BVB schlachtet Wiedenbrück
Mit 7:1 demütigten am Ende wie im Rausch spielende Borussen den Gastgeber des SC Wiedenbrück 2000 und setzten somit ein deutliches Ausrufezeichen in Richtung Liga. Insbesondere Mario Vrancic und Terrence Boyd überzeugten dabei mit wunderschönen Offensivaktionen.
Für viele Menschen erlangte Rheda-Wiedenbrück bisher hauptsächlich Bekanntheit durch eine Fleischfabrik, deren Chef sowie dessen bizarre Geheimverhandlungen in örtlichen Hotels mit Anwärtern auf diverse Pöstchen und Posten bei den Blauen. Oder glaubt tatsächlich irgendwer, dass Oliver Kahn seinen Lebtag noch mal freiwillig nach Rheda-Wiedenbrück, die Hauptstadt aller Würstchen und Schweinehälften, zurückkehren wird? Doch seit einiger Zeit wird beim SC Wiedenbrück auch leidlich erfolgreich gekickt, natürlich wie auch in Verl oder Lotte unter großer Anteilnahme der ostwestfälischen Wirtschaft (die Werbetafel hinter den beiden Trainern bei der Pressekonferenz verursachte akutes Augenflimmern ob der vielen Logos und Namen). All diese Vereine changieren in der Wahrnehmung irgendwie zwischen Dorfverein und Spielzeug der örtlichen Honoratioren. Wer es nötig hat... Allerdings muss man auch fairerweise zugeben, dass die Mitarbeiter im Stadion alle sehr nett und freundlich waren. Ist ja in Zeiten von akkustischen Attacken auch schon was.
Sportlich trafen im Jahnstadion an diesem Dienstagabend zwei Mannschaften aufeinander, für die es besser hätte laufen können zum Auftakt. Unsere Reserve verlor am Freitag auch das zweite Heimspiel (0:2 gegen Trier) und findet sich momentan da wieder, was einst jemand mal als Niemandsland der Tabelle definierte. Und auch Wiedenbrück kommt nicht richtig aus den Puschen, verlor mit 0:2 am letzten Wochenende durch zwei späte Tore bei der Zweitvertretung des Vereins, wo der hier in Wiedenbrück örtliche und stadtbekannte Metzger zugleich der Boss ist.
BVB stellt vierfach um
Personell musste Trainer David Wagner etwas umdisponieren. Focher sah bekanntermaßen gegen Trier die Rote Karte und Hornschuh (U 21 Deutschland) sowie Paurevic (U 21 Kroatien) sind gegenwärtig mit ihren Auswahlmannschaften unterwegs. Dafür spielten Langerak als Gast der Profis, Konstantin Fring in seinem ersten Saisoneinsatz sowie Onur Cenik und dazu auch noch Hervenogi Unzola. Denn der gegen Trier sehr schwache Möllering musste ebenfalls auf der Bank Platz nehmen.
Auf Seiten der Gastgeber nur wenige bekannte Namen. Vielleicht sagt einem der Name Marwin Studtrucker etwas, dessen Vater Stefan in den 90ern bei Arminia Bielefeld spielte und dort unter anderem mit Wiedenbrücks Trainer Thomas Stratos zusammen spielte. Zudem war Werner Schulze-Erdel heute mental mit von der Partie, gab es zwischen den Halstenberg-Brüder Benjamin (Wiedenbrück) und Marcel (BVB) heute doch ein Familienduell in den beiden Innenverteidungsreihen zu begutachten.
Die einlaufenden Mannschaften wurden schließlich zu irgendwelcher vermeintlich pompöser Musik auch von den wieder zahlreich anwesenden BVB-Fans begrüßt. Am schönsten auf dem ostwestfälischen Land ist es dabei immer, wenn die Dorfgemeinschaft sich darüber wundert, dass für eine zweite Mannschaft soviele Fans dabei sind. Da können auch die „Ultras Wiedenbrück“ oder der „Block 4840“ dann nicht mehr mithalten. Und der Trip lohnte sich direkt nach fünf Zeigerumdrehungen. Steilpass, Baykan, Boyd. Läuft. Die ersehnte frühe Führung bei einem sichtlich verunsicherten Gastgeber. Deren erste Gelegenheit hatte dann ausgerechnet Benjamin Halstenberg, mit dessen Fernschuss Langerak mehr Mühe hatte als eigentlich nötig. Aber ein Halstenberg ist eben kein Gomez. Naja, zumindest war die Stimmung auf der Haupttribüne jetzt auf dem Siedepunkt und nur noch mit den Emotionen beim Zapfenstreich auf dem letzten Fest der freiwilligen Feuerwehr Wiedenbrück vergleichbar.
Kapitän Hübner war es dann vorbehalten, nach 17 Minuten die nächste Gelegenheit für den Ballspielverein zu haben. Nach Freistoßflanke Hofmanns verlängerte er jedoch direkt in die Arme Hölschers. Weiter auch in Form: Die UvdA mit ihrem Liedgut und Trommelwirbel, auch wenn das Wetter umschlug und man nun den ostwestfälischen Regen genießen musste. Ob es am nassen Boden lag, dass Boyd nach 25 Minuten nur knapp per Außenrist frei vor Hölscher das Tor verpasste? Jedenfalls war das gewonnene Kopfballduell von ihn vorher sowie der darauf folgende Pass Treudes ein gelungenes Beispiel für das schnelle Direktspiel heute Abend.
Hölscher verhindert noch Schlimmeres
Dass kleine Torhüter nicht per se schlecht sein müssen, bewies dann SCW-Torwart Hölscher nach 32 Minuten, als er einen Volleyschuss Frings aus Nahdistanz sensationell parieren konnte. Und auch der Luftloch-Fallrückzieher Boachies im Anschluss war das Eintrittsgeld schon wert. Vorbereitet wurde diese Aktion übrigens ganz fein von Vrancic, der mit seiner Übersicht und Technik immer mehr an seinen älteren Bruder Damir zu erinnern vermag.
Der BVB absolut überlegen, doch bringt das nichts, wenn der Gegner einen Top-Torjäger in seinen Reihen hat, der nur eine Gelegenheit braucht. So verwertete Robert Mainka die Vorlage Jansens eiskalt und es stand völlig unverdient 1:1 (38.). Nur kurze Zeit später jedoch der postwendende Ausgleich des schwatzgelb-Lieblings Hervenogi Unzola, der in einen Fernschuss von Vrancic den Fuß reinhielt, auch nicht im Abseits stand und sich über sein erstes Profi-Tor freuen durfte. Gute Antwort unserer Jungs! Und das sollte es noch nicht gewesen sein, denn der SCW-Halstenberg machte dem Team seines Bruders ein Geschenk. Ganz böser Stockfehler am Mittelkreis und der überragende Vrancic lief allein aufs Tor zu, behielt die Nerven und sorgte für eine Art Vorentscheidung (43.).
Die zweite Halbzeit entwickelte sich von Beginn an wie weiter gewünscht. Wieder ein Ballverlust vom SCW, schnelles Umschaltspiel mit Doppelpass zwischen Boyd und Hofmann, der beim Abschluss das nötige Glück hat und zum 4:1 einschießen kann (51.). Der anschließende Jubel am Zaun mit den UvdA stellte das Jahnstadion infolgedessen hart auf die Probe. Und beim Stockfehler-Festival ging es munter weiter in Wiedenbrück. Diesmal legte Starostzik den Ball ungewollt für Boyd auf, der jedoch am Außennetz nach tollem Spurt scheiterte (61.). Kurz darauf rettete Hölscher dreimal (!) sehr stark gegen Vrancic und Hofmann (64.). Ihm allein war es inzwischen zu verdanken, dass dieses Spiel in Wiedenbrück nicht als „Debakel-Dienstag“ in die Annalen einging.
Gasecki mit Debüt
In der Folgezeit plätscherte das längst entschiedene Spiel so etwas vor sich hin und Trainer Wagner konnte personell etwas experementieren. So brachte er erstmals in dieser Saison Oscar Gasecki. Letztes Jahr noch College-Fußball in den Vereinigten Staaten, heute in Wiedenbrück. Auf- oder Abstieg? Einen Höhepunkt boten aber noch die beiden überragenden Akteure auf unserer Seite. Vrancic mit einem herrlichen Pass in die Schnittstelle auf den im Strafraum lauernden Boyd, der mit dem rechten Außenrist ganz trocken in die Ecke (84.). Und nur nur eine Minute später erneuter Fehler vom SCW in der Vorwärtsbewegung. Hofmann über rechts, Boyd in der Mitte artistisch mit einem Volleyschuss. Jetzt wurde es ganz bitter für den Gastgeber gegen eine nun im Rausch spielende Borussia.
Und die ultimative Demütigung dann kurz vor Schluss, als Hübner nach einer Ecke parallel zur Torlinie lief, Hölschers Bewegung abwartete und dann mit Außenrist in die kurze Ecke verwandelte. So kann es doch weitergehen! Richtig geil, gerade für die mitgereisten Anhänger unserer spielstarken Reserve.
Wird Ida aus Oberstein am Sonntag um 14 Uhr in der Roten Erde auch vermöbelt werden? Findet es heraus und kommt vorbei!
Stimmen zum Spiel
Marcel Halstenberg: Es gab keine Wette mit meinem Bruder vor dem Spiel. Ich bin ganz normal in das Spiel reingegangen und wollte natürlich vor allem die Defensive mitreißen. Das Gegentor war natürlich sehr ärgerlich und in der Kabine hat der Trainer dann auch die Stimme erhoben, dass wir defensiv mehr aufpassen müssen. Am Ende haben wir Wiedenbrück dann läuferisch überrannt. Allerdings haben sie sich nach dem 1:4 dann auch aufgegeben.
Konstantin Möllering: Gegen Trier war das natürlich alles sehr unglücklich (zur Info: Möllering wurde in Folge der Roten Karte gegen Focher ausgewechselt für Alomerovic) für mich, wobei ich auch da eigentlich mit meiner Leistung zufrieden war. Heute haben wir gewonnen im Gegensatz zum Spiel gegen Trier, weil wir diesmal unsere Chancen genutzt und danach weiter gekämpft haben. Wir sind jetzt auf dem steigenden Ast und kriegen endlich Konstanz rein. Spielerisch stark sind wir schließlich eh.
David Wagner: Mit der ersten Halbzeit war ich nicht einverstanden. Das Beste war daran das Resultat. Wir hatten große Schwierigkeiten, denn Wiedenbrück stellte uns insbesondere in unserer Defensive vor große Probleme. Auch bekamen wir keinen Zugriff, vor allem auf deren beide Sechser. Allerdings hatten wir eine gute Chancenverwertung. In der zweiten Halbzeit war es dann gut von uns. Wir haben schnell umgeschaltet und waren laufstark. Es war heute insgesamt ein verdienter Sieg, wenn auch mit zwei, drei Toren zu hoch ausgefallen.
Thomas Stratos (Trainer SCW): Es ist nach einem 1:7 natürlich schwierig, noch irgendwas zu sagen. Ich könnte jetzt irgendwelche Dinge schönreden. Die erste Halbzeit war zwar in Ordnung, aber auch da hatte ich immer Angst, dass bei Ballverlust was passiert. So war es dann auch und wir haben das 1:2 einfach zu schnell kassiert. Und alle Gegentore sind aus unseren Fehlern heraus entstanden. Wir waren schwach im Aufbauspiel und in der Rückwärtsbewegung. Der BVB war einfach beweglicher. Aber ob ich 1:3 oder 1:7 verliere, ist mir egal. Da ändert sich nicht viel. Wir hätten auch 1:8 oder 1:9 verlieren können. Das juckt mich nicht.
Terrence Boyd: Im Vergleich zum letzten Spiel war es viel besser. Wir haben unsere Chancen gut genutzt. Ich muss der Mannschaft ein Kompliment machen. Es war leicht für mich zu treffen, weil wir einfach richtig gut gespielt haben. Heute lief es super für mich, das war wie im Traum. Das müssen wir für die nächsten Spiele mitnehmen und dann schauen, was heraus kommt.
Mitchell Langerak: It was good for the boys to win this. Did we score six or seven goals? We gave a good performance. For me personally it was good to play 90 minutes to get back into the string of playing regularly. I had a quiet time tonight. The boys in front of me kept it very quiet, which is what you want as a goalkeeper. There is no game with the socceroos during this break, but my ambition is to be involved in the socceroos. So when the call comes, I'll be ready.
Daten zum Spiel
SC Wiedenbrück 2000 (4-2-3-1): Hölscher – Boachie (46. Starostzik), B. Halstenberg, John, Rogowski – Kickermann (78. Studtrucker), Leeneman – Aosman (46. Thöle), Mainka, Dayangan – Jansen
BVB II (4-2-3-1): Langerak – Hübner, Cenik, M. Halstenberg, Unzola – Fring (79. Gasecki) Vrancic – Hofmann, Baykan (86. Benatelli), Treude (68. Möllering) – Boyd
Tore: 0:1 Boyd (5., Linksschuss, Vorarbeit Baykan), 1:1 Mainka (38., LS, Jansen), 1:2 Unzola (40., irgendein Fuß, Vrancic), 1:3 Vrancic (43., LS, Vorarbeit SCW-Halstenberg), 1:4 Hofmann (51., RS, Boyd), 1:5 Boyd (84., RS, Vrancic), 1:6 Boyd (85., LS, Hofmann), 1:7 Huebner (89., LS, ohne Vorarbeit)
SR: Schwermer (Magdeburg)
Zuschauer: 1.086 (fast 200 davon im Gästeblock)
Chancen: 1:11
Ecken: 4:3
Gelbe Karten: Thöle (78., Foulspiel) - Fring (59., Foulspiel)
Malte, 30.08.2011