"Borussia Dortmund ist mein Superheld"
schwatzgelb.com, unsere englischsprachige Seite für all die Fans, die aus dem Ausland unsere Borussia verfolgen, versucht tiefere Einsichten in das Leben der Fans zu bekommen, die nicht in Deutschland leben und für die eine Reise zum Westfalenstadion nicht nur ein kurzer Sprung, sondern eine einzigartige Geschichte ist.
Wegen dieser einzigartigen Geschichte sprachen mit Markku Korhonen, einem BVB-Fan aus Finnland. Markku ist aber nicht nur BVB-Fan, er machte sein Hobby zum Beruf und arbeitet also... ach, das kann er am besten selber erzählen.
schwatzgelb.com: Hallo Markku, schön mit Dir zu sprechen.
Markku Korhonen: Es ist mein Vergnügen, eine Ehre, mit schwatzgelb.de zu sprechen.
schwatzgelb.com: Zu allererst, kannst du uns zuerst ein paar Informationen zu Dir selbst geben?
Markku Korhonen: Nun, ich bin Markku, 32 Jahre alt und ich komme aus Tampere, der zweitgrößten Stadt in Finnland. Tampere liegt so ca. 170 km nordwestlich von Helsinki. Ich lebe dort mit meiner süßen Frau Noora, meinem Hund Amelie und meinen Katzen Torsten und Mathilde. Torsten wurde nach Torsten Frings benannt, er war mein Lieblingsspieler vor einigen Jahren. Mein halbes Leben, also seit dem ich 15 bin, bin ich BVB-Fan. Seit fünf Jahre arbeite ich bei der Finnischen Fußball-Liga (in Finnish Veikkausliiga). Ich bin dort Kommunikationsdirektor und verantwortlich für Marketing und Kommunikation und für alles, was mit dem Fernsehen zu tun hat. Das bin ich in aller Kürze.
schwatzgelb.com: Du lebst in Finnland. Wie kommt es, das Du Fan von Borussia Dortmund bist?
Markku Korhonen: Es begann 1993, als der BVB im UEFA Cup Finale gegen Juventus Turin spielte. Eines der Spiele sah ich im Fernsehen. Sie verloren die Spiele mit 0:3 und 1:3, aber irgendwie hatte es mich umgehauen. Vielleicht waren es die unglaublichen neongelben Trikots, vielleicht war es aber auch der Name des Clubs, der so unglaublich mächtig klang. Oder vielleicht auch, das mein Held der Italien-WM 1990, Stefan Reuter, dort spielte. Was auch immer der Grund war, es traf mich einfach! Wie auch immer, es war einfach unmöglich, in der Pre-Internet-Ära irgendwelche Informationen über den BVB oder die Bundesliga zu bekommen. Glücklicherweise wurden sie 1995 Meister und ich konnte sie regelmäßig in der Champions League sehen. Am Anfang des Jahres 1996 trafen sie im Viertelfinale auf Ajax Amsterdam und Ajax war ein großer Name in Finnland, weil Litmanen dort spielte und so wurde das Spiel live im Finnischen Fernsehen gezeigt. Ajax interessierte mich überjaupt nicht, ich wollte nur den BVB sehen. Borussia verlor 0:2, aber das war der endgültige Wendepunkt. Nach dem Spiel verfolgte ich Borussia von Woche zu Woche. Heute ist der BVB ein wichtiger Teil meines täglichen Lebens. Er macht mich glücklich oder traurig, läßt mich weinen oder schreien vor Glück. Er ist ein Teil von mir.
schwatzgelb.com: Beeinflusst Dein Job Dein Fansein und, falls ja, in welcher Weise?
Markku Korhonen: Ich habe mir selbst versprochen, falls mein Job irgendeinen Einfluss auf mein Fansein hat, werde ich mir einen anderen Job suchen. Ich meine, wenn ich merke, das ich das Spiel nicht genießen kann wegen meinem Job, muss ich aufhören. Das ist ein Prinzip. Ich habe auch entschieden, das ich meinen Job dafür nicht ausnutzen werde. Wegen meinem Job in der finnischen Liga wäre es sicher möglich, einige Freikarten zu kommen oder einige VIP-Annehmlichkeiten während der BVB-Spiele. Ich tue das nicht. Ich möchte meine Tickets kaufen und auch bezahlen, mein altes Trikot tragen und wie immer meinem Club zusehen.
Allerdings gab es einen lustigen Zwischenfall wegen meines Jobs. Vor ein paar Jahren nahm ich an einer Sitzung der EPFL (Zusammenschluß der europäischen Fußballigen) teil. Sie fand in Frankfurt statt, in der DFL-Zentrale. Borussia hatte ein Heimspiel am gleichen Tag und so entschied ich mich, nach Dortmund zu fahren, bevor ich nach Hause flog. Nach dem Treffen rannte ich mit einem Vertreter der schwedischen Liga zum gleichen Wagen. Ich entschuldigte mich und zog meinen schwarzen Anzug aus. Unter dem Anzug hatte ich den ganzen Tag mein BVB-Trikot getragen und wegen des engen Terminplans war ich in wirklicher Terminnot, um den Zug nach Dortmund noch zu erwischen. Ich erklärte dem Schweden, das ich meinem Club zusehen werde, stieg am Bahnhof aus und lies meinen Anzug zurück. Der Boss der schwedischen Liga sah doch irgendwie sehr verblüfft aus.
schwatzgelb.com: Die englische Premiere League ist die bekannteste Fußballiga der Welt. Wie wird die Bundesliga in Finnland wahrgenommen und welche Möglichkeiten hast Du, die Bundesliga in Finnland zu sehen?
Markku Korhonen: Die englische Krankheit ist tatsächlich tief in Finnland verwurzelt. Der englische Fußball wird hier seit Ewigkeiten gezeigt und englische Clubs haben in Finnland mehr Fans als unsere eigenen Clubs. Die Bundesliga ist weniger bekannt, aber ich glaube, dass sie in den letzten Jahren an Bekanntheit gewonnen hat. Die Leute wissen, dass der Zuschauerschnitt in der Bundesliga weltweit am höchten ist und die Atmosphäre großartig ist. Zudem hat ja ein ganzer Teil Finnen in der Bundesliga gespielt, wie zum Beispiel Sami Hyypiä, Mikael Forssell, Petri Pasanen, Jari Litmanen (in Rostock), Mika Nurmela (Kaiserslautern) und Janne Saarinen (1860 München).
Ein weiterer Grund ist die Präsenz der Bundesliga im TV. Vor ungefähr zehn Jahren gab es überhaupt keine Bundesliga im TV, doch dann begann ein Kanal ein oder zwei Spiele pro Woche zu zeigen. Ich kenne einige von den Leuten, die dort arbeiten und versuche sie davon zu überzeugen, die BVB-Spiele zu zeigen. Manchmal ist mir das auch geglückt. Im letzten Jahr kaufte Eurosport die Bundesligarechte für Skandinavien und die Anzahl der Spiele, die im TV gezeigt werden, hat sich vervielfacht. Im Moment gibt es fünf Spiele pro Spieltag im TV und es ist sehr einfach, die Spiele im Internet zu verfolgen. Die Kosten dafür sind sehr niedrig. Die gesamte Saison inklusive aller Spiele und einem Archiv kostet nur 35 Euro pro Jahr. In dieser Saison wurden bis auf zwei Spiele alle BVB-Spiele live gezeigt. Ich kann Euch sagen, das ich mich schon sehr verwöhnt fühle zur Zeit.
schwatzgelb.com: Wie und mit wem verfolgst Du Borussias Spiele?
Markku Korhonen: Normalerweise schaue ich die Spiele zu Hause, denn alle Sportbars sind voll mit der Premier League. Meine Spieltage sind wirklich lang und voll mit meinen eigenen Regeln. Wann auch immer der BVB ein Spiel gewinnt, gehe ich am nächsten Spieltag schwimmen und zwar in einem See, nicht in einem Hallenbad oder ähnlichem. Da ist eine öffentiche Sauna in der Nähe eines Sees und dort wird ein Loch in das Eis geschlagen, um schwimmen zu können. Vor dem letzten Spiel in Frankfurt im letzten Jahr, kurz vor Weihnachten, waren es -24 Grad. Da stehst Du dann im Schnee und springst in kaltes Wasser. Ich sage Euch, das ist kalt! Aber es ist eine schöne Vorbereitung und danach fühlt man sich richtig warm. Ich kann es nur empfehlen.
Nach der Entspannung, dem Schwimmen und der Saunasitzung konzentriere ich mich auf das Spiel und höre das Album "God Hates us all" von Slayer. Ich höre es seit 2003 und tue es seitdem regelmäßig. Ich höre es immer von CD. MP3s lassen Borussia verlieren. Ausserdem höre ich mir die Lieder immer in der gleichen Art und Weise an. Zuerst nur Teile von ihnen, dann ein wenig mehr und dann einige Auserwählte am Ende. Normalerweise höre ich nicht so Musik wie von Slayer oder so. Aber das passt dann gerade, sie lässt den Puls steigen und erlaubt dir, dich auf das wesentliche an dem Abend zu konzentrieren.
Während der Spiele bin ich 100% konzentriert, aggressiv und auch ein bisschen nervös. Ich schreie und fluche laut herum, feiere die Tore furchtbar laut und singe normalerweise "Wer wird Deutscher Meister" oder "Der BVB ist wieder da" zum Schluß. Hofffentlich kann ich das auch bis zum Ende der Saison singen. Die Siege über München und Kaiserslautern haben mich zu Tränen gerührt. Die Niederlage in Frankfurt hat mein Wochenende ruiniert und ich fühlte mich tagelang "down". Ich mag es, die Spiele allein zu schauen, denn die meisten Besucher scheinen eher mich zu beobachten als das Spiel. Ausserdem versuchen sie über andere Dinge zu reden, aber meiner Meinung nach kannst du nur über das Spiel reden, solange es läuft.
schwatzgelb.com: Lass uns nochmal auf Deinen Job oder besser Deinen Arbeitgeber zurückkommen. Wie ist die Situation des Fußballs in Finnland? Wenn Du eine Reihenfolge mit den populärsten Sportarten aufstellen müsstest, wo siehst Du den Fußball und hat Fußball irgendeine Signifikanz im täglichen Leben?
Markku Korhonen: Zunächst einmal muss ich etwas über Finnen und die Art, wie sie leben erzählen. Finnen sind offensichtlich anders als alle anderen Europäer - in einer bestimmten Art und Weise. Aus irgendeinem Grund sind sie nicht stolz auf ihre Wurzeln und ihre regionalen Besonderheiten. Die Leute unterstützen ihre Heimatstadt, ihre Mannschaft und die Jungs aus ihrer Stadt nur, wenn sie etwas Großes gewinnen. Vorher glaubt niemand an sie und nachher ist es klar, dass sie nie wieder gewinnen. Als der BVB in Schwierigkeiten war, standen die Fans hinter ihrer Tradition, respektierten sie und rückten noch enger zusammen. In Finnland hätten viele Leute dem BVB den Rücken zugekehrt. Sie hätten nicht geglaubt, dass der Club eines Tages an die Spitze zurückkehren könnte. Diese Mentalität sitzt tief in den Leuten drin. Wir glauben und sind stolz auf Manchester United. Aber wir glauben nicht an unsere regionalen Fußballclubs, wir wollen nicht Teil von ihnen sein. Traurigerweise bin ich teilweise gleich. Ich bin Fan eines auswärtigen, wirklich großen Fußballvereins. Es könnte auch anders sein. Ich hätte auch ein echter Fan eines lokalen Clubs werden können in den Neunzigern. Das Problem ist aber, wie hätte ich ein echter Fan eines solchen Vereins werden könnten, denn es gibt nur ein paar, die genauso sind wie ich. Es gibt hier keine Tradition, ein Fan zu sein.
Für den Fußball bedeutet das, dass unsere Vereine nicht viele richtige Fans haben. Viele Leute sagen, das liegt daran, dass die Vereine nicht genug für ihre Fans tun. Das ist teilweise wahr, viele Vereine tun so gut wie nichts für ihre Fans. Aber das ist auch nicht die ganze Wahrheit. Was tat der BVB vor siebzig, achtzig, neunzig Jahren, um so populär zu werden? So gut wie nichts, würde ich sagen. Ich glaube, die Leute betrachteten Borussia als einen Teil von sich selbst, sie waren stolz darauf, aus Dortmund zu sein und brauchten Symbole, um das auch zu zeigen. Sogar Hockey-Vereine, die traditionellerweise größer sind und mehr Fans als Fußballvereine haben, leiden unter dieser finnischen Mentalität. Wenn ein erfolgreicher Hockeyclub Probleme hat, kehren viele Leute ihm den Rücken zu. Nicht alle, aber viele und sie kommen erst zurück, wenn sie wieder anfangen zu gewinnen. In diesem Sinne bin ich wohl anders als ein gewöhnlicher Finne. Der Stand der Tabelle berührt meine Beziehung zum BVB nicht. Wenn er in Schwierigkeiten ist, bin ich wahrscheinlich noch versessener auf ihn.
Der Status des Fußballs in Finnland ist interessant. Wenn man sich die Anzahl der aktiven Spieler anschaut, ist es bei weitem die populärste Sportart in Finnland. Wir haben doppelt so viele lizensierte Spieler im Fußball als im Hockey. Eine halbe Millionen Finnen spielen jede Woche Fußball, das sind 10% der Bevölkerung. In den Medien und im Fernsehen ist Fußball ebenfalls die Nummer Eins. Aber abgesehen davon ist Fußball nicht Teil eines jeden Tages. Die Leute spielen zwar Fußball, leben ihn aber nicht. Sie schauen die Champions League, aber nicht den einfachen Fußball. Sie mögen Manchester United und Barcelona gleichzeitg, lieben sie aber nicht. Fußball ist hier mehr eine Sache der Unterhaltung als der einer Religion oder eine Art zu leben.
schwatzgelb.com: Im September2010 starteten die Fans des BVB die Aktion „Kein Zwanni für nen Steher". Wie ist die Ticketsituation in Finnland und was denkst Du über die Situation?
Markku Korhonen: Wenn ich aus dem Ruhrgebiet kommen würde und von klein auf Fan wäre, würde ich wahrscheinlich genauso denken. Aber ich sehe das ein wenig anders und das mag auch mit meinem Job zu tun haben. Meiner Meinung nach sind die Karten in Deutschland immer noch sehr billig. Heutzutage kann man doch mit 20 € eigentlich gar nichts mehr machen und 60 € für einen Platz auf der Hauptribüne (den Preis, den ich beim letzten Mal bezahlt habe) ist sicher viel Geld, aber auf der anderen Seite auch verständlich. Ich bin natürlich anders als die Fans aus Dortmund und Umgebung. Ich komme aus 1500 km Entfernung und das kostet mich einige hundert Euro, so das es für mich kein Unterschied ist, ob dass Ticket jetzt 20 oder 60 € kostet.
Im größeren Rahmen sind die vollkommen überteuerten Ligen wie die Premier League oder die kreditfinanzierten Clubs wie all diese Barcelonas das Problem. Sie scheinen andere Regeln zu haben als zum Beispiel der BVB und so kann er nicht wirklich mit ihnen mithalten. Wenn diese Krösuse weiterhin ihre Fans ausnehmen oder es ihnen erlaubt wird, noch mehr auf Kredit zu leben, wird sich die Kluft weiter öffnen. So finde ich die Initiative auf regionaler Ebene gut und im internationalen Vergleich sind die deutschen Ticketpreise wirklich kein Problem.
In Finnland sind teure Tickets wirklich kein Problem. Ich habe nochmal die Statistik angeschaut und das teuerste, reguläre Ticket (ohne VIP-Karten) kostete 27 € bei all unseren 14 Clubs. Ich glaube, wir haben ein ganz anderes Problem. Wir haben keine ausverkauften Spiele und die Preise sind eigentlich zu niedrig. Das macht Fußballtickets minderwertig, sie haben keinen wirklichen Wert. Das sind verschiedene Welten. Unsere Welt in Finnland ist komplett anders als die in Deutschland oder England.
schwatzgelb.com: Hast Du in Finnland einen Lieblingsclub und wenn ja, wie ist seine Situation?
Markku Korhonen: Borussia Dortmund ist absolut mein Club. Ich fühle auch Sympathien für einige andere Clubs, aber die haben mich nie so erreicht. Mein Favorit in Finnland ist Kuopion Palloseura, KuPS. Sie sind auch schwarz und gelb und waren in der letzten Saison zweiter. KuPS ist einer unserer tradionsreichsten Clubs. Sie haben eine ganze Reihe der besten Spieler Finnlands aller Zeiten herausgebracht und waren ein richtiger Kraftprotz im finnischen Fußball vor einigen Dekaden.
schwatzgelb.com: Zurück nach Dortmund. Ich habe von einer Fahrrad-Story gehört, magst Du das erklären?
Markku Korhonen: Oh ja, ich bin schon auf vielen verschiedenen Wegen nach Dortmund gekommen. Mit meinem eigenen Wagen, dem Flugzeug, dem Zug und sogar mit dem Bus. Aber meine allererste Reise machte ich mit dem Rad und es dauerte zwei Wochen. Ich startete im Juli 2000 und endete beim ersten Saisonspiel gegen Hansa Rostock (Heiko Herrlich traf zum siegbringenden 1:0). Ich weiß, dass es verrückt klingt, mit dem Rad von Finnland zum Spiel zu kommen. Aber viele Leute machen noch viel längere Trips im Sommer mit dem Rad, also war das meiner Meinung nach gar nicht so verrückt. Aber was war dann mein Grund? Nun, es war meine allererste Reise nach Dortmund und zum Westfalenstadion. Ich war seit Jahren Fan, aber einfach hinzufliegen und das Spiel anschauen, klang viel zu einfach für mich. Ich musste beweisen, dass ich es ernst meinte und das war mein Weg, das zu tun.
Die Reise selbst war nicht so schwer. Ich bin 1400 km durch Finnland, Schweden und Deutschland gefahren, hatte aber schon 3000 km Training in diesem Sommer absolviert. Der beste Teil der Reise war natürlich das 1:0 gegen Rostock, aber da war noch soviel mehr. Die eine Nacht schlief ich in einem Fünf-Sterne-Hotel und in der anderen Nacht wusste ich nicht, wo ich schlafen sollte. Ich versuchte, draußen zu schlafen, aber es fing an zu regnen. Also kletterte ich in eine Altpapiertonne und verbrachte den Rest der Nacht dort. Am nächsten Morgen fühlte ich mich nicht sehr frisch, aber ich fuhr 90 km im Regen. Ich hatte keine Karte und verfuhr mich oft. In Hamburg konnte ich den Ausgang aus dem Hafen erst nach zweieinhalb Stunden finden. Ich sah hunderte Kilometer mit tollen Landschaften und traf einen ganzen Haufen netter Leute. Das war es absolut wert. So nebenbei: Wenn Dortmund am Ende dieser Runde immer noch die Tabelle anführt und immer noch „Wer wird Deutscher Meister?" singt, mache ich ein Meisterschaftsversprechen. Zum einen verspreche ich, das sich zu einem Heimspiel der Saison 2011/12 wieder mit dem Rad anreisen werde und ausserdem verspreche ich, darüber einen Artikel für schwatzgelb.de zu schreiben.
schwatzgelb.com: Das klingt großartig! Wie viele Spiele kannst Du pro Saison sehen? Gibt es irgendwelche verrückten Stories dazu?
Markku Korhonen: In der letzten Saison verpasste ich zwei Spiele, aber ich habe mir vorgenommen, in dieser Saison jede Sekunde zu sehen. Die meisten natürlich am TV, aber auch einen Teil von ihnen live in Dortmund. Ich war im Dezember gegen Bremen da und ich werde beim letzten Spiel der Saison da sein - koste es, was es wolle. Normalerweise bin ich zweimal im Jahr in Dortmund. Vor drei Jahren habe ich zehn Spiele gesehen. Das war wirklich hart. Ich musste alle zwei Wochen reisen. Das klang für mich so langweilig, dass ich mich entschied, so viele Transportmöglichkeiten wie möglich auszuprobieren. Ich reiste die 1500 km also per Flugzeug, meinem eigenen Auto und mit einem Bus durch Lettland, Litauen und Polen. Mit dem Zug war es nicht so einfach. Es dauerte pro Richtung jeweils zwei Tage und ich musste vier Nächte am Stück in einem Boot oder Zug übernachten. Ich kam früh am Spieltag in Dortmund an, verbrachte den Tag schwimmend im Südbad, sah mir an, wie sie Rostock erneut 1:0 schlugen, ging zu einer Party meines lokalen Freundes und stieg gegen Mitternacht wieder in den Zug. Nicht gerade die entspannenste Art und Weise zu reisen.
Aber die Busreise war härter. Es klingt komisch, aber es gibt eine direkte Busverbindung zwischen Tallin in Estland und Dortmund. Abfahrt ist um 7.00 Uhr und man kommt in Dortmund um 17.00 Uhr am nächsten Tag an. Das Verrückte aber ist, dass der Bus nicht für ein Frühstück oder Mittagessen anhält. Ich wusste das nicht und hatte nur ein wenig Brot und eine Flasche Wasser dabei für 34 Stunden. Der Bus war voll und niemand sprach eine Sprache, die ich verstehen konnte. In der Nacht war es sehr kalt im Bus, ich fror. Und die ganze Zeit wurde wie verrückt auf den engen, kaputten Straßen in Osteuropa gefahren. Um 11.00 Uhr, nach 16 Stunden konnte ich einfach nicht mehr. Der Bus lies mich in Braunschweig raus. Ich frühstückte ordentlich, trank ein Bier und nahm einen Zug nach Dortmund. Gott sei Dank gewann der BVB und mein Elend war es wert gewesen.
schwatzgelb.com: Das DFB-Pokalfinale in Berlin war eines der wenigen Highlights in der Pre-Klopp-Ära. Wie hast Du es erlebt?
Markku Korhonen: Das war die Saison, in der ich zehn Mal da war. Zum Pokalfinale kam ich mit dem Auto und verbrachte einen Woche mit meiner Frau dort. Sie war sehr glücklich mitzukommen, aber nicht so glücklich damit, wie ich aussah. Vor dem Halbfinale versprach ich, zum Finale mit dem sogenannten Vokuhila mit Schnäuzer zu gehen. Nun, ich trug das traditionelle "Vorne kurz-hinten lang" mit Schnurrbart. Oh man, ich sah furchtbar aus.
Ich wollte mir eine Karte über das Internet kaufen, aber mein Freund hier, Henning, sagte mir, ich solle das nicht tun. Lass uns zuerst den BVB fragen, sagte er und schrieb eine E-Mail, in der stand, dass ein verrückter Finne eine Karte kaufen möchte. Der BVB machte das möglich und ich bin immer noch sehr dankbar dafür. Also hatte ich eine Karte, aber meine Frau musste draußen warten. Sie war sehr geschockt, als sie die Armee der Schwarzgelben in Berlin erblickte.
Die Nacht verbrachten wir auf einer Fähre zwischen Rostock und Helsinki. In dieser Nacht wurde ich 30 Jahre alt. Und das war auch meine Ausrede dafür, so oft nach Dortmund zu fahren. Ich sagte meiner Frau, dass dies die letzten Momente meines Jungseins sein würden und ich sie so verbringen möchte, pendelnd zwischen Finnland und Borussia. Heute brauche ich neue Ausreden. Sehr schade, dass es damals als Geburtagsgeschenk keinen Pokalsieg zu feiern gab.
schwatzgelb.com: Kannst Du uns etwas über Deine Beziehung zu Deutschland erzählen? Welche Rolle spielt der Fanclub „Goldener Oktober Unna"?
Markku Korhonen: Das erste Mal, dass ich dem Goldenen Oktober begegnete, war 1995 oder 1996. Das war, als ich das allererste Mal das Internet benutzte, was zu dieser Zeit etwas komplett Neues war. Ich öffnete also Yahoo oder Altavista oder eine andere Suchmaschine aus dieser Zeit. Das erste, was ich im Internet tat, war „Borussia Dortmund" zu schreiben. Die Maschine fand eine ganze Reihe von Seiten. Die zweite war die offizielle BVB-Seite (die noch sehr einfach war), aber die erste war die Homepage vom Goldener Oktober. Ich öffnete sie und begann die Geschichten über Auswärtsfahrten zu lesen und schaute mir die Bilder an. Alles, was ich in Finnland über die Bundesliga sehen konnte, war ein wöchentliches Magazin der Deutschen Welle, also begann ich, den BVB über seine eigene Internetseite und die Seite von Goldener Oktober zu folgen. Das habe ich über Jahre hinweg gemacht.
Im Sommer 2000 wollte ich zum ersten Mal hinfahren. Damals konntest du nicht einfach eine Karte im Internet kaufen. Es war wirklich schwierig, überhaupt an irgendwelche Ticketinformationen zu kommen. Also entschied ich mich, mich an Goldener Oktober zu wenden und schrieb eine E-Mail an Hennig Schlüter, einem der Hauptverantwortlichen und schilderte meine Situation. Er antwortete mit einer Mail, mit der er mir ein gescanntes Bild der Karte schickte, die er für mich gekauft hatte. Nun, nach einem Jahrzehnt, treffe ich sie immer noch regelmäßig, wenn ich Dortmund besuche. Ich bin Henning und all den anderen wirklich sehr dankbar für ihre Hilfe und dafür, mich aufzunehmen. Das sind großartige Leute!
Wie ich Deutschland insgesamt finde? Ich mag es. Ich mag es sehr. Es gibt sehr viele großartige Dinge in Finnland, wie zum Beispiel das Schwimmen in gefrorenen Seen im Winter, aber viele Dinge sind auch besser in Deutschland. Das Bier, das Essen, die Wohnungen, die Autos und viele andere Dinge sind billiger dort. Der beste Club der Welt spielt dort. Entfernungen zu anderen Plätzen in Euroa sind komplett anders. Und es ist nicht so dunkel im Winter. Ihr könnt nicht wissen, wie dunkel es in Finnland im späten November ist, bevor der Schnee fällt. Ich kann Deutsch ganz gut lesen und vielleicht auch ein wenig sprechen, wenn ich ein wenig üben würde.
Ich habe mein Austauschsemester in Köln verbracht, aber ich habe nicht wirklich studiert, sondern konzentrierte mich voll und ganz auf den BVB und Fußball. In diesem halben Jahr sah ich 53 Spiele live, wovon 30 BVB-Spiele waren. Meine Frau und ich planen irgendwann einmal nach Deutschland zu ziehen. Das Ziel wäre dann die Gegend rund um Köln, weil sie Finnischlehrerin ist und es gibt eine Fakultät für skandinavische Sprachen an der Universität Köln. Das ist einer meiner größten Träume. Nicht nach Deutschland oder Köln zu ziehen, aber in der Lage zu sein, jedes einzelne Heimspiel und vielleicht das ein oder andere Auswärtsspiel zu sehen.
schwatzgelb.com: Ok, Zeit für die Saisonvorhersage: Wer gewinnt den Titel?
Markku Korhonen: Das ist einfach. Deutscher Meister wird nur der BVB! Es ist definitiv noch nicht vorbei, aber ich glaube daran und das Team glaubt auch daran. also wird es passieren. Viele Leute sagen, man soll nicht feiern, bevor man wirklich etwas gewonnen hat. Aber man sollte sich selbst erlauben, zu träumen, froh zu sein und zu singen. Das macht dich nur stärker! Wenn wir Meister werden, wird das etwas ganz Besonderes für mich. 2002 konnte ich nicht so viele Spiele sehen und folgte allem, so gut es ging. Natürlich habe ich auch gejubelt, aber nach all den Jahren und all den Mühen wird dieses Mal für mich soviel größer sein.
schwatzgelb.com: Auch wenn Borussia die Bundesliga gerade dominiert... was würde passieren, wenn der BVB es nicht schafft?
Markku Korhonen: Naja, da wird kein einziger Konkurrent mehr von hinten kommen. Ich glaube nicht mehr daran. Der einzige Weg, den Titel noch zu verlieren ist, ihn selbst noch aus der Hand zu geben. Die Spur komplett zu verlieren. Wenn das wirklich eintrifft, weiß ich nicht, was passiert. Ich habe so oft davon geträumt und habe so viel investiert. Es wäre sehr schwierig, damit umzugehen. Einfach furchtbar. Aber man sollte darüber nicht zu sehr nachdenken. Ich träume jeden Tag von der Meisterschaft und der Traum wird immer größer. So wird es jeden Tag immer realer...Tag fürTag.
schwatzgelb.com: Ich komme jetzt zu meiner letzten Frage, aber zuerst muss ich die Situation erklären. Du hast Simon von schwatzgelb.de in einer Tapas-Bar nach dem Bremen-Spiel getroffen, wo Ihr gemeinsam den Sieg gefeiert habt. Seine Frage ist: Wer denn der trinkfestete an diesem Abend war?
Markku Korhonen: Da ist jemand, der immer alle anderen schlägt: Henning. Henning Schlüter.
schwatzgelb.com: Danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast, unsere Fragen zu beantworten.
Markku Korhonen: Wie ich schon sagte: Das Vergnügen ist ganz meinerseits. Borussia Dortmund ist mein Superheld und wer würde nicht gerne darüber sprechen?
Übersetzt von: kha
geschrieben von Zar'roc