Berlin: Weihnachten und Ostern in Zukunft am selben Tag ? Entenhausen: Dagobert Duck meldet Insolvenz an - Düsseldorf: BVB zieht ins Pokal-Viertelfinale ein
Es war schon nach 0 Uhr. Kevin Großkreutz war mit dem letzten Interview fertig und ging mit einem breiten Grinsen in Richtung Glastür. Auf der anderen Seite dieser Tür stand der BVB-Mannschaftsbus bereit. Großkreutz stieg ein. An sich recht unspektakulär. Wären da nicht die lauten „Olé, Olé“-Gesänge gewesen, die auf einmal zu hören waren. Sie kamen aus eben jenem Mannschaftsbus. Die Spieler der Borussia feierten sich – und hatten allen Grund dazu. „Dieses Spiel werden wir nie vergessen“, sagte Jürgen Klopp nach Abpfiff.
So, stopp. Jetzt mal Tacheles: Was war hier eigentlich los? Der BVB hatte immerhin ein Pokalspiel hinter sich und da gehört es sich für einen Dortmunder bedröppelt nach Hause zu fahren! „War doch eh' klar, dass der Lambertz in der 80. das 1:0 macht, Dortmund alles nach Vorne schickt aber nur den Pfosten trifft.“ So in etwa muss das klingen, wenn sich am nächsten Tag über das Spiel unterhalten wird. Ja, und was erlaubt sich eigentlich Klopp? „Zumindest für uns wird das Spiel in die Geschichte eingehen.“ Ein Pokalspiel des BVB im 21. Jahrhundert geht in die Geschichte ein? Jetzt wird’s unheimlich. Was ist denn bitte mit der Borussia los, wenn sie auf einmal Erfolg im Pokal hat?
Immerhin kommt es nicht alle Tage vor, dass der Ballspielverein Borussia aus Dortmund von 1909 in das Viertelfinale des DFB-Pokal einzieht. Um genau zu sein in den letzten 16 Jahren genau einmal – mit dem Finale gegen Bayern als Krönung. Ansonsten sagten sich alle in Dortmund auch in den glorreichen 90ern: „Pokal? Geh mir weg damit!“. Und kürzlich ließen Osnabrück und Offenbach grüßen. Aber an diesem Abend war alles anders.
Mitten in der Nacht nach dem Spiel betrat die komplette BVB-Mannschaft eine Restaurant einer großen Amerikanischen Fast-Food-Kette. Alles auf Kosten von Patrich Owomoyela, denn der hatte etwas gut zu machen. Er holte sich im Spiel bei der Fortuna nach nur einer halben Stunde die Gelb-Rote Karte ab. Völlig berechtigt musste er duschen gehen. Mit beiden Händen am Kopf verließ er den Platz. Die Gedanken müssten wohl so ausgesehen haben: „Was habe ich mir dabei gedacht?“. Denn spätestens jetzt war die Fortuna ganz nah dran, Dortmund aus dem Pokal zu fegen. Die ganze Euphorie, die Düsseldorf momentan erlebt, spiegelte sich in diesem Spiel wieder. Nach einer guten Anfangsphase der Borussia, waren es die Gastgeber, die die Chancen hatten. Angetrieben von der Kulisse.
Das Stadion war ausverkauft, 54 000 Zuschauer waren da, 5 500 davon aus Dortmund. Beide Seiten sorgten für eine gute Pokalatmosphäre. Wenn aber das gesamte Düsseldorfer Stadion sang, ging der Gästeblock in dieser Zeit unter. Immer wieder hatten die Fortunen auf den Rängen, die Fortunen auf dem Rasen nach vorne geschrien. Beliebter Gesang: „Wir steigen wieder auf, und schmeißen Dortmund raus, die Fortuna ist wieder da“. Auch wenn es gegen Dortmund gerichtet ist: Kreativ, laut und ohrwurmerzeugend.
So richtig mutig war die Fortuna aber nicht. Selbst nach Owomoyelas Platzverweis stellte sich das komplette Düsseldorfer Mittelfeld vor die eigene Abwehrkette, sodass sich dem BVB kaum Lücken boten. Und so waren es nur vereinzelte Torschüsse, die Roman Weidenfeller souverän entschärfen konnte. Der BVB blieb in der kompletten zweiten Hälfte nahezu ohne Torchance. Kevin Großkreutz musste als Innenverteidiger spielen. Mit einer Fünferabwehrkette, dabei mit zwei offensiven Außenverteidigern, Kuba und Chris Löwe, kam der BVB aus der Kabine. Beide Mannschaften wollten nichts riskieren. Die Folge: Verlängerung. Hier bot sich das gleiche Bild. Dass hinten die „0“ stand hielt, war vor allem Kevin Großkreutz und Mats Hummels zu verdanken. Das Zweikampfverhalten und die Körpersprache der beiden war schlichtweg überragend. Auch Kuba zeigte sich selbstbewusst wie eh und je und wirbelte die Rechte Seite des BVB mächtig auf. Ganz im Gegensatz zu dem, was Lucas Barrios veranstaltete. Da bekommt er die Chance, sich wieder zu beweisen, und schwächelt bei der Ballanahme. Wenn er am Boden lag, hielt er sich theatralisch die Hände vor das Gesicht, bis er merkte, es guckt ihm eh keiner zu, um dann rasch wieder aufzustehen. Das war ganz schwach und zurecht durfte noch während der regulären 90 Minuten Ivan Perisic sein Glück versuchen.
Und eines darf hier natürlich nicht vergessen werden: „Wenn ich 'Wir sind alle Dortmunder Jungs' singe, dann meine ich auch Florian Kringe!“. Der Mann mit der Nummer sechs wurde für Löwe eingewechselt und konnte nach langer Zeit mal wieder bei den Profis spielen. Er machte es solide. Das Stichwort für die Leistung beider Mannschaften in der Verlängerung. Die Fortuna war spielerisch zwar sehr stark, war aber zu unentschlossen, wirklich alles für das Weiterkommen zu geben. Und so donnerte es im Gladbacher, ach ne, Duisburger oder doch Wolfsb... ähm Düsseldorfer Stadion (sieht doch alles gleich aus) Dortmunds Unwort des Jahres 2011: Elfmeterschießen!
Das Elfmeterschießen nachzuerzählen wäre eine Möglichkeit, diesen Spielbericht zu beenden. Dann würden hier alle Torschützen nacheinander aufgezählt, gespickt mit ein paar Satzverknüpfungen und jeder Menge aufgebauter Spannung. Fehlen dürfte dabei natürlich nicht Brökers Fehlschuss, sowies Kubas und Lambertzs wiederholte Elfmeter. Aber nein. Zu diesem Elfmeterschießen gibt es nur eines zu sagen: Genial! Wie sicher die Schüsse im Tor landeten, wie emotional die Spieler zum Gästeblock rannten, wie Roman Weidenfeller auf den Zaun kletterte – das waren Momente, die dem Jahr 2011 den passenden Deckel aufgesetzt haben.
Ostern ist immer noch im Frühjahr, während Weihnachten am 24. Dezember gefeiert wird. Dagobert Duck wird auch weiterhin in Geld schwimmen können. Aber eines, ja eines das ist wirklich wahr: Dortmund steht im Viertelfinale.
Trockenes zum Spiel:
Fortuna Düsseldorf: Ratajczak - Levels, Lukimya, Langeneke, van den Bergh - Bodzek – Beister (79. Jovanovic), Lambertz, Fink (63. Dum) - Bröker, Rösler
BVB: Weidenfeller - Piszczek, Owomyela, Hummels, Löwe (80. Kringe) - Gündogan, Kehl - Kuba, Lewandowski, Großkreutz – Barrios (74. Perisic)
Schiedsrichter: Gräfe (Berlin)
Gelb-Rote Karte: Owomoyela (34., wiederholtes Foulspiel)
Gelbe Karten: Rösler, Lambertz, Bodzek, Dum - Weidenfeller, Kehl
Zuschauer: 54.000 (ausverkauft)
Guerriero, 21.12.2011