Zwei Monate Kein Zwanni
Wie die Zeit fliegt. Der 19.09.2010 liegt nun bereits wieder zwei Monate zurück. Der Derbysieg an diesem Tag war vielleicht die Initialzündung für die unfassbare Leistung der jungen Borussen. Nur dem Sinsheimer Projekt gelang es - unter großzügiger Mithilfe des Schiris Stark – den schwatzgelben Schnellzug für einen kurzen Moment zu verlangsamen. Als sich am 19.09. gegen 19.30 rund 800 Fans über die Lindemannstraße in Richtung Rabenloh hochschoben, um die Derbysieger zu empfangen, waren die 34 Punkte nach 13 Spielen naturgemäß noch nicht abzusehen.
In der allgemeinen Siegeseuphorie dieser unwirklichen ersten Saisonmonate ist eine der größten Leistungen der Borussia-Fans ein wenig in Vergessenheit geraten. Die beiden Wochen vor dem Derby standen im Zeichen der „Kein Zwanni“-Proteste. Am Ende waren es rund 2.000 zurückgegebene oder nicht in Anspruch genommene Karten, die dafür sorgten, dass die Turnhalle zum ersten Mal überhaupt bei einem Derby nicht ausverkauft war. Danach verschwanden die Proteste Zug für Zug aus der Öffentlichkeit. Klar, hin und wieder sehen wir noch Spruchbänder in den Stadien, doch der große Antrieb der Vorderbyzeit scheint dahin. „Es ist einfach so, dass in Dortmund aktuell keine Aktion läuft“, erklärt Marc Quambusch, einer der Sprecher der Aktion und ergänzt „da gibt es keinen Grund für Öffentlichkeitsarbeit. Aber dass es immer noch Spruchbänder gibt, zeigt ja wie sehr diese Kampagne noch lebt und in den Köpfen vorhanden ist. Das freut uns extrem“.
Dass die Kampagne über Spruchbänder hinweg auch in den Köpfen anderer Fangruppierungen weiterlebt, bewies erst in der vergangenen Woche die „Bumsi“-Kolumne unseres nächsten Gegners Gladbach. Diese „satirisich, zynisch und humoristisch“ angehauchte Kolumne auf den Seiten des Gladbacher Fanprojekts wies auf einen durchaus diskussionswürdigen Umstand hin. Auch im Westfalenstadion nähern sich die Preise dank der Topspielzuschläge bedenklich den angemahnten 20€ für einen Stehplatz. „Grundsätzlich sollte die Frage berechtigt sein, ob es Sinn macht, in einer Kampagne „Kein Zwanni für nen Steher“ zu fordern, aber mit dieser Kampagne nicht im eigenen Stadion/Verein zu beginnen“, sagt Daniele Schumann vom Gladbacher Fanprojekt über den Hintergrund der Kolumne. Die Gladbacher, die für das anstehende Gastspiel im Westfalenstadion ausdrücklich keine Boykottaktion starten wollen, da „Eintrittspreise die letzte Stellschraube der Vereine“ sein, um mehr Geld einzunehmen, „es sei denn Watzke setzt sich [mit seinen Forderungen nach einer anderen Verteilung der TV-Gelder] durch“. Daniel Lörcher und Quambusch, die Sprecher der „Kein Zwanni“-Kampagne, sehen sich für den Fall eines eventuellen Boykotts jedoch gerüstet: „Sollten Gästefans bei uns das Gefühl haben, dass sie abgezockt werden, dann solidarisieren wir uns natürlich mit denen. Wie das genau aussieht, wird man sehen. Das hängt auch von der Protestform der Gäste ab“. Ein wenig verwundert zeigen sich die „Kein Zwanni“-Sprecher dann auch, wenn sie auf die Gladbacher Kolumne angesprochen werden. Lörcher: „Wir finden es sehr schade, dass uns die Preise bei Heimspielen nun zum Vorwurf gemacht werden. Wir können bei uns im Stadion aufgrund der Dauerkarten nicht boykottieren, würden aber jede andere Szene so weit wie möglich unterstützen.“
Nicht nur leere Worte, wie die Aktivitäten im Hintergrund beweisen. So wurden nach dem Derby Gespräche mit interessierten Fangruppierungen aufgenommen. „Im Moment geht es darum, unsere Erfahrungen zu sammeln und die Infrastruktur aufrecht zu erhalten, für den Moment, wenn eine andere Fangruppierung sagt „Jetzt reicht es“. Die können dann auf unsere Erfahrungen und die Infrastruktur zugreifen, so müssen sie nicht bei null anfangen“, erklärt Quambusch. Doch neben Gesprächen mit anderen Fangruppierungen bleibt „Kein Zwanni“ auch auf anderen Ebenen aktiv. Ein nichtöffentlicher Brief an Aki Watzke soll auf die hohen Eintrittspreise für Gästefans aufmerksam machen. Watzke, der den Derbyprotest wohlwollende begleitet hat und sich durch seine teils populistischen, im Kern aber richtigen Aussagen bezüglich der Umverteilung der TV-Gelder zu einem der Lautsprecher der Traditionsvereine emporgeschwungen hat, muss sich hier also positionieren. „Natürlich haben wir die Hoffnung, dass Aki Watzke, der unseren Protest ja auch unterstützte, hier in die Vorreiterrolle springt und im besten Fall eine Lösung mit anderen Managern schafft. Um in diesem Thema etwas zu bewegen, brauchen wir klar die Unterstützung des BVB und im Speziellen die von Herrn Watzke“, erklärt Lörcher.
Die Kampagne, die bislang mit dem Dresdner Boykott des Erfurt-Spiels Mitte Oktober runter bis zur 3. Liga reichte, lebt also noch. Auch wenn sie aktuell nicht mehr so in den Medien steht. Am Ende der Saison wird der 19.09. nicht nur für den ersten von zwei Derbysiegen der Spielzeit 2010/2011 stehen, sondern auch für den Auftakt der „Kein Zwanni“-Proteste.
steph, 23.11.2010