Endlich wieder Lautern!
Dass ich das mal sagen würde, hätte ich mir damals auch nicht träumen lassen. Damals, das war mein erstes Spiel auf dem Betze, irgendwann Ende der 90er. Der Betze war damals gefürchtet, die Schiedsrichter dort noch mehr. Unser hieß Albrecht und kam aus Kaufbeuren - das ist so ziemlich das einzige Detail, das hängen geblieben ist von damals. Es kam jedenfalls, wie es kommen musste: Albrecht pfiff, der BVB verlor und meine Abneigung gegen den FCK verfestigte sich. Und doch muss ich gut zehn Jahre später nun feststellen: Schön, dass die Pfälzer wieder da sind!
Was ist das aber auch für ein Kontrastprogramm im Spielplan? Vor zwei Wochen noch führte uns das letzte Auswärtsspiel nach Wolfsburg, den städtebaulichen und fußballerischen Inbegriff von Reißbrett-Planung und Retorte. Zu einem Stadion und einem Verein, deren klinischer Atmosphäre nicht einmal Meistertitel etwas anhaben können. Ja, klar. Wolfsburg an sich ist eine angenehme Auswärtsfahrt: Überschaubare Distanz, viele Borussen vor Ort und kein ernstzunehmender Gegner, der die eigene Lautstärke übertönen könnte. Aber irgendwie ist es haargenau das, was dort fehlt.
Und jetzt am Samstag eben Kaiserslautern. Zweifelsohne auch kein Ort, der in den Reiseplänen von Deutschland-Touristen felsenfest verankert sein dürfte. Aber fußballerisch eben doch Galaxien entfernt von der Sterilität der 30.000-Mann-Werksteam-Stadien. In Kaiserslautern, das bemerkt der Besucher schon wenige Minuten nach seiner Ankunft, spielen der Fußball und seine rotgewandeten Protagonisten zweifellos die Hauptrolle. Das beginnt bei etwas unmotiviert in der Gegend herum stehenden Fußball-Skulpturen am Bahnhof und endet zirka 50 Meter über der Stadt, wo das Fritz-Walter-Stadion trutzig trohnt als sei es die Burg Altena persönlich.
Überhaupt das Stadion: Während anderswo die Hellmich-Einheitsbauten wie Unkraut aus dem Boden schießen, wirkt der Betzenberg nach dem x-ten Umbau noch immer organisch gewachsen und angenehm antiquiert. Die Nordtribüne beispielsweise entstammt glücklicherweise einer Zeit, in der der Begriff „Hospitality“ noch nicht von der Liga Besitz ergriffen hatte – und so beherbergt sie statt etagenweisen VIP-Logen in ihrem Bauch ein turnhallengroßes Fanareal samt Bierzeltgarnituren und Videoleinwand für den ganz gewöhnlichen Stadionbesucher. Einzig den Gästestehplatzblock würde man sich auf dem Betzenberg nun wirklich etwas größer und weniger an den Rand gedrängt wünschen, aber das gehört ja inzwischen ligaweit zum unguten Ton des Gastfreundschaft.
Doch zurück zum FCK. Ich kann wirklich nicht von mir behaupten, übermäßig große Sympathien für die Lauterer zu hegen. Spieler der Kategorie Ehrmann, Basler, Kadlec, Kuka oder Sforza haben es einem über die Jahre einfach viel zu leicht gemacht, Kaiserslautern alles Pech der Welt zu wünschen. Die Spielweise der „Roten Teufel“ und der Umstand, auf dem Betze schon fast traditionell verpfiffen zu werden, taten ihr Übriges.
Und trotzdem: Es war schön, am Samstag mal wieder eben genau dort in der Pfalz zu spielen. In einer Liga der Wolfsburgs, Leverkusens und Hoffenheims und – ja – auch der Mainzes und Freiburgs ist der FCK nach seinem Wieder-Aufstieg wahrlich eine willkommene Abwechslung. Hier spielt der Fußball die unumstrittene Hauptrolle und hier herrscht eben noch immer jene Atmosphäre, die auch bei Hans-Joachim Watzke Vorfreude auf die Partie ausgelöst hatte: „Wenn man den Betzenberg hochfährt, und Rentner die Faust ballen, dann ist das schon etwas Besonderes. Ein richtiges Traditionsspiel.“ hatte Watzke den Ruhrnachrichten zu Protokoll gegeben.
So kam es denn auch: Das altehrwürdige Fritz-Walter-Stadion bot am Samstag eine hervorragende Kulisse für das Flutlicht-Aufeinandertreffen zweier Traditionsteams und ihres jeweiligen Anhangs: Auf der einen Seite die Lauterer Westkurve - in den 90er gefürchtet, heute zumindest immer noch recht stimmgewaltig und am Samstag mit einer wunderschönen Wunderkerzen-Aktion. Auf der anderen Seite die aktuell wieder sehr reisefreudigen und ebenso stimmgewaltigen Borussen, denen von Lauterer Seite einer der besten Gäste-Auftritte dieser Spielzeit attestiert wurde.
So wurde es – dem falschen Ergebnis sei Dank – zwar kein neuerliches schwatzgelbes Freudenfest, aber eben doch ein schöner Fußballabend voller Emotion und Atmosphäre. Unterm Strich sind es genau diese Partien, für die man Bundesliga-Fußball erfinden müsste, wenn es ihn nicht schon gäbe.
Der Schiedsrichter Samstag hieß übrigens Meyer. Mal gucken, wie lange ich mir das diesmal merke.