz viel Leidenschaft, doch plötzlich machst du das 2:2. Das
Tor war heute dann aber nicht einmal entscheidend, sondern dass wir nach
diesem Kraftaufwand und dem erneuten Gegentreffer nicht aufgesteckt und
noch das 3:3 geschossen haben und auch danach immer weiter am Ball
geblieben sind. Das ist das eigentlich erstaunliche an der Geschichte.“
Noten
Weidenfeller: Klärte zweimal gut gegen Inui, bei den Gegentreffern machtlos. Kurz vor der Pause und bei einer unterlaufenen Flanke mit haarsträubenden Fehlern, wie man sie von ihm lange Zeit nicht sehen konnte. Note 4.
Piszczek: Bester Spieler der ersten Halbzeit, sorgte über seine Seite pausenlos für Gefahr. Schoss das verdiente 0:1 und lieferte die tolle Vorlage zum 0:2, auch danach eine Offensivleistung vom feinsten. Defensiv besteht noch erhebliches Steigerungspotenzial – Inui konnte schalten und walten, darf so nicht zum Kopfball kommen. Note 2,5.
Subotic: Klärte Weidenfellers Bock, hatte die meisten Ballkontakte und sorgte defensiv zumindest für ein bisschen Ordnung. Ansonsten eher durchschnittliche Leistung. Note 4.
Hummels: Gab die Vorlage zum 0:1, blieb ansonsten weit hinter der üblichen Spieleröffnung zurück. Beim 3:3 hatte der Gegenspieler zu viel Platz, muss beim 2:2 für Schmelzer retten und fehlt dann in der Mitte. Note 4.
Schmelzer: Offensiv ordentlich, defensiv vor allem in der zweiten Halbzeit unkonzentriert. Bekam seine Gegenspieler überhaupt nicht unter Kontrolle, ließ sich beim 2:2 überlaufen und zwang Hummels in eine Notsituation – das kann er viel besser. Note 4,5.
Leitner: Sein Torschuss in der 8. Minute konnte von Trapp nur mit Mühe pariert werden, klärte gegen Inui in höchster Not – er zeigte ein solides Spiel und gehörte zu den verlässlichsten Borussen auf dem Platz. Mit gerade einmal 65 Prozent gewonnener Zweikämpfe bester Dortmunder, ergibt Note 2,5.
Kehl: Verlor den Ball an seinen Gegenspieler und leitete damit den Konter zum Anschlusstreffer ein – insgesamt mit einem unauffälligen Spiel. Note 3,5.
Kuba: Konnte offensiv nicht die gewohnten Glanzpunkte setzen und hatte Mühe, dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. Durchschnitt. Note 3,5.
Reus: Schloss toll zum 0:2 ab und hielt ansonsten die Frankfurter Defensive beschäftigt. Musste zur Pause verletzt raus. Note 2.
Perisic: Wie so viele Borussen mit viel Antrieb im Spiel nach vorne, defensiv jedoch mit einigen Schwächen. Note 4.
Lewandowski: Machte gegen Zambrano keinen Stich – Zambrano hatte die beste Zweikampfbilanz auf dem Platz, wirkte mit großer Härte am Rande des Erlaubten und ließ jede Spielfreude Lewandowskis verfliegen. War in einer starken Offensive vollkommen isoliert und wurde ungewohnt zum Totalausfall. Note 5,5.
Götze: Kam zur Pause für den verletzten Reus und übernahm sofort dessen Spiel. Machte das wichtige Tor zum 2:3, spielte weitere gute Chancen heraus und hätte mit ein bisschen mehr Glück den Siegtreffer erzielen können. Insgesamt eine gute Partie, Note 2.
SSC, 26.09.2012