Schützenfest vor 80er Jahre Kulisse ? Borussia testet in Krefeld
Der BVB erreichte mit einer zusammengewürfelten Truppe ein standesgemäßes 7:0 in der altehrwürdigen Grotenburgkampfbahn. Dabei machte erstmals Nachwuchsknipser Marvin Ducksch nachdrücklich im Profibereich auf sich aufmerksam und erzielte 3 Treffer. Der KFC Uerdingen war zu keinem Zeitpunkt in der Lage mit den Borussen mitzuhalten. Leider musste die Frage unbeantwortet bleiben, was für die Gastgeber unter der Leitung des Ex-Borussen Peter Wongrowitz möglich gewesen wäre. Er hätte die Krefelder sicher besser auf den Borussensturmlauf einstellen können.
Ausgangslage und Randerscheinungen
Bereits von weitem erstrahlten die wunderschönen Flutlichtmasten der Grotenburgkampfbahn. Ein Hauch ehemaliger Größe umweht dieses Stadion, in dem noch im Meisterjahr 1995 Bundesligafußball gespielt wurde. Von besseren Tagen erzählte auch der DFB-Pokal, der in den Katakomben des Stadions ausgestellt wird. Im Jahr 1985 wurden die großen Bayern im Finale in Berlin mit einer 2:1 Niederlage nach Hause geschickt. Auch das legendäre 7:3 gegen Dynamo Dresden ist sicher noch jedem in lebhafter Erinnerung, der das Glück hatte diese einmalige Partie live oder am Fernseher verfolgen zu dürfen. Die Grotenburg verströmt immer noch den Charme der 80er Jahre: Beton, kein durchgängiges Dach, Flutlichtmasten! Die Erinnerungen aus der Kindheit sind hier noch konserviert. Dies hat auch einen Grund, denn, nachdem sich der Konzern von seinem Werksverein zurückzog, schrumpfte Uerdingen auf Normalmaß zurück und stieg nach einer Insolvenz sogar bis in die Verbandsliga ab. Den Werkskollegen aus Leverkusen dürfte wohl ein ähnliches Schicksal blühen, wenn der große Gönner irgendwann einmal die Lust an seinem Spielzeug verliert.
In den letzten Jahren ist der KFC unter der Leitung eines örtlichen Immobilienunternehmers mit Wurzeln in Griechenland durch spektakuläre Verpflichtungen wie den ehemaligen Torschützenkönig und Fußballer des Jahres Ailton aufgefallen. Diese brachten jedoch eher nicht den angestrebten sportlichen Erfolg. Unter Peter Wongrowitz dem ehemaligen U17 Trainer des BVB, der unter anderem die deutsche Meisterschaft dieser Altersklasse gewinnen konnte, gelang dann aber der Durchmarsch in die NRW Liga. Vor einigen Tagen wurde Wongrowitz allerdings unter Angabe äußerst fadenscheiniger Gründe entlassen, obwohl er die Mannschaft erneut auf einen direkten Aufstiegsplatz geführt hatte. „SF Siegen ist als Verein besser aufgestellt als wir“ ist schwerlich als vereinsschädigende Äußerung zu werten, die eine Kündigung rechtfertigt.
Das Stadion war zum Besuch des deutschen Meisters nur sehr spärlich gefüllt, die Gegengerade wurde nicht einmal geöffnet. Dabei spielte sicher eine Rolle, dass man sich öffentlich bis zuletzt nicht auf eine konkrete Anstoßzeit festlegen wollte. Es ist ja vielleicht nachvollziehbar, dass man ein Freundschaftsspiel der Deutschen Nationalelf bei der Ansetzung berücksichtigt, aber der Termin des Spiels gegen Holland sollte doch eigentlich schon länger bekannt gewesen sein. Eine Pressemitteilung wonach das Spiel „entweder um 18:00 Uhr oder um 18:30“ angepfiffen wird, wirkt eine Woche vor dem Spiel jedenfalls reichlich unprofessionell.
Leider hatte unser RE Richtung Krefeld bereits Verspätung, aber es wäre trotzdem noch möglich gewesen rechtzeitig in der Kampfbahn zu sein. Der Straßenbahnfahrer schien aber etwas gegen Fußballfans zu haben. So verkündete er, dass es wegen einer „Störung“ auf unbestimmte Zeit nicht weitergehen würde und die Fußballfans daher lieber zwei Stationen vor der Grotenburg aussteigen sollten. Als man dann circa 100m gelaufen war, wurde man von der soeben verlassenen Straßenbahn überholt. Das machte direkt eine super Laune.
Das Spiel
Das Sportliche ist relativ schnell erzählt. Wie erwartet, schickte Jürgen Klopp eine Mannschaft ins Rennen, die man so sicher nie in einem Pflichtspiel zu sehen bekommen wird. Hinten stand der Pokalstammtorwart aus Australien im Kasten und davor bildeten der aussortierte Kringe, Owomoyela (als Innenverteidiger!), Subotic-Ersatz Santana und Teilzeitkadermitglied Chris Löwe die Viererkette. Auch einige Stammspieler der Amateure standen zu Beginn auf dem Feld. Ersatzkapitän Mario Vrancic durfte neben Routinier Sebastian Kehl im defensiven Mittelfeld ran und Jonas Hofmann spielte auf dem rechten Flügel. Die vielleicht größte Überraschung war die Aufstellung von Junior-Bomber Marvin Ducksch in der Sturmspitze. Doch bei näherer Betrachtung blieb Jürgen Klopp auch kaum eine andere Wahl: Lewandowski und der Panther waren mit ihren Nationalmannschaften unterwegs, Terrence Boyd bei der US-Olympia Auswahl und Damien Le Tallec ist nach seinen bisherigen Leistungen in dieser Saison zurzeit keine Alternative und schon gar nicht in vorderster Front. Also durfte der 17-jährige Ducksch sein Können zeigen, der mit der Empfehlung von 8 Toren in 9 Spielen in der U19 Bundesliga auf sich aufmerksam machte.
Als wir mit 10 Minuten Verspätung das Stadion betraten (vielen Dank nochmal an den netten Tramfahrer) bereitete uns der Junge auch gleich das Willkommensgeschenk und erzielte die Führung für den BVB. Da musste der arme Grotifant das erste Mal sein Haupt schütteln. Doch dies sollte nicht der letzte Tiefschlag für den sympathischen Dickhäuter bleiben. Ein Doppelschlag von Kevin Großkreutz sorgte schnell für klare Verhältnisse. Zweimal zog er aus identischer Position am linken Strafraumeck ab und zweimal schlug der Ball in der langen Ecke ein, wobei er aber einmal den Umweg über den Innenpfosten nahm.
Da wollte auch Ducksch nicht nachstehen und bewies seinen Torriecher erneut. Er spritzte in eine ungenaue Kopfballrückgabe der Krefelder und lupfte den Ball über den verdutzten Torwart hinweg. Somit wurden alle vier Treffer für die Borussia in der ersten Hälfte von echten Dortmunder Jungs erzielt.
In Halbzeit zwei ging es zunächst ähnlich munter weiter. Bereits 5 Minuten nach Wiederanpfiff erhöhte der BVB auf 0:5. Eine Flanke von Hofmann im Anschluss an einen kurz gespielten Eckball fand Tele Santana und dessen harmlosen Kopfball drückte Owomoyela über die Linie. Sebastian Kehl tankte sich dann mit einer schönen Einzelleistung in den Strafraum und machte das halbe Duzend voll. Dabei wurde er allerdings gelegt und bei seiner Verletzungshistorie ist das ja immer ein Grund zu großer Sorge. Er konnte zum Glück weiter spielen und wurde erst rund 10 Minuten später ebenso wie Großkreutz ausgewechselt. Damit waren nur noch wenige potentielle Stammkräfte auf dem Platz und das Spiel erhielt mit diesen Wechseln auch einen gewissen Bruch. Beim BVB beschränkten sich nun einige nur noch auf das Nötigste und Spielern wie Baykan fehlte vielleicht auch das Vermögen, sich in so einem Spiel in Szene zu setzen. Das Spiel plätscherte dem Abpfiff entgegen und bis auf ein paar Kopfballchancen des unglücklich agierenden Kringe passierte nicht mehr viel.
Auf den Rängen sehnte man bei winterlichen Temperaturen auch das Ende herbei. Insgesamt herrschte eine typische Testspielatmosphäre. Das Heimpublikum war weitgehend ruhig, unterbrochen nur durch Schreiereien der legendären Grotenburg Rentner und gelegentliches rhythmisches Klatschen des Sitzplatzpublikums, das der Grotifant mit rhythmischem Ohrenschlackern begleitete. Beim Gästeanhang fand sich ein „Stimmungspulk“ von circa 15 Mann zusammen, lauter wurde es mal wieder nur wenn es galt, gegen den abwesenden Erzrivalen Stimmung zu machen. Testspiel halt. Man nimmt sich immer wieder vor, nicht mehr hin zu fahren und dann fällt einem in der nächsten Länderspielpause doch wieder nichts Besseres ein.
Als es eigentlich schon vorbei war, wurde Ducksch nochmal wach. Zunächst scheiterte er noch mit einem Flachschuss am Torwart der Krefelder und in der Nachspielzeit machte er dann noch seinen Hattrick (nach englischer Zählweise) perfekt. Das Tor fiel tatsächlich nach einem Konter über da Silva. Das erscheint deshalb so verwunderlich, weil aus dem ganzen Spiel kaum Krefelder Angriffe in Erinnerung geblieben sind, auf die man mit einem Konter hätte antworten können. Jedenfalls konnte der junge Ducksch erneut seine Kaltschnäutzigkeit vor dem Kasten unter Beweis stellen und er hat sicher in diesem Testspiel am nachdrücklichsten Werbung in eigener Sache betrieben. Ansonsten war der Abend gewohnt wenig aufschlussreich und ist eher unter öffentlicher Trainingseinheit für die Reservisten zu verbuchen.
BVB: Langerak - Kringe (79. Halstenberg), Santana, Owomoyela, Löwe - Kehl (69. Baykan), Vrancic - Hofmann, da Silva, Großkreutz (69. Hübner) - Ducksch
Tore: 0:1 Ducksch (11.), 0:2, 0:3 beide Großkreutz (25./26.), 0:4 Ducksch (34.), 0:5 Owomoyela (50.), 0:6 Kehl (58.), 0:7 Ducksch (89.)
Web 15.11.2011