Anschwitzen für den Ligauaftakt
Titelverteidiger! Na, wie klingt das, wenn man zur ersten Runde im DFB-Pokal so begrüßt wird? Ziemlich cool, finde ich. Und um noch eins oben drauf zu setzen, folgte erst einmal ein zünftiges „Deutscher Meister steh auf". Das Leben auf der Doublesiegersonnenseite ist so schlecht nicht. Apropos Sonnenseite: auch der Wettergott zeigte sich hocherfreut, dass diese elend lange Sommerpause endlich ihr Ende gefunden hat und ließ sich mit angenehmen 28 Grad im Schatten wahrlich nicht lumpen. Gegner war übrigens der FC Oberneuland aus Bremen. Ein nicht zu unterschätzender Gegner, da schließlich mittlerweile sowas wie ein Stammgast in der Hauptrunde des DFB-Pokals. In beeindruckender Manier kämpfen sich die Mannen nun schon seit Jahren erfolgreich durch den wohl bundesweit härtesten Kreispokalwettbewerb gegen Kontrahenten wie TSV Melchiorshausen oder die SG Aumund-Vegesack auf die Bundesebene vor. Reschpekt.
Dass die Oberneuländer für diese Partie ins Bremer Weserstadion umgezogen sind, hatte sowohl positive wie auch negative Aspekte. Positiv natürlich in aller erster Linie die Ticketsituation. Es dürfte in dieser Hinsicht das wohl entspannteste Auswärtsspflichtspiel dieses Jahrtausends gewesen sein. 42.500 Plätze, von denen knapp 20.000 besetzt waren. Davon knapp zwei Drittel Borussen. Zu sagen, dass das letzte Drittel von frenetischen Oberneuländern gestellt wurde, wäre wohl übertrieben. Es waren jedenfalls noch Karten im Überfluss vorhanden. Die Tageskassen geöffnet, von einer Warteschlange weit und breit nicht zu sehen und auf dem Vorplatz versuchten etliche Fans händeringend noch überzählige Karten an den Mann und die Frau zu bringen. So wirkte der junge Mann mit dem selbstgemalten „Suche Karten"-Pappschild vor dem Gästeeingang auch etwas skurril. Seis drum. Das Schöne am Ende so einer Sommerpause ist, dass man die ganzen schrägen Vögel und hässlichen Menschen, denen man sonst Spieltag für Spieltag über den Weg läuft, wieder sieht. Irgendwie wie ein Familientreffen zu Weihnachten, wo alle mal wieder an einem Tisch sitzen. Wirklich nett.
Negativ am Umzug ins Weserstadion war dagegen, dass man ins Weserstadion umgezogen ist. Fußballfans bedienen sich ja ab und an einer sehr direkten Sprache und so stelle ich mal frank und frei fest: das Weserstadion ist scheiße. Die Aufgänge versprühen den spröden Charme eines Parkhauses und werden, je höher man steigt, so eng, dass man sich eine echte Panik dort nicht vorstellen mag. Steht man im Block, muss man hoffen einen Platz zu finden, bei dem einen nicht der ein oder andere Stützpfeiler die Sicht versperrt. Dabei hat sich die Erfindung von frei tragenden Dächern sogar bis in die Amateurligen herumgesprochen. Ist ja nicht so, als hätte Werder das Stadion vor nicht all zu langer Zeit erst einmal runderneuert. Sehr zu empfehlen ist auch ein Blick auf die Deckenkonstruktion. Dort scheint man sich kostengünstig bei einem indischen Powerseller für Farkirbedarf eingedeckt zu haben. Die Bleche mit 2 cm herausstehenden Schrauben würden sich zumindest hervorragend als Nagelbrett eignen. Man merkt gleich: Komfort und Sicherheit wird hier groß geschrieben.
Und wo wir gerade bei den Tribünen sind: Berichte über Gesangsduelle, Pöbeleien oder sonstige bemerkenswerte Fanaktionen sind schnell abgehandelt. Es gibt schlicht nichts dergleichen zu vermelden. Nicht nur auf dem Platz spielten da zwei völlig andere Ligen gegeneinander. Drei „F", „C" und „O" Doppelhalter flankiert von zwei kleinen Fahnen im „Heimblock" und über 10.000 Dortmunder, die routiniert ihr Gesangsprogramm abspulten. Stimme ist nicht eingerostet und die Texte sitzen noch. Mehr war stimmungstechnisch von diesem Kick auch einfach nicht zu erwarten.
Zumal auch nicht einmal ansatzweise so etwas wie eine Pokalsensation in der Luft lag. Womit wir schon beim Spiel wären. Ich könnte jetzt anfangen, mühsam einen Spannungsbogen zu konstruieren, aber ersten wisst Ihr alle, wie es gelaufen ist und zweitens übersteigt es meine schreiberischen Fähigkeiten, dieses Match in einen wahren Fußballkrimi umzudichten. Also bleiben wir bei den blanken Fakten. In der Startaufstellung fehlte fast schon erwartet Mats Hummels nach seiner leichten Verletzung im Länderspiel vom Mittwoch. Er saß auf der Bank und hätte vermutlich auch spielen können, aber wozu ein Risiko eingehen. Das hat nichts mit Arroganz zu tun, aber drei Abwehrspieler, die alle auf Champions-League-Niveau kicken wollen, sollten in jeder Konstellation gegen einen Viertligisten bestehen können. Sollten. Hier kann man nämlich leise Kritik üben. Natürlich war Oberneuland nie ernsthaft gefährdet, selbst ein Tor zu erzielen, aber bei manchen Angriffen in Halbzeit eins wirkten die Abwehraktionen verstörend unbeholfen. Dabei spielen dort doch die gleichen Jungs, die das schon etliche Male miteinander fast in Perfektion erledigt haben. Jürgen Klopps Reaktion an der Seitenlinie war dann auch sehr unentspannt. Es schien ihm nicht wirklich zu gefallen, dass man sich nur unwesentlich verbessert gegenüber den vorherigen Testspielen zeigte. Gegen die großen Bremer nächste Woche sollte man sich unbedingt sicherer präsentieren.
Überhaupt begann man das Spiel in Halbzeit eins recht schläfrig. Einige Unkonzentriertheiten, schlampige Pässe und das ein oder andere Abstimmungsproblem. Typischer Sommerkick halt. Kann man den Jungs irgendwie auch nicht verdecken. War es unter dem schattigen Stadiondach recht angenehm, müssen da auf dem Platz in der prallen Sonne richtig leckere Temperaturen geherrscht haben. So wirklich richtig motiviert schien allein Neuzugang Marco Reus zu sein, der zwar mit Sicherheit noch in seine Rolle hinter der Spitze hineinwachsen muss, aber viel unterwegs und ständig anspielbereit war. Nicht von ungefähr war er es auch, der die erste Chance im Spiel hatte, aber den Ball nicht nur über den gegnerischen Keeper, sondern auch neben das Tor lupfte. Zum Glück machte er es in der zehnten Minute besser, umkurvte nach feinem Zuspiel von Lewandowski den Torwart und schob ruhig ins leere Tor ein. Dann wieder viel Leerlauf. Für manche die Gelegenheit mal die Spielstände auf den anderen Plätzen abzuchecken. „2:0 für Berlin gegen Hoffenheim". Achja, so schlecht ist die Hertha ja nun nicht... ratterratterratter.... Moment, in der ersten Runde kann es ja weder die Hertha, noch Eisern Union sein. Schnell mal selbst nachgeschaut und rausgefunden, dass es sich um den Berliner AK 07 handelt. Muahahaha. Auch der schnell überflogene Kicker-Ticker liest sich recht amüsant.
In der 38. Minute machen unsere Jungs mal wieder auf dem Platz auf sich aufmerksam. Wirklich feiner Flankenwechsel von Perisic auf Piszczek, der mit dem Kopf auf Kuba, Gegenspieler stehen gelassen und trocken ins lange Eck. Das 2:0 und damit war bereits in der ersten Halbzeit die Messe gelesen. Und zwischen dem ungläubig vernommenem 3:0 für die Berliner und dem Halbzeitpfiff muss Lewandowski den Ball nach einem wirklich netten Spielzug eigentlich nur noch über die Linie schieben, aber ein Oberneuländer kriegt noch seine Hacke dazwischen.
War jemals Spannung in diesem Spiel, dann war sie zur zweiten Halbzeit komplett raus. Nachdem man den Mann an der Schalttafel der Anzeige wohl mal aus der Sonne gezogen hatte und das Eckenverhältnis korrekt angezeigt wurde, hatte er mächtig viel zu tun. Unsere Mannschaft schraubte die Statistik bis zum Schluss auf 13:3 hoch und erspielte sich zahlreiche Chancen. Einmal schoß Kuba völlig blank den Torwart an, statt einfach in eine der beiden Ecken, dann nagelte Perisic den Ball an die Latte. In Berlin steht es übrigens gerade 4:0 und der junge, aufstrebende Trainer Markus Babbel verschiebt seinen Termin im Tattoostudio auf unbestimmte Zeit. Er will sich Platz lassen für Schriftzüge von Jahn Regensburg oder Rot-Weiss Oberhausen.
Die Dortmunder zeigen den ein oder anderen nette Spielzug über die Außen, beim FC Oberneuland merkt man einfach, dass die Kräfte schwinden. Und auch der dritte Treffer durch Ivan Perisic nach Vorlage des eingewechselten Mario Götze soll die eigentlich ordentliche Vorstellung der Männer vom Weserstrand nicht schmälern. Man hat seine Sache in dieser Hitze gegen letztendlich konditionell und spielerisch deutlich überlegende Dortmunder gut gemacht und sich achtbar aus der Affäre gezogen.
FC Oberneuland: Mandic - Adewunmi, Hessel, Krogemann, Yücel - Kilicaslan, F. Muzzicato, Seidel, Minns - M. Aktas, Laabs
Borussia Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Subotic, Santana, Schmelzer - Gündogan, Kehl - Blaszczykowski, Reus, Perisic - Lewandowski.
Einwechselungen: 57. Zengin für M. Aktas, 63. Ö. Aktas für Seidel, 74. B. Muzzicato für Kilicaslan - 65. Götze für Reus, 69. Schieber für Lewandowski, 85. Großkreutz für Blaszczykowski
Tore: 0:1 Reus (10., Lewandowski), 0:2 Blaszczykowski (38., Piszczek), 0:3 Perisic (67., Blaszczykowski)
Stimmen zum Spiel (Marco Reus):
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