Und dann waren da noch...der Nachwuchs, ein Urgestein und zwei fast Vergessene
Meister werden nicht nur die Spieler, die regelmäßig auf dem Platz stehen. Meister werden auch diejenigen, die sich als Alternative bereithalten müssen und selten oder gar nie zum Zug kommen. Zum Abschluss unserer Serie über die Helden der Meistersaison 2010/11 gilt es daher, die Angehörigen des Meisterkaders zu würdigen, die sonst nicht im Rampenlicht stehen, aber auch einen wichtigen Beitrag dazu geleistet haben, dass die Stammspieler ihre bestmögliche Leistung abrufen konnten. Und sei es nur, indem sie ihnen im Training als Sparringspartner zur Verfügung standen, ihnen Druck machten, sich ohne zu stänkern in ihre Rolle fügten und so zum positiven Binnenklima in der Mannschaft beitrugen. Auch sie sind Teil dieser fantastischen Meisterschaft und daher Helden in schwatzgelb.
Der Nachwuchs
Angesichts der wohl jüngsten Meisterelf aller Zeiten klingt es schon fast komisch, wenn man vom Nachwuchs spricht und damit keine Stammspieler meint. Aber es gibt sie tatsächlich auch noch bei Borussia, die Talente, die zwar mit den Profis trainieren, meist aber in der U23 spielen und die Bank bei den Großen auffüllen, wenn auf ihrer Position kein gestandener Ersatz bereit steht.
Dritter Torwart ist seit dem Abgang von Marcel Höttecke der 21-jährige Johannes Focher. Einem Einsatz bei den Profis kam er in München am nächsten, als Weidenfeller fehlte. Doch, wie jeder weiß, machte Mitch Langerak seine Sache ausgezeichnet, und so blieb Focher nur ein Platz in der ersten Reihe bei diesem so wichtigen Sieg. In der Regionalliga spielte Focher eine ebenso wechselhafte Saison wie die gesamte Amateurmannschaft des BVB. Er hielt sicher auch den ein oder anderen Punkt fest, zeigte aber insbesondere bei hohen Bällen auch öfter Schwächen und drohte zwischenzeitlich sogar seinen Stammplatz zu verlieren. In der nächsten Saison soll er sich wohl öfter mit Zlatan Alomerovic im Tor der Amateure abwechseln.
Ebenso ohne Einsatzminute blieb der vierte Innenverteidiger des BVB, der 20-jährige Lasse Sobiech. Das verwundert angesichts der Konkurrenz auf seiner Position auch nicht sehr. In der Regionalliga spielte er eine weitgehend solide Saison, konnte aber Uwe Hünemeier als Abwehrchef noch nicht wirklich vergessen machen. Bei vier Einsätzen in der U21 konnte er das Interesse des F.C. St. Pauli wecken, der ihn für ein Jahr vom BVB auslieh. Beim Saisonauftakt in der zweiten Liga stand Sobiech 90 Minuten auf dem Platz und man bekam kein Gegentor. Kein schlechter Einstand also. Es bleibt zu hoffen, dass er weiterhin Spielpraxis auf professionellem Niveau sammeln kann, so dass er nach seiner Rückkehr zu einer echten Alternative für Jürgen Klopp wird, falls uns ein Innenverteidiger verlassen sollte.
Auch Defensiv-Allrounder Marc Hornschuh (20) bevölkerte öfter die Bank bei Bundesligaspielen, wartet aber noch auf seine erste Einwechslung. In der Regionalliga konnte er seine Vielseitigkeit unter Beweis stellen. Er kam sowohl in der Innenverteidigung wie im defensiven Mittelfeld und auf der Außenbahn zum Einsatz. Seine Leistungen passten sich dem wechselhaften Niveau der gesamten Mannschaft an. Internationale Erfahrung sammelte er in fünf Spielen für die U20- und U21-Auswahlteams. Hornschuh soll auch die nächsten Schritte beim BVB machen und wird für Jürgen Klopp ein Backup für viele Defensivpositionen bleiben. Sollte er weiterhin nicht zum Einsatz kommen und Julian Koch, wie geplant, zur Rückrunde wieder zur Verfügung stehen, wäre eine Ausleihe im Winter anzudenken.
Sturmtank Daniel Ginczek (20) startete stark in die Saison und hatte bereits nach 13 Spielen in der Regionalliga 10 Treffer auf seinem Konto. Dann zog er sich einen Innenbandriss zu, und es dauerte Monate, bis er wieder auf die Beine kam. In seinen letzten sieben Saisonspielen traf er dann noch zweimal. Bei der U21 wurde er zweimal zur Pause eingewechselt, blieb aber ohne Torerfolg. Auf seinen ersten Einsatz bei den Profis wartete er vergebens. Doch seine Leistungen reichten offenbar, um das Interesse einiger Zweitligisten zu wecken. Letztlich entschied er sich für einen Wechsel zu den grauen Nachbarn vom VfL Bochum, jedoch nicht ohne vorher seinen Vertrag beim BVB bis 2013 zu verlängern. Es dürfte ihm nicht leicht fallen, sich beim BVB durchzusetzen, da er in dem derzeit gespielten System nur eine Position wirklich gut ausfüllen kann und in der Sturmzentrale eher eine gewisse Erfahrung vorausgesetzt wird. Es bleibt ihm zu wünschen, dass er beim VfL anfangen kann, die entsprechenden Erfahrungen zu sammeln. Beim Saisonauftakt des VfL wurde er nach 70 Minuten eingewechselt und konnte die Niederlage gegen Düsseldorf nicht mehr verhindern.
Im Gegensatz zu seinen Kollegen aus der zweiten Reihe konnte Marco Stiepermann auf dem Feld einen Beitrag zur Meisterschaft leisten. Immerhin viermal wurde er, zumeist kurz vor Schluss, eingewechselt. Sein zweites Bundesligator ist ihm bei seinen Kurzeinsätzen nicht gelungen, aber er kann sich doch als vollwertiges Mitglied der Meistermannschaft fühlen. In der Regionalliga schwankten seine Leistungen zwischen lustlos und überragend. Ihm gelangen fünf Tore und vier Vorlagen. Trotz seiner Größe von 1,90m wurde er zumeist auf dem Flügel eingesetzt, wo er seine Schnelligkeit besser zur Geltung bringen kann. In drei Spielen bei der deutschen U20 schaffte er einen Treffer. Für die neue Saison hat er sich leihweise seinem alten Förderer aus U19-Zeiten, Peter Hyballa, angeschlossen. Beim ersten Saisonspiel der Aachener Alemannia stand er in der Startelf und verlor mit seinem neuen Team 1:0 in Aue.
Damien Le Tallec (21) hatte sich in der Saison 2009/10 schon an die erste Mannschaft herangekämpft, bevor er in Osnabrück eine schwere Schulterverletzung erlitt, die ihn monatelang zurückwarf. In der letzten Saison gelang es ihm nicht, sich erneut ins Blickfeld von Jürgen Klopp zu spielen. Zwei späte Einwechslungen in der Europaliga und eine beim Pokal-Aus in Offenbach sind sicher zu wenig für seine Ambitionen. Auch bei den Amateuren konnte er nur phasenweise überzeugen. Mitte der Saison schien ihm etwas die Motivation zu fehlen, und erst im Endspurt konnte der vielseitige Stürmer wieder seine Qualitäten zeigen. Immerhin gelangen ihm elf Treffer. Im Sommer wurde sein Wunsch öffentlich, sich zu einem anderen Verein ausleihen zu lassen, um mehr Spielpraxis zu sammeln. Bislang ist jedoch noch kein konkretes Interesse eines anderen Clubs an ihm bekannt geworden.
Das Urgestein
Als Florian Kringe in der C-Jugend aus Siegen zum BVB wechselte, hat er sicher davon geträumt, irgendwann einmal mit Borussia Meister zu werden. Dies ist ihm nun zwar gelungen, aber eine Saison wie die letzte kam in den Wunschträumen des kleinen Florian mit Sicherheit nicht vor. Wo sich mit der Ankunft von Jürgen Klopp für den Verein alles zum Besseren wendete und schließlich sogar unglaublich fantastisch wurde, bedeutete die Ankunft des Meistermachers für Florian Kringe eine Zäsur in negativer Hinsicht.
Kringe, der lange Zeit ein unumstrittener Leistungsträger beim BVB gewesen war, verlor seinen Stammplatz und verabschiedete sich schweren Herzens in Richtung Berlin. Dort als Hoffnungsträger im Abstiegskampf verpflichtet, brach er sich gleich in seinem ersten Einsatz den Mittelfuß und fiel ein halbes Jahr aus. Dann machte er ein paar Spiele und brach sich den Fuß erneut an derselben Stelle. Die Hertha stieg ab und die Ausleihe wurde nicht verlängert. Nun war Kringe zwar wieder zurück in der Heimat, aber auch bei einem Trainer, der nicht auf ihn baute, und so schwer verletzt, dass er sich nicht für andere Vereine anbieten konnte. Seine Verletzung erwies sich sogar als so schwerwiegend, dass er erst gegen Ende der Saison erste Spielpraxis in der Regionalliga sammeln konnte. Bei der Meistersause am letzten Spieltag gegen Frankfurt zeigte Klopp dann eine große Geste, indem er Kringe auf die Bank setzte und ihm so verdeutlichte, dass er ein Teil dieser Mannschaft ist.
Dennoch hat dieser Titel für Kringe sicher bestenfalls einen bittersüßen Geschmack. Nachdem er mit dem Verein durch tiefe Täler gegangen war, konnte er zum anschließenden Gipfelsturm leider nichts beitragen. Trotzdem ist und bleibt Florian Kringe ein Held in schwatzgelb. Wer auch nach grausamsten Spielen stets in die Kurve läuft, obwohl er dort auch schon mit Bier überschüttet wurde, wer stets kämpft und es auch nach den absurdesten Fehlschüssen wieder und wieder versucht, bis irgendwann das Traumtor fällt, der wird in Dortmund nie vergessen. Den Stellenwert, den Florian Kringe bei den Fans genießt, verdeutlicht das wunderschöne musikalische Denkmal, das ihm Dörpms auf dem Dauerkarte Sampler gesetzt haben.
Angesichts seines, immer noch nicht über alle Zweifel erhabenen, Gesundheits- und Fitnesszustands sieht es momentan so aus, als ob das Urgestein nochmal einen neuen Anlauf bei der Borussia starten würde. Wegen seiner legendären Vielseitigkeit könnte er sich sogar noch zu einer wertvollen Alternative für Jürgen Klopp entwickeln. Man kann nur hoffen, dass ihm noch ein paar große Momente in schwatzgelb vergönnt sind.
Die zwei Meisterphantome
Ja, auch sie gehörtem dem Kader in der Meistersaison an und sollen deshalb nicht unerwähnt bleiben: Tamas Hajnal und Dimitar Rangelov. Beide Spieler verabschiedeten sich im Lauf der Saison aus Dortmund und wurden angesichts der Leistungen der Mannschaft auch eher weniger vermisst.
Dimitar Rangelov stand sogar in der Meistersaison noch für Borussia auf dem Platz, allerdings nur ganze 14 Minuten bei der Auftaktniederlage gegen Vizekusen(tm) und noch ein paar mehr im fernen Agdam. Als er erkannte, dass er keinen Platz in der Stammformation finden würde, schloss er sich Maccabi Tel Aviv an. Angesichts von zwei Toren in 22 Spielen verzichteten die Israelis darauf, die Ausleihe nach der Saison fortzusetzen oder ihn gar ganz zu verpflichten. Erst kündigte er vollmundig an, sich in Dortmund durchsetzen zu wollen, dann zog es ihn zurück nach Cottbus. Dort hatte er einen guten Einstand und sammelte gleich im ersten Spiel eine Torvorlage. In seiner Zeit beim BVB hat er insgesamt keinen großen Eindruck hinterlassen, hoffentlich gelingt ihm in der alten Heimat ein Neuanfang.
Tamas Hajnal ist ein weiterer Härtefall der Ära Klopp. Nach einer überragenden Saison wurde er von Michael Zorc verpflichtet, bevor Jürgen Klopp zum BVB kam. Nachdem Klopp für ihn sogar sein System umstellte, schwang Hajnal sich zum großen Taktgeber im BVB-Mittelfeld auf und war in seinem ersten Jahr der bei weitem beste Vorlagengeber der Mannschaft. In der Saison darauf begann Hajnal weit weniger effektiv, riss sich dann ein Band im Sprunggelenk und fiel monatelang aus. Danach war sein Stammplatz futsch, denn Klopp hatte wieder sein System umgestellt. Dies machte die Mannschaft unbestreitbar besser, kam aber Hajnals Stärken überhaupt nicht entgegen. Denn für die offensive Dreierreihe ist er nicht schnell genug und auf der Doppelsechs fällt sein schwaches Defensivverhalten stärker ins Gewicht, insbesondere neben Nuri Sahin, der sich inzwischen unverzichtbar gemacht hatte.
Diese Beispiele zeigen, dass es auch in der vielleicht besten BVB Saison aller Zeiten nicht für alle Spieler optimal lief. Es können halt nur elf Spieler bei Anpfiff auf dem Feld stehen, und selbst wenn das Wechselkontingent ausgeschöpft wird, bleiben mehr Spieler des Kaders draußen, als Gelegenheit erhalten zu spielen. Doch auch die Spieler, die selten bis nie zum Einsatz kamen, haben ihren Anteil daran, dass wir diese wunderbare Saison erleben durften. Allein das macht sie schon zu Helden in schwatzgelb.
Manche von ihnen werden vielleicht die Zukunft der Borussia prägen, andere haben ihre Zeit in Dortmund schon hinter sich. Aber wenn sie irgendwann einmal auf ihre Karriere zurückblicken, können sie sagen: Ja. Ich war dabei, als eine Mannschaft über sich hinaus wuchs und die gesamte Liga verblüffte und ihre Fans verzückte. Ich war ein Teil der fantastischen Borussia der Saison 2010/11.
Damit endet unsere Serie über die Meistermannschaft, und wenn man ehrlich ist, endet sie auch gerade rechtzeitig. Denn wo man vor Wochen noch ein wenig traurig war, dass auch diese wunderbare Saison zu Ende gehen musste, macht sich inzwischen doch die Vorfreude auf die neue Saison breit. Wir können uns glücklich schätzen, die Helden in schwatzgelb noch ein weiteres Stück auf ihrem Weg begleiten zu dürfen.