Seid dankbar!
Der Zweite ist der erste Verlierer, könnte man meinen, wenn man sich so manche Reaktion auf das Unentschieden gegen Kaiserslautern zu Gemüte führt. Da steht der BVB nach dem letzten Heimspiel des Meisterjahres auf Platz Zwei, noch dazu in Schlagdistanz zum Branchenprimus Bayern mit seiner vermeintlichen Übermannschaft, und trotzdem wird gezetert. Bei allem verständlichen Ärger über den verpassten Sieg: Was diese Mannschaft im Jahr 2011, auch in der fast beendeten Hinrunde, geleistet hat, ist phänomenal.
Ist es schon wieder so weit in Dortmund? Sind die Ansprüche schon wieder so groß? Sind der Abstiegskampf 2007, die damalige Niederlage in Bielefeld und die fußballerische Bedeutungslosigkeit des BVB über viele Jahre schon vergessen? Man könnte ja fast meinen, die Borussia gehörte seit Jahrzehnten fest zum Establishment der europäischen Spitzenteams, so wurde über den vierten Champions League Platz einer Mannschaft gemosert, die doch auch bei der Auslosung im Sommer noch nicht über Lostopf Vier hinaus gekommen war. Und jetzt auch noch ein Unentschieden gegen das Kellerkind aus der Pfalz – da kommt in manchem Tribünengast der Wutbürger zum Vorschein und manch Pressevertreter wähnt schon die Gelegenheit gekommen, die hochgejubelte Mannschaft endlich zum Absturz schreiben zu können.
Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Die Mannschaft ist jung, die Mannschaft ist jung, die Mannschaft ist jung. Sie geht ihren Weg und sie macht ihre eigenen Erfahrungen. Dass dies auch Rückschläge und den Umgang damit beinhaltet, ist bei eklig-kaltem Dezemberwetter auf der Tribüne gegen Marseille oder Kaiserslautern keine schöne Erkenntnis. Es liegt aber in der Natur der Sache.
Denn selbst bei weitaus weniger jungen und deutlich erfahreneren Mannschaften ist eine konstante und steige Entwicklung, wie sie die Borussia in den letzten dreieinhalb Jahren zeigt, nur selten zu finden. Fragt nach in Hamburg. Oder Bremen. Oder Leverkusen. Oder oder oder…
Selbst die als Übermannschaft geadelten und quasi schon im August mit dem ungefährdeten Meistertitel bedachten Bayern haben sich zuletzt alles andere als sattelfest gezeigt.
Klar ist aber auch: Unsere Mannschaft hat dreimal binnen acht Tagen eine Führung unnötigerweise aus der Hand gegeben und den Gegner selbst zurück ins Spiel gebracht. Gegen Kaiserslautern zeichnete sich bereits in den zehn Minuten vor dem Gegentreffer ab, dass die Borussen ihrem Gast etwas mehr Zugriff aufs Spiel gewährten. Dem Tor schließlich ging eine absurd hohe Anzahl Lauterer Ballkontakte voraus, ohne dass sich die Schwatzgelben sonderlich animiert gefühlt hätten, dies zu unterbinden.
Natürlich war Sahans sehenswerter Sonntagsschuss dann auch ein besonderes Pech für die Borussia. Dem Schützen selbst gelingt so ein Ding in seiner Karriere vermutlich kein zweites Mal. Derart freistehend kommt man allgemein in der Bundesliga und speziell gegen den BVB aber auch eher selten zum Schuss.
Da darf auch der derzeitige Lazarett-Höchststand nur bedingt als Entschuldigung gelten. Die Mannschaft, die gestern auf dem Platz stand, sollte allemal genug Qualität besitzen, um den 1. FCK zuhause zu besiegen. Das hat sie, so schwerfällig es manchmal auch wirkte, gestern im Grunde auch bewiesen. Es fehlte nur eben hinten an der nötigen Stabilität über 90 Minuten und vorne an der ausreichenden Zielstrebigkeit. Und ja, natürlich war die Vielzahl der Aluminium-Treffer auch Ausdruck von fehlender Fortune an diesem dritten Advent. Doch insbesondere im Fußball lässt sich Glück eben auch erzwingen.
Kurzum: Das geht definitiv besser und sollte in Freiburg und Düsseldorf auch besser gehen, will man sich den Jahresausklang nicht unnötig selbst vermiesen.
Unterm Strich bleiben der Borussia zwei Erkenntnisse. Erstens: Es ist höchste Zeit, dass die Winterpause kommt, die Verletzten zurückkehren und die Akkus gefüllt werden können. Insbesondere Dauerläufern wie Piszczek oder Großkreutz ist ein gewisses Pausenbedürfnis deutlich anzumerken. Der BVB fährt derzeit zwar noch nicht auf der letzten Rille, allzu weit davon entfernt scheint das Team, nachdem nun auch Mario Götze ausfällt, aber auch nicht mehr. So langsam wird die Personalsituation wirklich bedenklich.
Zweite, ungleich wichtigere Erkenntnis der bisherigen Saison: Der letztjährige Meistertitel war alles andere als ein Strohfeuer. Was wurde nicht alles prophezeit im Sommer? Der BVB würde den Weg aller Überraschungsmeister gehen und wieder in der Versenkung verschwinden. Die Beispiele Stuttgart und Wolfsburg schwebten wie ein Menetekel über der Borussia: So würde es den Dortmundern auch ergehen. Pustekuchen! Die Borussia ist stark, wir haben eine wirkliche tolle Mannschaft, und genau das hat sie erneut unter Beweis stellen können.
Als nach sechs Spieltagen bereits drei Niederlagen bei der Borussia zu Buche standen, hätte wohl niemand dran geglaubt, dass die nächsten zehn Spiele gar nicht mehr verloren würde. Sieben Siege und drei Unentschieden aus dieser Zeit sind eine Ansage und nicht nur die Bayern dürften inzwischen heilfroh sein, dass unser Saisonstart etwas holpriger verlaufen ist als nötig.
Mit einem Sieg in Freiburg könnte die Borussia nun aber mit einem formidablen Zwei-Punkte-Schnitt pro Spiel in die Pause gehen, der über die Saison gerechnet zweifellos wieder für eine Champions-League-Qualifikation reichen würde.
Es geht uns also gut, kein Grund zur Schreierei. Im Gegenteil. Diese Mannschaft hat uns in der zurückliegenden Zeit viel Freude bereitet und man darf mit Fug und Recht darauf vertrauen, dass sie das auch in der Zukunft noch weidlich tun wird.
Mir reicht zum nahenden Jahresabschluss daher die eine simple Erkenntnis: Ich bin stolz auf dieses Team.
Das sein zu können, dafür bin ich den Jungs unglaublich dankbar.
Arne, 13.12.2011