Superpott: Der Lack ist ab
Teil Zwei des Länderspielpausenüberbrückungsprogramms führte am Sonntag an die Castroper Straße. Aus Sicht des BVB verlief das Zusammentreffen der 1997er Mannschaften der Revierklubs ähnlich unerfreulich wie das Testspiel der aktuellen Mannschaft unter der Woche. Nach zwei derben Klatschen gegen die Altstars aus Bochum und GE mussten die Champions League Sieger sich mit dem dritten und letzten Platz beim „Superpott“ begnügen.
Ausgangslage und Randerscheinungen
Bei bestem Wetter hatten sich gerade mal 7.805 Zuschauer ins Ruhrstadion aufgemacht, obwohl die Tickets noch kurzfristig zu Schleuderpreisen beim Discounter verramscht worden waren und wegen des guten Zwecks so mancher Japaner im Stadion weilte. Wie die Kulisse zum ursprünglich avisierten Termin im Dezember ausgefallen wäre, möchte man sich da lieber gar nicht vorstellen. Während die Blauen nahezu komplett ohne Fans (aber dafür als einzige mit Manager) angereist waren, bekannte sich ein guter Teil des Publikums zu den schönsten Farben der Welt. Das Ruhrstadion besucht man als Dortmunder in Erinnerung an zahlreiche dort ausgetragene Heimspiele des BVB ja auch immer wieder gerne. Von daher ist dem VfL wirklich herzlich der Aufstieg zu gönnen. Die Dortmunder Anhänger präsentierten sich gut gelaunt und schmetterten so manchen Schlachtruf aus alten Zeiten. Demgegenüber war von den zahlenmäßig überlegenen Bochumern den ganzen Nachmittag kaum etwas zu hören.
Nachdem zum Auftakt des Rahmenprogramms ein möchtegern Bryan Adams die leeren Tribünen gerockt hatte, durfte dann Kasche mal wieder demonstrieren, wie neutral er in Sachen Fußball ist und gab, mit schwarz-weißem Schal geschmückt, die wohl schmalzigste YNWA-Version aller Zeiten zum Besten.
Dann wurden endlich die alten Helden auf den Platz gerufen. Es kamen durchaus wehmütige Erinnerungen an alte Zeiten auf, als die Dortmunder Recken einliefen. Namen wie Julio Cesar, Stéphane Chapuisat oder Karl-Heinz Riedle haben immer noch einen ganz besonderen Klang. Leider war bei einigen der alten Helden auch gleich auf den ersten Blick zu erkennen, dass ihre große Zeit schon einige Jahre zurück liegt, der körperliche Zustand rangierte zwischen fit und fett. So verkündete Youri Mulder zwar über die Stadionlautsprecher, er sei absolut fit, sein zeltartiges Trikot legte hingegen eher Zeugnis über die Anzahl der Frikandellen ab, die er seit seinem Karriereende verspeist hat.
Während die anderen Teilnehmer in neugestalteten Fantasietrikots aufliefen (das klassisch gelbe BVB-Jersey mit Traditionssponsorenaufdruck wusste wirklich zu gefallen) ließen es sich die Bochumer nicht nehmen, ihre alten Christopher-Street-Day Kostüme aus dem Schrank zu holen und eine der größten Modesünden der Bundesligageschichte wieder aufleben zu lassen.
Bemerkenswert beim Einlauf war dann noch das gellende Pfeifkonzert mit dem VfL Torwart und Manager Thomas Ernst im eigenen Stadion „willkommen“ geheißen wurde.
Borussia Dortmund – VfL Bochum 0:3
Schon als die Mannschaften Aufstellung nahmen, konnte man erkennen, dass die Bochumer der Zeit deutlich erfolgreicher getrotzt haben, als viele der Dortmunder Recken. Das Gerücht wonach die VfL Spieler während ihrer Karriere nicht genug verdient haben, um sich einmal ordentlich satt zu essen bzw. ihre Karriere nicht wirklich beenden konnten und immer noch durch den unterklassigen Fußball tingeln, ist sicher nicht wirklich haltbar, obwohl eine gewisse Tendenz offensichtlich schien.
Zudem waren einige angekündigte Dortmunder Spieler nicht erschienen (wie Flemming Povlsen, Paul Lambert und Jürgen Kohler) und andere prägende Figuren der 97er Mannschaft wie Stefan Kloß gar nicht erst angekündigt gewesen. Daher kamen auch Spieler zum Einsatz, die den BVB 1997 schon wieder verlassen hatten wie Günter Kutowski, Lothar Sippel und Günter Breitzke. Trotzdem war die BVB-Bank so gut wie unbesetzt, was sich als entscheidender Nachteil entpuppen sollte.
Doch zu Beginn konnten die Alt-Borussen noch zeigen, dass sie das Kicken nicht verlernt haben. Bereits nach drei Minuten zeigte das einstige Traumpaar Chappy&Riedle eine wunderbare Kombination und ließ den unbeliebtesten Bochumer Spieler das erste Mal fliegen. Schon bald übernahm aber der VfL das Kommando, insbesondere Dariusz Wosz hatte sich scheinbar mächtig etwas vorgenommen und dribbelte sich wiederholt durch die Dortmunder Abwehr. Zunächst war aber stets bei dem elegantesten Mann auf dem Platz (goldene Schuhe!), Julio Cesar Endstation. Immer noch ein Baum von einem Mann und von katzenhafter Geschmeidigkeit, seine früher beeindruckende Antrittsschnelligkeit hat er aber inzwischen eingebüßt. Doch Teddy de Beer konnte ein ums andere Mal demonstrieren, dass es sich auszahlt, wenn man immer noch täglich auf dem Trainingsplatz steht. Er fing einige vielversprechende Bochumer Angriffe noch ab.
Nach sieben Minuten war er jedoch machtlos. Wieder einmal trieb Wosz den Ball in den Strafraum und legte quer auf Reichel, der statt zu schießen den freistehenden Donkov anspielte, der wiederum ohne Mühe aus 8 Metern vollstreckte.
Beim nächsten Angriff zeigte Chapuisat dann gegen Stickroth seine unnachahmliche Technik, mit der er früher die Verteidiger reihenweise genarrt hat: Das Gesäß rausgestreckt, um den Ball abzuschirmen, wand er sich um seinen Gegenspieler, so dass dieser keine Möglichkeit hatte, an die Kugel zu kommen. Das funktionierte immer noch genau so gut wie früher. Kalle Riedle wirkte sogar noch fitter als der Schweizer, war aber zumeist damit beschäftigt, seine beeindruckende Frisur in Form zu halten.
Die Dortmunder waren allerdings sehr konteranfällig, da sich die Bereitschaft für den Spurt nach hinten im Anschluss an Ballverluste doch in engen Grenzen hielt. Immer wieder rollten Angriffswellen, zumeist initiiert vom überragenden Wosz auf die bedauernswerten Cesar und Kree zu. Nach 15 Minuten wusste sich Julio dann nicht mehr anders gegen Közle zu helfen, als ihn an der Schulter zu packen, nachdem er von ihm überlaufen worden war. Den fälligen Elfmeter verwandelte Heinemann ohne Probleme. Nur 5 Minuten später war der VfL erneut erfolgreich. Wosz legte mal wieder im Strafraum quer und diesmal fand er den freistehenden Közle, der nur noch einschieben musste.
Die Dortmunder agierten nun zunehmend konfus und waren mit dem Ergebnis noch ziemlich gut bedient. Alleine Közle hätte die Führung noch deutlich ausbauen können. Ein Lebenszeichen setzte dann doch noch mal Kalle Riedle ab, als er einen Ball aus 20 Metern direkt aufs Tor zog und Ernst in erhebliche Schwierigkeiten brachte.
Nach einer halben Stunde dann der absolute Tiefpunkt des Tages aus Dortmunder Sicht. Der gerade erst eingewechselte Kutowski bleibt mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen. Achillessehnenriss! So etwas möchte bei solch einer Spaßveranstaltung sicher niemand sehen. Von hier aus die besten Genesungswünsche an den sympathischen Manndecker der alten Schule. Kurze Zeit später musste dann auch Ned Zelic mit einem Muskelfaserriss ausscheiden und Trainer Michael Henke wechselte sich zum ersten Mal an diesem Nachmittag selber ein.
Dortmund versuchte sich noch an einigen schönen Kombinationen und insbesondere Chapuisat konnte unter Beweis stellen, dass der Ball immer noch sein Freund ist. Doch sein Schuss vom linken Strafraumeck, den Ernst mit Mühe wegfausten konnte, blieb die einzige wirklich Torchance, die noch für den BVB heraus sprang.
Letztlich war der 3:0 Erfolg des VfL hochverdient. Angetrieben vom ehrgeizigen Wosz ließen die Buntgescheckten die Borussen teilweise so aussehen, als bewegten sich diese in Superzeitlupe. Ehemals sprintstarke Spieler wie Stefan Reuter konnten ihren Gegenspielern nur noch hinterher schauen. Zudem bewegte sich die Bereitschaft nach hinten zu arbeiten, beim BVB nahe der Nulllinie. Sicher nicht verwerflich bei einem Spaßkick, aber wenn der Gegner was beweisen will, sieht man dann halt schon mal etwas doof aus.
Chronistenpflicht: Das Spiel Grau gegen Blau endete 1:0.
Borussia Dortmund – Gelsenkirchen 0:3
Nachdem auch Julio Cesar die Kraft (oder die Lust?) verlassen hatte, stand Michael Henke nun bereits in der Startformation. Im Trikot von Kutowski saß nun ein Voll-Untier auf der Bank. Selbst dieses sollte trotz offensichtlicher Ungeeignetheit später im Spiel zum Einsatz kommen. Angesichts der konditionellen Probleme, die viele BVB-Altstars bereits in den ersten 45 Minuten offenbart hatten, schwante einem nun wirklich Übles.
Dies sollte sich bewahrheiten. Auf Gelsenkirchener Seite demonstrierte der, bereits für die nächste Saison als Trainer der Dortmunder Amateure verpflichtete, David Wagner, dass er keine Ahnung von den Dimensionen der Rivalität hat, die zwischen seinem ehemaligen und dem zukünftigen Verein herrschen. Er ließ es sich nicht nehmen, gegen seinen künftigen Arbeitgeber anzutreten, bei dem auch noch sein direkter Vorgesetzter, Sportmanager Susi Zorc auf dem Platz stand.
Dortmund fand sich vom Start weg in die eigene Hälfte gedrückt wieder. Eine erste Großchance von Kläsener konnte de Beer vereiteln, indem er ihm den Ball vom Fuß stibitzte. Danach machte Ingo Anderbrügge (Trikotflock: DER HAMMER) seinem Ruf alle Ehre und verübte einen Mordanschlag auf die Tauben vom Tribünendach.
Kurze Zeit später war dann aber Schluss mit Lustig. Ein harmloses Schüsschen von Peter Sendscheidt bekam Co-Trainer Henke nicht unter Kontrolle und bugsierte es per Knie ins eigene Netz.
Dortmund startete nun einige wütende Angriffe, aber bis auf einen Knaller vom Mann, der damals den härtesten Bums der Liga hatte (gemäß Messung beim RTL Anpfiff), Martin Kree, kam wenig dabei herum. Auch Krees Schuss verfehlte, wenn auch knapp, das Tor, in dem mit Mathias Schober der einzige aktive Bundesligaspieler stand, der beim „Superpott“ zum Einsatz kam. Jens Lehmann hatte es verständlicherweise vorgezogen, den Kampf um den Stammplatz im Arsenal-Tor weiterzuführen und kurzfristig abgesagt.
Eine weitere Chance wurde von Chapuisat verschenkt, der nach einem Alleingang mit dem Versuch scheiterte, Schober den Ball durch die Beine zu schieben.
Nun arbeitete der neue Amateure-Coach daran, sich endgültig unbeliebt in Dortmund zu machen. Seine erste Chance wurde von de Beer per katzenhaftem Reflex abgewehrt. Im zweiten Versuch klaute ihm Lothar Sippel in letzter Sekunde den Ball. Sippel ließ es sich übrigens trotz der zahlreichen Verletzungen unter seinen Mannschaftskameraden nicht nehmen, mit herunterhängenden Stutzen zu spielen. Old school, Baby!
Nun griff auch noch der Schiedsrichter zu ungunsten der zunehmend entkräfteten Dortmunder ein und verwehrte ihnen einen Handelfmeter. Im Gegenzug hatte dann Wagner seinen großen Auftritt und verlud de Beer. Wenigstens den übertriebenen Jubel im Anschluss an sein Tor hätte er sich ruhig sparen können.
Nun war es endgültig vorbei mit dem BVB und Thomas Kläsener konnte noch das, objektiv betrachtet, schönste Tor des Nachmittags erzielen. Er stoppte eine Flanke mit der Brust und jagte sie volley in den Winkel.
Der Schiedsrichter hatte dann ein Einsehen mit den fertigen Gestalten in Schwarzgelb und pfiff die Partie einige Minuten zu früh ab.
Die Blauen wären für den BVB heute sicher eher zu packen gewesen als die fitten Bochumer. Doch nachdem man das Spiel lange offen gestalten konnte, machte sich am Ende der zunehmende Kräfteverschleiß aufgrund fehlender Wechselmöglichkeiten bemerkbar.
Insgesamt war es zwar schön, die alten Helden noch mal in Aktion erleben zu dürfen, aber der Anblick so mancher Recken verdeutlichte einem doch schmerzhaft, dass seit dieser tollen Zeit in den Neunzigern einige Jahre ins Land gegangen sind und man selber ebenso älter geworden ist, auch wenn man viele tolle Spiele von damals noch so klar vor dem geistigen Auge hat, als hätten sie erst gestern stattgefunden.
Borussia Dortmund 1997: Knut Reinhardt, Julio Cesar, Ned Zelic, Stefan Reuter, Michael Zorc, Stéphane Chapuisat, Teddy de Beer, Karl-Heinz Riedle, Martin Kree, Lars Ricken, Günter Kutwoski, Günter Breitzke, Lothar Sippel Co-Trainer: Michael Henke
Web 29.03.2011