Ein Malte Dürr, das Double und Nivea Aftershave
Der 12. Mai 2007 markierte den Wendepunkt. Die tiefste Krise des Dortmunder Ballspielvereins Borussia hätte beinahe im Abstieg gemündet, zugleich hatte der ewige Rivale aus der Nachbarschaft abermals gefährlich nach der Schale gegriffen. Ein leidenschaftliches Spiel später war die größte Schmach seit Menschengedenken abgewendet, Trauer herrschte im Norden. Fünf Jahre später schließt sich der Kreis: Borussia grüßt unwiderstehlich von oben, Trauer herrscht im Süden. Dabei waren beide Gegner, 2007 und 2012, ja irgendwie doch viel besser als wir.
Wir schreiben den 11. Mai 2012. Die Stadt Berlin, seit einigen Jahren leider selbst in der Landkarte des Rumpelfußballs zu finden, begrüßt tausende schwarz-gelbe Besucher. Vom Kudamm über den Hauptbahnhof bis hin zum Alexanderplatz tragen Borussen ihre Schals, Trikots und Fahnen stolz wie Oskar spazieren. Vereinzelt mischen sich auch rot-weiße Anhänger unter das Volk – sie haben sich mit Krachlederner und Gamsbart besonders schick heraus geputzt, wie auch sonst immer, wenn das rote Ballett einen ungefährdeten Triumph erringen möchte. Dabei steigt am Abend zur Einstimmung auf das Sportwochenende Teil zwei der diesjährigen Borussia Hearts Beat Club Parade – geladen zu einer kleinen Kneipe mitten in Kreuzberg finden sich etwa 60 Borussen ein. SBK Basement und das Ballspielorchester sorgen für die richtige Musik, Lesungen und gepflegte Konversation bei Dortmunder Flüssigtreibstoff heizen der Meute kräftig ein.
Bemerkenswert: Trotz attraktiven Konkurrenzprogramms – im Q-Dorf steigt die Pokalparty mit topless bartenders, zu Deutsch: Bier mit Fleischbeschau – lässt es sich selbst ein Malte Dürr nicht nehmen, den gefährlichen Weg in den Kreuzberger Kiez anzutreten und die geneigte Damenwelt mit seiner Anwesenheit zu beglücken. Nach einer Reihe lasziver, stets jedoch geschmackvoller Fotos mit einer dicken Biene wagt der nach eigenem Bekunden C-prominente Herdecker erneut den Schritt auf die Bretter, die für Künstler wie uns die Welt bedeuten.
Auf besonders großen Anklang stößt ein Malte Dürr, als er den investigativen Bericht eines Sportmagazins, Insidern bekannt als niveauähnlich dem Magazin Prisma, delektiert. „Ultras an der Macht“ titelnd, widmet sich der Text einer brisanten Problematik, die nicht nur den Verfassern zahlreiche Fragen unbeantwortet gelassen zu haben schien. Das Publikum grunzt und johlt zwischen Fassungslosigkeit und Entzückung. Nach ziemlich exakt 09:09 Stunden tritt die fangetränkgeschädigte Feiergruppe ihren Weg in Richtung Bett an. Großer Dank gilt den Organisatoren und Beitragenden, die nächste Saison hoffentlich noch einmal öfter zum Clubabend rufen werden…
Der Folgetag beginnt mit Kopfschmerzen. Müde, ein wenig desorientiert und insgesamt recht angeschlagen geht es in Richtung Gedächtniskirche. Als Treffpunkt bewährt, sammeln sich auch in diesem Jahr zahlreiche Borussen im alten Westberliner Zentrum. Unter die vielleicht 8.000 Schwarzgelben mischen sich diesmal überraschend viele Anhänger des FC Bayern, inklusive der Seitenstraßen mögen es etwa 2.000 gewesen sein.
Es bleibt stets beim friedlichen Nebeneinander (bisweilen auch Miteinander) der Fangruppen, was extra zu erwähnen bekanntermaßen unnötig ist – leider muss es an dieser Stelle allerdings doch passieren, da es zuvor einen unschönen Zwischenfall gegeben hat. Polizei und Mitfahrer eines Sonderzugs haben sich nach höchst albernen Kleinigkeiten miteinander angelegt, rund um den Bahnhof Zoo fliegen über fünf Minuten hinweg Flaschen und Getränkebecher. Wie gnadenlos dämlich das bei einem Pokalfinale ist – man könnte einen ganz lockeren Tag verbringen und einfach nur genießen, statt ein abruptes Ende für alle Fans vor Ort zu riskieren –, sollte sich jedem erschließen. Beide Seiten wären zu sehr viel mehr Zurückhaltung aufgerufen, scheinen jedoch überhaupt kein Problem damit zu haben, eine Lappalie sofort zur Eskalation zu bringen. Unwürdig.
Insgesamt möchte in diesem Jahr rund um die Gedächtniskirche eher wenig Fußballatmosphäre aufkommen. Die Saison ist bereits seit drei Wochen gefühlt zu Ende, viele Fans haben ordentlich getankt und stehen indifferent umher. Obwohl schwatzgelb weit und breit so gut wie alles dominiert, sind eher wenige Gesänge zu vernehmen oder verrückte Aktionen zu sehen. Es bleibt bei einigen Kanonenschlägen, gelbem Rauch und biergeschwängerter Stimmung, bis die ersten Gruppen (und so auch wir) eine Ausweichlokalität in der Nachbarschaft suchen. Da haben wir uns etwas mehr erhofft, hatte das erneute Pokalfinale gegen den Vizemeister ja doch einiges Potenzial geboten.
Vor dem Stadion beginnt es dann zunehmend zu kribbeln. Der DFB hat hinter der Ostkurve alles aufgeboten, was an Rahmenprogramm aufzubieten ist: Volkswagen darf seine neuen Modelle vorstellen, die Allianz lädt zum fröhlichen Fanspiel, Sky darf auf einer großen Bühne mit vergleichsweise sparsamer Public-Viewing-Leinwand Schabernack treiben. Dazwischen gibt es ausreichend Gelegenheit zur Bierversorgung, aufgebaute Biertische mit „Express-Bier-Service“ und Leberkäs lassen die Zielgruppe erahnen. Vor dem Marathontor, mit Biergärten und Terrassen ohnehin der gemütlichere Teil des Stadionvorplatzes, geht es dafür richtig schwatzgelb zu – das Beobachten der Menschenströme lässt allmählich das Bewusstsein aufkommen, dass der große Traum tatsächlich real sein und tatsächlich bald ein wichtiges Spiel stattfinden könnte.
Das Vorprogramm im Rund des Olympiastadions wollen wir uns an dieser Stelle schenken. Einerseits, weil sich seit 2008 ungefähr nichts geändert hat, und andererseits, weil merklich angespannte Borussen den Weg aufs Spielfeld antreten. Begleitet werden sie von Kindern, Goldfrauen auf fahrbarem Untersatz, weiteren Kindern in Nationalfarben (die Gelben rennen den Roten übrigens davon), daneben steht das Heeresmusikcorps der Bundeswehr bereit für die Hymne.
Währenddessen erleben wir auf den Rängen ein eher trauriges Bild. So müssen wir auf Seite des FC Bayern auf eine Choreographie verzichten, da sich der DFB in Sachen Brandschutz etwas ganz feines ausgedacht und vieles in seiner Macht stehende zur Verhinderung eines beeindruckenden Tribünenbilds getan hat. So staunen wir zwar Bauklötze über das einheitlich schwatzgelbe Bild rund um das Marathontor und freuen uns auf die folgende Choreographie, bis wir konsterniert feststellen, dass eben dies schon alles gewesen sein muss.
Auch in unserem Forum regte sich einige Kritik, doch gilt es an dieser Stelle eine Lanze für die Organisatoren zu brechen: Im Rahmen der extrem engen Sicherheitsbestimmungen des DFB blieb kaum Spielraum für eine größer angelegte Choreographie. So mussten beispielsweise die Spruchbänder entgegen der üblichen Bundesligapraxis feuerfest gemacht werden, was nicht nur schwer nachvollziehbar ist, sondern auch einen großen Haufen Geld verschlungen hat. Obwohl der DFB ein starkes Interesse an derartigen Fanaktionen bekundet, wird den Fans die Daumenschraube angelegt – bleibt es bei diesen Anforderungen, werden zukünftig entweder (wie im Fall des FC Bayern wohl geschehen) die Clubs mit Klatschpappen zur Seite springen oder die Zuschauer auf größere Aktionen verzichten müssen. Den Fans beider Seiten Lust- oder Kreativlosigkeit zu unterstellen, zielt hier leider in die falsche Richtung – sie haben dem Vernehmen nach alles Mögliche unternommen, dabei allerdings den Kürzeren gezogen. Da darf es nicht wundern, dass gefrustete Bayern zu ordentlich Pyrotechnik greifen und die ausgefallene Choreographie auf ihre (nicht-angemeldete) Weise ersetzen.
Immerhin dürfen wir nun die Nationalhymne singen und springen mitten ins Spiel. Die Taktik der Bayern ist gegenüber den letzten Spielen unverändert. Pressing von Beginn an, Arjen Robben und Franck Ribery als vermeintliche Wundervollbringer, Mario Gomez irgendwo wartend am Strafraum. In der Innenverteidigung mit Jerome Boateng und Holger Badstuber die bekannt hölzernen Gesellen, Wunderjunge David Alaba und der seit 2006 meist seiner Form hinterherhechelnde Philipp Lahm auf den Außen. In der Mitte sehen wir mit Treter Luiz Gustavo, Allzeit-Hoffnungsträger Bastian Schweinsteiger und Toni Kroos ebenfalls die erwartete Formation. Warum auch nicht? Was viermal nicht geklappt hat, wird beim fünften Anlauf sicher gut gehen.
Denkt sich auch Jürgen Klopp und bietet seinerseits das Beste auf, was man sich als Borusse denken kann. Lukasz Piszczek zwingt Ribery in die Defensive, Marcel Schmelzer darf seinen besten Freund Robben umgarnen, Neven Subotic und Mats Hummels nehmen Gomez aus dem Spiel. In der Offensive und über die Außen spielen die überragenden Robert Lewandowski, Kuba, Shinji Kagawa, Kevin Großkreutz und Ilkay Gündogan die Bayern schwindlig, die Übersicht hält Sebastian Kehl.
Borussia erlebt einen Traumstart. Die Stimmung auf den Rängen ist zunächst eines Finals mehr als würdig, stimmlich sind die Bayern laut wie nie zuvor und der BVB-Anhang nochmal ein ganzes Stück lauter. Gustavo leistet sich in der Offensivbewegung einen Bock und verliert nach einem Fehlpass den Ball an Piszczek. Der schaltet schnell und steckt den Ball durch auf den Lewandowski, der den Ball jedoch erst einmal verspringen lässt. Wieder ist Gustavo zur Stelle und spielt diesmal einen unglücklichen Fehlpass auf den flinken Kuba, der kurz vor Neuer nur noch auf Kagawa ablegen muss – ein klassischer Konter, das frühe 1:0 und ein Nackenschlag für den FC Bayern.
Leider täuscht der Eindruck des glücklichen Starts nicht über das eher maue Auftreten hinweg. Die Bajuwaren scheinen überlegen, wirken bei einem Fehlpassfestival aufgeräumter. Hummels hat nicht seinen allerbesten Tag und lässt Gomez viel Platz, so dass dieser immer wieder einmal gefährlich vor Roman Weidenfeller auftaucht. In der 7. Minute kommt es dabei zu einem kleinen Drama: Weidenfeller verletzt sich bei einer Rettungsaktion gegen Gomez und muss lange behandelt werden – eine saublöde Situation, doch ist keinem der beiden ein Vorwurf zu machen. Während am Marathontor längst banges Schweigen jegliche Euphorie verdrängt hat, pfeifen sich die Bayern die Finger wund und pöbeln gegen Dortmunder Hurensöhne. Man hat eben Stil.
Nach über vier Minuten geht es weiter auf dem Platz. Das Spiel hat nach fast einer Viertelstunde noch gar nicht richtig angefangen, doch stehen eine Führung und eine offensichtlich schwere Verletzung zu Buche. Immer wieder signalisiert Weidenfeller die Wechselabsicht, einen wiederholten Verzicht in seinem zweiten Pokalfinale wird er sich wohl kaum gewünscht haben. Dennoch beißt er sich weiter ins Spiel und sieht rot-weiße Gegenspieler, die immer wieder das Tempo verschleppen. Es geht gar so behäbig zu, dass Borussia ihre Gegenspieler mit vier, fünf oder gar sechs Verteidigern zustellen kann – wären nicht die ständigen Fehlpässe, ginge hier keine Gefahr für irgendein Tor aus.
Der erste Angriff des FC Bayern ohne Mithilfe des BVB führt dafür in der 25. Minute direkt zum Ausgleich. Schweinsteiger sieht die Lücke in der schwatzgelben Defensive und schickt Gomez steil in den Strafraum. Weidenfeller riecht den Braten und eilt aus dem Kasten, wemmst Gomez dabei ungewollt um. Ein klarer Elfmeter sicher verwandelt von Robben, dazu gibt es Rauch in der Ostkurve – die Bayern sind plötzlich wieder zu hören, wenn auch nicht besonders lange.
Das Spiel läuft nun ganz nach dem bayerischen Geschmack. Viel Ballbesitz im Mittelfeld, etwas mehr Koordination bei zwei insgesamt eher fahrigen Mannschaften. So ist der FCB nicht weit von seinem Führungstreffer entfernt: In der 29. Minute fängt Robben einen schlampigen Pass Subotics ab, schließt allerdings genauso schlampig mit einem Schuss weit über das Tor ab. Zwei Minuten später nutzt Kroos Abstimmungsschwierigkeiten in der Innenverteidigung und kann mitten im Strafraum aus der Drehung aufs Tor schießen – durchatmen war hier angesagt, denn den hatten viele schon drin gesehen. Beide Fankurven sind in den letzten 15 merklich stiller geworden, der Funke springt vom Rasen nicht wirklich über – wir sehen keinen Leckerbissen, sondern vorwiegend eine Aneinanderreihung schlampiger Pässe und Abspiele.
Kurz vor der Pause agiert nun auch der FC Bayern wieder etwas kopfloser. Boateng kommt gegen Kuba viel zu spät und holzt ihn im Strafraum um, Peter Gagelmann pfeift völlig zu Recht den zweiten Elfmeter des Spiels. Hummels, sonst ein lässiger und zuverlässiger Schütze, überwindet Neuer mit einem eher schwachen Schuss nur dank einer Menge Glück – sei‘s drum, der BVB ist zurück im Spiel und wir führen wieder 2:1! Noch besser wird es allerdings in der Nachspielzeit: Kuba überbrückt das gesamte Mittelfeld mit einer Maßflanke, Lewandowksi im mustergültigen Doppelpass mit Kagawa und dem Tunnel gegen Neuer aus nächster Nähe – 3:1 direkt vor dem Pausenpfiff, Ekstase auf der einen Seite prallt auf die größtmögliche Enttäuschung der anderen.
Die Führung fällt zu diesem Zeitpunkt zu hoch aus, beide Seiten gönnen sich weiterhin zahlreiche Fehler. Direkt nach Wiederanpfiff unterfliegt Manuel Neuer eine Ecke um einige Meter, im Gegenzug tut Mitch Langerak es ihm gleich und rennt viel zu weit vor dem Kasten dem Ball entgegen. Dummerweise erreicht er eben diesen nicht, stolpert aber und serviert den Bayern die große Chance zum Anschlusstreffer – solche Chancen muss man dann allerdings auch nutzen, was an diesem Tag an der Behäbigkeit der Dauerfavoriten scheitert.
In dieser Phase scheint der große Rekordpokalsieger das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit zu verlieren. So sieht Kuba nach 50 Minuten die Lücke zwischen den rot-weißen Abwehrspielern und will mitsamt Ball hindurchmarschieren, wird jedoch unsanft von Badstuber mit einem Tritt auf Brusthöhe gestoppt – Boateng verschuldet kurz später eine Ecke. Direkt im Anschluss brilliert wieder Kuba, als er im Fallen den durchstartenden Schmelzer in Szene setzt – Schmelzer tankt sich durch bis vor Neuer, verliert dann aber den Ball. In der 56. Minute hat gleich wieder Schmelzer die Gelegenheit, den Sack zuzumachen: Kagawas toller Pass mitten in den freien Raum lädt ein zum Torschuss oder zur Flanke auf den mitgelaufenen Lewandowski, doch Schmelzer entscheidet sich für den flachen (Fehl-)Pass in Lewandowksis Rücken.
Augenblicke später fällt das mittlerweile verdiente 4:1 dann doch. Kagawa legt Großkreutz die Pille vor die Füße, Großkreutz hat das Auge für den freistehenden Lewandowksi und tunnelt Schweinsteiger mitten im Strafraum. Vorbei an Neuer haut der Pole den Ball ins Glück. Am Marathontor ist die Stimmung nun bestens: Das saisonale Lieblingslied („Ein Schuss, kein Tor, die Bayern!“) wird dauerhaft geschmettert, derweil Borussia Katz und Maus mit den Münchenern spielt. Wiederholt laufen Großkreutz und Kagawa Badstuber, Boateng und Co Knoten in die Beine, eine echte Klatsche scheint jetzt nicht mehr ausgeschlossen. Die Bayernfans singen erstmals seit dem Ausgleich und verweisen großspurig auf den Europapokal – wie man den mit solch amateurhaftem Abwehrverhalten gewinnen möchte, fragt man sich allerdings schon.
Spätestens als Langeraks Abschlag in der 67. Minute Boateng vor massive Probleme stellt und Großkreutz mit der Hacke auf Schmelzer ablegt, muss von einer Vorführung des alten Rekordmeisters gesprochen werden. 75.708 Zuschauer erleben die Demontage eines mit Weltstars besetzten Kaders™, der nicht einmal die beste Chance des Spiels zum Torerfolg nutzen kann: Ribery schlägt eine tolle Flanke direkt auf Gomez Kopf, der Ball klatscht an die Latte. Platznachbar Felix Meininghaus murmelt „Ein Schuss, kein Tor, die Bayern!“ vor sich hin und scheint das Geschehen ebenso wenig glauben zu können.
Den dritten Münchener Angriff nutzt Ribery dann doch noch zum 4:2. Der Franzose narrt den zu pomadig agierenden Schmelzer und zieht vorbei an Kehl, täuscht dabei wunderschön an: Mit dem linken Fuß spitzelt er den Ball auf die rechte Hacke, von dort legt er zurück auf links, es folgt ein wütender Schuss links unten in die Maschen. Prädikat Weltklasse, aber eben dennoch nur ein Ehrentreffer. Das sieht auch der Stadionsprecher so, als er zwei Minuten später das 5:1 (sic!) verkündet: Badstuber, Gustavo, aber vor allem Boateng und Neuer patzen, Lewandowski hämmert das Leder mit seinem Schädel furztrocken in den Kasten und rennt zu den Fans in die Kurve.
Der schwatzgelbe Anhang glaubt nun an den großen Triumph. „Einer geht noch, einer geht noch rein“ schallt es in Richtung der sich schnell leerenden Ostkurve, wenig später müssen sich die Bayern und ihr allseits geliebter Torwart Gesänge über ihre Rolle als Schießbude gefallen lassen. Jürgen Klopp sitzt entspannt auf der Bank und grinst sich eins, sonst kennt dort keiner mehr ein Halten: Owomoyela tanzt auf einem Bein, Barrios empfängt den Ball am Seitenaus mit seiner privaten LaOla-Welle, Gagelmann pfeift das Spiel ab.
Borussia Dortmund gewinnt erstmals in seiner Geschichte das Double und nagelt den Liga- und Pokalprimus aus München an die Wand. Sofort greifen sich Großkreutz & Co eine Schwenkfahne und holen jede Minute der Titelfeier nach, die sie in der Vorwoche wegen des vorzeitigen Platzsturms noch vertagen mussten.
Während die geschlagenen Bajuwaren schmallippig das Stadion verlassen und nach den TV-Kameras so gut wie gar nicht mehr für Stimmen zur Verfügung stehen, feiern die Dortmunder Helden mit ihren Fans. Als Trostpreis für die entgangenen Stimmen verteilt Nivea in der Mixed Zone Aftershave zur schnellen Behebung aller möglichen Irritationen und Reizungen – gut informierten Kreisen zufolge haben die Bayern beherzt zugegriffen, wurden sie doch schon lange nicht mehr so unsanft rasiert…
Statistik
Double-Gewinner: Weidenfeller - Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer - Gündogan, Kehl - Kuba, Kagawa, Großkreutz – Lewandowski
Eher-nicht-so-Double-Gewinner: Neuer - Lahm, Boateng, Badstuber, Alaba - Luiz Gustavo, Schweinsteiger - Robben, Kroos, Ribery - Gomez
Einwechselungen: 34. Langerak für Weidenfeller, 81. Bender für Kagawa, 84. Perisic für Kuba - 46. Müller für Gustavo, 69. Contento für Alaba
Tore: 1:0 Kagawa (3.) - 1:1 Robben (25., FE) - 2:1 Hummels (41., FE) - 3:1 Lewandowski (45.+1) - 4:1 Lewandowski (58.) - 4:2 Ribery (76.) - 5:2 Lewandowski (82.)
Gelbe Karten: Weidenfeller, Hummels - Badstuber, Schweinsteiger
Zuschauer: 75.708 (ausverkauft)
Stimmen
Müssen aufgrund des beschwingten Auftritts im aktuellen Sportstudio leider entfallen. Die Mannschaft hat sich ihre Feier aber redlich verdient.
Noten
Weidenfeller: Verletzt sich früh bei toller Parade gegen Gomez, verursacht später möglicherweise verletzungsbedingt einen Elfmeter. War damit leider nicht sein Spiel, Note 3.
Piszczek: Was soll man zu diesem Mann noch sagen? Unnachahmlich behält er Ribery unter Kontrolle, zieht ihm regelmäßig den Zahn - so auch heute in den meisten Fällen. Note 2.
Subotic: Nicht immer ganz auf der Höhe, ungewohnt viele Abspielfehler eröffnen den Bayern Räume. Note 3.
Hummels: Ebenfalls nicht mit seinem besten Tag, ließ Gomez bisweilen zu viel Platz. Note 3.
Schmelzer: Meldete Robben zuverlässig ab, im Spiel nach vorne mit guten Ideen. Leider zweimal in der zweiten Hälfte zu unkonzentriert im Abschluss bzw. beim letzten Pass. Note 2.
Gündogan: Wirbelte im Mittelfeld und wurde zum wichtigen Baustein des Pokalsiegs. Tolle Ideen und ordentliche Zweikampfführung bringen Note 2.
Kehl: Behielt souverän die Übersicht, leistete sich wie seine Mannschaftskollegen jedoch deutlich zu viele Fehlpässe. Ansonsten stark, Note 3.
Kuba: Man fragt sich immer öfter, ob dieser Kuba der gleiche sein soll, den wir schon seit Jahren in Dortmund sehen. Unfassbar gute Form, tolle Torvorbereitungen und stets gefährlich - alles andere als Note 1 wäre hier daneben gegriffen.
Kagawa: Top motiviert, flink und gefährlich bei jedem Antritt, tolle Vorlage. Note 2.
Großkreutz: Erlebte einen der großartigsten Tage seiner Karriere - sagenhafte Torvorlage durch Schweinsteigers Hosenträger, ständiger Unruheherd in der bayerischen Abwehr, wundervolle Feier mit den Fans rund ums Marathontor. Jogi Löw wird sich noch in den Allerwertesten beißen, Kevin nicht für die EM ausgewählt zu haben. Note 1.
Lewandowski: Drei Schuss, drei Tor, der Robert! Mehr gibt es zu dieser grandiosen Leistung nicht zu sagen. Note 1.
Langerak: Kam für den verletzten Weidenfeller ins Spiel und hatte nur wenig Gelegenheit sich auszuzeichnen. Beim zweiten Gegentreffer war er machtlos, zuvor sorgte er mit einem seltsamen Ausflug fast zur Mittellinie für Verwunderung. Glück gehabt, Note 3.
SSC, 13.05.2012