Ein tragischer Derbyheld
Im Grunde kann einem Felipe Santana ganz schön leidtun. Nicht selten wurde in der abgelaufenen Saison betont, dass er wohl in jeder anderen Bundesliga-Innenverteidigung einen Stammplatz bekäme. In Dortmund hingegen war er auch in der abgelaufenen Spielzeit stets die Nummer 3 hinter Mats Hummels und Neven Subotic. Dies ist meistens auch verständlich, da die beiden regulären Innenverteidiger vielleicht noch einen Ticken stärker zu bewerten sind als Santana. Aber das ist wirklich Meckern auf hohem Niveau. "Tele" hat oft genug bewiesen, dass er immer da ist, wenn er gebraucht wird.
Natürlich kann er sich immer noch darauf berufen, Teil dieser grandiosen Mannschaft zu sein. Teil dieser Mannschaft, die zwei Mal die deutsche Meisterschaft und einmal den Pokal holte. Teil dieser Mannschaft, die schon lange in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Santana war dabei – aber meistens eben nur als Reservist. Es war also durchaus überraschend, dass Santana sich doch dazu entschied, in Dortmund zu bleiben. Die Angebote schienen zumindest laut dem Blätterwald der deutschen Medien vorhanden gewesen zu sein. Niemand hätte es unserer Nummer 27 übel genommen, wenn er den Verein gewechselt hätte, um am Ende auch wirklich Stammspieler zu werden. Nicht außer Acht zu lassen ist dabei auch die Weltmeisterschaft 2014 im eigenen Land. Nur zu verständlich, dass Felipe dort dabei sein will. Dies wird allerdings schwer, wenn er sich nur selten beweisen und präsentieren darf. Offiziell sagte Santana in einem Interview, dass die Fans beim BVB eine große Rolle zu seiner Entscheidung beigetragen haben. Dies wollen wir ihm zu gerne glauben und deswegen lohnt es sich auch nicht, über andere mögliche Gründe zu sprechen.
Fakt ist: Santana kam in der letzten Saison gerade einmal auf 1132
gespielte Minuten. Diese verteilen sich auf 13 Einsätze in der
Bundesliga (3 Einwechslungen) und 3 Einsätze in der Champions League (1
Einwechslung). Santana sprang wirklich immer nur ein, wenn er gebraucht
wurde, sprich, wenn Hummels oder Subotic nicht zur Verfügung standen.
Daraus resultiert auch, dass er in der Bundesliga nur zwei Mal mehrere
Spiele hintereinander bestritt. Zu Beginn der Spielzeit stand Neven
Subotic nicht zur Verfügung, Santana sprang ein und teilweise wurde
sogar gemunkelt, Santana könne Subotic auch auf Dauer den Rang ablaufen.
Jürgen Klopp baute in der Folge dann aber doch auf die Innenverteidigung der ersten Meistersaison, sodass Santana wieder nur der unbeliebte Platz auf der Bank blieb. Gegen Ende des Jahres 2011 fiel Subotic dann aber doch länger aus und wieder sprang Santana für den Serben ein – und wie. Vom 12. bis zum 17. Spieltag stand Santana in der ersten Elf und selten hatte man das Gefühl, einer der etatmäßigen Abwehrspieler würde wirklich fehlen. Und genau in diese Zeitspanne fiel auch der Tag, an dem sich Santana wohl unsterblich im BVB-Dress machte.
Nachdem am 13. Spieltag ein weiterer Auswärtserfolg beim FC Bayern München gefeiert werden konnte, war am 26. November 2011 der unbeliebte Nachbar im Westfalenstadion zu Gast. Jahre nachdem ein Derby zu Hause gewonnen werden konnte, stand es nach einer gespielten Stunde 1:0 für den BVB, da Robert Lewandowski bereits früh eingenickt hatte. Nachdem Lucas Barrios nach einer Ecke frei vor dem Gehäuse der Blauen auftauchte, den Ball aus kurzer Distanz aber nicht im Tor unterbringen konnte, stand Santana goldrichtig, netzte zum 2:0 ein und machte sich damit zum Derbyhelden. Er legte quasi auch den Grundstein für die unvergesslichen Szenen nach dem Abpfiff, als die gesamte Mannschaft auf dem Zaun gemeinsam mit der Südtribüne feierte. Ich kann wohl kaum zählen, wie oft ich an diesem Tag davon sprach, dass ich es Niemanden mehr gegönnt hätte als eben genau diesem Santana. Und oft bekam ich selbst denselben Satz zu hören.
Was Santana neben seiner Fähigkeit, immer auf Abruf verfügbar zu sein und dann 100% Leistung zu bringen, auszeichnet, ist eben auch seine Ruhe, Gelassenheit und sein fröhliches Gemüt. Auch wenn „Tele" nur wenige Spiele bestreiten darf, so hat man von ihm noch nie gehört, dass er sich in Dortmund nicht wohl fühlt. Dies war in der jüngsten Vergangenheit bei anderen Spielern schon anders.
Santana repräsentiert wohl wie kein anderer, wie der Einzelne das Kollektiv in den Mittelpunkt und das Wohl des Einzelnen in den Hintergrund stellt. Auf dem Feld macht ihn seine Kopfballstärke und seine Robustheit aus. Manchmal staunt man schon nicht schlecht, wenn er wieder eine gelungene Grätsche auspackt oder komplett jeden Ball geklärt bekommt. Die spielerische Klasse ist vorhanden. Packt man seine Bereitschaft, den Teamgeist und seinen Charakter dabei, erhält man einen Spieler, über den sich – wie eingangs erwähnt – wohl jeder Verein freuen würde. Und genau das macht auch ihn zu einem schwatzgelben Helden.