Bruder-Duell mit richtigem Ausgang ? Kein Spektakel und trotzdem drei Punkte
„Die drei Punkte bleiben heute hier“, hatte Nobby Dickel bereits um 15.25 Uhr prophezeit – und sollte damit knapp zwei Stunden später Recht behalten. Nach einer engen, aber überlegen geführten Partie gewinnt der BVB auch das vierte Bundesliga-Spiel in diesem Jahr. Und nicht nur das: Durch das 1:0 gegen die Gäste aus Leverkusen baut das Team von Jürgen Klopp seine Serie auf 15 ungeschlagene Erstligapartien hintereinander aus. Den entscheidenden Treffer erzielte der seit Wochen überragend aufgelegte japanische Nationalspieler Shinji Kagawa, der wiedergenesene Sven Bender bleibt damit auch im vierten Spiel gegen seinen Zwillingsbruder Lars ungeschlagen (2 Siege, 2 Unentschieden).
Der gut gelaunte Jürgen Klopp, unter dessen grauer Kappe mit der Aufschrift „Pöhler“ während der Pressekonferenz immer wieder ein strahlendes Lächeln hervorblitzte, zeigte sich nach Spielende mehr als zufrieden. „Wir haben gegen einen extrem starken Gegner gespielt“, resümierte der Meistercoach nach dem Sieg gegen die Gäste vom Rhein und schob hinterher: „Deswegen bin ich mit dem Spiel meiner Jungs total zufrieden.“ Und dazu hatte der 44-Jährige auch allen Grund: Seine Mannschaft brannte zwar kein so großes Feuerwerk wie gegen Hamburg oder Hoffenheim ab, zeigte aber dennoch eine insgesamt gute und überzeugende Leistung gegen einen defensiv klug eingestellten Gegner, der auswärts bisher gar einen Punkt mehr geholt hatte als im eigenen Stadion.
"Mannis" Blitzcomeback – Ballack darf mal wieder nicht
Die Südtribüne, der zur Einstimmung die Hymne „Leuchte auf mein Stern“ vom Jahrhundertchor geboten wurde, präsentierte kurz vor Anpfiff ein Banner, das die unter der Woche diskutierten Pläne der Innenminister kritisierte („Irgendwann ist auch mal Schluss – Gegen Gesichtsscanner und den ganzen Stuss – Stoppt den Überwachungsstaat“). Dann konnte die Partie gegen die Gäste, mit denen ungefähr 5.000 Fans vom Rhein an die Ruhr gereist waren, beginnen.
Mit Leverkusen, das in der Rückrunde noch ungeschlagen war, erwartete den BVB auf dem Papier der bisher stärkste Gegner in 2012. Auch wenn das Team aus dem Rheinland in diesem Jahr mit anderem Übungsleiter und leicht verändertem Team hinter den hohen Erwartungen zurückbleibt, zeichnet den Vizemeister immer noch eine große individuelle Klasse aus. Spieler wie Lars Bender, Rolfes, Schürrle, Ballack oder Renato Augusto würden beinahe alle Mannschaften der Liga bereichern. Dennoch schickte der ehemalige Freiburger Dutt nicht alle der genannten Spieler auf den Platz. Einer kam mal wieder überhaupt nicht zum Zug: Michael Ballack. Und das, obwohl die mitgereisten Auswärtsfans in Hälfte zwei immer wieder lauthals den Namen des früheren Nationalspielers skandierten. Auf Nachfrage erklärte ein nachdenklich wirkender Dutt: „Mit Renato Augusto hatte ich schon einen Passspieler eingewechselt. Ballack ist ein ähnlicher Spielertyp, das hätte uns nicht gutgetan.“ Der Halb-Inder sah andere Akteure gefragt: „Uns hat in Hälfte zwei vor allem der Zug zum Tor gefehlt, den Bellarabi im Training häufig angedeutet hat – und nicht die Passsicherheit.“
Der BVB beißt sich die Zähne aus und schnappt doch noch zu
Augustos Einwechslung bringt Dortmund Raum – Klopps Sonderlob
Grund dazu hätte er jedoch durchaus gehabt, denn nicht umsonst heißt es, dass sich vergebene Chancen rächen. Nicht nur Subotic scheiterte zunächst mit einem für ihn untypisch gezirkelten Freistoß knapp, auch Großkreutz ließ zum wiederholten Male eine Großchance liegen (64.). Es ging weiter in eine Richtung: Kießling prüfte fünf Minuten später seinen eigenen Keeper Leno, der mit einer Flugeinlage gerade eben noch das entscheidende 2:0 vermeiden konnte. Dem unter großem Jubel und „Lucas“-Sprechchören eingewechselten Barrios gelang auch keine Vorentscheidung, dafür schaffte die Nummer 18 es in den ihr verbleibenden 13 Minuten, noch vier Mal ins Abseits zu laufen – was irgendwie an Alex Frei erinnerte. Allein den offensiv blutleeren Bemühungen der sich keineswegs aufbäumenden Dutt-Elf war es schließlich zu verdanken, dass die Schwarz-Gelben die knappe Führung unter den Standing Ovations der Ost- und Westtribüne über die Runden brachten. Am Ende standen für Bayer gerade einmal drei kümmerliche Torschüsse auf der Habenseite, die Borussia visierte 14 Mal das gegnerische Tor an.
Stimmen
Jürgen Klopp: Ich habe mit einem extrem starken Gegner gerechnet und es ist so gekommen. Wir haben ein richtig gutes Heimspiel gegen einen starken Gegner gemacht und Konsequenz wie Geduld bewiesen.
...zu Kagawa: Shinji ist menschlich ein guter Junge. Dass er dann nebenbei auch noch gut kicken kann, finde ich natürlich ganz angenehm. Er spielt seine Position toll und harmoniert gut mit Lewy. Defensiv ist er auch gut, das macht im Gesamtpaket zu einem so unheimlich guten Spieler.
...zu Bender: Er war der erste, der gedacht hat, dass es wieder geht. Schon am Tag nach dem Nürnberg-Spiel hat er gesagt: "Wenn mit der Syndesmose nichts ist, bin ich bereit." (Klopp zitiert in bayrischem Dialekt)
Sven Bender: Es ist ein super Gefühl, heute gewonnen zu haben, weil es ein schwieriges Spiel war. Deswegen tun die drei Punkte besonders gut.
Sebastian Kehl: Es war nicht das spektakulärste Spiel, aber wir haben immerhin auch gegen Bayer Leverkusen gespielt. Das war ein guter Gegner.
Roman Weidenfeller: Wir denken einfach von Spiel zu Spiel und wenn wir so weiterspielen, sind wir in einer ausgezeichneten Situation.
Noten
Weidenfeller: Wenig gefordert, aber stets sicher und auf der Höhe. Note 2,5
Piszczek: Beackerte seine Seite wie gewohnt fleißig. Offensiv mit Licht und Schatten, hinten ohne Probleme. Note 3
Subotic: Zwei, drei kleinere Böcke, die er aber teilweise selbst wieder gutmachte. Ansonsten kompromisslos und zweikampfstärkster Spieler. Note 3
Hummels: Starke Vorstellung. Beste Szene kurz nach der Pause, als er mit einem starken Dribbling und darauffolgendem Pass Lewandowski eine Großchance ermöglichte. Note 2
Schmelzer: Hinten sicher, vorne zu zögernd. Note 3,5
Kuba: Ebenso wie Schmelzer defensiv stark und vorne zögernd. Brach den ein oder anderen vielversprechenden Sprint bis auf die Grundlinie unnötigerweise ab. Note 3,5
Kehl: Gutes Spiel vom Leader, der hoffentlich bald verlängert. Kampf- und passstark wie zu besten Zeiten. Note 2,5
Bender: Überraschendes Blitzcomeback. Seine Verletzung war ihm vielleicht in der ein oder anderen Situation noch anzumerken, insgesamt aber ordentlich. Note 3
Kagawa: Bester Spieler auf dem Feld. Abgesehen von zwei Fehlpässen elegant-rasant und mit dem spielentscheidenden Treffer. Laut eigener Aussage will der Japaner beim BVB bleiben - schön wär das! Note 2
Großkreutz: Vergab zu viele gute Chancen, auch wenn er überall auf dem Platz zu finden war. Note 3,5
Lewandowski: Nicht der Tag des Polen. Vergab die ein oder andere Möglichkeit, Perl pfiff ihm die ein oder andere Situation aus unerfindlichen Gründen ab. Note 3,5
Statistik
Leverkusen: Leno - Corluka (75. Bellarabi), Schwaab, M. Friedrich, Oczipka - Reinartz - Rolfes (61. R. Augusto), L. Bender - Castro - Kießling, Schürrle
Tor: 1:0 Kagawa (45.)
Die meisten Torschüsse: Schmelzer, Großkreutz (je 3)
Die meisten Torschussvorlagen: Großkreutz (5)
Die meisten Ballkontakte: Oczipka (98), Piszczek (89)
Die Zweikampfstärksten: Reinartz (80%), Subotic (77%)
Daniel R., 12.02.2012