Gelungener Start in die Wochen der Wahrheit
In aller Herrgottsfrühe startete der WET-Express Richtung Niedersachsen. Sah das Wetter in NRW noch vielversprechend aus, wurde man bei VW mit Schneefall begrüßt, was den ein oder anderen wohl etwas unvorbereitet traf. Kurze Hosen sind zwar was Schönes aber doch nicht wirklich für jede Witterung geeignet. Die Fahrt verlief erfreulich entspannt, es standen stets leere Züge für uns parat und bis auf die Schlussetappe wurde netterweise auch darauf verzichtet, die müden BVB Fans wie Schwerverbrecher zu bewachen. In Wolfsburg stand dann aber jeder Zebrastreifen unter Polizeischutz, damit bloß kein schwatzgelber auf die Idee kommen konnte, vom vorgegebenen Weg abzuweichen und marodierend durch das Autohaus zu ziehen. Man hatte bloß nicht mit der kriminellen Energie der Fans gerechnet, die einfach an anderer Stelle die Straße überquerten.
Zum Aufwärmprogramm des VfL Eventmanagements zählt neben anderem schlimmen Liedgut auch das Niedersachsenlied in der Interpretation von Heino. Gruselig. Trotz Stimmungsboykott der VfL Ultras reagierte das Publikum auf die Animationsversuche der Stadionsprecher, wurde aber sofort vom Gästeblock übertönt. Per Zaunfahne erklärte sich der Retortenclub selbst zum Kult seit 1945. Da erübrigt sich wohl jeder Kommentar. Tradition kann man sich zum Glück nicht kaufen, sondern sie wird über Generationen durch Erlebnisse geschaffen. Der Gästeblock hatte die passende Antwort parat: „Ihr macht unseren Sport kaputt.“ Trotz Materialverbot waren im Gästeblock einige Fahnen zu sehen, wenn auch nicht das gewohnt farbenfrohe Bild geboten werden konnte. Die Heimfans glänzten mit einer kleinen Choreo, die einen VW-Bulli zeigte. Wenigstens steht man in Wolfsburg auch seitens der Fanszene zum kommerziellen Wesenskern des Vereins. Ist dann auch nur konsequent, wenn man Anhänger eines derart überflüssigen Werbeinstruments ist, dass man auch freiwillig noch eine Werbebande malt. Vom Stimmungsboykott habe ich diesmal im Gegensatz zu Köln auch nichts mitbekommen. Die Stimmung der Heimkurve war so mau wie in anderen Jahren auch.
Erste Halbzeit
Jürgen Klopp hatte bei uns im Forum nachgelesen und daher Ivan Perisic mal von Anfang an gebracht. Im defensiven Mittelfeld blieb der unersetzliche Sven Bender erneut auf der Bank. Gündogan hatte sich gegen Stuttgart aber auch nachdrücklich für einen Startplatz empfohlen. Pünktlich zum Spielbeginn kam dann auch die Sonne wieder zum Vorschein und der Schnee rieselte nur noch leise. Beide Teams spielten von Beginn an nach vorne. Kagawa spürte nach vier Minuten eine Hand auf der Schulter und fiel im Strafraum um. Ein Elfmeter war das aber selbst mit Dortmunder Brille eher nicht.Die erste wirkliche Torchance hatte dann Robert Lewandowski in der 09. Minute. Nach einer schönen Kombination über Perisic und Kagawa lief er allein auf Benaglio zu, schob den Ball aber am Kasten vorbei. Dass er solche Chancen ungern nutzt, kennt man ja leider schon von ihm. „Hoffentlich sitzen die Scouts von Man City nicht auf der Tribüne“ wird sich wahrscheinlich Cezary Kucharski in diesem Moment gedacht haben. Kurz darauf kam Subotic gegen Schäfer zu spät und holte sich direkt die erste Gelbe des Spiels ab. Dejagah zog den Freistoß von links direkt aufs Tor, verfehlte aber deutlich. Danach ging es hin und her. Wolfsburg mit einer guten Konterchance, die nicht konsequent ausgespielt wurde und Mats Hummels setzte einen Kopfball nach einer Ecke(!) oben auf das Tornetz. Ein von Perisic abgefälschter Flankenball hätte sich fast noch in den Winkel von Weidenfellers Kasten gesenkt und Helmes hatte nach dem anschließenden Eckball eine gute Kopfballchance. Eine wirklich unterhaltsame Anfangsviertelstunde.
Dann forderte Perisic vehement den Ball. Kagawa tat ihm den Gefallen und schickte ihn mit einem zauberhaften Außenristpass auf die Reise. Perisic legte den Ball überlegt quer und diesmal konnte der mitgelaufene Lewandowski nicht anders, als ihn auch im Tor zu versenken. Cezary Kucharski versuchte hektisch eine Telefonverbindung in die Arabischen Emirate zu bekommen. Im Gästeblock loderte sofort eine mickrige Fackel auf, die wohl den Anlass bilden dürfte, hier auch nächste Saison wieder ohne Material antreten zu müssen. Ob es das wert war?
Der VfL hatte schon drei Minuten nach der Dortmunder Führung die große Chance zum Ausgleich. Schäfer setzte sich im Strafraum durch und bediente Mandzukic, dessen Direktabnahme Weidenfeller noch per Reflex mit dem Fuß abwehren konnte, obwohl der Ball entgegen seiner Laufrichtung geschossen war. Gegen den Nachschuss von Helmes wäre er wohl machtlos gewesen, aber der verfehlte knapp das Tor. Dann wurde es unübersichtlich. Lewandowski stand Abseits, ging aber nicht zum Ball, trotzdem pfiff der Schiri ab, den Freistoß wollte Benaglio schnell ausführen, spielte den Ball aber direkt zum lauernden Perisic, der auf Lewandowski ablegte. Der wäre frei aufs leere Tor gelaufen, aber der Schiedsrichter beharrte darauf, den Ball vor dem Freistoß noch nicht freigegeben zu haben und rettete so Benaglio vor einer großen Blamage.
Dann hielt Dejagah Perisic deutlich fest. Eigentlich eine klare Gelbe Karte. Das sah Schiedsrichter Dingert komischerweise anders und beließ es bei einer Ermahnung. Dejagah war mit so viel Milde wohl nicht einverstanden und diskutierte so lange rum, bis er dann doch noch die verdiente Verwarnung erhielt. Das nennt man dann wohl eigene Blödheit. Der BVB war nun deutlich feldüberlegen. Wolfsburg lauerte im eigenen Stadion auf Konter. Die größte Chance, die Führung auszubauen, hatte Gündogan kurz vor der Pause mit einer Direktabnahme aus 18 Metern, die Benaglio so gerade noch aus dem Eck fischen konnte. So blieb es bei der hochverdienten 1:0 Pausenführung. Auch auf den Rängen gab der BVB den Ton an. Der Gästesteher bot auch ohne viele Fahnen eine engagierte Leistung, die Mitmachquote im Oberrang war aber noch deutlich ausbaufähig.
Zweite Halbzeit
Felix Magath griff in die Wundertüte seines Kaders und bracht Vierinha für Helmes. Direkt nach Wiederanpfiff sorgten Perisic und Schmelzer für dessen ersten Auftritt. Sie überließen ihm den Ball und konnten dann Mandzukic dafür danken, dass der nach Vierinhas Querpass völlig freistehend nur ein mickriges Schüsschen zuwege brachte. Dann wurde Kuba im Strafraum gehalten, ließ sich aber nicht fallen, konnte den Ball aber auch nicht mehr gezielt abspielen. Gündogan ging resolut in den Ball, lief ein, zwei Schritte und schlenzte ihn überlegt in den rechten Winkel. Ein wunderbarer Treffer und scheinbar eine kleine Vorentscheidung. Der Gästeblock drehte nun richtig auf, brachte die bekannten Meistergesänge zu Gehör und tanzte zu neuerem Liedgut Pogo (Borussia Dortmund du bist unsre Droge…).Felix Magath reagierte auch prompt und ersetzte Brasilien mit Tschechei. Man möge mir verzeihen, wenn mir zu den Wolfsburger Akteuren nicht viel einfällt, aber Magaths Transferkarussel dreht sich einfach zu schnell für mich. Auf den Rängen tanzte Schwarz und Gelb nun den Meistertanz und bei diesem Klassiker wurden auch die Sitzplätze mitgerissen. Lewandowski vergab die Gelegenheit, die Partie zu entscheiden, mit einem ungenauen Querpass auf Kuba. Im Gegenzug sorgte der Liebling der Dortmunder Fans, Ashkan Dejagah mit einem Querpass durch den BVB Strafraum für einen Weckruf, aber zum Glück stand kein Wolfsburger zum Torschuss parat.
Der bis dahin eher schwache Kuba knallte den Ball bei nächster Gelegenheit an die Latte und zwar mit Links! Diesen Fuß lässt er eigentlich nur höchst ungern den Ball berühren. Wenn man sich so manchen Rechtsschuss von ihm in Erinnerung ruft, sollte er es vielleicht öfter mal mit Links probieren. Dann ließ der starke Dejagah erneut Schmelzer stehen und flankte. Diesmal hatte sich Mandzukic von Subotic weg geschlichen und versenkte den Kopfball aus kurzer Distanz. Vorbei war es mit der beruhigenden Führung und auch aus München wurde unerfreuliches vermeldet. Jetzt wurden sogar die Heimfans einmal laut.
Der BVB antwortete auf den Treffer mit wütenden Attacken. Fast wäre der Ball auch mit vereinten Kräften ins Tor gekämpft worden, aber Sebastian Kehl verfehlte leider knapp aus aussichtsreicher Position. Auf der Gegenseite war es dann erneut Dejagah, der einen gefährlichen Flankenlauf startete. Diesmal zog er an Perisic vorbei, aber die Innenverteidigung war auf dem Posten. Das hatte Jürgen Klopp wohl weniger gut gefallen, denn er brachte sofort Großkreutz, um die offene Flanke auf Links zu schließen. Insgesamt agierte der BVB trotz der nun nur noch knappen Führung hinten sehr offen.
So blieb man aber auch in der Offensive gefährlich und in der Schlussphase entwickelte sich erneut ein offener Schlagabtausch. Nach einem schönen Pass von Gündogan verfehlte Kagawa das Tor mit einer Direktabnahme nur knapp. Bei nächster Gelegenheit stand Großkreutz knapp Abseits, hatte aber sowieso die falsche Entscheidung getroffen, quer zu passen, anstatt selbst abzuschließen. Dann fädelte Kagawa im Strafraum ein, aber der Schiedrichter wollte trotz unzweifelhafter Berührung den Strafstoß nicht pfeifen. Damit lag er wahrscheinlich nicht mal falsch. Nach Dejagahs nächster guter Flanke trat Mandzukic ein Luftloch und vergab so eine gute Chance zum Ausgleich. Bei einem schönen Konter sah der Schiri Kevin im Abseits und Madlung nutzte die Gelegenheit sich völlig blöd mit einem Schubser am BVB Strafraum die Gelb-Rote Karte abzuholen. Der eingewechselte Sio fiel im Strafraum elfmeterreif um und Jiracek setzte den Nachschuss freistehend neben den Kasten.
Es blieb also weiter spannend und ereignisreicher, als man sich das als BVB Fan gewünscht hätte. Aber es ist ja auch nicht gerade eine Neuigkeit, dass das Verwalten eines Vorsprungs nicht unbedingt zu den Stärken dieser BVB Mannschaft zählt. Nach einer weiteren Ecke von Dejagah fiel fast noch der Ausgleich und als das dann auch noch überstanden war, folgte dann doch noch die Entscheidung durch Lewandowski. Er schloss einen Konter mit einem Außenristschlenzer ab und trat damit den Beweis an, dass er auch dann Treffen kann, wenn er alleine auf den Torwart zu rennt und genug Zeit zum Nachdenken hat. Cezary Kucharski malte im Geiste eine zusätzliche Null hinter das Angebot von Scheich Mansour.
Im Gästeblock demonstrierte man dann nochmal, dass man auch mit peniblen Kontrollen den Schmuggel von Pyrotechnik nicht wirksam unterbinden kann. Nach Schlusspfiff forderte der BVB Anhang die Mannschaft dann noch ultimativ zum Ausziehen der bayrischen Lederhosen auf und diesen Auftrag hat die Mannschaft sicher auch verstanden.
Noten
Weidenfeller: (2,5) Beim Gegentor machtlos, mit gutem Reflex gegen Mandzukic.
Piszczek: (3) Mit einigen guten Vorstößen. Litt etwas darunter, dass Kuba vor ihm einige Fehlpässe fabrizierte. Musste Schäfer ein paar Mal passieren lassen.
Subotic: (4) Die frühe Verwarnung war Gift für sein körperbetontes Spiel. Sah beim Gegentreffer nicht gut aus.
Hummels: (2,5) Wirkte deutlich sicherer als sein Nebenmann. Wegen der stets gefährlichen Konter der Wolfsburger in der Defensive so stark gefordert, dass er offensiv nicht so glänzen konnte. Hatte Pech mit einem Kopfball, der knapp drüber ging.
Schmelzer: (4,5) Hatte mit dem groß aufspielenden Dejagah massive Probleme, wohl auch weil Perisic die Rolle vor ihm ganz anders interpretiert als Großkreutz. Sein Problem beim Flanken ist bekannt. Daran sollte er arbeiten.
Kehl: (3,5) Im Großen und Ganzen sicher, aber auch mit einigen Fehlern im Spielaufbau. Vergab eine große Chance das Spiel früher zu entscheiden.Gündogan: (2) Viele schöne Pässe und ein Treffer zum Einrahmen. Es gelang nicht alles, aber inzwischen macht es wirklich Spaß ihm beim Spielen zuzuschauen. Seitdem er seine Hemmungen abgelegt hat, zeigt sich sein Talent.
Kuba: (4) Fing ganz schlecht an und steigerte sich dann zusehends. Brachte in der ersten Halbzeit kaum einen Ball zum Mitspieler. Später drehte er dann auf, war an Gündogans Treffer beteiligt und sorgte mit einem Lattenschuss für Aufsehen. Erste Halbzeit 5, zweite Halbzeit 3.
Kagawa: (2,5) Mit einem wunderbaren Pass auf Perisic vor dem 0:1, aber auch oft mit einem Schnörkel zu viel. Fiel in der ersten Halbzeit zu schnell und bekam vielleicht auch deshalb später keinen Elfmeter zugesprochen.
Perisic: (3) Interpretierte seine Rolle sehr frei und war auch oft in der Mitte und auf Rechts zu finden. Deutete seine Möglichkeiten in der Offensive vor dem 0:1 an, hat aber offenbar noch einige Schwierigkeiten Klopps taktisches Konzept zu verinnerlichen. Kevin konnte nach seiner Einwechslung aber auch nicht wirklich zeigen, dass er die bessere Alternative ist.
Lewandowski : (2) Die erste Großchance vergab er noch, zwei weitere nutzte er dann. Dazu beweglich wie immer. Auftrag erfüllt.
Satistik
Magaths Wundertüte: Benaglio - Träsch (80. Sio), Madlung, Felipe, Rodriguez - Polak, Josué (54. Jiracek) - Dejagah, M. Schäfer - Helmes (46. Vierinha), MandzukicDeutscher Meister: Weidenfeller - Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer - Gündogan, Kehl - Blaszczykowski (87. Owomoyela), Kagawa (81. Leitner), Perisic (69. Großkreutz) - Lewandowski
Tore: 0:1 Lewandowski (22., Rechtsschuss, Perisic), 0:2 Gündogan (49., Rechtsschuss, Blaszczykowski), 1:2 Mandzukic (61., Kopfball, Dejagah), 1:3 Lewandowski (90., Rechtsschuss)
Gelbe Karten: Dejagah - Subotic, Kehl
Gelb Rot: Madlung
30.000 Zuschauer im Autohaus Wolfsburg
Web 07.03+1.2012