Kein Zwanni - eine Momentaufnahme - Teil 1
Es ist gerade einmal ein Dreivierteljahr her, dass sich im Rahmen des Derbys aufgrund unverschämt hoher und eines nicht mehr zu vertrendenen Topspielzuschlags die Aktion „Kein Zwanni – Fußball muss bezahlbar sein" gründete. Innerhalb von drei symphatisch chaotischen Wochen voller Hektik, Hoffnungen und leider auch Enttäuschungen wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesliga ein Protest organisiert, der über Spruchbänder in Stadien und akkustisch geäußerten Unmut hinaus ging. Der organisierte Boykott eines Spiels. Dabei war von Anfang an klar, dass es sich hierbei nicht um eine einmalige Aktion handeln sollte. Um die für den Fan - und langfristig auch für den Fußball an sich- problematische Entwicklung bei den Eintritsspreisen zu stoppen braucht es Zeit und Hartnäckigkeit. Zeit für eine Bestandsaufnahme.
Um den aktuellen Stand beurteilen zu können, möchte ich zuerst noch einmal auf den Ursprung eingehen, um den Geist dieser Aktion zu erläutern und eventuell auch Missverständnisse auszuräumen.
Das Motto:
Wie bereits erwähnt wurde der Derbyboykott unter großem Zeitdruck quasi aus dem Boden gestampft. Um einen hohen Bekanntheitsgrad zu erreichen, brauchte es ein Schlagwort. Ein griffiges Motto, das schnell ins Ohr geht und sich festsetzt. So entstand die Formulierung „Kein Zwanni für 'nen Steher". Damit war der Bezug zu den horrenden Eintrittspreisen für das Derby gegeben. An teure Sitzplatzkarten war man ja fast schon gewöhnt - Stehplatzpreise, die jedoch die „Zwanni-" Marke sprengten, sind Neuland. Ein sichtbares Zeichen, dass etwas völlig aus dem Ruder läuft. Das „'nen" passte als grammatikalisch völlig unkorrekter Ausdruck zum Ruhrpottsprech. Immerhin ging es ja um unser Derby, den Ruhrpottklassiker. Zu guter Letzt ist das „Steher" eine unter Fans gängige Bezeichnung für einen Stehplatz. Es klingt weniger steril und stellt einen Fanbezug da. Das Motto war für den Start durchaus richtig, weil es seinen Zweck mehr als erfüllte. Mit etwas Ruhe im Nachgang wurde jedoch schnell klar, dass es durchaus missverständlich aufgefasst werden konnte. Weder ging es ausschließlich um erschwingliche Stehplätze, noch sollte das Gros der Besucher, die Fans auf den Sitzplätzen, außen vor bleiben. Es ging auch nicht um eine magische und fixe Grenze von 20 Euro, die von den Vereinen einfach eingehalten werden muss, damit alle zufrieden sind. Dieser Geburtsfehler wurde dahingehend korrigiert, dass eine Umbenennung in „Kein Zwanni – Fußball muss bezahlbar sein" vorgenommen wurde. Damit wird einerseits die Brücke zum Ursprung geschlagen, andererseits auch das Ziel umfassend und allgemein gehalten.
Der Boykott:
Die einerseits schärfste, aber auch schmerzhafteste Waffe. Bedeutet es doch, dass man wissentlich einem Spiel seiner Mannschaft fern bleibt und außerhalb des Stadions ist, während innerhalb die eigene Mannschaft um die Punkte kämpft. Aber nichts verdeutlicht den Unmut über Ticketpreise besser als leere Plätze und nicht verkaufte Eintrittskarten – und nichts trifft die Veranstalter härter als schlechte Publicity und fehlende Einnahmen. In englischen Foren konnte man das Erstaunen und ja sogar Bewunderung, dass Fans in Deutschland diesen Schritt wagen, geradezu heraus lesen. Diese Waffe „sticht" jedoch nur, wenn sie breit getragen wird. Ein Boykott kann nicht befohlen werden, wenn er erfolgreich sein will. Er braucht eine breite Basis. So war der Derbyboykott im Grunde auch eine Kanalisation des Unmuts einzelner Fans und Gruppen, die ihrerseits quasi einen „Boykott im Stillen" geplant hatten. In Gesprächen vor dem Derby war vielfach zu hören, dass die Preise eine Unverschämtheit seien und man selbst als einzelner Fan oder Fanclub überlege, überhaupt hinzufahren. Der Boykott war an sich also schon da. Es ging nun darum, ihn hervorzuheben, öffentlich zu machen und allen Fans zu zeigen, dass sie mit ihrer Unzufriedenheit nicht alleine sind. Darin wird auch das Dilemma und die Schwierigkeit im Kampf für Faninteressen sichtbar. Zwar sind die Besucherzahlen in der Bundesliga so hoch wie nie zu vor und die Fanschar dementsprechend groß, aber es handelt sich um eine große Masse, die aus einer Vielzahl voneinander unabhängiger Einheiten besteht und dementsprechend in ihrer Natur träge ist. „Kein Zwanni" ist im Prinzip also der Versuch, diese Einzelmeinungen und Interessen auf dem Themenfeld Eintrittspreise zu bündeln und zu kanalisieren. Daraus ist aber auch abzuleiten, dass man auf den Input und Mitarbeit der Fans angewiesen ist. Jeder kann im Rahmen seiner Möglichkeiten mithelfen. Und sei es nur in Form einer Mail für sich privat oder für seinen Fanclub, wenn bei einem Spiel die Schmerzgrenze erreicht und überschritten wird. Schon aus vielen Einzelmeinungen ein vorherrschendes Meinungsbild ablesen zu können, erleichtert die Sache ungemein. „Kein Zwanni" kann keine von oben herab diktierte Sache sein.
Die Grundgedanken:
Wie schon im Zusammenhang mit dem Motto erwähnt, sind die Ziele der Aktion wesentlich konkreter als die plumpe Forderung nach Stehplatzpreisen unterhalb 20 Euro. Eins der allgemeinen Ziele seit Gründung war, die Aktion über Dortmund hinaus in andere Fanszenen zu tragen. Eigentlich muss man dazu nicht mehr viel erklären. Mag man während der 90 Minuten eines Fußballspiels Gegner sein, die Preisproblematik betrifft alle und so ist eine Zusammenarbeit nur die logische Folge. Je breiter die Basis der Aktion, desto größer die Erfolgsaussichten. Es war von Anfang an klar, dass sich langfristiger Erfolg nur einstellen kann, wenn man vereinsübergreifend zusammenarbeitet.
Darüber hinaus gibt es natürlich konkrete, thematische Forderungen, die auf verschiedene Punkte der Preispolitik abzielen. Grundsätzlich soll sie so beschaffen sein, dass die Basis des Fußballs als Volkssport erhalten bleibt. Es ist klar, dass „Fußball für alle" kaum realisierbar ist, da die finanziellen Möglichkeiten der Fans sehr breit gestreut sind. Es muss aber dennoch möglich sein, eine Preisstruktur zu finden, die auch junge und finanzschwächere Fans nicht ausschließt. Mag mancher Vereinsmanager noch das hohe Lied des englischen Modells singen, für Fans ist es eher ein wahrgewordener Albtraum. Systematisch wurden untere Einkommensklassen aus dem Stadion ausgegrenzt, der Altersdurchschnitt liegt in manchen Stadien oberhalb von 40 Jahren – und steigt weiter an. Verlieren werden dadurch beide Seiten. Die Fans, die früher ins Stadion gegangen sind und ihre Spiele jetzt nur noch in Pubs gucken können, tun es jetzt schon. Die Premiere-League wird die Folgen in einigen Jahren zu spüren bekommen.
Zu einer fairen Preispolitik zählt auch die Gestaltung von Topspielzuschlägen, die Verteilung der Preiskategorien und die langfristige Preisplanung. Besonders problematisch bei den Topspielzuschlägen ist, dass sie auch für die Auswärtsfans gelten. Hier werden die Vereine, die regelmäßig viele Fans mitbringen, systematisch „gemolken", egal ob es sich für sie um ein echtes Schlagerspiel oder ein ganz normales Bundesligaspiel handelt. Die Folge daraus ist, dass manche Fans so gut wie nie, andere jedoch fast regelmäßig mit diesen Zuschlägen konfrontiert werden und ungleich höher zur Kasse gebeten werden. Erschwert wird das Ganze dadurch, dass durch Umbaumaßnahmen oder eine Überarbeitung der Preiskategorien zur Gewinnmaximierung der Anteil noch erschwinglicher Bereiche immer weiter verkleinert wird und überhaupt nur noch ein kleiner Teil des Kartenkontigentes für diese Bereiche zur Verfügung steht. Eine Politik des Feigenblattes, die nur schwer umkehrbar ist, aber zumindest gestoppt werden sollte. Ebenso wie die Praxis vieler Vereine, die Preisgestaltung derart variabel zu halten, dass man als Fan erst wenige Wochen vor dem Spiel die dafür aufgerufenen Preise erfährt.
Was von den gesetzten Zielen bereits erreicht werden konnte und im welchem Umfang könnt Ihr im zweiten Teil lesen.