Fußball ist toll!
Als die Sonne hinter dem Weserstadion untergeht und die Fluchtmasten erstrahlen, beginnt das Kribbeln vor lauter Vorfreude auf das Topspiel zwischen Werder Bremen und unserer Borussia. Vergessen der Stress von der Arbeit und erst recht die vielen Staus auf dem Weg von Dortmund nach Bremen. Dieses Kribbeln sollte an diesem Freitagabend der Vorbote für einen glücklichen, aber dennoch verdienten 2:0 Sieg über die bis zu diesem Spieltag auf Platz zwei stehenden Bremer sein. Immerhin darf sich unsere Borussia für eine Nacht als Bayernverfolger Nummer eins fühlen.
Der Abend begann relativ entspannend, sieht man einmal von der überfüllten Autobahn ab. Bereits Stunden vor Spielbeginn stehen die ersten Fans friedlich vor den Eingängen Schlange, um dem Spiel entgegenzufiebern. Viele sind ohne Tickets angereist, in der Hoffnung vor dem Stadion noch fündig zu werden. Stehplatzpreise von bis zu 50 Euro auf dem Schwarzmarkt waren dabei leider keine Seltenheit. Beim Betreten des Weserstadions fallen einem sofort die umgebauten Tribünen auf. Äußerst gewöhnungsbedürftig wirkt die neu gestaltete Gästetribüne. Mitten im Stehplatzblock, der sich auf dem Oberrang hinter dem Tor befindet, ragt eine riesige Anzeigentafel heraus, die im Block wie ein Fremdkörper wirkt. Auch die am Zaun hängenden schwarz-gelben Zaunfahnen können über die unvorteilhafte Konstruktion des Gästeblocks nicht hinwegtäuschen. Dachträger schränken die Sicht auf das Spielfeld ein. Hinzu kommt, dass der Stehplatzblock sehr in die Breite gezogen ist, wodurch die Koordination des Gesangs für den “Vorsänger“ erschwert wird. Ganz zu schweigen davon, dass Polizisten auf einem Geländer direkt über dem Block positioniert sind, die einem mit ihren Videokameras das Gefühl der totalen Überwachung vermitteln. Dennoch schafft es der Gästeblock schon weit vor dem Spiel, gesangstechnisch in den fünften Gang zu schalten. Für manche ein Erlebnis, dass sie auf der überfüllten A1 nur selten genießen durften. Stimmungsmäßig kann die grün-weiße Ostkurve mit den knapp 5.000 mitgereisten Dortmundern nicht mithalten. Auch fahnentechnisch wirkt sie an diesem Abend eher grau als grün. Lediglich im Zentrum der Kurve befinden sich einige Doppelhalter und Fahnen. Dafür bringt die Video-Werbe-Bande unter der Gegentribüne ordentlich Farbe ins Stadion. Eine wahre Zumutung für das Auge, zumindest solange, bis man es geschafft hat diese Bande zu ignorieren.
Als die Spieler auf dem Platz kamen, um sich warmzulaufen, rieb sich so manch ein Borusse die Augen. Sollte Patrick Owomoyela wirklich in der Startelf stehen? Spätestens beim Verlesen der Mannschaftsaufstellung bestand Gewissheit. Owo sollte für den verletzten Pisczek die rechte Abwehrseite beackern. Verletzungsbedingt musste Marcel Schmelzer durch Chris Löwe ersetzt werden, so dass auf beiden Außenpositionen umbesetzen werden musste. Ebenso rückte Neven Subotic für Santana in die Startelf. Mit besonders langen Stollen sollte seine Rutschfestigkeit gestärkt werden. Im Sturm erhielt erneut Lewandowski den Vorzug gegenüber Barrios.
Beide Mannschaften spielen von Beginn an zielstrebig und leidenschaftlich nach vorne und überspringen die „Abtastphase“. In den ersten zehn Minuten mangelt es nicht an Torraumszenen, auch wenn die hundertprozentigen Chancen zunächst ausbleiben. Beide Mannschaften agieren hellwach, wenn es um das Umschalten von der Offensive in die Defensive geht. Lediglich der Schiedsrichter scheint in dem Spiel zu diesem Zeitpunkt noch nicht angekommen zu sein. Nach einem Foul eines Dortmunders zeigt er zunächst Freistoß für Dortmund an, bis ihm die Spieler darauf aufmerksam machen, dass die angezeigte Richtung wohl die falsche ist. Flanken von der Grundlinie, schnelle Kombinationen und viel Laufaufwand von beiden Mannschaften prägen das Spiel. Vom Spiel ihrer Mannschaften angetan steigt der Lärmpegel im Stadion von Minute zu Minute. Beide Torhüter sind nach 20 Minuten warmgeschossen. Die Abwehrreihen werden regelmäßig schwindelig gespielt, lediglich die Tore bleiben aus. Die größte Torchance bis zur 30. Minute konnte Werder für sich verzeichnen. Claudio Pizarros Schuss konnte noch gerade von Hummels auf der Torlinie geklärt werden. Der Schuss leitete die dominanten Minuten von Bremen vor der Halbzeitpause ein. Dortmund schafft es gegen Ende der ersten Halbzeit kaum noch, sich aus der eigenen Hälfte heraus zu befreien. Als der Bremer Führungstreffer förmlich in der Luft lag, fiel aus heiterem Himmel die Führung für Borussia. In der 43. Minute sollten die Jungs in schwatzgelb dafür belohnt werden, dass die wackelige Abwehr der Werder-Flut bis zu diesem Zeitpunkt standgehalten hat. Nach einem Konter versenkt Perisic den Ball aus halblinker Position trocken im Werder-Netz. Erneut ein “Traumtor“ von Perisic. Dass sein Gegenspieler ihn an seinem Schuss hätte energischer hindern können, soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Die Führung zu diesem Zeitpunkt zwar sicherlich glücklich. Der Torjubel der Dortmunder Spieler fiel dem entsprechend bescheiden aus. Ein freudiges Abklatschen und schon standen alle Borussen wieder auf ihrer Position, in der Erwartung eines Werder-Orkans in der 2. Halbzeit.
Und der Orkan kam. Keine 20 Sekunden waren gespielt, als der Torschütze zum 1:0 nach einem Foul am eigenen Strafraum die gelb-rote Karte unter die Nase gehalten bekommt. Eine Entscheidung die hart, aber vertretbar war. Perisic und der Schiedsrichter Florian Meyer waren in der der ersten Halbzeit bereits einige Male in konstruktive Gespräche verwickelt gewesen und sollten an diesem Abend nicht als Freunde vom Platz gehen. 45 Minuten in Unterzahl standen den Dortmundern bevor. Im schwarz-gelben Fanlager richtete man sich gedanklich auf den Ausgleich ein und lag damit gar nicht so daneben. Dortmund von nun an mit nur wenig Entlastung nach vorne. Die Mannschaft igelte sich förmlich hinten ein. Lediglich ein Kopfball von Lewandowski nach einer Flanke von Owo streicht nur knapp am Tor vorbei. Bremen rennt unermüdlich an und fast jeder Angriff endet in einem Torabschluss. Ein Tor liegt nach knapp 60 Minuten förmlich in der Luft. Das Spiel ist nach der gelb-roten Karte ruppiger geworden. Der Spielfluss wird häufig durch Foulspiel unterbrochen. Meist sind es die schwatzgelben, die es als letzten Ausweg zur Verhinderung einer Torchance begehen müssen. Beide Fanlager verwandeln das Weserstadion in einen kleinen Hexenkessel. Jede Aktion wird von den Fans begleitet. Bremen versteht es, das Spiel bei Ballbesitz in die Breite zu ziehen, schaffte es aber nur selten das Spiel schnell zu machen, um wirklich von der Überzahl zu profitieren. Wie ein Kaninchen vor der Schlange wartet Borussia vor dem eigenen Strafraum auf die Angriffe von Werder. Bremen erdrückt Dortmund förmlich in der eigenen Hälfte. Doch das Glück scheint bis dato auf Seiten der Dortmunder zu sein. So ist es in der 66. Minute die Latte, die Borussia vor dem Ausgleich bewahrt. Das Schwimmen der Dortmunder-Abwehr gleicht mehr und mehr den letzten Zügen eines Ertrinkenden. Zehn Dortmunder im eigenen Strafraum sind keine Seltenheit mehr. Es entwickelte sich eine regelrechte Abwehrschlacht und Hummels und Subotic ließen nicht nur einmal ihre Qualtäten aufblitzen. Doch nicht nur, dass das 1:0 gehalten werden konnte, es sollte noch besser kommen. Vermutlich der Fußballgott persönlich war es, der in der 70. Minute den tapfer kämpfenden Borussen einen Rettungsring in das Weserstadion warf. Nach einer Ecke für Dortmund gelingt es Werder nicht, den Ball zu klären, bis dieser irgendwie im Tor der Bremer landet. Unglaublich! Es steht gefühlt 7:1 für Bremen, doch auf der Anzeigentafel steht ein dickes, fettes 0:2! Torschütze Owomoyela. Ein tolles Comeback nach einer sehr, sehr langen Verletzungspause. Die Köpfe der Bremer-Fans gehen von links nach rechts - eine tolle Choreo aus Dortmunder-Sicht. Berauscht vom Dortmunder-Glück besingt der schwatzgelbe Block seine Liebe zur Borussia. Auf dem Platz geht das Verteidigen mit Mann und Maulwurf weiter. Mit einem Hochgenuss schmeißen sich die Borussen in jeden Zweikampf. Doch Bremen hat sich 10 Minuten vor Abpfiff noch lange nicht aufgegeben. Weiter versuchen die Werderaner zumindest den Anschlusstreffer zu erzielen. Inzwischen herrscht Ruhe in der Ostkurve. Lediglich ein paar Fahnen wedeln zu den von links nach rechts schwenkenden Köpfen in der Heimkurve. Erst recht als Dortmund fünf Minuten vor Abpfiff noch fast auf 3:0 erhöht hätte. Der Gästeblock tobt. Auf den Sitzplätzen sitzt niemand mehr. Abpfiff!
Fazit: Fußball ist toll! Auch glückliche Siege fühlen sich verdammt gut an - erst recht nach dem Hannover-Spiel. Dortmund gewinnt mit viel Leidenschaft, einer tollen Moral, einer geschlossenen Mannschaftsleistung, Glück, Glück, Glück und Glück. Gerade nach der Länderspielpause zeigte sich die Mannschaft als eine Einheit und schafft es ansatzweise an die grandiose Meistersaison anzuknüpfen.
So haben sie gespielt:
Werder Bremen: Mielitz - Sokratis, Wolf, Naldo, Schmitz - Bargfrede - Fritz, Hunt - Marin - Rosenberg, Pizarro
Borussia Dortmund: Weidenfeller - Owomoyela, Subotic, Hummels, Löwe - Bender, Gündogan - Großkreutz, Götze, Perisic – Lewandowski
Einwechselungen: 63. Ekici für Bargfrede, 74. Wagner für Wolf - 74. Kehl für Gündogan, 87. Barrios für Lewandowski, 89. Leitner für Götze
Tore: 0:1 Perisic (42., Bender), 0:2 Owomoyela (71., Hummels)
Zahlen, Daten und Fakten
- Eckstöße: 11:3 (Halbzeit 4:1)
- Chancenverhältnis: 9:7 (4:3)
- Gelb-Rote Karte: Perisic (47., wiederholtes Foulspiel)
- Gelbe Karten: Wolf – Subotic
Die Spieler in der Einzelkritik
- Roman Weidenfeller: 2 - Souverän und fehlerfrei gehalten, Motivator für seine Mannschaftskollegen
- Chris Löwe: 3 - unauffällig in der Offensive, solide in der Abwehr
- Neven Subotic: 2 - Fehler- und rutschfrei
- Mats Hummels: 1- - Überragende Abwehrleistung, sehr gutes Stellungsspiel, und gab die Vorlage zum 2:0
- Patrick Owomoyela: 2- - Obwohl angeschlagen und wenig Spielpraxis wirkte er solide und erlöste den schwatzgelben Anhang
- Sven Bender: 2 - Mehr als nur ein solider Staubsauger im Mittelfeld
- Ilkay Gündogan: 3 - Solide in der Defensive, wenige positive Akzente in der Offensive
- Ivan Perisic: 3 - Traumtor, aber das Foul war die Konsequenz aus einem seiner zahlreichen Stellungsfehler in der Defensive
- Mario Götze: 2 - Fleißig, aber effektivlos
- Kevin Großkreutz: 3 - Stark in der Defensive, unauffällig in der Offensive
- Robert Lewandowski: 2+ - Fleißig und überzeugend in der Rückwärtsbewegung, Tor vorbereitet
Stimmen zum Spiel
Jürgen Klopp: Es war klar, dass es schwer wird. Beide Mannschaften haben versucht, ein gutes Spiel auf den Platz zu bringen und waren ordentlich aufgestellt. Durch eine tolle Aktion von Perisic gehen wir in Führung. Er hat eine richtig gute Schusstechnik, das Tor war große Klasse. Für beide Fouls von Perisic kann man Gelb zeigen und dann muss man eben raus.
Thomas Schaaf: Das war eine große Enttäuschung. Wir haben zuletzt eine Saison erlebt, die nicht von Sicherheit geprägt war. Wir hatten zwar einen guten Start in diese Saison, aber noch nicht die Sicherheit wieder. Bei einem Gegner wie dem BVB, der den Ball laufen lässt, funktioniert das nicht.
Neven Subotic:Wir haben verdient gewonnen, weil wir so viel investiert haben. Alles was drin war, haben wir rausgeholt. Wir haben gekämpft wie die Schweine...das hat richtig Spaß gemacht!
Christoph, 15.10.2011