Abschluss der Festspielwochen
Was kann man nicht alles in zwei Stunden machen? Man kann auf werbefinanzierten Pivatsendern fast einen ganzen 90-Minuten Spielfilm gucken. Oder seine Weihnachtseinkäufe erledigen. Oder im gemütlichen Tempo einen zehn Kilometer langen Spaziergang machen. Oder eben auch mit dem Auto satte 98 km vom Gladbacher Stadion bis zurück nach Dortmund fahren. Über eine Stunde davon, um vom Parkplatz auf die Autobahn zu gelangen. Das passiert eben, wenn man Leute Verkehrswege planen lässt, die gerade mal eine Generation vom Pferdefuhrwerk entfernt sind.
Und so verfestigt sich einmal mehr meine persönliche Grundeinstellung: Gladbach war bescheiden, ist bescheiden und bleibt bescheiden. Ich mag Gladbach einfach nicht. Aber der Fußballgott und der Spielplan wollen nunmal, dass man sich einmal im Jahr auf in die vorholländische Pampa machen muss, um „den Mythos" zu besuchen.
Vorweg zwei positive Anmerkungen:
1.Die Ponys schaffen es wieder, ihr Stadion auch ohne 20.000 Dortmunder voll zu bekommen. Sah in der letzten Saison ja geringfügig anders aus, obwohl man damals nur gerade einmal 15 Plätze schlechter da stand. Muss wohl Ferienzeit gewesen sein. Oder Kartoffelernte. Auf jeden Fall strömen sie wieder zu ihrem „Mythos".
2.Zur Beruhigung für alle Redakteure des Spiegel Online sei erwähnt, dass sich bei diesem Spiel trotz intensiver Recherche keine zweitausend fußballfremde Nazihooligans finden ließen. Der Ticketshop der Borussenfront hatte anscheinend geschlossen.
Trotzdem dürften so etwas um die 8.000 Dortmunder den Weg nach Gladbach angetreten haben. Eine immer noch stolze Zahl und ein beeindruckendes Bild auf den Rängen. Stimmungstechnisch konnte der Gästemob diesem Bild aber eher nicht gerecht werden. Solider Durchschnitt. Richtig laut war man eigentlich nur beim adaptierten Torjubel und dem mitterweile wohlvertrauten „Wer ist deutscher Meister?" Dabei lohnt sich ja eigentlich die Runde „Döpdöpdöpdöbödöpdöpdöp" schon für die Fahrt dorthin. Die Tormelodie ist so hundesmiserabel schlecht, dass man sie nur irgendwie lieben kann. Zumindest, wenn sie nicht aus den Lautsprechern schallt.
Gladbach konnte bei mir mit einer kleinen Derbysieger-Choreo punkten. Schnick-Schnack-Schnuck statt Schnickschnack. Witzige Idee und mit sparsamen Mitteln ein kleines, aber wirklich nettes Teil hingelegt. Ansonsten war man eigentlich am lautesten, wenn sich über Schiedsrichter Zwayer aufgeregt wurde. Dem widerum unterliefen zwar wenig gravierende Fehler, aber im Block hatte man schon den Eindruck, dass er auf beiden Seiten mitunter das Regelbuch ziemlich kreativ auslegte. Seis drum, trotz aller Respektsforderungen für die Offiziellen – das Aufregen über eine tatsächliche oder vermeidliche Benachteiligung gibt dem ganzen Fußballgedöns ja auch Würze.
Aber nun rein ins Spiel. „Aufstehn', strammstehn'". Man könnte so herrliche Sachen mit diesem Kasernenton des Stadionspreches anstellen, aber bei leisen Andeutungen von Brauchtumspflege reagiert man in Gladbach ein wenig allergisch und deshalb würde ich sowas ja nie tun.
Und direkt mit dem Anstoss schickt sich unsere Borussia an, das schnellste Tor dieser Bundesligasaison zu schießen. Ein ziemlich genialer und auch ziemlich diagonaler Pass von Hummels findet Götze, der den Ball aber leider nicht unter Kontrolle kriegt, so dass ein Gladbacher Abwehrspieler klären kann. Schade, das wäre ein grandioser Auftakt gewesen.
Es folgt eine längere Phase, in der eigentlich wenig passiert. Gladbach erarbeitet sich Ballbesitz und der BVB eine Ecke nach der anderen – ohne dass etwas Zählbares dabei herum kommt. Bis auf einmal Hummels und Santana ein kurzes Nickerchen halten. Während Bobadilla durchs Mittelfeld nach vorne trabt, verlassen sich beide Innenverteidiger darauf, dass der jeweils andere ihn schon übernehmen wird. Was logischerweise zur Folge hat, dass der Argentinier auf einmal frei vor Weidenfeller steht. Und was so ein richtiger Argentinier ist, der versuchts in so einer Szene natürlich mit einem Lupfer. Das funktioniert zwar, aber der Ball ist dabei so lange in der Luft, dass Schmelzer genügend Zeit hat, nach hinten zu eilen und die Kugel per Kopf vor der Linie wegzukratzen.
Im Dortmunder Spiel läuft es derweil irgendwie nicht so reibungslos wie gewohnt. Man verliert die Bälle zu leicht und schafft es nicht, zu seinem mittlerweile gewohnten Ballbesitzfußball zu finden. Wobei man auch zugeben muss, dass die Fohlen eine erstaunliche Wandlung mitgemacht haben und sich taktisch klug verhalten. Man steht ziemlich hoch und unterbindet einen ruhigen und sicheren Spielaufbau. Daraus resultiert der Versuch unserer Jungs, mit schnellen Pässen das Mittelfeld zu überbrücken, die aber zu wenig genau sind. Dort übrigens erhält Ilkay Gündogan seine Chance, nachdem Moritz Leiter verletzungsbedingt ausfällt. Die Leistung ist unter dem Strich in Ordnung. Auffällig ist der Versuch, mehr offensive Akzente zu setzen und auch mal einen riskanteren Pass in die Tiefe zu spielen. Einer davon war sogar wirklich genial, aber der durchgestartete Großkreutz befand sich nach Meinung des Assistenten im Abseits. Mangels Fernsehbilder kein Einspruch meinerseits – obwohl ich zugeben muss, dass ich das im Stadion nicht ganz so nüchtern und sachlich aufgenommen habe. Wäre auf jeden Fall ein dickes Ding gewesen. Ansonsten fehlt Ilkay in einigen Szenen noch ein bisschen die Handlungsschnelle. Anstoppen, um die Achse drehen und gucken wo der Mitspieler ist, ziehen noch zu häufig leichte Balleroberungen für den Gegner nach sich. Aber sehen wir es mal als einen Schritt in die richtige Richtung.
Wie auch immer. Die Gladbacher pöhlen die Murmel ein paar Mal kilometerweit übers Tor und sorgen so für ziemlich lächerliche Szenen für die „Highlights" in der Halbzeitpause. Bei uns justiert man derweil fleißig das richtige Verhalten bei Eckbällen und im sechsten Versuch klappt es dann endlich. Mario Götze von der rechten Seite mit Schnitt in die Mitte und schon ist er da, der historische Moment. Lewandwoski schraubt seinen schlacksigen Körper in die Höhe und köpft zu seinem ersten Auswärtstor in dieser Saison ein. Gleichbedeutend Tor Nummer 10 auf seinem Konto und ein weiterer Baustein für seinen momentanen Status „unverzichtbar". Kaum zu glauben, wie sich der polnische Nationalspieler in seinem zweiten Jahr bei uns entwickelt hat. Im Gästeblock und drumherum spielt derweil Scooter zum Tanze auf und alle machen mit. So kann man die Gladbacher sogar richtig lieb gewinnen – mit langen Gesichtern. Und das ändert sich auch bis zum Halbzeitpfiff nur wenige Minuten später nicht wirklich.
In der zweiten Halbzeit dann ein verändertes Bild. Unsere Jungs mit deutlichen Feldvorteilen und einigen vielversprechenden Angriffen – auch begünstigt durch enorme Räume, die Gladbach auf einmal für Kagawa, Lewandowski und Götze lässt, während der VfL zumindest hin und wieder bei Standardsituationen Gefahr heraufbeschwört. Aber auch nichts, was einen wirklich vor Angst erzittern ließ. Das zweite Tor unserer Borussen lag in der Luft, wollte aber einfach nicht fallen. Entweder war man, wie Santana nach einem weiteren Eckball, nicht genau genug, oder einer der Ponys brachte noch sein Bein dazwischen und unterband den Angriff.
So kam dann, was eine der ausgelutschtesten und banalsten Floskeln „Geschichten wie sie nur der Fußball schreibt" nennt. Pass von Bobadilla auf einen Spieler, dessen Sympathiewerte in Dortmund ungefähr in der Region des Norovirus' liegen, und der Ball rauscht an Weidenfeller vorbei ins Tornetz. Wenn schon scheiße, dann auch richtig. Neuer Spielstand? Gladbach: Eins. Dortmund? Null. Man fragt sich immer wieder aufs Neue, warum dieser Stumpfsinn immer noch in manchen Stadien zelebriert wird. Peinlicher Mist.
Aber einen deutschen Meister haut sowas natürlich nicht um und unsere Mannschaft ist sofort um Ergebniskorrektur bemüht. Mit dem wohl schönsten Spielzug der gesamten neunzig Minuten spielt Kagawa einen ganz feinen Pass auf Götze, der völlig frei vor ter Stegen steht. So ganz untalentiert ist der Junge leider nicht und lässt sich nicht so einfach verladen. Götze versucht, den Ball in die kurze Ecke zu schieben, scheitert aber leider am Torwart.
Dumm gelaufen, aber nicht die letzte Chance zum Siegtor. Eine wirklich schöne Staffette landet bei Kevin, der den Ball per Kopf über ter Stegen lupft und Lewandowsi muss nur noch einschieben. Richtig gut rausgespielt und schön anzusehen, aber mit einem kleinen Schönheitsfehler. Großkreutz soll vorher im Abseits gestanden haben und der Assistent hob folgerichtig die Fahne. Aus völlig unparteiischer Sicht eines SG-Redakteurs eine der größten Fehlentscheidungen in der Geschichte des Fußballsports. Ein Skandal. Fußballmafia DFB. Ok, vielleicht auch nicht. Aber schön wärs gewesen.
Kurz danach noch einmal mächtig Glück für uns. Nachem Santana zuvor bereits eine ziemlich lächerliche gelbe Karte gesehen hat, stoppt „Tele" einen Gladbacher Angriff in höchster Not mit einer Aktion, die im Block sehr stark nach einem taktischen Foul aussah. Zwayer pfeifft das auch. Und während man dem Schlacks schon das Quietscheentchen für das Ermüdungsbecken zuwerfen möchte, registriert man, dass der Schiri die eigentlich zwangsläufige, zweite gelbe Karte in der Hosentasche stecken lässt.
Fair wie wir sind, verzichten wir dann im Gegenzug auch auf den Siegtreffer und Barrios klärt einen Hummelskopfball vor der Gladbacher Torlinie. Wobei auch da wieder eine Fahne an der Seitenlinie gewedelt wurde. Warum? Man weiß es nicht. Eine ziemlich freie Interpretation der Abseitsregel.
Dann ist Schluss im Spitzenspiel und der Tabellenerste und Tabellenzweite sind plötzlich nur noch Tabellenzweiter und Tabellendritter. Insgesamt gesehen muss man dann doch zugestehen, dass das Unentschieden ein gerechtes Ergebnis und den Spielanteilen angemessen ist. Und hey, sieben Punkte aus den Auswärtsspielen in München und Gladbach, sowie dem Derby zuhause, sind eine absolute Spitzenbilanz. Wir haben uns endgültig in der Ligaspitze etabliert und festgesetzt, meine Damen und Herren. Noch einen guten Abend und zurück ins Funkhaus.
Zu den Stimmungsvideos
Die Fotos zum Unentschieden gegen Borussia Mönchengladbach gibt es wie gewohnt auf unserer BVB-Fotoseite unter diesem Link.
Roman Weidenfeller: Steht er beim Gegentor näher an der Linie und hat mehr Reaktionszeit, hält er den Ball vermutlich. Dafür aber mit einigen wirklich starken Szenen beim Rauslaufen und wichtigen Rettungsaktionen. Insgesamt die Note 3
Mats Hummels: Versuchte zwar stets ruhig und sachlich zu wirken, aber vor allem in der ersten Halbzeit mit einigen völlig untypischen Fehlpässen. Da hat er in der Vergangenheit schon deutlich bessere Spiele gemacht. Note 4+
Tele Santana: Ich mag ihn einfach. Er wird vermutlich niemals ein wirklicher Meister der Spieleröffnung, aber agiert kompromisslos im Zweikampf. Trotzdem wirkte das heute im Zusammenspiel mit Mats nicht immer glücklich. 3-
Marcel Schmelzer: In der zweiten Halbzeit einige gute Gelegenheiten, nach vorne aufzurücken, aber zu selten auch zielstrebig genutzt. Trotzdem, seine Seite war dicht. Glatte 3
Lukas Piszczek: Ebenfalls nicht sein bestes Spiel für uns. Wenn es in der zweiten Halbzeit gefährlich wurde, dann über seine Seite. Auch beim Gegentor nicht konsequent am Mann. Note 4
Ilkay Gündogan: Wie bereits oben beschrieben. Er traute sich mehr zu, versuchte mal den riskanten Offensivpass und nahm in der zweiten Halbzeit vorm gegnerischen Sechszehner einen „alles oder nichts"-Schuss. Aber auch noch mit deutlich Luft nach oben. Note 3
Sebastian Kehl: Der Kapitän macht zur Zeit das, was er schon immer am besten konnte. Die Ärmel hochkrämpeln und beherzt Bälle erobern. In der zweiten Halbzeit einige Angriffe abgeräumt und damit Inhaber einer 2-
Kevin Großkreutz: Lief und lief und lief wie gehabt. Trotzdem nicht gerade mit vielen Aktionen, die langfristig im Gedächtnis bleiben. 4+
Shinji Kagawa: Vor allem in der zweiten Hälfte wuselig und agil. Beschäftigte die Gladbacher Abwehr und leitete die größte Chance der zweiten Halbzeit ein. Insgesamt eine 3+
Mario Götze: Ihm gelang nicht viel und in einigen Szenen fehlte auch die Einsicht, dass das heute nicht gerade ein Tag war, an dem man es mit zwei oder drei Gegenspielern aufnehmen sollte. Auch aus der Großchance muss er mehr machen. Eine 4.
Robert Lewadowski: Mittelerweile wirklich unersätzlich. Immer eine potentielle Anspielstation, Balleroberer, Ballbehaupter und Torschütze. So viel Einsatz kann nur mit einer 2 belohnt werden.