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...Michael Schulz: "Ich bin geradezu von den Zuschauern inspiriert worden"

26.04.2012, 14:09 Uhr von:  Henry Markus
...Michael Schulz: "Ich bin geradezu von den Zuschauern inspiriert worden"
Interview mit Ex-BVB Profi Michael Schulz

Viele von uns haben es sicher noch im Ohr: Dieses langgezogene "Schuuuuuulz", wenn er mit wehenden Haaren über den Rasen des Westfalenstadions lief. Michael Schulz, von 1989 bis 1994 im schwarzgelben Trikot, war in seiner aktiven Zeit als Profi ein kompromissloser Verteidiger, bekannt für Flanken aus vollem Lauf und superweite Einwürfe. Aktuell schreibt Michael Schulz eine Kolumne in einer Dortmunder Tageszeitung, in der er den Saisonverlauf beim BVB kommentiert. schwatzgelb.de hatte sich mit dem Ex-Borussenspieler kurz nach dem Heimspiel gegen Stuttgart zum Interview getroffen, ...

...um ihn zu fragen, wie es mit seiner Karriere nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn weiterging und wie er die aktuelle Entwicklung beim BVB sieht. Dabei ist eine seiner Vorhersagen mittlerweile meisterliche Realität geworden: „…die Bayern werden auch noch ein Spiel verlieren."

schwatzgelb.de: Du warst nach Deinem Fortgang vom BVB bis 1997 bei Werder Bremen und hast dann Deine aktive Karriere als Fußballspieler beendet. Was hast Du danach gemacht und was machst Du jetzt?

Michael Schulz: Ich hatte ursprünglich vor, gemeinsam mit einem Freund in die Möbelbranche einzusteigen. Ich konnte mir eigentlich nicht vorstellen, dem Fußball weiter verbunden zu bleiben, weil mich das alles gar nicht so interessiert hat. Kein Witz — ich habe immer mit Begeisterung Fußball gespielt, aber das ganze Drumherum rund um den Fußball hat mich eigentlich nie so recht interessiert. Mein Freund und ich hatten auch schon alle Vorbereitungen für den Geschäftseinstieg getroffen, als mich eines Tages Reinhold Beckmann anrief und fragte „Hör mal, Langer, kannst Du Dir nicht vorstellen, mal für’s Fernsehen zu arbeiten?“ Damals noch „ran“. Ich habe das dann mit meinem Freund diskutiert und habe dann den Entschluss gefasst: „Versuch‘ es doch einfach mal! Entweder es bringt was oder es bringt nichts!“ Und unter dem Aspekt bin ich dann bei „ran“ eingestiegen, mit verschiedenen Aufgaben. Kommentare sollte ich machen, das war für mich ganz schwierig damals. Seitdem ziehe ich meinen Hut vor allen Kommentatoren, bis auf die schlechten. (lacht) Mittlerweile habe ich natürlich auch genug eigene Erfahrung, denn es ist natürlich nicht so einfach, mal eben so einen Kommentar zu einem Spiel oder einer Spielszene abzugeben. Dann haben wir noch ein paar kleinere Reportagen gemacht. Das ist — ehrlich gesagt — jetzt auch nicht meine Superbegabung, da fehlte mir ein wenig das Rüstzeug und auch der entsprechende Enthusiasmus. Was ganz gut lief, waren Interviews und redaktionelle Arbeit. Das habe ich dann erst mal einige Jahre für „ran“ gemacht. Als dann „ran“ die Bundesliga-Rechte verloren hat, habe ich Champions-League–Spiele kommentiert. Als Kommentator war ich z.B. viel mit Werner Hansch unterwegs. Anschließend bin ich dann zu Arena gegangen. Zwischenzeitlich habe ich noch die Trainerlizenz gemacht und war in Fußballcamps für Kinder unterwegs. Im Laufe der Zeit habe ich dann angefangen, als Spielerberater zu arbeiten. Der Einstieg dazu kam über einen Kontakt zu einem Freund. Ich hätte mir das früher nie so recht vorstellen können, als Spielerberater tätig zu sein. Ich hatte früher selbst keinen und fand dieses ganze Genre immer ziemlich schrecklich. Auch was man so über Spielerberater hört, war ja nicht so ganz ermutigend. Aber was einen ja nicht daran hindert, es selbst einmal besser zu machen. Dann bin ich damit angefangen und es macht einen unheimlichen Spaß. Wir haben auch guten Erfolg mit unseren Jungs, das macht richtig Laune. Das ist jetzt auch mittlerweile mein Hauptjob. Nebenbei mache ich immer noch ein bisschen Fernsehen für SAT1 und Kabel1 zusammen mit Erich Laaser. Bei Liga Total habe ich ebenfalls noch gearbeitet, habe das dann aber aufgegeben. Für die eine oder andere Talk-Sendung werde ich dann ab und zu eingeladen, aber insgesamt hat meine Arbeit für’s Fernsehen dann mit der Zeit doch abgenommen. Wie schon gesagt, hauptsächlich mache ich jetzt nur noch Spielerberatung. Und auch weiter die Fußballcamps u.a. auch für Robinson Clubs. Zusätzlich schreibe ich noch Kolumnen. Also, über mangelnde Arbeit kann ich mich nicht beklagen.

schwatzgelb.de: Hast Du noch Kontakt zum BVB oder zu früheren Mitspielern? Ich habe mal gelesen, Du betreibst eine Fußballschule gemeinsam mit Frank Mill?

Michael Schulz zu seiner aktiven Zeit

Michael Schulz: Nein, Frank Mill ist der Betreiber der Schule, ich bin da nur als Honorartrainer tätig, wo man natürlich den einen oder anderen früheren Kollegen wiedersieht. Und wenn ich Zeit habe, kommen dann ja auch noch die verschiedenen Traditionsspiele dazu. Wir machen ja unheimlich viele davon. Z.B. die BVB-Traditionsmannschaft und ich spiele auch noch ein bisschen für Werder. Dann gibt es eine Traditionsnationalmannschaft, dann gibt’s eine Uwe Seeler-Elf, für die ich alle noch spiele. Und neu dazugekommen sind noch die Spiele für Global United, die von Lutz Pfannenstiel organisiert werden: Fußballprofis engagieren sich für den Klimaschutz, da machen wir weltweit Spiele. Letzte Woche war ich eine Woche in Namibia, um für „Wasser für alle“ zu spielen und um auf verschiedene Recyclingmaßnahmen aufmerksam zu machen. Die Arbeit für Entwicklungsstaaten ist eine interessante Aufgabe, da kann man das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.

schwatzgelb.de: Pflegst Du denn noch intensive Kontakte zu den ehemaligen Mitspielern beim BVB? Oder ist das jetzt nur auf die Traditionsmannschaft bezogen?

Michael Schulz: Ja, mit dem einen oder anderen schon intensiver, da trifft man sich schon mal öfter. Z.B. Günter Kutowski, mit dem treffe ich mich regelmäßig und wir telefonieren auch häufiger. Natürlich auch zahlreiche andere, man sieht sich immer mal, aber ich bin jetzt nicht derjenige, der einen von den Jungs damals zu seinen engsten Freunden zählt. Ich habe viele gute Bekannte im Fußball, aber dadurch, daß ich viel unterwegs bin, habe ich in dieser Richtung weniger Freundschaften. Es ist natürlich immer ein großes „Hallo“, wenn man sich trifft. Es ist immer schön, wirklich richtig schön mit den Jungs, aber mir fehlt einfach die Zeit, da intensivere Freundschaften zu pflegen, weil ich nun wirklich sehr viel unterwegs bin.

schwatzgelb.de: Du hast ja mal in einem früheren Interview gesagt, daß zu Deiner aktiven Zeit „Kameradschaft“ wesentlich wichtiger war als heutzutage. Wie würdest Du das aktuell bei Borussia Dortmund einschätzen? Eine junge Mannschaft, die sportlich erfolgreich ist und in der wohl auch innerhalb des Teams freundschaftliche Verhältnisse herrschen. Ist das eine völlige Ausnahme in der heutigen Zeit?

Michael Schulz: Ja, völlige Ausnahme! Also in der Form, wie man es hier empfindet — man kann es als Außenstehender oder Journalist ja nur empfinden. Du bist ja nicht in der Kabine dabei, Du weißt nicht, wie die wirklich miteinander umgehen. Aber was beim BVB passiert, halte ich für ausgesprochen ungewöhnlich in der heutigen Zeit, vor allem bei diesem hohen sportlichen Niveau. Ich glaube, daß Borussia Dortmund hier eindeutig einen Trend gesetzt hat! Die Kopierer dieses Trends laufen zwar überall rum, aber nicht allen gelingt eine Kopie. Und das aus mehreren Gründen: es fehlt an geeigneten Persönlichkeiten und es zeigt sich, daß alte Werte wie „Kameradschaft“ nicht gänzlich verschüttet und nicht ganz wirkungslos sind. Eine Zeit lang war es ja nun so, daß es wirklich nur noch um Kohle ging. Als dieses Bosman-Urteil umgesetzt wurde, wollte doch fast jeder 18-jährige, der geradeaus laufen konnte, eine Million im Jahr verdienen. Und teilweise hat er die dann auch bekommen! So Anfang der 2000er Jahre, da war auch hier in Dortmund, der Umgang mit uns älteren Spielern - die ja für den Erfolg Anfang der 90er den sportlichen Grundstein gelegt hatten – nicht gerade optimal. Schließlich haben wir entscheidend dazu beigetragen, daß der Verein gutes Geld verdient hat, um spätere Spielerkäufe überhaupt tätigen zu können. Da hat man sich schon gewundert, wie ein Traditionsverein mit seinen ehemaligen Spielern umging. Im Zuge der positiven Entwicklung der letzten Jahre hat sich jetzt im Verein aber ganz viel getan und Begriffe wie „Tradition“, „Kameradschaft“, Kampfgeist“, „Identifikation“, die haben jetzt wieder eine Wertigkeit in Dortmund. Es ist sicherlich nicht mehr so wie ganz früher, aber im Gegensatz zu anderen Vereinen oder wie es auch hier zur Jahrtausendwende war, hat sich schon eine Menge entscheidend verbessert. Wir, die Ex-Profis, fanden z.B. jahrelang so gut wie gar nicht statt, wenn es um einfache Dinge wie z.B. um Eintrittskarten ging. Das hat sich glücklicherweise entscheidend gewandelt. Heutzutage wird da Wert drauf gelegt und der Verein unterstützt in hohem Maße die BVB-Traditionsmannschaft. Da hat sich, wie schon gesagt, ein sehr positiver Wandel vollzogen.

schwatzgelb.de: Wenn Du mal auf Deine sportliche Laufbahn zurückblickst, Du warst ja vorher Polizeibeamter und bist dann erst spät mit knapp 26 ins Fußballprofigeschäft eingestiegen. Hättest Du Dir vorstellen können, nach Deiner Profilaufbahn wieder im Beamtendienst zu arbeiten?

Meisterschaft 1995

Michael Schulz: Nein, ich glaube, das wäre auch aus beamtenrechtlichen Gründen gar nicht gegangen. Damals konnte man sich noch nicht bis zu zehn Jahren beurlauben lassen. Ich musste kündigen, bei mir gab es noch keine Beurlaubung, aber eine Wiedereinstellungsgarantie für den Fall, daß ich gesund bleibe. Allerdings hätte ich sämtliche Einstellungsvoraussetzungen noch mal erfüllen müssen. Ich hätte sicherlich auch als Polizeibeamter beruflich meinen Weg gemacht, aber ich bin natürlich dankbar, daß mein Wechsel in den Profibereich so gut geglückt ist. Ich hatte mich ja sieben Jahre standhaft geweigert Profi zu werden; es war nicht so, daß man mich erst spät entdeckt hatte. Ich hätte ab 18 Profi werden können, aber durch mangelndes Selbstvertrauen oder zurückhaltende/gesunde Selbsteinschätzung — wie immer man das betrachten will — hatte ich zunächst davon Abstand genommen.

schwatzgelb.de: Das kann man sich bei Dir ja kaum vorstellen, mangelndes Selbstvertrauen…

Michael Schulz: Na ja, wie gesagt, es ging mir dabei auch um gesunde Selbsteinschätzung. Wenn wir damals z.B. gegen die Profis von Werder gespielt haben, mit unserer Dritt- und Viertligatruppe — dann haben wir regelmäßig mindestens sieben Stück bekommen. Dann sagte man sich: „Mein Gott, können die spielen, das ist nichts für mich!“ Und so einen Beamtenjob gibt man ja nicht so einfach auf, das ist eine windige Geschichte. Und als ich dann den Sprung gewagt hatte, habe ich auch nur einen Ein-Jahres-Vertrag unterschrieben. Das wollten die damals in Kaiserslautern, meinem ersten Bundesligaclub, natürlich zunächst auch nicht, aber ich habe mir gesagt, entweder es klappt oder es klappt nicht. Hopp oder Topp!

schwatzgelb.de: Sind Dir die Erfahrungswerte aus Deiner Spielerlaufbahn von Nutzen, wenn Du jetzt als Spielerberater tätig bist?

Michael Schulz: Absolut, ich habe ja viele Besonderheiten in meiner Karriere aufzuweisen. Einmal der superspäte Einstieg als Profi und dass ich zu Beginn meiner Karriere durch Höhen und Tiefen gegangen bin. Es fing ja super an mit den Olympischen Spielen in Seoul 1988 und dann dem Wechsel zu Borussia Dortmund. Das ging ja alles ab wie sonst was! Und dann kam ja dieses große Tal hier beim BVB, wo ich anfangs mehr durch aggressives Foulspiel und Schiedsrichterbeleidigungen aufgefallen bin.

schwatzgelb.de: Da fällt jedem natürlich sofort der legendäre Wassereimertritt ein...

Michael Schulz: Ja, (lacht) heute kann man in der Tat darüber lachen. Viele Leute wissen ja gar nicht, daß man mal ganz gut gespielt hat oder mal ein ganz passabler Verteidiger war, sondern sagen sofort „ach ja, der Schulz, der mit dem Wassereimer“. Da werde ich ganz oft drauf angesprochen. Das Foto gibt’s ja auch im Borusseum, da kann man sich beim Bodo Goeke heute noch für das Foto bedanken. Wie gesagt, meine Karriere bei Borussia hat sehr holprig angefangen. Ich bin ja verletzt angekommen, das wusste eigentlich keiner außer mir. Ich hatte große Fußprobleme – die waren angeblich ausgeheilt, waren sie aber noch nicht. Dadurch stimmte meine Leistung anfangs nicht und ich war natürlich unzufrieden, spielte aggressiv und beging Fouls. Schuld waren – ist ja logisch – natürlich immer die anderen. Da fing sich die Spirale nach unten zu drehen. Im Nachhinein muss man sich tatsächlich fragen, „Schulz, was hast Du dir eigentlich dabei gedacht? Schiedsrichterbeleidigungen und Tätlichkeiten?“ Es war dann ja letztlich soweit - und das hat es auch nie wieder gegeben - daß ja öffentlich in den Fachmedien und natürlich auch im Boulevard gefordert wurde, den Schulz kann man nicht mehr auf den Platz lassen. Ich war - glaube ich - auch der einzige Spieler, der von seinem eigenen nationalen Verband für internationale Spiele im damaligen UEFA Cup gesperrt wurde. Das hat es nie wieder gegeben. Also, man sieht, ich war schon relativ weit unten, bis die Verantwortlichen beim BVB zu mir gesagt haben: „Pass mal auf Schulz, Du bist ja eigentlich ein netter Kerl, aber Du kannst in Deutschland bald nicht mehr spielen. Also entweder wir überlegen uns jetzt irgendwas oder sonst musst Du weg hier. Es geht nicht mehr!“

Und dann bist Du an einem Punkt angelangt, wo Du merkst, das Wasser steht Dir bis zum Hals, es muss was passieren! Und da kam mir dann der Zufall zu Hilfe. Ich traf meinen ehemaligen Lehrgangsleiter bei der Polizei, der hatte sich zwischenzeitlich als Anti-Stress-Trainer fortbilden lassen. Die Erklärung war, daß ich zur Bewältigung meiner Stress-Situation einfach den falschen Weg gewählt hatte. Ich habe dann mit ihm gearbeitet und auch entsprechende Literatur gelesen. Ich habe mit autogenem Training angefangen, mit richtigen Übungen vor dem Spiel. Ich habe damals dann mit Michael Meier zusammen eine Pressekampagne gemacht und wichtig war dann auch mein Auftritt im aktuellen Sportstudio, wo dann mal alles klargestellt wurde. Wobei die zentrale Aussage von DFB-Chefankläger Kindermann damals war - das muss man sich mal vorstellen, „bei dem Herrn Schulz ist das wie bei Mördern und Totschlägern, denen sieht man das auch nicht sofort an!“ Über diese Aussage haben die Journalisten nie kritisch geschrieben, die hatten alle Angst. Dann habe ich live im „Aktuellen Sportstudio“ Stellung genommen und das war dann der Wendepunkt. Mit einem Mal wurde ich beim nächsten Mal freigesprochen und dann kam auch tatsächlich meine Wandlung. Ich habe fairer gespielt und mich nicht mehr mit den Schiedsrichtern angelegt. Dann hat sich das innerhalb eines Jahres so gewandelt, daß ich vom „Arschloch der Nation“ zum Nationalspieler geworden bin. Eine beachtliche Leistung und um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen – das kann ich meinen Jungs natürlich heute alles mitgeben. Ich weiß, was man erreichen kann, wenn man dran arbeitet, wenn man es will. Und so habe ich etliche Spieler, die das auch verstanden haben und jetzt z.B. in der Bundesliga spielen. Ja, ich glaube schon, daß man die gemachten Erfahrungen 1:1 weitergeben kann.

schwatzgelb.de: Hat sich der damalige Wechsel von Dir von der Außenverteidigung in die Innenverteidigung auch etwas damit zu tun, daß Du sportlich erfolgreicher geworden bist?

Michael Schulz und schwatzgelb.de Redakteur Markus

Michael Schulz: Also die Wahrheit ist, ich war ja eigentlich Mittelfeldspieler, als ich von Oldenburg nach Kaiserslautern kam. Ich war Spielmacher, habe offensiv gespielt, jede Ecke, jeden Freistoß geschossen und habe in der 3. Liga immer so 13/14 Tore gemacht. Ich war eigentlich der klassische offensive Mittelfeldspieler, aber das Spiel in der Bundesliga stellte sich ganz schnell als zu fix für mich heraus, da bin ich erst mal auf die Außenposition gegangen und plötzlich, ehe ich mich versah, war ich dann Manndecker. Mit der Position habe ich mich dann angefreundet – auch das kann ich meinen Jungs mitteilen, wenn der eine oder andere sagt „ich kann das nicht!“ Klar geht das, man muss es nur wollen und sich mit der Situation anfreunden, dann geht es auch! Na ja, die Umstellung ist mir ganz gut gelungen und dann bin ich innerhalb von ein paar Jahren – das ist ja nun leicht nachzulesen – durchaus zu einem der besten Innenverteidiger der Liga geworden. Zeitweilig war ich in der Kicker-Rangliste ja sogar noch vor Jürgen Kohler. Also ganz so schlecht kann ich nicht gewesen sein (lacht). Da hat schon eine Entwicklung stattgefunden, die sicherlich auch mit der Umstellung der Position zu tun hatte.

schwatzgelb.de: Du warst insgesamt 10 Jahre im Profigeschäft, hast aber nie einen Titel geholt. Titel haben Deine Teams immer geholt bevor Du kamst oder als Du den Verein verlassen hattest. Gibt es da nicht ein bisschen Verärgerung oder nimmt man das mit Humor?

Michael Schulz: Ja stimmt, (lacht) den Supercup zähle ich mal nicht, obwohl er ja jetzt auch offiziell als ein Titel gilt. Aber den registrierst Du als Spieler nicht als Titel. Auch wenn ich 2 X Supercupsieger war, die Wahrheit ist, daß es in diesem Punkt meiner Karriere auch wieder eine Besonderheit gibt, komischerweise oft so witzige Sachen. Also zu diesem Punkt meiner Karriere ist tatsächlich in einem Buch ein ganzes Kapitel gewidmet worden. Es heißt „wie Österreich Weltmeister wurde. 111 unglaubliche Fußballgeschichten“. Es geht da um Kuriositäten aus dem Fußballgeschäft, also so eine Sammlung von mysteriösen Geschichten. Und da steht sinngemäß: „…Michael Schulz, eigentlich ganz beachtlicher Fußballspieler, hat auch einige Länderspiele absolviert, hat 10 Jahre bei den 3 Clubs Lautern, Dortmund und Bremen gespielt. Bevor Schulz kam, holten diese Clubs so 20 Jahre oder so keinen Titel. In den 10 Jahren in denen Schulz dort Profi war, holten diese 3 Clubs sage und schreibe 11 Titel - da ist der Weltpokal von Borussia Dortmund noch nicht mal mitgezählt. Man könnte jetzt sagen, insofern hatte Michael Schulz ein wunderbares Gefühl für den richtigen Verein. Aber Schulz war leider bei keinem einzigen dieser Titel dabei!“ Also, entweder war ich gerade gekommen oder gerade gegangen. Die Wahrheit ist, in der Tat, ich habe nicht einmal einen „richtigen“ Titel geholt, außer 2 X Hallenmasters und eben den Supercup. Aber das nimmt man mit Humor, bleibt ja auch nichts anderes übrig (lacht). Es waren natürlich trotzdem spektakuläre Dinge dabei, wenn ich an das BVB-Spiel in Duisburg 1992 denke, wo wir ganz dicht an der Meisterschaft waren. Toll waren natürlich auch die Europacup-Spiele mit dem BVB 1993, der als letzte deutsche Mannschaft im Europacup überwintern konnte. Mit den tollen Spielen gegen Rom – da hatte ich sogar eins meiner seltenen Tore geschossen – oder in Auxerre das Elfmeterschießen. Na gut das Finale war Sch…, aber da sind schon ein paar legendäre Spiele dabei gewesen. Da die Fernsehgelder damals anders verteilt wurden, hat Borussia in der Saison damals 40 Mio DM verdient. Da wurde ja praktisch der Grundstein für die weiteren Investitionen des Vereins gelegt.

schwatzgelb.de: In Deiner Zeit beim BVB gab es ja auch schon anspruchsvolle Spielergehälter, es gab die ersten Planungen zum Ausbau des Stadions, es wurden neue und vor allem teure Spieler verpflichtet. Macht man sich als Spieler eigentlich Gedanken darüber, ob der eigene Verein das finanziell alles stemmen kann oder ob er sich nicht – wie beim BVB in späteren Jahren geschehen – finanziell übernimmt?

Michael Schulz: Nein, also ehrlich gesagt, was z.B. den Stadionausbau betrifft, da hast Du als Spieler nicht den Überblick. Ich kann mich auch nicht erinnern, daß wir im Spielerkreis jemals darüber gesprochen haben. Was bei uns ein Problem war, was mich letztlich auch den Kopf gekostet hat bei Borussia, war das Thema, daß von dem Geld, was praktisch wir „Nobodys“ bei Borussia eingespielt hatten, irgendwelche neuen Hochkaräter bezahlt wurden. Da klafften plötzlich riesige Unterschiede zwischen den Spielergehältern. Zwischen denen die es verdient hatten und nun plötzlich zur Seite gedrängt wurden - und denen die neu kamen. Da lief es auch anfangs nicht so in der Mannschaft und das habe ich dann damals angesprochen. Ich hatte es eben nur angesprochen, daß das ein Problem ist aber das wurde mir dann fälschlicherweise als Neidgeschichte ausgelegt. Letztlich bin ich dann in 1994 „gegangen worden“ und das hing sicherlich auch mit dieser ganzen Geschichte zusammen.

schwatzgelb.de: Also man hat Dir kein neues Vertragsangebot gemacht?

Michael Schulz: Ja genau! Der Vertrag beim BVB lief aus und dieses Ende war für mich schon überraschend, da ich immer noch ein gewisser Publikumsliebling war. Aber es hing sicherlich mit dieser Geschichte zusammen, daß da Probleme zwischen der alten Mannschaft und den teuren Neuverpflichtungen aufkamen. Und ich sage noch mal – es hatte nichts mit Neid zu tun, sondern es war einfach ein Problem und ich habe nichts anderes gemacht als gesagt „wir haben ein Problem“. Das war definitiv so, man muss natürlich sehen, daß diese Zeit in der Tat ein Umbruch war, da sprangen die Gehälter, durch diese Italien-Geschichten. Die Gehälter multiplizierten sich plötzlich. Es war ja so, daß das nicht nur um 30/40 % ging, nein es potenzierte sich ja mit einem Mal. Und wenn man heute davon spricht, in der Mannschaft muss das Gehaltsgefüge stimmen, also da ist schon viel dran.

schwatzgelb.de: War es denn im Spielerkreis nachvollziehbar, daß diese Spieler aus Italien dann in dieser Zeit zurück nach Deutschland geholt wurden? Hättest Du als sportliche Führung genauso gehandelt, daß Du diese damaligen Nationalspieler zurück holst und dann nach Dortmund?

Michael Schulz und schwatzgelb.de Redakteur Henry

Michael Schulz: Das ist schwer zu sagen! Letztlich hat der Erfolg ja diesen Entscheidungen Recht gegeben. Da gab es dann die sportlichen Erfolge, andererseits ist der Verein dann ja auch fast ruiniert worden. Aber dafür bin ich auch zu wenig Insider, ob das jetzt mit dem Stadionausbau zu tun hatte oder mit den hohen Spielergehältern, was auch immer, das kann ich nicht nachvollziehen. Da gibt es ja auch einige Faktoren, die nicht vorhersehbar waren, z.B. das Bosman-Urteil hat auch eine gewisse Rolle gespielt. Vereinsintern hatte man sicherlich geplant, daß man einige Spieler irgendwann mal für viel Geld wieder weiterverkaufen kann und plötzlich war das alles weg. Und dann kam noch die Kirch-Pleite dazu. Also da waren schon einige Faktoren, die nicht kalkulierbar waren. Von meiner Seite steht mir da ein abschließendes Urteil auch nicht zu.

schwatzgelb.de: Wo wir gerade das Stadion angesprochen haben, wie siehst Du das? Zu Deiner Zeit war es ja noch das „kleine Westfalenstadion“, die Unterränge hatten noch ein Dach und es gingen 54.000 Zuschauer rein, heute sind es 80.000.

Michael Schulz: Also ganz ehrlich gesagt, ich fand die Atmosphäre damals noch imposanter als heute, von der Lautstärke her – denn die Leute waren ja gefühlt viel enger dran. Keine Frage, es ist jetzt auch imposant und die Stimmung ist klasse, aber – mag sein, daß es auf der Zuschauertribüne anders rüberkommt als auf dem Platz – ich habe das Gefühl, das es von der Stimmung damals noch heißer herging. Seht Ihr das auch so oder ist das nur mein Eindruck?

schwatzgelb.de: Wir glauben, auch das Publikum hat sich verändert …

Die alte Süd in ganzer Pracht

Michael Schulz: Ja, OK, damals haben noch 3 Seiten gejubelt, heute ist es eigentlich nur die Südtribüne die anfeuert, die anderen gucken dann erst mal und gehen dann irgendwann mal mit. Beim Spiel gegen Stuttgart war die Atmosphäre natürlich sensationell. Da sind einfach alle aufgestanden, das war einmalig! Nur wie gesagt, ich meine, früher war es lauter. Da hast Du auf dem Platz Dein eigenes Wort nicht mehr verstanden und es war ja definitiv enger da. Du konntest ja kaum einen Einwurf machen. Ich wäre ja mal fast erschlagen worden von so einem Regenschirmträger (lacht). Aber die Verständigung auf dem Platz war immer schwer, besonders wenn es mal richtig gebrannt hat. Also wie gesagt – manchmal trügt ja auch die Erinnerung im Alter (lacht) - besser ist es meiner Meinung nach definitiv nicht geworden.

schwatzgelb.de: Wird man denn auch beeinflusst, wenn die eigenen Fans richtig negative Stimmung verbreiten, wenn gepfiffen wird? Z.B. vor Jahren ein 0:0 im UEFA Cup gegen Wladikawkas, da waren die Zuschauer ja völlig außer Rand und Band im negativen Sinne!

Michael Schulz: Ja, selbstverständlich gehrt das unter die Haut, gerade in Dortmund. Es war ja Gott sei Dank seltener der Fall, weil wir doch meistens ganz gut gespielt hatten, aber das merkst Du natürlich, keine Frage. Ich habe das heute noch in meiner Kolumne geschrieben: ich kann mich an kein Spiel erinnern, wo die Zuschauer so gefühlt, ja so gefühlt viel Einfluss auf ein Spiel genommen haben, wie am Freitag gegen Stuttgart, nach diesem 2:3-Zwischenstand. Da hatte ich das Gefühl, daß 80.000 Leute im Stadion - fast schon wie Telepathie - den gedanklichen Druck erzeugten, um dieses Spiel zu drehen. Ehrlich, das konntest Du ja förmlich spüren. So was habe ich auch noch nie erlebt. Wenn ich jetzt noch daran denke, bekomme ich eine Gänsehaut. Das war ein ganz komisches Gefühl und da sieht man mal was die Zuschauer für einen Einfluss haben.

schwatzgelb.de: Die Entwicklung in DO ist ja wirklich sehr positiv. Wie beurteilst Du die sportliche Entwicklung Deiner beiden anderen Ex-Clubs Kaiserslautern und Bremen?

Michael Schulz: Bei Kaiserslautern wundert es mich ehrlich gesagt nicht. Ich weiß nicht, was die da zusammengekauft haben. Ich habe da von Anfang an keine Bundesligamannschaft gesehen. Da gibt es für mich keine andere Erklärung, da liegt’s auch nicht am Trainer. Man weiß ja was für Spieler auf dem Markt waren und was dann gekauft wurde – da habe ich von Anfang an größte Zweifel gehabt, daß das gut geht. Wobei der Marco Kurz offensichtlich ein guter Trainer ist. Ich glaube nicht, daß er da große Fehler gemacht hat. Er machte mir als Trainer einen ganz guten Eindruck, aber die Mannschaft ist einfach zu schlecht. Da war auch überhaupt kein Zusammenhalt zu spüren. Da wäre es nur - wie hier in Dortmund - über ein Gefüge gegangen, was dann an einem Strang gezogen hätte. Aber da war nichts von zu spüren. Das ist sehr bedenklich und sehr traurig, weil ich finde, Lautern gehört einfach in die Bundesliga. Vom Stadion und von den Fans her ist Lautern ja schon spektakulär. Ich hoffe, daß sie wiederkommen aber da muss sich eine Menge ändern. Bei Bremen ist es ja so, daß Werder, ich glaube, die letzten 10 Jahre ja immer oben mit dabei war. Jetzt haben sie mal ein, zwei schwächere Jahre. Ich finde, daß muss man in so einer Entwicklung immer mal einkalkulieren. Selbst Bayern ist ja nicht seit 10-15 Jahren immer oben, die haben ja auch mal ihre Problemchen zwischendurch. Werder ist im Umbruch, die bauen da jetzt viele junge Leute ein, das erinnert schon ein bisschen an Dortmund von der Strategie her. Also, da sehe ich jetzt kein Problem, ich glaube schon, daß die mittelfristig wieder mit da oben anknüpfen werden.

schwatzgelb.de: Du hast die A-Trainer-Lizenz. Reizt Dich nicht der Trainerjob, wird man Dich irgendwann auch mal auf der Trainerbank sitzen sehen?

Intro anno 1995

Michael Schulz: Nein, ganz ehrlich das wäre mir zu anstrengend in der heutigen Zeit. Bei den Kindern vielleicht, die Jugendlichen heute sind mir schon fast zu anstrengend (lacht). Nein aber im Ernst, ich wohne ja jetzt in Dortmund und betreue auch ein paar Jugendspieler aus der Gegend, also da sind schon prima Jungs dabei und mit den meisten kann man ganz vernünftig sprechen. Es gibt natürlich auch einige, die leider Gottes durch ihr Umfeld komplett versaut sind. Ich glaube die würden mir als Trainer den letzten Nerv rauben. Also, das ist schon sehr beachtlich, was ein Trainer da so mitmachen muss. Das ist das gute beim Spielerberater, Du kannst Dir die Jungs aussuchen. Wenn Du es mit einem nicht kannst oder mit dessen Eltern nicht, dann kannst Du dich von dem trennen. Als Trainer hast Du die nun mal da sitzen und wenn Du einen guten Spieler hast, dann kann der noch so durchgeknallt sein, Du musst ihn dann spielen lassen und Du kannst ihn auch nur schlecht umerziehen. Das ist schwierig. Einerseits müssen solche Jungs natürlich vom Verein getätschelt werden, damit sie nicht woanders hingehen, man muss sie schon entsprechend hofieren. Anderer-, seits ist es leider so, daß bei vielen die basics fehlen, was das Verhalten untereinander oder Respekt vor den Älteren angeht. Die Einstellung zum Beruf, wenn die dann mal Profis werden, lässt manchmal noch zu wünschen übrig. Es ist dann für mich schon fast verwunderlich, wie viel gute Jungs dann trotzdem noch rumlaufen. Ich meine, die Spitze in der Bundesliga ist klasse, was da alles noch nachkommt, auch die Nationalmannschaft. Die Jungs sind Top-ausgebildet, die rennen wie sonst was, die sind technisch klasse, die spielen einen Super-Fußball! Und die sind alle noch ein paar Jahre dabei und haben die richtige Einstellung! Aber es sind viele, viele im Jugendbereich dabei – und die schaffen es dann logischerweise auch nicht – die meinen, wenn sie bei der U15 oder U17-Nationalmannschaft mal gekickt haben, läuft alles wie von selbst. Dann laufen die und auch ihre Eltern schon rum, als ob es schon klar wäre, daß die mal Nationalspieler werden. Dann schmeißen die manchmal sogar die Schule und Du denkst, das gibt es doch gar nicht, daß die da so auf ein Pferd setzen! Also, was da für Gedanken aufkommen, das ist manchmal schon unfassbar und auch mit was für Leuten man da manchmal zu tun hat. Da wird die Realität nun doch oft verdrängt. Aber es gibt Gott sei Dank auch noch andere Jungs – und da gibt es auch noch genug von - die da einen ganz guten Weg gehen. Oft sind es die aus der zweiten Reihe, die am Anfang in den ersten Jugendmannschaften noch nicht so den Sprung schafften , die sich aber aus Spaß an der Freude weiter durchbeißen. Wenn es dann drauf ankommt, sind die dann manchmal mental besser drauf als die Jungs, die immer nur gefördert wurden.

schwatzgelb.de: Marco Reus, wäre da so ein Beispiel?

Michael Schulz: Ja, den haben die Dortmunder ja erst weggeschickt, den armen Kerl. OK, am Anfang hatte er ja wohl kräftemäßig noch Defizite. Natürlich sind das Dinge, die sollten eigentlich nicht passieren, und ich glaube heutzutage würde das auch nicht mehr passieren. Borussia ist da jetzt wirkich sehr gut aufgestellt in dem Bereich. Die Entwicklung geht ja auch dahin, diese Jungs da ranzuführen und ich glaube nicht, daß solche Talente da noch einmal so „durchrutschen“, also durchs Raster fallen. Auf der anderen Seite besteht natürlich auch das Problem, daß junge Spieler häufig so „glatt gemacht“ werden. Die werden schon im Jugendbereich häufig „in Formen gepresst“ - und dann wundern sich die Vereine am Ende des Tages, warum die „Typen“ nicht mehr da sind. Ich meine, wenn Du denen erst das Genick brichst, in der Jugend, dann kannst Du hinterher nicht erwarten, daß sie aufblühen und tolle Typen werden. Und das sehe ich in diesem Zusammenhang schon als ein gewisses Problem an, daß viele jungen Spieler teilweise schon zu stromlinienförmig gemacht werden. Oder anders gesagt: ich würde mir schon wünschen, daß der eine oder andere „Typ“ mehr dabei ist. Ich glaube das ist auch wichtig für eine Mannschaft, daß auch von dieser Seite her eine Struktur vorhanden ist. Und da gehören dann auch ein paar „Verrückte“ dazu.

schwatzgelb.de: Damit die „Kindermänner“ etwas zum Aufregen haben?

Michael Schulz: Ja, genau, das natürlich auch! (lacht)

Und noch einmal das alte Westfalenstadion (mit Flutlichtmast)

schwatzgelb.de: Würdest Du sagen, Du warst früher ein Fußballer mit Leib und Seele, der also alles aufgesogen hat, die Atmosphäre, die Zuschauer das ganze Drum und Dran, daß Du immer 100% Leistung bringen wolltest?

Michael Schulz: Ja, total! Also ich bin geradezu inspiriert worden von den Zuschauern. Das haben die Zuschauer auch gemerkt und ich glaube nicht umsonst habe ich deswegen auch ein ganz gutes standing bei den Fans gehabt. Bei mir persönlich war der Austausch mit den Fans, auch den gegnerischen, schon extrem. Wenn die gepfiffen haben oder das ganze Stadion manchmal gebrüllt hat „Schulz Du Sau“, je mehr hat mich das angespornt. Das ist schon so ein Austausch gewesen, der hat mich in der Tat inspiriert. Das hat vielleicht auch dazu geführt, daß ich manchmal mit zu viel Aggressivität in das Spiel gegangen bin, was mir am Anfang dann Probleme bereitet hat. Aber wenn ich dann heute sehe, wie sich die Jungs vor dem Spiel in den Armen liegen, also wohlgemerkt, mit Jungs der gegnerischen Mannschaften oder in der Halbzeitpause Trikots tauschen. Und das sogar, wenn ich zurückliege, wie unlängst in Leverkusen passiert, das sind Sachen, die finde ich unfassbar! Unvorstellbar! Wenn es bei uns früher auf den Platz ging, dann hast Du da schon Psychospielchen gemacht! Böse den Gegenspieler angeguckt, um schon vor dem Spiel da so eine gewisse mentale Übermacht zu schaffen. Heute, wie gesagt, liegen sie sich oft schon vor dem Spiel in den Armen. Dann spielen sie gegeneinander und nach dem Spiel liegen sie sich wieder in den Armen und tauschen Trikots aus.

schwatzgelb.de: Stimmt es eigentlich, daß Du bei Europapokalspielen mit dem BVB, Deinen Gegner dann mit den entsprechenden ausländischen Schimpfworten „bearbeitet“ hast?

Michael Schulz: Teilweise ja, also das hört sich jetzt stark martialisch an, aber für mich auf dem Feld – das war schon Krieg! Der Begriff ist natürlich völlig übertrieben, aber man hat das schon so empfunden. Man hat natürlich als Verteidiger – damals mehr als heute - schon Möglichkeiten eine psychologische Kriegsführung zu machen. Klar, das kann man heute immer noch, aber ich habe da im Laufe der Zeit natürlich so ein paar Tricks drauf gehabt. Du musst natürlich wissen, was für einen Gegenspieler Du hast und wie der wohl reagieren könnte. Wenn das so ein heißblütiger Süditaliener war, dann hat man sich schon entsprechend vorbereitet. Z.B. vor dem UEFA Cup-Spiel gegen Rom habe ich mir von Stefan Reuter – der ja perfekt italienisch spricht - einige italienische Schimpfworte nennen lassen. Und - das werde ich nie vergessen – als dann mein Gegenspieler auf‘s Feld kam, habe ich ihm dann erst mal ein paar „Nettigkeiten“ gesagt. Dann ist der gleich ausgeflippt und schwupp – hat er die gelbe Karte bekommen! Damit hast Du schon mal den ersten Sieg errungen! Oder auch so Kleinigkeiten, ich habe z.B. liebend gerne – ich darf das jetzt mal ganz kurz demonstrieren (steht auf und stellt sich hinter uns). Ich bin ja ziemlich groß und ich stand also liebend gerne hinter „meinem“ Stürmer und wenn dann das Spiel woanders war, dann habe ich oft folgendes gemacht: (fasst einen von uns an den Schultern und atmet direkt am Ohr immer lautstark ein und aus). Ich habe ihn nicht gekniffen sondern eben nur angefasst. Das machst Du dann so 10 X und irgendwann macht der dann so (macht eine Bewegung mit dem Ellenbogen). In dem Moment hast Du eigentlich schon einen kleinen Sieg errungen, weil Dein Gegner schon unkonzentriert ist. Also das nur mal so als Beispiel. Das versuche ich auch meinen Jungs heute zu vermitteln, daß es natürlich nicht ganz faire Methoden gibt, aber eben Methoden, auf denen keine Strafe steht. Die dienen dazu, eine gewisse psychologische Übermacht zu erzielen. Für einen Verteidiger ist das schon möglich, da gibt es eben Tricks, wie man sich von den anderen abheben kann, auch wenn es jetzt nicht ganz fair und nicht ganz fein ist. Ich rede jetzt nicht von Bösartigkeiten, man muss sich jetzt nicht bei jemandem auf den Fuß stellen oder ihn absichtlich irgendwo kneifen, das meine ich nicht! Aber es gibt eben diese Tricks, die nicht strafbewehrt sind! Und was nicht verboten ist, ist ja erlaubt! schwatzgelb.de: Würdest Du sagen, der Job des Innenverteidigers/Manndeckers hat sich gewaltig gewandelt? Sind die Ansprüche heute höher geworden?

Michael Schulz im Trikot der Nationalmannschaft

Michael Schulz: Ja, natürlich – das ist etwas ganz anderes geworden. In Einzelfällen gibt es ja heute gar keine Manndeckung mehr. Das ist ein Riesenunterschied geworden. Es ist ja auch nicht so, daß ich nur Manndecker war, ich habe ja auch schon meine letzten Profijahre in der Viererkette verbracht. Aber nichtsdestotrotz musst Du natürlich – irgendwann – 1 gegen 1 spielen. Irgendwann bist Du natürlich in Kontakt mit Deinem Stürmer und dann gibt’s natürlich letztlich die gleichen Möglichkeiten ihn zu bekämpfen wie damals, das steht außer Frage. Und damit das nicht in üble Treterei ausartet, pfeifen die Schiedsrichter heute strenger als früher. Die Gepflogenheit einen Stürmer erst einmal zu foulen, damit der gleich mal wusste was los war, wird heute sofort mit der gelben oder roten Karte bestraft. Also das Spiel ist schon erheblich fairer geworden und das ist natürlich einerseits zu begrüßen, wobei ich da jetzt nicht nur die Vermeidung von Verletzungen meine. Denn dadurch wird natürlich auch die technische und taktische Komponente gefördert. Andererseits hast Du natürlich als unterlegene Mannschaft weniger Möglichkeiten Dich zu wehren. Also, wenn Du früher so eine „Kampfmannschaft“ warst, dann konntest Du gegen technisch wesentlich versiertere Spieler schon eine Menge ausrichten, was heute in dem Maße nicht mehr ganz so möglich ist. Ansonsten hat sich das ganze Spiel – nicht nur die Verteidigungsarbeit – schon ganz stark verändert. Vielleicht nicht so der Unterschied wie von den 70ern zu den 90ern. Von den 90ern zu den 2000ern hat sich aber in Sachen Schnelligkeit und Athletik eine ganze Menge getan.

schwatzgelb.de: Bist Du denn bis heute verletzungsfrei geblieben, oder hast Du etwas von Deiner Sportkarriere mitgenommen, was Dich heute ein wenig beeinträchtigt? Oder würdest Du sagen „ich bin topfit?“

Michael Schulz: Eigentlich bin ich topfit. Gott sei Dank habe ich eher weniger als mehr Probleme wie andere Leute in meinem Alter. Auch die Ärzte gucken immer ganz verwundert auf meine Knie und sagen dann „Was? Das sind die Knie eines Profis?“ (lacht) Also Toi, toi, toi, bin ich in der glücklichen Lage zu sagen, daß ich den Umständen entsprechend gesund bin.

schwatzgelb.de: Du hast ja gerade beschrieben, wie man bei Europapokalspielen „unter Strom steht“. Wenn man die DFB-Pokalspiele des BVB sieht, gab es auch zu Deiner Zeit oft Pleiten gegen unterklassige Vereine. Wie soll man das einem Außenstehenden klar machen, was sich da immer abspielt, dieses - doch wohl häufige - Unterschätzen des Gegners?

Michael Schulz: Ja, das ist wirklich oft unglaublich! Zu meiner Zeit war es in Dortmund ja ganz schlecht. Ich habe darüber auch in meiner Kolumne geschrieben. Man kann es fast nicht erklären. Du weißt natürlich, daß Du den Gegner nicht unterschätzen willst. Ganz logisch! Gefährlich ist manchmal schon die Tatsache, überhaupt ans Unterschätzen zu denken. Du bereitest Dich auf ein Spiel vor, Du betrittst das Feld und da ist es natürlich ein Unterschied, ob Du jetzt gegen Bayern München, oder einen Tabellenvierzehnten bzw. einen Drittligisten spielst. Gegen Bayern hast Du diesen 110%-Effekt, wo Du meinst, daß jede Faser Deines Körpers gespannt ist und irgendwann explodiert. Und dann spielst Du gegen den vermeintlich schwächeren Gegner evtl. noch bei schlechtem Wetter und Du weißt schon „oh das wird nicht so einfach heute“! Du weißt es also schon und Du versuchst Dich vor dem Spiel zu konzentrieren und dann denkst Du „die überrennen wir jetzt und das wird schon gut gehen!“ Fakt ist, es geht oft genug nicht gut! Aber es gibt nicht wirklich eine Erklärung dafür, denn wenn es eine gäbe, dann würde man das ja ändern! Natürlich willst Du weiterkommen und natürlich willst Du den Gegner nicht unterschätzen! Normalerweise darfst Du auch gegen Greuther Fürth nicht unentschieden spielen. Die sind zwar Spitzenreiter in der zweiten Liga, aber von den eigenen Fähigkeiten her musst Du sie eigentlich an die Wand spielen. Also ich habe jetzt nichts gegen Greuther Fürth, aber die spielen eben zweite Liga und nicht umsonst spielen die zweite Liga! Also musst Du die eigentlich, wenn Du voll angespannt rangehst, an die Wand spielen. Das passiert aber nicht, weil es fehlen, sagen wir mal 3% und das reicht dann schon, weil die anderen nämlich mit diesen beschriebenen 110% spielen.

schwatzgelb.de: Mal weg von diesen Negativerlebnissen aus Deinen DFB-Pokalspielen für den BVB – gibt es da so absolute Highlight-Spiele aus den Jahren wo Du das schwarzgelbe Trikot anhattest?

Michael Schulz: Ja, also ich glaube, eines meiner besten Spiele was ich je gemacht habe, war in Schottland, als wir im Europapokal gegen Celtic Glasgow gespielt haben. Da haben wir knapp mit 2:1 gewonnen. Das war wirklich mein Spiel! Da flogen die Bälle immer hoch rein und ich konnte wirklich alles gegen die Schotten klären. Das bleibt mir so in Erinnerung, daß ich immer richtig gestanden habe. Aber als Supermoment empfinde ich immer dieses 2:0 zu Hause gegen AS Rom, wo ich auch das erste Tor geschossen habe. Lothar Sippel hat dann das zweite gemacht. Im Hinspiel lief es schon gut und im Rückspiel habe ich dann dieses Ding verwandelt zum 1:0. Das war ein Gefühl, das war unbeschreiblich. Das ganze Spiel war klasse und mit Carnevale dem Stürmerstar der Römer gab es dann auch diesen „Austausch von Nettigkeiten“ in italienisch. Also das waren schon echte „Schlachten“ auf dem Rasen.

Noch eine Impression aus dem alten Westfalenstadion

schwatzgelb.de: Ich kann mich da noch an ein Interview erinnern, unmittelbar nach dem Hinspiel in Rom, da fragte Dich ein Reporter nach dem 0:1 wie Du denn die Chancen für Borussia siehst. Du hast dann nur gesagt, „warten wir mal ab, die waren ja auch noch nicht in Dortmund!“

Michael Schulz: Ja stimmt, die hatten uns damals schon abgeschrieben, wir hatten verloren und kein Tor geschossen. Wie sollen die Dortmunder denn das noch schaffen? Im Rückspiel haben wir es dann gezeigt, wie man es doch noch schaffen kann.

schwatzgelb.de: Noch mal eine ganz andere Frage, die sich um das Fanverhalten dreht. Hat sich das verändert im Vergleich zu Deiner aktiven Zeit? Wir haben ja heute viele Diskussionen über Pyro, Gewalt und Randale. Hat sich das verändert, wie schätzt Du das ein?

Michael Schulz: Wenn ich mich recht erinnere, gab es zu unserer Zeit ja auch schon Pyrotechnik. Gewalt und Hooligans leider auch schon. Ich weiß nicht, ob sich das Verhalten wirklich geändert hat oder ob dieses Thema - weil es durch das Internet immer mehr Öffentlichkeit gibt – jetzt nur größere Beachtung findet. Die Straftatenstatistiken werden auch anders geführt. Vielleicht werden sie auch kleinlicher geführt. Man weiß ja nicht, ob vieles eventuell früher sogar unter den Tisch gefallen wäre. Aber ich finde es nach wie vor unfassbar dumm, diese Pyro-Fackeln oder Böller anzustecken, denn das Zeug ist immens gefährlich, Ich finde diese 5 Jahre, die dieser Typ aus Münster jetzt bekommen hat, auch völlig in Ordnung! Ich hoffe, daß von diesen Idioten, die diese Dinger ins Stadion schmuggeln, einige dabei sind, die sich jetzt endlich mal Gedanken machen! Jeder der einen anderen aufgrund von so viel Dummheit verletzt, sollte dafür in den Bau gehen! Wobei ich mich immer frage wie diese ganzen Sachen ins Stadion kommen. Wenn ich ins Stadion gehe, werde ich von oben bis unten abgetastet und trotzdem wird es immer geschafft. Und - was ich nicht verstehe, warum die Leute, die dann auf der Tribüne damit hantieren, nicht aufgrund der heutigen Überwachungsmöglichkeiten identifiziert werden. Heute kann aus dem Weltraum Dein KFZ-Kennzeichen fotografiert werden und man sagt Dir wie lange Dein Fahrzeug noch TÜV hat! Und dann schaffen sie es nicht, auf so einen Film zu gucken um festzustellen, wer da jetzt dieses Ding gezündet hat? Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Man muss auch die richtigen Fans dazu bringen, sich nun wirklich von diesen Idioten abzugrenzen. Und nicht immer nur zu sagen „… na ja, wir standen zwar da in der Nähe aber wir konnten da auch nichts machen…“. Ich war gerade in der letzten Woche in Madrid (EL-Spiel Atletico gegen Hannover), da habe ich mit Hannover-Fans darüber diskutiert und habe gesagt, „dann distanziert Euch doch von denen!“ Dann haben die gesagt: „Ja, nee, wir werden so eng zusammengepfercht. Wir hatten da keine Möglichkeiten einzugreifen…“. Das ist natürlich Quatsch. Wenn ich mich von jemandem distanzieren will oder wenn ich sehe, daß da einer so ein Ding zündet, dann schreite ich ein oder melde ihn! Da würde ich mir von den echten Fans einfach mehr Unterstützung wünschen. Gerade was Pyrotechnik anbetrifft. Die Dinger mit ihren extrem hohen Temperaturen sind ja unkontrollierbar. Was da passieren kann, das haben wir ja leider in Münster gesehen. Ich hoffe, daß dieses Urteil auch den einen oder anderen Dummkopf vielleicht zum Nachdenken bringt.

schwatzgelb.de: Treibst Du heute eigentlich noch intensiv Sport?

Michael Schulz: Ja! Ganz intensiv. Eigentlich mehr als früher (lacht). Zumindest vom Zeitaufwand her. Und vor allem teilweise Dinge, auf die ich als Profi eigentlich nie Lust hatte. Diese Ausdauerläufe oder Radfahren, das war ja eine Katastrophe für uns Fußballer. damals. Also wenn Du verletzt warst und Du musstest auf so ein Ergometer – das war ja fürchterlich! Heute mache ich stundenlang Spinning, fahre Rad, gehe Joggen und Schwimmen. Ich mache Triathlon und hatte auch mal kurz den Ironman im Kopf. Ich habe die Einzeldisziplinen auch alle gemacht, aber an einem Tag dann alles auf einmal? Nein danke! Ich bin auch mal Marathon gelaufen aber für mein Gewicht und meine Größe ist das ungeeignet. Das wäre eher gesundheitsschädigend und bevor ich jetzt meinen Körper wegen einem Ironman hinrichte, mag ich das lieber etwas moderater. Ja, vom Zeitaufwand her gesehen, mache ich insgesamt gesehen schon relativ viel Sport. Ich trainiere dabei nicht auf Leistung, sondern auf Gesunderhaltung und Fitness und das macht mir auch Spaß. Also Radfahren macht mir z.B. total Spaß, gerade hier bei uns im Ruhrgebiet. Gerade in Richtung Sauerland oder Münsterland. Da gibt es Superstrecken wo Du Radfahren kannst. Und wie gesagt, laufen tue ich, weil es einfach dazu gehört, weil ich auch ab und zu mit meinen Jungs kicke.

schwatzgelb.de: Würdest Du auch sagen – wo Du jetzt in Dortmund wohnst – daß Dortmund eine hohe Lebensqualität hat? Das wird ja oft verkannt, wenn man aus einer anderen Region nach Dortmund kommt, dann denkt man fast nur immer an das industrielle Ruhrgebiet, aber man sieht gar nicht dieses viele Grün, mit Sauerland, Soester Börde und Münsterland gleich um die Ecke.

Und nochmal das alte Westfalenstadion

Michael Schulz: Ja, absolut! Also die Wahrheit ist, ich kam damals nach Dortmund, und mir war klar, ich mache diese drei Jahre lt. Vertrag und dann muss ich da ganz schnell wieder weg! Ich kannte das Ruhrgebiet nur von den Fahrten zu den Spielen, da fuhrst Du hier über die Autobahn nach Duisburg, Bochum oder Dortmund. Du hast diese rauchenden Schornsteine gesehen, diese Fabriken und hast nur gedacht: „schön ist das nicht!“ Verwandte von uns wohnten damals in Gelsenkirchen--Buer, direkt gegenüber vom Sch…e-Stadion. Als Kinder sind wir da aus Norddeutschland immer zu Ostern zu Besuch gewesen. Dann wurde immer ein weißes Hemd mit Fliege angezogen und mittags war das Hemd dann grau. Überall wo Du hin fasstest war Staub und Dreck. Das war meine Erinnerung an das Ruhrgebiet und deshalb wusste ich, da will ich nie hin! Und dann kam ich als naturverbundener Mensch von Kaiserslautern mit dem schönen Pfälzer Wald nach Dortmund. Auch als gebürtiger Norddeutscher kannte ich ja eigentlich nur grüne Landschaften. Ich habe mir gedacht, ich bin jetzt zwar bei einem tollen Club, aber nach drei Jahren muss ich hier wieder weg! Was ist passiert? Jetzt bin ich mittlerweile seit 1989 also seit 23 Jahren hier! Und das Ruhrgebiet ist so schön – ich meine es hat sich natürlich im Laufe der letzten Jahre auch viel gewandelt. Und wenn dann Leute kommen von außerhalb, zeige ich denen Radstrecken, die selbst ein gebürtiger Ruhrgebietler wahrscheinlich nicht kennt. Es ist ja so unfassbar, wenn man zum Dortmunder Süden fährt, da Richtung Witten, Sprockhövel usw. Da gibt’s Täler, da gibt’s Wiesen, Pferdegehöfte und herrliche Ortschaften – also das ist echt ein Traum! In der Ruhr springen die Lachse – was wollen wir noch mehr?

schwatzgelb.de: Wenn wir jetzt so langsam zum Ende des Interviews kommen müssen wir Dir natürlich noch eine Frage stellen…

Michael Schulz: (lacht) Wer wird Deutscher Meister nicht wahr? Ja, wer wohl, was soll ich dazu sagen? Das ist natürlich oft Kaffeesatzleserei aber ich hoffe natürlich, daß Borussia Dortmund sowohl Meister als auch Pokalsieger wird! Und da muss man sich auch nicht verstecken bei dieser Aussage – ich halte den Fußball den die Dortmunder z.Z. spielen für den besten der Bundesliga. Auch besser als den von Bayern. Gut, wenn die Bayern einen guten Tag haben, dann kann es natürlich auch anders rum kommen. Die Tagesform spielt immer eine entscheidende Rolle. Also verdient hat Borussia Dortmund es allemal!

schwatzgelb.de: Hättest Du das denn vor der Saison erwartet, daß Dortmund wieder so stark um den Meistertitel mitspielt?

Michael Schulz: Überhaupt nicht! Und die ersten Spiele verliefen ja dann eigentlich so, wie man es erwartet hatte. Das habe ich auch so in meiner Kolumne kommentiert. Denn ich weiß auch, wie sich das nach so einem erfolgreichen Jahr häufig entwickelt. Ich habe es selber gemerkt, nach den Olympischen Spielen 1988. Wenn Du so ein Highlight hattest, wenn Du etwas erreicht hattest, dann bist Du irgendwie durch die Gegend geschwebt. Und es ist dann schon schwer, wieder in so eine neue Saison reinzukommen, weil Du meinst, es geht alles von alleine. Es fehlt – wir reden da nur von ein paar Prozentchen – diese ganze Ernsthaftigkeit und der richtige Zug in der Geschichte. Und nach der Saison, die die Jungs abgeliefert haben, gab es eigentlich nach meinem Empfinden keine Steigerungsmöglichkeiten mehr. Es war ja auch alles kein Glück oder Zufall, das war klasse, das war top. In einer neuen Saison gibt es anfangs natürlich häufiger Startschwierigkeiten. Es gab Spielerwechsel, Sahin wurde verkauft, andere Spieler kamen neu ins Team. Da sind Anpassungsschwierigkeiten ganz normal. Aber die haben sie ganz schnell überwunden. Und ich weiß bis heute nicht wie Klopp das macht – die Jungs wissen schon immer die Antworten, bevor die Fragen gestellt werden! Das ist natürlich ideal und entsprechend werden sie offensichtlich wohl auch auf diese Sachen eingestellt. Ich halte die Leistung, die sie dieses Jahr abliefern, egal ob sie jetzt Erster oder Zweiter werden, fast für noch genialer und großartiger als das was sie letztes Jahr gemacht haben! Letztes Jahr war noch der Überraschungseffekt mit enthalten und dann ist der BVB auf so einer Welle geschwommen, die sich toll entwickelt hat und das lief dann einfach. Aber dieses Jahr haben sie sich ja gegen alle Widerstände entwickelt und sie haben einen richtigen Sprung nach vorne gemacht! Die spielen ja auch einen klasse Fußball, wenn ich an das Spiel gegen Stuttgart denke. Ich glaube, das Problem war da, daß gegen Stuttgart ein paar Mal zu viel Hacke gespielt wurde. Wenn es da vielleicht ein bisschen stringenter zugegangen wäre… da haben sie sich ein bisschen verspielt. Aber gut - wir wollen jetzt nicht über das Stuttgart-Spiel sprechen. Daß die Bayern eine Aufholaktion starten, war ja eigentlich auch zu erwarten. Die hatten ein schönes Tief, das hat Gott sei Dank ein paar Wochen gedauert. Die Chance hat der BVB genutzt und die Bayern werden auch bis zum Ende der Saison nicht alle Spiele gewinnen! Die werden auch noch eins verlieren oder ein paar Unentschieden machen. Da bin ich ganz fest von überzeugt. Eine solche Siegesserie wird auch Bayern nicht bis zum Schluss der Saison schaffen! Also ich bin da ziemlich sicher, daß der BVB die deutsche Meisterschaft schafft! Die Mannschaft ist stabil, die Leistung ist top und mein Gott, wenn es dann doch nicht klappt, weil der Ball 3-4 Mal an die Latte springt, anstatt ins Tor zu gehen – dann kann man es halt auch nicht ändern. Egal wie es ausgeht, wir können jetzt schon feststellen, es war eine Supersaison!

schwatzgelb.de: Meinst Du, daß diese Mannschaft sich jetzt mittelfristig in der oberen Tabellenregion etablieren wird?

Im Gespräch mit Michael Schulz: Unser Redakteur Michael Schulz
Michael Schulz: Ja, absolut! Die handelnden Personen haben ja jetzt über mehrere Jahre verlängert und es gibt ja überhaupt keinen Grund, daß da jetzt irgendwas einbricht. Der wichtigste Mann ist der Trainer, der wird sich nicht ändern, der wird nicht größenwahnsinnig werden. Der wird jetzt sicher nicht irgendwelche Superstars dazukaufen. Was bei Dortmund ganz ausgeprägt ist und da muss man auch Michael Zorc das große Lob aussprechen, oder auch der Scouting-Abteilung: es wird nicht nur geschaut, ob jemand Fußball spielen kann, sondern da wird echt nach dem Typ geguckt. Und das wird in ganz vielen Vereinen nicht getan! Ich bin ja Spielerberater und ich weiß, wie man mit den Trainern und Verantwortlichen spricht und wie die mit den Spielern sprechen, die für den Club als Neuverpflichtungen von Interesse sind. Ich bin manchmal fassungslos wie uninteressiert da manche an dem Typ, an dem Charakter sind. Dann sitze ich dabei und denke mir oft „eigentlich komisch“. Ich bereite meine Spieler auf das Gespräch vor, weil ich denke, daß sie ein bisschen was von sich preisgeben müssen, sie müssen einen guten Eindruck hinterlassen. Das ist manchen Managern aber anscheinend total egal, die sprechen gar nicht mit denen. Da ist vorher schon klar, ja der könnte hier spielen … und das war’s dann. Ich glaube die Spieler hier in Dortmund, das sind klasse Typen. Die ziehen alle an einem Strang ohne, daß die jetzt alle stromlinienförmig rüber kommen. Es ist schon eine große Kunst so eine Mannschaft zusammenzustellen und auch kein Zufall. Und warum bitte, sollte diese Kunst abhanden kommen? Ich meine, wenn sie sich jetzt nicht wirklich ganz blöd anstellen und tatsächlich anfangen, irgendwelche Superstars zu kaufen, dann wüsste ich nicht, warum dieses Konstrukt Borussia Dortmund auf mittelfristige, auf lange Sicht von der Erfolgsspur abkommen sollte. Die Talente sind da, der Nachwuchs, Amateure und Jugendspieler – da kommt noch einiges nach an guten Jungs. Und wenn die entsprechend gefördert und integriert werden, wie es ja jetzt schon der Fall ist und wenn - wie jetzt auch schon - ein bisschen Durchlässigkeit zu den Profis da ist, wüsste ich nicht, was da in die Hose gehen sollte. Es wird auch immer mal eine schlechtere Saison geben, die gibt es überall, da gibt es dann auch immer verschieden Gründe. Es wird immer wieder mal einen Umbruch geben – Du kannst ja nicht 10 Jahre immer mit der gleichen Truppe spielen. Und dann müssen natürlich immer wieder neue Spieler integriert werden.

schwatzgelb.de: Wirst Du, wenn die Leute Dich erkennen, eigentlich noch häufig auf deine BVB-Zeit angesprochen? Nervt das nicht manchmal auch?

Michael Schulz: Nein, das nervt überhaupt nicht. Die Ansprache ist in der Regel ja auch immer vernünftig und freundlich. Das witzigste Ding ist mir da mal vor einigen Jahren in Moskau passiert. Da stand ich allein auf dem Roten Platz, um mir die Sehenswürdigkeiten anzusehen, als von weitem jemand angelaufen kam und schon über den ganzen Platz „Eey Schuuuulz“ rief. Der zog dann auch noch ein paar Fußballbilder von mir aus der Brieftasche, die ich ihm unterschreiben sollte. Klar, das habe ich dann auch gerne getan. Ich habe dann auch für meine eigene Sammlung ein Foto von uns beiden machen lassen, wo wir beide Arm in Arm auf dem Roten Platz stehen. Das muss man sich mal vorstellen, Du bist in Moskau, über 2.000 km von Dortmund entfernt, da ruft plötzlich jemand Deinen Namen und kommt mit Autogrammkarten angelaufen, als wenn er dort nur auf Dich gewartet hätte (lacht).


schwatzgelb.de: Michael Schulz, wir bedanken uns herzlich für das interessante Interview!

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