LaOla in der 50. Minute
Es war wie eine Fortführung der letzten Saison. Ein Spiel mit allem, was dazu gehört, um das Gesehene als Zauberfußball zu bezeichnen. Mit 3:1 knüpfte der BVB eindrucksvoll an die Meistersaison an.
Endlich ging es wieder los. Heimspiel. Es sind die Abläufe, die einen zum Teil sogar nerven, aber während der Sommerpause doch gefehlt haben. Zum Beispiel volle Bahnen mit tropischem Klima. Weil sich halb Dortmund auf den Weg macht, um die Borussia zu sehen. Nicht zu vergessen die langen Anfahrten etlicher Busse von weiter weg. Am Stadion angekommen, folgt dann der Plausch in der Roten Erde, im Schwimmbad oder dem Reitstall – sofern man sich nicht sowieso schon im Kreuzviertel getroffen hat.
Gut eineinhalb Stunden vor dem Anpfiff kommen dann auch die Mannschaftsbusse an. Grandios übrigens der Bus des BVB. Kennzeichen: DO – DM 2011. Ja, wir sind Titelverteidiger!
Und als Deutscher Meister hast du die große Ehre, die DFL-Saisoneröffnungszeremonie aus nächster Nähe bewundern zu dürfen. Vorsicht, Ironie. Nach diesem Zirkus wurde es endlich ernst. Flutlicht, Stadionatmosphäre – herrlich. Und mit dem HSV kam auch noch ein attraktiver Gegner, der viele Fans mitbringt. Wohl zu keinem Verein der Liga dürften die Verhältnisse momentan so entspannt sein, wie zum HSV. Nicht zuletzt auch durch die gemeinsamen Aktionen für „Kein Zwanni“. Die Hanseaten zauberten zum Einlaufen eine schöne Choreo mit dem Spruchband „Leidenschaft und Kampf statt Erfolg auf Krampf“. Auf der anderen Seite galt immer noch das Motto: „Bambule, Randale, Dortmund hat die Schale!“. Eine wunderschöne Choreo mit Konfetti und Meisterschalen zierte die Südtribüne.
Und damit war die abgelaufene Meistersaison auch endgültig abgeschlossen. Ab diesem Zeitpunkt galt es, die überragende Leistung aus dem Meisterjahr zu bestätigen. „Ost und West steh' auf!“ ertönte es bereits zu Beginn im weitem Rund, das Stadion stand und es war ein weiterer Gänsehautmoment an diesem noch frühen Abend. Auf dem Platz kam der BVB blendent in die Partie. Nach einem Sololauf von Robert Lewandowski, der Dennis Aogo ganz simpel umspielte, verpasste Kevin Grokreutz die Flanke des Polen nur knapp und die ersten beiden Eckbälle folgten.
Dortmund setzte den HSV von Anfang an unter Druck, sodass die Gäste in den ersten Minuten nicht gefährlich auf das Tor von Roman „It will be a great Season!“ Weidenfeller kommen konnten. In der 14. Minute dann der erste große Aufschrei im Westfalenstadion. Shinji Kagawa legte sich den Ball aus 20 Metern vor, setzte an zum Schuss, der aber hauchdünn am Tor vorbei flog. Da fehlte nicht viel.
Es war offensichtlich, dass der BVB durch sein unbestechliches Kurzpassspiel überzeugen wollte. Der HSV kam da teilweise gar nicht mehr mit. Und besonders an einer Stelle machten es die Gäste der Borussia ganz leicht. Ein eigentlich ungefährlicher Ball auf der rechten Seite wird zur Torchance, da die gesamte Hamburger Abwehr minikickermäßig Kevin Großkreutz einfach vergessen hatte: Gündogan spielt auf Götze, der sieht Großkreutz, spielt ihn an und vollendet per Innenpfosten zum 1:0. Das Tor fällt wohl noch gut und gerne in die Rubrik „beruhigendes, frühes Tor“.
Und der BVB machte weiter. Die nächste Großchance folgte neun Minute nach dem Führungstor. Lukasz Piszcek erwischte die Hamburger Abwehr eiskalt in deren Vorwärtsbewegung, während Kagawa auf den Ball lauerte. Er versucht ihn zu kontrollieren, trifft aber letztlich nur den Pfosten. Und wieder nur drei Minuten später legte Großkreutz den Ball im Sechzehnmeterraum zurück, Kagawa eilte herbei, zog voll ab – und verzieht.
Aber liebe Leser, was soll ich groß um den heißen Brei herum reden? Das 2:0 sollte wenige Sekunden später folgen – und wie: Götze läuft zentral auf das Tor zu, spielt einen genialen Doppelpass mit Lewandowski, Götze steht frei vor Jaroslav Drobny und trifft mit Gefühl. Und hierbei war das Zusammenspiel zwischen Götze und Lewandowski der eigentliche Höhepunkt des Treffers.
Es war offen gesagt Wahnsinn, was sich mal wieder da unten auf dem Rasen abspielte. Der amtierende Deutsche Meister schaltete hinten der Abwehr die Gäste gänzlich aus. Hervorzuheben sei vor allem Lukasz Piszczek, an dem die Gegenspieler auch an diesem Tag wieder hart knabbern mussten. Solange es hinten stimmt, kann es bekanntlich frei nach vorne gehen. Und hier spielten Götze und Kagawa die Gäste schwindelig. Vorne in der Spitze diente Robert Lewandowski zwar nicht als Torjäger, aber als eminent wichtiger Passgeber.
Und genau so ging es in der zweiten Halbzeit weiter. Götze arbeitete weiter an dem Prädikat „Weltklasse“ und tanzte den HSV querbeet bis zur Grundlinie aus. Plötzlich stand er alleine vor Drobny: Götze legt ab auf Großkreutz, der mit etwas Glück und Durcheinander zum 3:0 und zur frühzeitigen Entscheidung trifft.
„Deutscher Meister steh' auf!“ halte es schon fünf Minuten nach Wiederanpfiff aus den Kehlen der Borussen, die diesem Aufruf auch folgten. Ein weiterer Gänsehautmoment während Spiels.
Die Partie war durch. Bei fast allen bisherigen Dortmunder Mannschaften hätte man auch bei diesem Spielstand noch zur Vorsicht gemahnt. Aber nicht bei dieser. Mit einem Götze, der immer wieder durch wunderschöne Zweikämpfe oder auch mal einen Hackentrick glänzte.
Der HSV machte es aber dennoch fast noch einmal spannend. Angetrieben durch einen viertelstündigen Dauer-Wechselgesang der Fans, kamen sie in der 78. Minute noch einmal ran. Und direkt nach dem Anschlusstreffer wäre fast das 3:2 gefallen, hätte Weidenfeller den Ball etwas weiter nach links abprallen lassen – denn da stand Mladen Petric schussbereit.
Dabei blieb es aber auch. Sehen wir mal von der Ausruhphase ab der 70. Minute ab, war das heute beeindruckend. Mit einer überragenden Leistung meldet sich der BVB aus der Sommerpause zurück. Ganz Dortmund freut sich auf die nächsten Spiele.
Die Noten:
Roman Weidenfeller: Hatte wenig zu tun. Einen Ball gefährlich in Richtung Petric abprallen lassen, was das 2:3 beudeuted hätte. Note: 3
Felipe Sanstana: Er kann Bälle klären, ja. Aber zielgenau sieht anders aus. Ansonsten. Grundsolide. Note: 2-
Mats Hummels: Auffällig viele Vorstöße nach vorne, die den HSV in Bedrängnis brachten. Hinten gewohnt sicher. Note: 2
Lukasz Piszczek: Eine sehr starke Partie von ihm. Gewann vor allem in der ersten Halbzeit einige wichtie Zweikämpfe in der eigenen Hälfte. Zudem Passgeber für einige gefährlicher Situationen nach vorne. Note: 2+
Chris Löwe: Konnte heute nicht so oft mit seinem schnellen Antritt glänzen. Ließ selten Angriffe über seine Seite zu. Note: 2-
Sven Bender: Wieder einmal ein Garant für eine gute Abwehrarbeit. Note: 3+
Ilkay Gündogan: Wirkt manchmal noch etwas unbeholfen. Verlor oft in aussichtsreicher Postion den Ball. Anscheinend muss er sich erst noch in die Mannschaft einspielen. Note: 3-
Shinji Kagawa: War an vielen Offensivaktionen beteiligt. Traf einmal wunderschön den Pfosten, kurze Zweit später hätte er nur etwas zielsicherer sein müssen. Ansonsten: Welcome back, Shinji! Note: 2
Kevin Großkreutz: Ihm darf man eine auffällig gute Ballsicherheit nachsagen. Zudem noch zwei Tore erzielt. Note: 2+
Mario Götze: I can't find any words for this genialen Spieler. Note: 1+
Robert Lewandowski: Jürgen Klopp hat nicht unrecht, wenn er sagt, dass Robert als Passgeber der "Dosenöffner" des Spiels war. Eine gute Partie, wenn auch eher als zentraler Mittelfeldspieler, denn Sturmspitze. Note: 2+
Ivan Perisic: Durfte noch einmal für 15 Minuten ran, konnte aber nicht mehr spielentscheident mitwirken. Daher keine Note.
Kuba: Siehe Perisic, ebenso wie Kehl.
Trockenes zum Spiel
Borussia Dortmund: Weidenfeller, Piszczek, Santana, Hummels, Löwe (76. Perisic), Bender, Gündogan, Götze (76. Kuba), Kagawa (90. Kehl), Großkreutz, Lewandowski
Hamburger SV: Drobny, Diekmeier, Mancienne, Westermann, Aogo, Rincon, Kacar (73. Tesche), Töre, Guerrero (42. Ben-Hatira), Elia (46. Jansen), Petric
Tore: 1:0 Großkreutz (17., Götze), 2:0 Götze (29., Lewandowski), 3:0 Großkreutz (48., Götze), 3:1 Tesche (79.)
Schiedsrichter: Dr. Felix Brych (München)
Gelbe Karten: Lewandowski - Mancienne, Kacar, Rincon
Zuschauer: 80.720 (ausverkauft)
Stimmen
Chris Löwe: „Etwas schöneres, als in diesem Stadion
erstmals zu einem Pflichtspiel aufzulaufen, gibt es nicht. Das ist
wahrscheinlich einer der schönsten Tage in meinem Leben. Vor so einer
Kulisse war ich anfangs schon ziemlich nervös. Aber ich denke, das habe
ich ganz gut überspielt. Jetzt muss ich das ganze erst einmal sacken
lassen.“
Mats Hummels: „Wenn wir das noch
konsequenter durchgespielt hätten, dann wäre der Sieg noch deutlicher
ausgefallen. Wir haben das in den ersten 60 Minuten richtig gut gemacht.
Danach haben wir etwas nachgelassen und wurden mit dem Gegentor
bestraft. Das musste nicht sein. Der HSV stand sehr tief und ich glaube,
das ist ein Resultat aus der letzten Saison, denn der Respekt vor uns
war groß. Trotzdem hatten wir genug Räume, die Shinji, Kevin und Mario
optimal ausgenutzt haben.“
Jürgen Klopp: „Ich
war heute mit knapp 70 Minuten unseres Spiels sehr zufrieden. Wir waren
in der Offensive geduldig genug, um sauber in die Räume zu spielen. Aber
nach dem 3:0 waren wir zu unkonzentriert. Der Gegner hat sich
angesichts des dritten Gegentores massiert und diszipliniert aufgestellt
und wir haben danach solche Pässe vermissen lassen, die zum Beispiel
das 1:0 oder das 2:0 eingeleitet haben.“
Michael Oenning:
„Man darf durchaus neidlos anerkennen, wenn ein Gegner besser war. Das,
was Dortmund heute in der ersten Halbzeit gespielt hat, ist ein
Maßstab, den wir noch gar nicht leisten können. Ich bin mir auch nicht
sicher, wie viele Mannschaften dem etwas entgegenzusetzen haben. Schade
ist eigentlich nur, dass wir das erste Tor bekommen nachdem wir selbst
versucht haben, einen Angriff zu starten. Zu diesem Zeitpunkt waren wir
eigentlich hochkonzentriert und ich dachte, wir hätten die Anfangsphase
ganz gut überstanden. Es ist leider untergegangen, dass wir am Ende noch
ein reguläres Tor erzielt haben. Darüber hinaus kann man über die
mögliche Elfmetersituation sicherlich streiten. Die Tatsache, dass
Marcell Jansen noch die Chance hatte, das zweite Tor zu erzielen, hat
mir zumindest gezeigt, dass die Mannschaft noch in Takt ist.“
Guerriero, 6.8.2011