...Peter Großmann: "BVB-Spiele schaue ich lieber auf meinem Dauerkartenplatz"
Regelmäßigen Morgenmagazin-Zuschauern ist Peter Großmann als Moderator des Sportblocks im ARD-Morgenmagazin bekannt. Zusätzlich ist der Journalist noch in der WDR- Fernsehsendung "Sportlich unterwegs" zu sehen, ist als Dozent und Buchautor tätig und hat sogar eine musikalische Vergangenheit aufzuweisen. schwatzgelb sprach mit dem gebürtigen und wohnhaften Dortmunder über seine Arbeit und natürlich auch über Fußball, den BVB, Ultras, Pyro und die ewige Rivalität mit den Blauen.
Ich könnte auch auf der Pressetribüne sitzen – aber ein BVB-Spiel schaue ich lieber auf meinem Dauerkartenplatz
schwatzgelb.de: Du hast Dich in dem BVB-Buch „Hundert Jahre – hundert Geschichten“ ganz deutlich pro BVB geäußert. Auch bei den von Dir moderierten Sendungen kommt ja manchmal durch, dass Dir die Farben schwarzgelb nicht ganz unsympathisch sind. Würdest Du Dich als BVB-Fan bezeichnen?
Peter Großmann: Ja, natürlich! Ich habe seit mehreren Jahren eine BVB-Dauerkarte, sitze selber auf der Westtribüne. Wir haben da so eine schöne kleine Gruppe die dort zusammen sitzt. Fritz Eckenga, der Dortmunder Kabarettist ist z.B. dabei und noch einige andere. Wenn immer es mir möglich ist - für mich ist ja auch am Wochenende häufiger Arbeit angesagt - bin ich im Stadion. Und obwohl ich ja eigentlich auch auf der Pressetribüne sitzen könnte, war ich in den letzten 15 Jahren vielleicht 2 Mal dort. Da schaue ich ein BVB-Spiel lieber auf meinem Dauerkartenplatz. Und diesen Platz teile ich mir mit meiner Frau, die - genau wie ich - ein großer BVB-Fan ist.
schwatzgelb.de: In dem o.g. Buch beschreibst Du ja auch eine „Jugendsünde“, nämlich dass Du den blau weißen Farben in Deinen jungen Jahren ja gar nicht so ganz abgeneigt warst. Gibt es da immer noch so gewisse Restsympathien oder hältst Du als Ruhrgebietsmensch generell zu den Mannschaften aus dem Pott?
Peter Großmann: Ich möchte das mal so beantworten: Es gibt ja Sorten von Fans, für die es völlig unmöglich wäre, dass sich z.B. ein Dortmunder mit einem blau weißen Fan unterhält. Dann gibt es die, die diesen Kult pflegen, gegen Schalker - oder natürlich auch anders herum – gegen Dortmunder Arbeitskollegen zu sticheln, sich zu fetzen und trotzdem eine gewisse Sympathie für einander zu haben. Denn ohne diese Rivalität wäre es ja auch langweilig, gerade an den Arbeitsplätzen. Ich bin ja früher selbst Fußballer gewesen und habe es bis zur Kreis Westfalenauswahl geschafft. Damals, zusammen mit Michael Zorc und Ralf Loose vom BVB. Und das war eben die Zeit, das muss man einfach mal sagen, in der die Schalker eine richtig geile Truppe hatten. Als junger Fußballer hat man sich natürlich an einigen Bundesligaspielern orientiert und für mich war Klaus Fischer in diesen Tagen ein Riesenvorbild. Ich war selbst Mittelstürmer und habe wochenlang, monatelang Fallrückzieher und Seitfallstöße geübt, so im „Klaus Fischer-Stil“. Wenn man das jetzt also schon als eine „Schalker Sünde“ bezeichnen würde, dann wäre das meiner Meinung nach zu hoch gegriffen. Aber ich bin ja durch meine journalistische Arbeit – Gott sei Dank – jemand, der über Tellerränder blicken darf und das auch tun sollte. Denn wenn ich das nicht täte, wäre ich am falschen Platz. Ich habe z.B. einen superguten Kontakt zu Gerald Asamoah, den ich als Mensch sehr mag, das darf man ja in gewissen Kreisen gar nicht öffentlich sagen, weil er bei zahlreichen BVB-Fans, zurückhaltend formuliert, nicht gerade besonders beliebt ist. Das gilt für mich aber nicht, denn ich mache einen Unterschied zwischen Verhalten auf dem Platz oder auch Situationen die entstehen, wenn man weiß, wie die auf beiden Seiten zu werten sind. Es gab oder gibt auch BVB Spieler, die sicherlich tolle Tore schießen, die aber dem einen oder anderen eben auch nicht sympathisch sind. Das ist nun mal so, aber man sollte den Menschen beurteilen und nicht nur nach Vereinsfarben einstufen. Wenn ich im Stadion bin und ein Spiel schaue, wo z.B. Asamoah ein Gegner des BVB ist, dann ist er natürlich auch für mich ein Gegner, aber genauso gut kann ich umschalten. Und das Umschalten gelingt, weil ich manche Hintergründe und Geschichten kenne, weil ich mit ihm auch halt beruflich zusammenarbeite. Als er z.B. in der Anfangszeit auf Schalke war und Otto Addo spielte hier in Dortmund, da gab es z.B. Phasen, da hat Asamoah den Otto Addo vom BVB-Trainingsgelände abgeholt und die waren zusammen auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt. Das hat es gegeben. Das ist heute unvorstellbar. Und das ist für mich auch ein Zeichen, dass Rivalität in etwas umkippen kann, was nicht gut ist für Beziehungen, für Zwischenmenschlichkeit, für Bilder, die man nach außen transportiert. Oder denkt mal an die Brasilianer. Da haben z.B. Dede und Lincoln zusammen Parties gefeiert. Da gab es schon eine ganze Reihe von freundschaftlichen Beziehungen. Aber gut, das mal nur so als Seitenaspekt zum Thema „Rivalität“...
schwatzgelb.de: Du hattest bei der EM mit Asamoah und Slomka zu tun, bei den Olympischen Spielen in London hast Du gemeinsam mit Frank Busemann moderiert, der ja nach eigenem Bekunden auch mehr zu blauweiß neigt. Gibt es dann da unter Euch – vor allem wenn die Kamera ausgeschaltet ist – da nicht auch schon die eine oder andere Frotzelei zwischen blauweiß und schwarzgelb?
Peter Großmann: Ja aber klar! Das gehört doch dazu und das kannst Du z.B. mit Asamoah auch sehr gut machen. Aber das ist dann auch auf einer Ebene – für manche vielleicht schwer vorstellbar – die auch einen gewissen Respekt füreinander ausdrückt. Also z.B. Asamoah findet die Dortmunder – wenn die Kamera aus ist – (lacht) auch großartig, so wie die in der vergangenen Saison gespielt haben. Natürlich spricht er dann traditionell immer von „Lüdenscheid“, aber das ist auch so eine Bezeichnung, die eben gepflegt wird. Genau so wie es auf Dortmunder Seite Kevin Großkreutz tut. Über sowas kann man natürlich lange diskutieren. Man pflegt das und das ist auch gut so für die Rivalität. Da gibt es z.B. auch einen Sportredakteur der mich betreut, der ist Dortmunder, ein alter Dortmunder Junge und ein anderer ist Schalker. Also auch da gibt es diese Pole immer, die dann aufeinander treffen. Und wenn wir dann abends zusammensitzen und ein EM-Spiel schauen, dann frotzeln wir uns schon an, aber wir lachen dann auch zusammen darüber. Aber wie schon gesagt, durch meine Arbeit muss ich in der Lage sein, über solche Befindlichkeiten hinwegzusehen. Etwas anderes könnte ich mir da auch nicht erlauben. Es gibt aber auch durchaus Kollegen, die das anders sehen, die da so ihre Schwierigkeiten hätten und haben. Ich gehöre aber nicht dazu.
schwatzgelb.de: Wenn man sich mal so die Besetzung des ARD-Morgenmagazins ansieht, gibt es da ja doch eine gewisse Dortmunder Fraktion. Neben Dir ist Anna Planken gebürtige Dortmunderin und Frank Meyer scheint dem BVB ja auch ganz freundlich gesonnen zu sein.
Peter Großmann: Ja das stimmt. Wir haben da in der Sportredaktion schon eine starke BVB-Fraktion. Wenn ich beruflich unterwegs bin, werde ich auch oft darauf angesprochen und – das könnt Ihr mir glauben - das ist auch nicht immer positiv. Auch gerade in blauweißen Gegenden. Da kriege ich auch schon mein Fett weg. Das gilt auch für München und Umgebung, da haben viele Zuschauer über die Jahre hinweg natürlich meinen BVB-Bezug gemerkt.
schwatzgelb.de: Du hast Dich ja auch oft nicht gescheut, Deine Vorlieben zu verbergen. Ich weiß noch, dass Du nach einem Dortmunder Titelgewinn mal mit einer schwarzgelb gepunkteten Krawatte moderiert hast.
Peter Großmann: (lacht) Ja das stimmt! Und ich bin auch schon öfter mal gefragt worden „darf man das?“ Darf man das, sich als Sportjournalist zu erkennen geben, dass man eine bestimmte Leidenschaft hat? Manni Breuckmann hat sich z.B. erst sehr spät offiziell geoutet, dass er Schalker ist. Man hat es natürlich schon vorher gemerkt, aber es geht ja darum, dies auch öffentlich zuzugeben und dies nicht nur unter Freunden. Und das war ja auch eine ganze Zeit lang unter Journalisten verpönt, weil da immer dieser „Objektivitätsgedanke“ eine Rolle spielte. Aber ich behaupte mal, ich bin alles andere als unfair anderen Vereinen gegenüber und ich bin auch in der Lage, mit einem BVB-Thema kritisch umzugehen, obwohl ich BVB-Fan bin. Und das muss man auch machen, man darf natürlich nicht die Vereinsbrille in jeder Situation auflassen, dann wird man unglaubwürdig. So war es Z.B. bei der großen Finanzkrise von Borussia Dortmund. Da darf man natürlich die Brille nicht auflassen und sagen „mein Verein ist mir wichtiger und was drum herum passiert, ist mir egal.“
schwatzgelb.de: Hat man da heutzutage nicht auch etwas mehr Freiräume als früher? Wenn man sich diese alten Liveübertragungen anschaut, da wurde ein Tor ja manchmal so wie ein Bericht in der Tagesschau kommentiert.
Peter Großmann: Ja, ich sehe das auch so. Aber es birgt natürlich auch eine Gefahr in sich. Man muss in gewisser Weise lernen, wann man sich zurücknehmen sollte und wann man etwas machen darf. Ich kann mich da an eine Szene erinnern, als die Bayern in der letzten Saison im Halbfinale der Champions League sensationell gespielt haben - im Finale dann ja nicht mehr. Da habe ich dann im Morgenmagazin gesagt – vor dem Hintergrund unserer eigenen Champions League-Saison – „wer jetzt noch auf internationaler Ebene von Augenhöhe spricht, der ist falsch gewickelt“. Das hat mir ganz böse Meinungen eingebracht, von BVB Fans, die geschrieben haben: „Wie kann man so etwas sagen?“ „Das gibt’s doch gar nicht, diese Sch…-Bayern“ usw. Aber das interessiert mich dann nicht, denn man muss immer den Blick beibehalten für die Realitäten und die sind nun mal eben so. Wie schon gesagt, ich bin also keiner, der bei so was die Brille auflässt. Aber einer, der schon sagt: „ich komme aus dieser Region, ich bin in Dortmund geboren, ich gehe seit dem 13./14. Lebensjahr zu den BVB-Spielen ins Stadion“. Und das kann ich mir auch erlauben. Denn ich habe eine Vergangenheit. Schau Dir viele Fans an, die erst seit 2 Jahren ins Stadion gehen! Wenn ich mir von denen erzählen lasse, dass ich eine „Wurst“ bin, weil ich mir eine eigene Meinung erlaube, dann stehe ich da auch drüber.
Der Wecker klingelt um 2:00 Uhr morgens da kann ich abends um 11 nicht mehr auf sein
schwatzgelb.de: Wie sieht denn eigentlich so Dein Tagesablauf aus, wenn Du alle 14 Tage beim Morgenmagazin in Köln zu tun hast? Das klingt auf alle Fälle erst mal nach früh aufstehen oder?
Peter Großmann: Also um 2:00 Uhr geht der Wecker und ich fahre dann so gegen 2:30 oder 2:45 von zu Hause in Dortmund los und bin dann so gegen 3:30 in Köln. Das ist dann so mein Dienstbeginn.
schwatzgelb.de: Und wie bereitet man sich dann eigentlich auf die Themen für den Sportblock vor? Studiert man das Archiv und die anderen Sportberichte der einschlägigen Medien, baut man da auf eigenes Wissen – was ist da konkret zu tun?
Peter Großmann: Also, das wird natürlich in hohem Maße von der Aktualität bestimmt, die das Programm mehr oder weniger aufstellt. Das Morgenmagazin ist ja auch eine aktuelle Sendung, wobei wir manchmal auch Themen haben, die wir selber setzen, was ich ja auch schön finde. Auch bei sportlichen Großveranstaltungen kann man das anders angehen. Aber z.B. wie heute Morgen das Thema Nationalmannschaft (das Interview fand einen Tag Tag nach dem Länderspiel Deutschland – Argentinien statt), wird darüber natürlich berichtet. Genauso über die Ergebnisse der Bahnrad-WM oder über neue Entwicklungen im Martinez-Transfer der Bayern. Das ergibt sich alles. Z.B. konnte ich das gestrige Länderspiel (Anmerkung: Das Interview wurde am Tag nach der Niederlage der Nationalelf gegen Argentinien geführt) nicht sehen. Denn von 21 – 23h kann ich nicht mehr auf sein, danach ins Bett gehen nur 2 Std. schlafen und dann nach Köln fahren. Das geht nicht! Das kann ich einmal in der Woche machen, aber wirklich nur einmal. Denn die Konzentration auf die Sache nimmt doch dann erheblich ab, auch wenn ich nicht die kompletten 3,5 Std. auf dem Fernsehschirm zu sehen bin. Du brauchst ja permanent Frische und Konzentration damit Du dann auch im richtigen Moment präsent bist. Das wäre es mir nicht wert, das für jedes Fußballspiel am Vortag auf’s Spiel zu setzen. Natürlich schaue ich wichtige Spiele auch schon mal live. Also letzte Saison, die Bayern im Champions League Halbfinale oder ab Halbfinale, das gucke ich mir schon an. Oder natürlich die Dortmunder, wenn es denn so weit wäre im nächsten Jahr, auch wichtige Länderspiele usw. Aber ich kann mir das zum Glück auch alles Morgens beim WDR ansehen. Ich bin ja 2 Std. vor Sendebeginn da, kann Agenturberichte lesen, recherchieren, habe auch Mitarbeiter die mit mir zusammen die Themen bearbeiten. Und man steckt ja auch im laufenden Thema, also wenn jetzt z.B. Bundeligaspiele mit englischer Woche oder Pokalbegegnungen sind, da bist Du natürlich in diesem Prozess drin. Da muss man auch nicht drüber nachdenken, was sich da als Thema anbietet. Natürlich gibt es auch weniger gängige Themen – Bahnradfahren ist z.B. nicht gerade mein Spezialthema. Aber das lässt sich natürlich auch abends noch einmal überfliegen oder morgens u.a. im Internet noch einmal angucken. Also, das ist kein Problem.
schwatzgelb.de: Du hast ja innerhalb Deines Jobs eine Riesenauswahl an Sportarten über die Du berichten kannst. Gibt es da irgendwas was Deine Nummer 1 ist? Eventuell Fußball?
Peter Großmann: Ja klar, weil man im Fußball ja doch zu Hause ist, findet man den Fußball natürlich super. Was ich z.B. noch klasse finde – ich mache da für den WDR noch so eine Sendung, die heißt „Sportlich unterwegs“. Da werden Sportarten aus NRW vorgestellt, die man normalerweise nicht so sieht. Eine Viertelstunde geht die Sendung und es ist wirklich ganz klasse. Da taucht man mal in so Sportwelten ein, z.B. wird da in einem kleinen Dorf im Sauerland, in Kierspe, Motorradfußball gespielt. Da gibt es ein großes Derby, aber eben in einem Dorf. Oder über Kanupolo haben wir schon berichtet, also ganz irre Sportarten. Ich finde es immer faszinierend, wenn Leute Sport machen, weil sie eben ganz einfach eine bestimmte Sportart betreiben wollen. Weil sie den Sport toll finden, weil sie Spaß daran haben. Sei er auch noch so ausgefallen Und nicht, weil sie wissen, sie können damit eine Medaille gewinnen oder Geld damit verdienen. Solche Leute gehören mal mehr in die Aufmerksamkeit gezogen. Was so den internationalen Sport angeht, schaue ich auch gerne Leichtathletik. Aber durch diese fiesen Dopinggeschichten ist man sich ja auch nicht mehr sicher, wie die ganzen Erfolge immer so zustande kommen. Ganz toll fand ich z,B. diesen Mohamed Farah, den britischen Läufer – großartig. Zu Hause im eigenen Stadion, mit der Geschichte, die er hat. Als Migrant hat er es in England sicherlich auch nicht immer leicht gehabt.
schwatzgelb.de: Musst Du die Themen vorher noch mit Vorgesetzten abstimmen?
Peter Großmann: Nein, die Themen werden natürlich von den Redakteuren bereits angesetzt, wobei ich da schon seit Jahren Mitspracherecht habe und auch selbst Themen vorschlage und mit herein bringe. Aber was ich da morgens in der Sendung draus mache, ist komplett mein Ding. Was auch schön ist, denn nur dann kann man sich das auch selbst färben und prägen. Woanders läuft es allerdings häufiger nicht so. Da gibt es Moderationen, die werden demjenigen hingelegt, da gibt es den Teleprompter, von dem liest man ab – das haben wir morgens alles nicht. Von daher ist es auch schön, wenn man es selber macht, denn bei Texten von anderen liest man ja nur vor. Da rutscht Dir dann natürlich auch keine Bemerkung raus. Gott sei Dank manchmal (lacht).
schwatzgelb.de: Du hast für das Morgenmagazin bei der EM aus Danzig und bei den Olympischen Spielen aus London berichtet. Was waren Deine Eindrücke? Gab es da Unterschiede in den Arbeitsbedingungen für Dich als Journalisten?
Peter Großmann: Ja, gute Frage. Also London war von der englischen Zeit her um eine Stunde verschoben. Das macht für einen Morgenarbeiter natürlich schon viel aus. Und eine Stunde Zeitgewinn ist da manchmal schon Gold wert (lacht). Also ich will es mal so sagen: Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass es mir zwischenzeitlich egal wäre, an welchem Ort ich arbeite, das wäre falsch. Aber bei Großveranstaltungen im Sport ist es für mich viel wichtiger, was ich da mache, als wo ich das mache. D.h. die Freiheit zu haben, in so einer spielerischen Konstellation mit Asamoah, mit Gästen in so einer Verkaufsbude irgendwo in der „Walachei“ auf Plätzen in Danzig zu stehen und daraus eine Spielform zu entwickeln, ist mir wichtiger als die Tatsache wo das jetzt gerade stattfindet. Die locations sind da alle relativ austauschbar. OK, morgens um 5h an der Tower Bridge in London zu stehen, ist natürlich toll. Aber wenn ich da nur stehen müsste, hätte mein Stehpult vor mir und würde da nur meine ganz normalen Sportnachrichten machen – da könnte ich ja überall stehen. In Köln im Studio und im Hintergrund eingeblendet die Tower Bridge. Die Spielform, die man da entwickelt, das ist das Entscheidende! Und das hat sich über die Jahre im Morgenmagazin ja so entwickelt, dass wir uns immer etwas Besonderes ausgedacht haben. Darüber lernst Du dann natürlich auch die Orte in denen Du gerade bist, z.B. Danzig oder London etwas anders kennen. Das gleiche galt aber auch für die WM in Südafrika. Da sind wir mit einem Kleinbus rumgefahren und waren morgens in einem Dorf an der Grenze zu Tansania. Wir waren in Kapstadt und Johannesburg, aber nicht da wo eben alle sind, sondern morgens in einem Wildpark. Das ist ja manchmal völlig skurril was wir da so betreiben. Und dafür stehe ich auch gerne eher auf und arbeite länger. Vergleichbar damit waren auch die EM 2008 und die WM 2006, beides mit dem mittlerweile leider verstorbenen Jörg Berger. In 2008 waren wir auf einer Alm am Lago Maggiore ein wenig kaserniert und bei der WM 2006 hatten wir unsere WG in Berlin mit Steffi Jones und Fritz Eckenga. Und da muss ich sagen, dass all diese Spielformen mit ihren verschiedenen Erlebnissen wirklich Highlights meines bisherigen Berufslebens waren. Es gibt natürlich auch viele Leute die sagen, „hört bitte mit diesem Sch… auf, mich interessieren nur die Fakten. Ich will morgens die wichtigsten Sportergebnisse wissen, dazu brauche ich kein Gelaber und keinen Kabarettisten der mir irgendwas erzählt. Ich möchte auch keinen Elefanten im Hintergrund sehen!“ Diese Fraktion unter den Zuschauern gibt es selbstverständlich auch. Aber es gibt eben auch sehr viele Leute die das gut finden und das Morgenmagazin ist ja eine Sendung, wo man alle Zuschauer ins Boot nehmen muss. Es ist ja keine Sendung nur für den reinen Sportfan. Da gibt es ja viele Überschneidungen, Leute die dann den Sport mit anschauen, weil vorher das Servicethema war. Die denken sich dann „OK ich muss jetzt durchhalten, gleich kommen die Nachrichten.“ Und das ist ja das Ziel, dass man diese Leute mit ins Boot nimmt und das kann man eben nur, wenn man es möglicherweise etwas unterhaltsamer überträgt als andere. Da verprellt man vielleicht hier und da den reinen Sportfan, aber der hat ja noch andere Möglichkeiten zur Information. Dafür nimmt man dann andere Zuschauer mit ins Boot. Das ist eben ein Teil des Konzepts dieser Sendung. Und noch mal zurück: Ich fand Danzig und London super, aber vor allem wegen der Art wie wir da das Programm gemacht haben. Es gibt ja Kollegen, die arbeiten in London und sind im Studio und kommen so gut wie gar nicht raus. Gott sei Dank habe ich es da besser, denn so ein reiner Schreibtischjob wäre wirklich nichts für mich. Wir machen ja viele solche Sachen und da bin ich froh, dass ich nicht an einem Tisch stehe und jedes Mal meine vorbereiteten Meldungen vorlese. Jeden Sportblock so erzähle, wie ich ihn vortragen muss und immer wieder gleich erzähle. Sondern ich kann es so moderieren, dass jede Menge Unterhaltsames und auch Unterschiedliches dabei herauskommt.
schwatzgelb.de: Auf Deiner Internetseite kann man ja auch etwas über Deine musikalische Vergangenheit lesen. Du hast in den 80er Jahren als Sänger mit den Strandjungs Musik gemacht. Habt Ihr da eventuell auch einmal darüber nachgedacht, einen BVB-Song zu bringen? Eventuell im Beach Boys-Stil, wie viele Eurer Lieder?
Peter Großmann: Ja, wir haben in den 8 Jahren, die ich bei den Strandjungs dabei war, einige Beach Boys Songs gecovert. Es gab sogar mal die Idee, dass wir einmal mit den Beach Boys zusammen auftreten sollten. Das wäre natürlich eine schöne Nummer gewesen, auch mal ganz persönlich gesehen. Thomas Gottschalk hatte die ganz witzige Idee, einmal Coverbands mit ihren Originalen zusammenzubringen. Aber letzten Endes hast Du die Beach Boys dann doch nicht dazu gekriegt. Aber wir haben ja auch Coverversionen von anderen Interpreten gespielt. Da gibt es diesen alten Song von den Kinks, „Victoria“. Und anstelle von „Victoria“ dann „Borussia“ zu singen, das hätte ja super gepasst! Wir hatten auch schon einen neuen Text mit BVB-Bezug geschrieben. Aber dann kam Kasche Kartner uns mit Pur Harmony und seinen Borussen-Songs zuvor und wir haben das dann nicht weiter verfolgt.
Der großartige spielerische Wert bei Borussia ist mir wichtiger als die Titel
schwatzgelb.de: Wie schätzt Du die kommende Saison für den BVB ein? Siehst Du Chancen für eine Titelverteidigung und glaubst Du, dass die Mannschaft in der Champions League besser abschneidet? Wie siehst Du das als Fan bzw. als Sportjournalist?
Peter Großmann: Also ich glaube, da kommt doch mehr der Fan durch, wenn man das als Moderator beantworten würde, hätte das ja eigentlich nicht viel Sinn. Ich bin ganz ehrlich, ich glaube… der Wert, dieser großartige spielerische Wert den man jetzt bei Borussia Dortmund geschaffen hat, der ist mir wichtiger als die Titel an sich. Tatsächlich. Für mich als jemanden, der Fußball mag, ist diese neu entwickelte Spielkultur die größte Leistung innerhalb der letzten 2 Jahre. Die Meisterschaft, Pokalsieg das ist natürlich toll, aber das hier was geschaffen wurde - was auch einen gewissen überdauernden Wert hat - hat mich persönlich am meisten beeindruckt. Mir wäre es echt lieb, ich sehe im Stadion weiterhin gute Spiele, eine Mannschaft, die sich auch weiterhin entwickelt und vielleicht auch noch ein bisschen zusammenbleibt. Denn es wird vielleicht auch nicht mehr so lange dauern, bis der erste Leistungsträger trotz Vertragsverlängerung dann doch aus dem Vertrag heraus gekauft wird. Denn wenn ein Vertrag langfristig angelegt wird, ist das ja schon immer ein Hinweis darauf, dass damit gute Ablösesummen erzielt werden können. Also, wenn man die Art weiterhin so super zu spielen beibehalten kann, das wäre toll. Da freue ich mich in der neuen Saison drauf. Dass die Chance auf eine neue Meisterschaft da ist, ist ja völlig klar, Wenn man das aus Dortmunder Sicht herunterspielt, kann ich das auch wieder verstehen. Aber natürlich kann man nicht sagen, man geht in so eine Saison und will nicht um die Meisterschaft mitspielen. Dortmund betont ja immer, „unser Ziel ist die Champions League Qualifikation“, aber das ist jetzt auch eine Marginalie zwischen Platz 1-4. Was ich jetzt gegen die Bayern im Super Cup gesehen habe, hat mir nicht so gut gefallen. Aber das allein aufgrund der Tatsache, dass die Formation der Mannschaft, die da am Anfang stand, noch zu unspielerisch war. In der zweiten Halbzeit hat man gemerkt, dass sich was ändert. Das ist ein Plädoyer für mich auch in der neuen Saison immer offensiv zu spielen. Als Götze und Perisic in die Mannschaft kamen, da merktest Du auf einmal, wie sich das Spiel veränderte. Und dieses Offensivspiel will ich auch weiter sehen. Ich sehe natürlich – wie viele andere auch – die Gefahr, dass durch den Weggang von Kagawa, der ja für die überraschenden Elemente gut war, und auch als Torschütze klasse war, so ein wenig ein wichtiges Element fehlt. Und das war in der ersten Halbzeit beim Super Cup auch so, dass ich dachte, „na ja, irgendwas fehlt da, irgend so eine zentrale Ideenfraktion“. Das wird aber hoffentlich noch lösbar sein. Alles andere, diese ganzen Vorbereitungsspiele, das interessiert mich alles gar nicht. Abgerechnet wird zum Saisonstart gegen Bremen. Aber auch das kann trügerisch sen. Ich kann mich an den Beginn der vergangenen Saison erinnern, als wir gegen den HSV 3:0 gewonnen hatten und alle dachten: „Das wird ein Traum!“ Und danach kamen dann die Spiele, die erst mal ernüchternd waren. Da sah man auch, dass das Hamburg-Spiel kein Maßstab war, denn das war ja ein Gegner der nicht – wie eigentlich erwartet - vorne mitspielte, sondern gegen den Abstieg kämpfte. Und natürlich rüsten die Bayern auf. Die haben ein starkes Spiel gegen die Dortmunder gemacht. Aber ich fände das auch toll, wenn da noch zwei, drei Teams dazukommen an denen man sich messen kann, damit es für mich als Fußballfan auch spannend bleibt. Dann sehe ich auch gerne knappe, spannende Spiele und klar – letztendlich auch mal eine Niederlage für uns. Aber letztendlich möchte ich spielerisch vor allem weiter so verwöhnt werden.
schwatzgelb.de Der BVB ist vom Pleitekandidaten innerhalb von 7 Jahren zum Doublesieger geworden. Wie kommentierst Du diese Entwicklung, wer ist aus Deiner Sicht für den Erfolg hauptverantwortlich?
Peter Großmann: Ja, das ist schon eine sehr beeindruckende Entwicklung gewesen. Aber ich wage jetzt einmal die Prognose, diese Demut die man sich im Verein selbst verordnet hat, das wird möglicherweise auch nicht mehr so lange anhalten! Wenn Du jetzt mehrere Jahre in dem Konzert der Großen mitspielst, in der Champions League vielleicht auch mal wieder länger dabei bist, dann kann diese Demut auch irgendwann vorbei sein. Und diese Demut ist natürlich auch an die jetzige Konzeption des Vereins angekoppelt. An die jungen Spieler, die Klopp folgen, an Klopp selber, der das natürlich auch gut macht. Aber auch das ist endlich, machen wir uns nichts vor! Auch Klopps Engagement in Dortmund ist endlich. Wir sind froh, wenn er uns noch lange als Trainer erhalten bleibt, aber es werden auch andere Zeiten kommen und auf die bin ich sehr gespannt. Erst dann wird sich entscheiden, ob der Verein die Wege weitergeht, die dann unabhängig von Personen sind und da wird es entscheidend sein, wie Borussia Dortmund sich dann verkauft. Die Verträge der BVB-Führungsriege, also die von Klopp, Watzke und Zorc laufen alle bis 2016 und die einiger wichtiger Spieler ebenfalls. Und bis dahin sollte man sich hoffentlich die Demut halten. Ich habe viele Freunde und Bekannte, die sich genau wie ich die gleichen Fragen stellen: Was passiert, wenn mal wieder ein Einbruch kommt? Wie geht man dann miteinander um? Werden irgendwann mal wieder ohne Not Stars eingekauft werden? Daran wird sich entscheiden, ob der jetzige Weg beibehalten wird oder ob sich Sünden aus der Vergangenheit eventuell wiederholen. Darauf bin ich gespannt. Ich finde es momentan aber auch gut, dass man es auch gegenüber dem FC Bayern immer sagt „in Eurer Liga spielen wir noch nicht“. Das stimmt ja auch rein geldmäßig, aber spielerisch muss man ja auch mal schauen, was da auf dem Platz passiert und da kann man schon sagen „in der Liga spielen wir!“ Finanziell natürlich nicht.
schwatzgelb.de: Es ist ja auch interessant, wenn man sieht, wie sich andere über dieses BVB-Understatement aufregen. Wie z.B. Paul Breitner, der erst kürzlich gegenüber der Presse die BVB-Understatement-Politik als lächerlich bezeichnet hat.
Peter Großmann: Ja, und ich finde solche Kommentare auch gar nicht schlecht. Es ist ja nun so gewesen, dass sich die BVB-Führung gerade in der letzten Saison hinsichtlich des Begriffs „Meisterschaft“ lange geziert hat. Dafür kamen dann so Aussagen wie „wir wollen natürlich vorne mit dabei sein“ oder so ähnlich. Es ist ja auch in einer gewissen Art und Weise lächerlich, wie lange man da um den heißen Bei geredet hat. Denn man weiß doch ganz genau, dass das im Team selbst ganz anders besprochen wird. Da kannst Du nicht als Verantwortlicher hingehen und sagen; „Jungs wir schauen mal was da so passiert“, da gehst Du natürlich mit einer ganz anderen Einstellung heran. Dass die Spieler dann nach außen hin den Klassiker sagen, „wir denken von Spiel zu Spiel“ das ist doch klar. Aber intern ist das doch ganz anders. Das merkt doch ein Blinder mit Krückstock! Das hat mir ein wenig zu lang gedauert in der letzten Saison, dass man da ganz klar sagt, „gar keine Frage, wir möchten Deutscher Meister werden!“
schwatzgelb.de: Aber so eine Aussage kann ja auch mal ins Auge gehen. Unser blau weißer Nachbar hat es ja nun geschafft, die Meisterschaft noch kurz vor Schluss zu vergeigen.
Peter Großmann: Das verstehe ich ja auch, dass man das so etwas als warnendes Beispiel im Hinterkopf hat. Aber wir sind nicht blau weiß. Das macht den Unterschied ja auch aus. Bei uns ist ja aktuell keine Vereinsführung, die alles so nach Gutsherrenart lenkt und für die Schalker war und ist der Meisterschaftstraum ja tatsächlich noch größer. Auch die Anspannung es nun endlich mal zu schaffen war dort größer. Diese Anspannung, die haben wir nicht. Wir haben ja aktuell Leute da sitzen, die das realistisch einschätzen können. Das war vorher in der Niebaum-Ära ja auch einmal anders. Wobei diese Geschichte natürlich auch menschlich sehr tragisch ausgefallen ist, denn bei allen Fehlern die in dieser Zeit gemacht worden sind – es ist ja offensichtlich, daß Niebaum den Verein Borussia Dortmund ja auch geliebt haben muss.
Die Vereine haben mit der Ultrabewegung nicht genug kommuniziert
schwatzgelb.de: Nun mal eine Frage zum Fanverhalten. Hier hat sich ja in den letzten Jahren viel verändert. Themen wie Pyrotechnik und zunehmende Gewalt im Stadion haben an Bedeutung stark zugenommen. Wie sieht man das als Sportjournalist?
Peter Großmann: Ich finde das zunächst mal extrem wichtig, dass man da vor allem als Journalist gut informiert ist. Da gehen ja so viele Sachen quer durch die „Walachei“, da ist es ja ganz schwierig eine Gemengelage auszumachen und zu sagen: „So ist das!“ Die Begrifflichkeiten gehen ja auch in der letzten Zeit schwer durcheinander! Wer ist schuld? Sind es die Ultras, die Halbultras, die Nicht-Ultras, die Neo-Nazis, die wieder aufgetauchten Rechtsradikalen oder ist es der „normale“ Südtribünenbesucher? Oder hat der oder der überhaupt nichts damit zu tun? Je schwieriger das ist, desto besser muss man sich natürlich informieren, weil viel sagen ja „Ultras“, und meinen dann Gewalttäter. Ich habe das Interview bei „11 Freunde“ gelesen, wo ein Hamburger Vertreter dann sagte, „die Ultra-Bewegung ist per se nicht gewaltfrei!“ Ich fand das war ja endlich mal ein offenes Wort. Denn es wird ja immer so getan, dass das die Fans sind, die alles für den Verein tun, die tolle Choreographien machen usw. Die eben den Verein am Leben erhalten. Dass es da aber durchaus Strömungen gibt, die man nicht gut finden darf, das hat sich ja lange keiner getraut zu sagen. Auch die Vereine tun sich da sehr schwer, mit Ultras in bestimmten Kontexten so umzugehen, wie es nötig ist. Es fehlt die klare Aussage zu den Bereichen „was wollen wir, was wollen wir nicht – was akzeptieren wir und was nicht?“ Ich kenne Rolf Marewski vom BVB-Fanprojekt noch aus der Zeit, als ich selbst im Jugendzentrum in Dortmund gearbeitet habe. Dort war er Sozialarbeiter und noch gar nicht hier beim Fanprojekt. Und dann reden wir natürlich auch über Strömungen innerhalb der Fanszene. Das machen nicht alle Journalisten und das finde ich schade.
schwatzgelb.de: Um da mal einzuhaken – ist es nicht vielleicht auch so, dass die Gewalt rund um den Fußball gar nicht mal zugenommen hat, sondern sich eher die mediale Wahrnehmung in den letzen 1-2 Jahren geändert hat? Das Thema wird eben mehr in den Fokus gerückt, Sachen die eigentlich früher niemand interessiert haben, werden heute z.T. zu einer Riesenmeldung verarbeitet?
Peter Großmann: Ja, ich kenne diese Behauptung. Man schiebt es dann gerne rüber und sagt, „das sind einfach mediale Aspekte, die eine Rolle spielen. Das ist z.T. sogar richtig. Aber ich glaube, dass die Vereine – und damit meine ich nicht nur Borussia Dortmund sondern generell alle Vereine – einen Schritt nicht gemacht haben: Dass sie mit der Ultra-Bewegung - und dazu zähle ich alle die, die bedingungslos hinter ihrem Verein stehen und grundsätzlich alle Auswärtsspiele besuchen – nicht genug kommuniziert haben und sie in der Vergangenheit häufig auch zu sehr gestreichelt haben. Stichwort „die besten Fans der Liga“ beispielsweise beim BVB. Damit sind natürlich alle gemeint. Aber die Fans auf der Südtribüne fühlen sich natürlich davon stärker angesprochen als die Sitzplatzzuschauer, die ja auch in großer Zahl da sind. Und wenn Du dann den Sprung verpasst, Strömungen nicht wahrzunehmen, die ganz klar vom Fanprojekt hier in Dortmund aber auch von anderen Fanprojekten erkannt worden sind, wie wieder aufkommender Rechtsradikalismus im Stadion, wird es problematisch. Wenn der Verein sich da nicht sofort ganz klar positioniert, dann macht er einen Fehler. Und das ist die eine Sache, die ich dem bzw. den Vereinen vorwerfe und nicht den Medien. Zwar wird von den Medien vieles durchaus in einen Topf geworfen, was nicht so ganz passt, aber trotzdem wird es benannt. Das finde ich wichtig. Wenn ich sehe, dass z.B. auf der Südtribüne in Dortmund, Fans von Bremen homophob beleidigt werden, dann ist das für mich ein Zeichen, das dort was nicht funktioniert. Und da kann man nicht sagen „es ist alles gut!“ Nein, ist es nicht! Da muss man sich ganz schnell positionieren und da muss man auch wirklich intensiv rangehen. Denn, wenn das nicht beachtet wird, breitet es sich ja aus. Die Leute die das tun, stehen mit anderen im Block und statt der oft zitierten „Selbstreinigung im Fanblock“ scheinen sich einige mit diesem Gedankengut doch ganz wohl zu fühlen. Und solange noch dieses „Arschloch, Wichser, Hurensohn“ usw. auftaucht ist nicht alles sauber. Klar, das wird nie ganz verschwinden, der Fußball ist halt so. Aber man muss von Vereinsseite her immer wieder zusehen, dass man das öffentlich thematisiert, dass man sich positioniert. Und das Gleiche gilt für mich auch bei der Pyrotechnik!
schwatzgelb.de: Über den Einsatz von Pyrotechnik kann man natürlich geteilter Meinung sein. Da zündet jemand was an und dann heißt es häufig „es gab Randale bei dem Spiel“. Im Endeffekt ist das ja keine Gewalt, aber es ist natürlich ein gefährdendes Verhalten. Früher hat man dagegen häufig von „südländischer Stimmung“ berichtet.
Peter Großmann: Das war in der Tat so! Das wurde ja sogar gelobt wenn z.B. Spielausschnitte aus Italien oder Argentinien gezeigt wurden und ganze Stadien voller Pyrotechnik waren. Da wurde gesagt, „ist das nicht eine tolle Atmosphäre?“ Aber die Fragen sind, „will man das tatsächlich haben?“ „Ist das ein Ausdrucksmittel, das dringend notwendig ist?“ Wenn man das geklärt hat, dann kann ich mich auch auf eine Diskussion einlassen. Wenn ich sehe, dass da z.B. zwei 2 Typen Pyrotechnik in der Hand halten und ich sehe rund herum nur Kapuzenpullis und Maskierte, dann kann mir keiner erzählen, dass das was ist, was dazugehört oder ein Ausdruck der Freude ist. Dann folgt natürlich schnell das Argument, dass man unmaskiert ein Stadionverbot bekommt. Aber das sagen auch Vermummte auf einer Demo, die auf Gewalt aus sind. Zeigt doch mal bitte 12/13-jährigen ein Bild von diesen vermummten und maskierten Pyroleuten. Die sagen Dir doch nicht „oh super, das sind Fans von Borussia Dortmund, die mag ich gerne!“ Die Gesamtwirkung ist doch angsteinflößend und natürlich gewalttätig! Dass es das Abbrennen der Pyrofackel selber vielleicht nicht ist, mag ja sein. Aber dieses martialische Auftreten in der Zwischenzeit, das macht das Ganze natürlich von der Außenwirkung her problematisch. Im Dezember 2010 war ich mit Fritz Eckenga, Wiglaf Droste und einigen anderen Leuten zum Europa League Spiel des BVB in Sevilla. Wir hatten Karten für den BVB-Block und sind alle zugegebenermaßen nicht als Kuttenträger ins Stadion gegangen. Da habe ich 2 Sachen erlebt: Die eine, dass die spanische Polizei, in allen Borussenfans nur ein Horde schwarzgelber Eindringlinge gesehen hat, die um Gottes willen keinen Ärger machen sollten. Dementsprechend war auch ihr Umgang mit uns. Das war schon ziemlich heftig. Aber hinterher - das sage ich jetzt ganz ehrlich – war ich froh, dass die im Stadion präsent waren. Normalerweise sind ja die Ultras auf einer Tribüne ziemlich unten bzw. wollen unten hin, damit sie nah am Spielfeld sind. Da es unten aber schon voll war, wurden viele der Ultras jetzt in die zweite Ebene der Tribüne „verfrachtet“, wo auch unsere Plätze waren. Da kam eine sehr interessante Mischung an BVB-Fans zustande. Was ich ganz schlimm fand, war, dass ich zum ersten Mal gesehen habe, dass – ich möchte nicht übertreiben – die Hälfte dieser Leute sich einen Scheißdreck für das Spiel interessiert haben. Da ging es nur darum: „Was machen die Fans von Sevilla?“ „Werden wir von denen gerade beleidigt?“ „Kommt da einer angerannt?“ „Wer startet gerade da im unteren Block eine Aktion?“ Da standen zwei Jungs neben mir, die haben nicht ein einziges Mal aufs Spielfeld geguckt. Beide Kapuzenpullis an … also ich bin frei von Vorurteilen, aber das passte wie „Arsch auf Eimer“! Ich habe mich echt unwohl gefühlt, das sage ich ganz ehrlich. Wir haben da nur gestanden und gesagt „dass wir das mal unbeschadet erleben durften!“ Aber das kann nicht die Zukunft des Fußballs und der Fankultur sein! Und bei aller Kritik an der Polizei in Sevilla – ich weiß, da sind viele BVB-Fans z.T. schlimm niedergeknüppelt und inhaftiert worden – ich war heilfroh, dass auf der Tribüne ein spanischer Polizist neben uns stand. Dass Fans den Verein unterstützen ist klar und dass es dort auch mal etwas rauer zugeht auch. Aber einige Strömungen, die da teilweise drinstecken oder sich daraus entwickeln finde ich ganz schrecklich. Und mit einem wachen Blick bekommt man da schon einiges mit.Und noch einmal zum Thema „Pyro“: Pyrotechnik ist ja praktisch nicht zu kontrollieren. Wenn es in verantwortungsvollen Händen wäre, aber das kannst Du ja nicht erwarten, denn wie willst Du das regeln? Deswegen ist das ja so schwer. Ich habe zum Beispiel in den 70er Jahren auf der Südtribüne gestanden. Da waren 13.000 Zuschauer zum Spiel gegen Mülheim da. Aber da gab es noch diese Riesenfahnen. Ich hatte auch so eine Fahne, in den Ausmaßen wie die, die die jetzt vor dem Spiel auf dem Rasen geschwenkt werden. Die hatte ich noch ganz normal mit, denn damit durftest Du zu der Zeit noch ins Stadion. Das war ein Riesenteil und die Tribüne war stellenweise ein einziges Fahnenmeer. Auch das war eine einmalige Atmosphäre. Leider wurden sie dann auf der Tribüne untersagt. Denn die großen Fahnenstangen waren ja auch als Waffe benutzbar. Natürlich besteht da eine Tendenz, alles Gefährliche aus dem Stadion rauszuhalten, teilweise zu Lasten der Stimmung. Aber diese Pyrotechnik ist unkontrollierbar, die kann ein Einzelner nicht ganz im Griff haben. Stell Dir mal vor, Du gehst mit Deinem Sohn in den Block 11 und auf einmal schmeißt einer so eine Pyrotechnik hinter Dich und Dein Sohn kriegt die ins Gesicht und ist für sein Leben lang verbrannt. Nur durch ein so einziges Ding.
Dortmund verlassen? Dafür gibt es keinen Grund!
schwatzgelb.de: Wir haben bei jedem Interview auch so einen Fragenblock, wo wir einige persönliche Dinge mal abfragen. Und Dein Beruf „Sportjournalist“ ist sicherlich ein Beruf für den sich viele jüngere Menschen interessieren. Kannst Du mal Deinen Werdegang so im Zeitraffer schildern, bis Du dahin gekommen bist, wo Du jetzt bist?
Peter Großmann: Leider darf man das ja fast gar nicht erzählen, weil das stellenweise mit heutiger journalistischer Ausbildung gar nichts zu tun hat (lacht). Nein, so ganz stimmt das natürlich nicht. Ich habe hier in Dortmund gearbeitet, beim WDR Landesstudio als es den WDR Lokalfunk noch gab. Das war ja ein regionaler Sender, Radio Dortmund. 6 Jahre lang. Ich habe für die Sportredaktion und für Trallafitti, eine Musiksendung moderiert.
Und in dieser Zeit habe ich auch studiert. Ich bin ja eigentlich Diplom-Sportlehrer und habe dann auch noch Musik gemacht. Ich habe also immer so drei, vier Sachen nebeneinander laufen lassen. Habe dann ein Jahr 1 LIVE in Köln gemacht und im ersten 1 LIVE-Jahr dort moderiert. Durch die Kontakte die ich dann beim WDR hatte, bin ich dann beim Morgenmagazin vorgeschlagen worden, die suchten einen Sportmoderator. Und ich passte denen vom Prinzip ins Konzept, weil ich jung war, auch so ein bisschen eine unterhaltsame Vergangenheit hatte, aber auch weil ich Sport studiert hatte. Es passte eben alles ganz gut zusammen. Das ist mein Werdegang und alles was danach passierte, hat sich sozusagen im Job entwickelt. Ich hatte anfangs so eine richtige journalistische Selfmade-Ausbildung quasi durch die Arbeit hier im WDR. Das gab’s eben damals noch, das war richtig klasse. Ich habe z.B. meinen ersten Radiobeitrag - wo wir vorhin über die Beach Boys gesprochen haben – in 1989 gemacht. Der damalige Musikredakteur Martin Gresch fragte mich, „hör mal, Du spielst doch bei den Strandjungs? Die Beach Boys spielen in Essen, Du nimmst jetzt mal so ein Aufnahmegerät und machst jetzt mal einen Beitrag „ein Strandjunge geht zu den Beach Boys“. Da war ich dann für meinen ersten Beitrag beim Beach Boys-Konzert in Essen und habe die Leute befragt „wie finden Sie das denn hier?“ usw.. So was geht heute gar nicht mehr. Es wird keinem mehr so ein Ding in die Hand gedrückt und gesagt „so, jetzt mach mal!“ Von daher war zu der Zeit viel „learning by doing“. Was natürlich auch ein wenig die Art formt, wie man dann in späteren Jahren arbeitet. Man kann sich dabei selbst ein wenig austesten.
schwatzgelb.de: Du hast ja neben dem Fernsehen, auch noch andere
berufliche Aktivitäten, wie man es auf Deiner Internet-Seite sehen kann.
Kannst Du dazu auch noch mal etwas sagen?
Peter Großmann: Ich habe ja in der Zwischenzeit vier Bücher gemacht. Drei davon haben mit Sport zu tun. Das neue ist ein Buch über das Alter. Irgendwann hatte ich mal eine Anregung für mein erstes Buch bekommen und wenn man einmal mit dem Schreiben angefangen hat, dann ist das eine schöne Sache. Das kann ich auch in meiner „freien Zeit“ vom Morgenmagazin ganz gut machen. Ein Buch handelt z.B. von Sportirrtümern, wo auch so ein paar Fußballirrtümer drin sind. Und das ist auch immer ganz gut, das lesen viele Leute immer ganz gerne, was sie so falsch machen in ihrem alltäglichen Leben, wenn sie mit Sport zu tun haben. Und aus den Aktivitäten wie Moderieren und Schreiben haben sich dann auch Vorträge und Teilnahme an verschiedenen anderen Veranstaltungen ergeben. Das hat sich in der Zwischenzeit doch ziemlich intensiviert.
schwatzgelb.de: Wenn Du aus beruflichen Gründen Dortmund verlassen müsstest, wie würdest Du da reagieren? Würde Dir das schwerfallen?
Peter Großmann: Die Stadt Dortmund zu verlassen? Es gäbe aktuell keinen Grund dafür. Der Sitz des WDR ist ja Köln und um von Dortmund nach Köln zu kommen brauche ich nicht umzuziehen. Ich hatte mal vor Jahren die Gelegenheit in München zu arbeiten, aber da hätte ich auch nach München ziehen müssen. Und das hat mich schon gestört, das wäre nicht gegangen. Also nicht, weil mir München als Wohnort nicht gefallen würde. Ganz im Gegenteil! Aber ich habe es jetzt in der Zwischenzeit so genossen, so einen Rückzugspunkt zu haben, aus diesem stark medialen Köln, hin in mein kleines überschaubares Dortmund. Ich wohne in einem Dortmunder Vorort, da ist zwar im Vergleich mit Köln oder München der Hund begraben, aber das ist ganz wunderbar! Da habe ich auch mit den Medien nichts zu tun. Auch alle meine Freunde haben mit Medien nichts zu tun. Viele arbeiten in sozialen Berufen. Von daher genieße ich das in Dortmund schon, da bleibt man auch ganz entspannt und geerdet.
schwatzgelb.de: Du bist Vater zweier Töchter. Sind die beiden auch ein wenig schwarzgelb angehaucht?
Peter Großmann: Eindeutig ja! Beide waren auch schon mal öfter mit im Stadion. Wenn jemand eine Dauerkarte übrig hat, dann habe ich immer meine große Tochter mitgenommen, die findet das super. Vor Jahren war ich dann das erste Mal mit beiden zusammen im Dortmunder Stadion. Wir hatten – damals noch unter Thomas Doll - im letzten Heimspiel der Saison gegen Wolfsburg gespielt. Leider kriegte Borussia mit 2:4 noch mal richtig einen auf den Deckel. Ein ganz schlimmes Spiel. Ich hatte beide vor dem Spiel noch mit einem neuen BVB-Schal ausgerüstet und als das 1:0 für Wolfsburg fiel, sprang meine jüngere Tochter – damals war sie acht Jahre alt – von ihrem Platz auf und schrie laut „Tor!“ Und alle um uns herum schauten uns etwas merkwürdig an. Ich sagte dann: „Tut mir leid, sie ist zum ersten Mal mit im Stadion“. Und meine Tochter sagte dann, aus Ihrer Sicht völlig zu recht: „Wieso, da fiel doch ein Tor!“. Worauf ich antwortete (lacht dabei): „Ja, aber auf der falschen Seite! Da drüben in das andere Tor, da müssen wir reinschießen!“ Also sie sind schon beide fußballinteressiert. Die gucken auch mit mir zu Hause, wenn ich Fußball schaue, also Borussia oder irgendwelche anderen Spiele. Aber beide reiten auch sehr gerne, es ist also nicht nur der Fußball den sie mögen.
schwatzgelb.de: Das ist ja noch einmal eine ganz nette Geschichte. Dabei fällt uns ein, dass Dir von Gelsenkirchener Seite ja sogar mal ein Stadionverbot in der Arena drohte. Das ist ja, wenn man das mit Humor nimmt, fast ein Ritterschlag für BVB-Fans! Wärest Du einverstanden, wenn wie diese Geschichte zum Abschluss unseres Interviews noch mal als kurze Audiodatei beifügen würden?
Peter Großmann: Ja, natürlich. Denn das hat sich ja alles genauso zugetragen.