Spielbericht Profis

Schmeißt schon mal das Flutlicht an!

21.03.2010, 13:41 Uhr von:  Malte S.
Schmeißt schon mal das Flutlicht an!

Zum sechsten Mal hieß es für die Borussia aus Dortmund in dieser Saison: Topspiel! Und damit Flutlicht am frühen Samstagabend. Blieb ab 15.30 Uhr noch die Zeit, in tempelnahen Kneipen oder per Radio während der Anreise aufmerksam die Geschicke der Konkurrenz zu verfolgen.

Die Blicke gingen also nach Bremen, Stuttgart und irgendwie auch nach Frankfurt und man wollte das, was sich dort abspielte eigentlich gar nicht sehen. Irgendwie stolpern die gefrusteten Bremer zu ’nem knappen Heimsieg gegen die graue Maus, Stuttgart sammelt drei Punkte gegen Hannover und die Bayern – nein, in dieser Saison sind wirklich sie nicht der souveräne Meisterschaftskandidat - brauchen nur fünf Minuten, um abscheuliche blaue Meisterträume wachsen zu lassen – man möchte kotzen.

Doch nicht nur in GE lacht man sich schlapp über die Bayern. Auch die Leverkusener, die eigentlich das nächste Puzzleteil in Sachen Europa sein sollen, wissen in der U-Bahn auf einmal ein Liedchen von neu erwachten Meisterschaftshoffnungen zu singen. "Heute hau'n wir Dortmund wech, dann sind 'wa auf Platz eins!" Pah! Der Wille nach drei Punkten steigt und weckt auch den frommen Wunsch, den Pillendrehern hier und heute im Westfalenstadion zu zeigen, dass sie den Titel „Vizekusen“ nicht zu Unrecht tragen.

Wenigstens der Sieg der Amateure in Wuppertal kann hier über einen bis dahin recht beschissen gelaufenen Samstagnachmittag hinwegtrösten.

Der unschöne Teil des Abends

Klare Ansage von Block Drölf an Aki & Olaf

Wer dann um 18.30 auffen Platz guckt, findet Antworten auf einige offene Fragen. Der Panther hat’s rechtzeitig geschafft, Manni Bender leider nicht. Seine Position im bewährten 4-2-3-1 nimmt Tamas Hajnal ein, da auch Nuri Sahin aufgrund seiner fünften gelben Karte vom vergangenen Wochenende zumindest heute nicht beim Unternehmen Europa mitwirken kann. Bayer kann sich übrigens den Luxus erlauben, einen Toni Kroos erstmal auf der Bank sitzen zu lassen.

Zum Einlauf gibt es ein aussagekräftiges Spruchband mit der Aufforderung „So langsam tun die Ohren weh! Kein Techno mehr, nur Heja BVB!“ Auch heute nerven die Disco Boys mal wieder, die zu allem Überfluss auch noch gefühlte zehn Minuten vor dem Einlauf der beiden Mannschaften einsetzen.

Die Borussia agiert ungewöhnlicherweise zuerst in Richtung Südtribüne, die in den Anfangsminuten viel dafür tut, an die vorzügliche Auswärtsleistung in Bochum anzuknüpfen. Spielen tut allerdings nur die Werkself und Schwatzgelb scheint sich vorerst damit zu begnügen, in brenzligen Situationen irgendwie doch noch den Fuß zwischen Ball und Gegner zu kriegen.

Bis zur elften Minute geht das auch gut. Dann ist es aber Kießling, der einen abgefälschten Schuss von Gonzalo Castro vor die Füße bekommt und sich auf einmal alleine vor Roman Weidenfeller befindet. Der allerdings verhindert mit einem klasse Reflex eine frühe Führung der Rheinländer – Danke, Roman.

Viel zu tun: Neven Subotic

Der BVB enttäuscht aufgrund mangelnder Durchschlagskraft und Kreativität in der Offensive und weiß mit den Bällen oft nix besseres anzufangen, als sie lang nach vorne in die Mitte zu schlagen. Nur selten geht’s mal über die Flügel.

Und so folgt in Minute 20 die nächste Schrecksekunde für’s tapfere Borussenherz. Eren Derdiyok kommt nach einer Castro-Flanke vollkommen allein gelassen zum Kopfball und abermals pariert der heute überragende Roman Weidenfeller, der in dieser ersten Halbzeit noch weitere Möglichkeiten erhalten wird, bester Spieler auf dem Platz zu werden. So muss er ungefähr eine Viertelstunde später innerhalb kürzester Zeit zweimal seinen Kasten verlassen und vor dem heraneilenden Stefan Kießling klären. Der, so scheint es zu diesem Zeitpunkt zumindest, wird der Dortmunder Innenverteidigung im weiteren Verlauf des Abends noch gehörige Probleme bereiten.

Ein erstes offensives Lebenszeichen seitens der Borussia gibt’s kurz vorher, als Tamas Hajnal einen „Das-kann-ich-aber-deutlich-besser“-Schuss aus 18 Metern weit über das Tor setzt. Auch sonst wirkt der Ungar auf seiner ungewohnten Position vor der Abwehr noch nicht so ganz heimisch und kann kaum offensive Akzente setzen.

Zidan gegen 3

Von den Bayer-Fans kommt dann und wann mal ein „Wer nicht hüpft, der ist ein Kölner“. Mehr gibt’s nicht zu hören. Marcel Reif wird um 18.56 Uhr behaupten, dass „die hörbaren Gesänge aus dem Leverkusener Block kommen“. Freunde…

Auf dem Platz setzt ihr Team allerdings immer wieder kleine, gefährliche Stiche, die nicht selten aus individuellen Fehlern resultierten und ihren Höhepunkt letztlich in Eren Derdiyoks Pfostenschuss finden, der von der Innenverteidigung einmal mehr wie Luft behandelt wird. Spätestens hier begreift jeder das Glück, dass auf der Anzeigetafel immer noch 0:0 steht.

Mit einem mulmigen Gefühl geht es dann auch in die Halbzeit. Das Offensivspiel wurde geprägt von Ideenlosigkeit, Fehlpässen und mangelnder Durchschlagskraft und auch die Defensive wackelte das ein oder andere mal gehörig, als dass hier Hoffnungen aufkeimen konnten, sich mit etwas Zählbarem aus der Affäre zu ziehen.

Der geile Teil des Abends

Alles beginnt damit, dass Stefan Kießling, einer der gefährlichsten Bayer-Akteure, mit Schmerzen in der Kabine bleibt und durch Patrick Helmes ersetzt wird.

Barrios und Zidan jubeln

Und in der 49. Minute geht’s dann ganz schnell: Barrios steckt einen Santana-Freistoß aus der eigenen Hälfte per Kopf zu Kevin Großkreutz durch, der freistehend vor Adler aus halblinker Position scheitert. Dann die anschließende Ecke. Hajnal tritt das Ding an den kurzen Pfosten, Owo ist noch irgendwie dran und der argentinische Panther beweist einmal mehr internationale Torjägerqualitäten und bugsiert das Ding über die Linie. Auf zur Eckfahne, das Ding umgekickt und ein Riesenlärm im Stadion. Borussia führt, damit hatte 20 Minuten zuvor nun wirklich niemand gerechnet.

Und dann fangen die auch noch an, richtig Fußball zu spielen. Mo Zidans Flanke findet drei Minuten später nach sehenswertem Doppelpass mit Kuba in der Mitte allerdings keinen Abnehmer.

In Minute 51 ist es wieder der Ägypter, der für Gefahr sorgt, diesmal im Zusammenspiel mit Barrios. Sein Schuss geht aber drüber. Trotzdem steht jetzt das ganze Stadion und gibt ein ohrenbetäubendes „Borussia BVB“ zum besten, Gänsehautstimmung!

Auch die Hintermannschaft lässt hinten nix mehr anbrennen und ich frage mich, was da heute überhaupt noch schief gehen soll?

Bayer wirkt verwirrt, der BVB beißt und kann sich mehr und mehr in der gegnerischen Hälfte festsetzen, erobert sich dort sogar den Ball zurück. Ich weiß nicht, was Jürgen Klopp in der Kabine mit den Jungs gemacht hat, doch eines steht fest: Er sollte es öfter tun.

Jubel um Lucas' zweiten Treffer

Kurze Zeit später fängt Lucas Barrios einen Pass der Werkself ab, guckt und hebt das Ding aus 45 Metern Richtung Tor. Der Bundes-Adler hat hier seine liebe Mühe und Not, den Ball noch über die Latte zu lenken. Und wieder dieser unglaubliche Geräuschpegel im Tempel…

Dann dieser Fehlpass vom bis dahin überzeugenden Renato Augusto, Zidans Pass genau in die Füße von La Pantera und der Mann vollstreckt einfach mal eiskalt mit dem Außenrist zum hoch verdienten 2:0! Jetzt hält es hier endgültig niemanden mehr auf der Sitzschale.

Und doch schwirren auf einmal Spiele wie München, GE oder Köln vor dem geistigen Auge. Liebe Borussia, bitte jetzt nicht nachlassen. Eier zeigen!

Aus dem Süden schallt es „Ihr werdet nie deutscher Meister“ und ich denke mit Genugtuung an einige Leverkusener Fans vom Nachmittag in der U45.

Der schwatzgelbe Express rollt weiter. Zuerst pariert René Adler einen Schuss von Tamas Hajnal, der sich im Vergleich zu ersten Hälfte nun deutlich gesteigert hat. Kurz darauf dann wieder Mo Zidan, der seinen Schuss aus elf Metern auch durchaus hätte rein machen können. In der 69. Minute kratzt der Ägypter dann einen Kopfball von Sami Hyypiä von der eigenen Torlinie. Nein, heute geben wir das nicht mehr aus der Hand. Nicht in diesem Spiel, nicht in diesem Stadion.

Und wieder stehen alle auf, als der argentinische Doppeltorschütze das Feld verlässt und Dimitar Rangelov nach fast fünfmonatiger Verletzungspause sein Comeback feiert. Bevor er es aber so richtig krachen lässt, macht Bayer noch einmal negativ auf sich aufmerksam, als sie den Ball partout nicht ins Aus spielen wollen, obwohl Tamas Hajnal am anderen Endes des Spielfeldes liegen bleibt. Sie sollten eigentlich begriffen haben, dass bei ihren Angriffen heute sowieso nix mehr zustande kommt.

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen

Wenigstens weiß ich jetzt, was mir die ganze Zeit gefehlt hat. Der Auswärtsblock macht mit stumpfen Beleidigungen mal wieder auf sich aufmerksam und ich kann mir notieren: „Der Gästeanhang lebt noch, hat aber nix zu melden!“

Wenigstens auf Seiten der Gastgeber besinnt man sich auf die guten Manieren zurück und verabschiedet den Gegner kurzerhand mit tausenden Taschentüchern, einem Dank die in Dortmund gelassenen Euronen und einem netten Ständchen – so muss das sein.

Bei Bayer glaubt offenbar nur noch Toni Kroos, der mittlerweile ins Spiel gekommen ist, an einen Punktgewinn. Doch das kann er sich abschminken, als Dimitar Rangelov in der 87. Minute mit gefühlten 2 km/h auf das Tor zu rennt und, als er es endlich erreicht hat, lässig am Keeper vorbei ins Netz schiebt und damit die beste zweite Hälfte dieser Saison krönt.

Hier verlässt jetzt keiner das Stadion. Alle warten brav bis zum Abpfiff und verabschieden eine Mannschaft, die grandios gefightet hat, auch nach der sicheren Führung hungrig geblieben ist und nicht nachließ. Das hat sich heute ausgezahlt. Diese Leistung gab nicht nur einen Vorgeschmack auf das, was die Mannschaft in dieser Saison noch zu bieten hat, sondern auch auf hoffentlich furiose Europapokalnächte – die Mannschaft hat es jetzt selbst in der Hand.

Mir doch Latte, was die Blauen machen. Schmeißt schon mal das Flutlicht an!

Jubel nach Abpfiff

Noten

Weidenfeller: Hielt die Borussia in Halbzeit eins mit seinen klasse Paraden und seiner Übersicht überhaupt im Spiel. Gibt ’ne glatte Note 1

Owomoyela: Ließ seine Seite selten hinten offen, schaltete sich das ein oder andere mal gut mit in Angriffe ein und bereitete das wichtige Führungstor vor. Note 3

Subotic: In der zweiten Halbzeit stark verbessert, doch seine Note leidet unter den Abstimmungsproblemen, die zu den Leverkusenern Großchancen fehlten. Letztlich Note 3,5

Santana: Auch er war nicht unschuldig daran, dass Kießling und Derdiyok dem Dortmunder Tor ein ums andere mal gefährlich werden konnten und zeigte eine starke zweite Hälfte. Wirkte in Halbzeit eins aber etwas aufmerksamer als sein Kollege, deshalb Note 3

Schmelzer: Über seine Seite ging sehr wenig bei Bayer 04, was nicht zuletzt an ihm lag. War in der Offensive aber schwächer. Note 2,5

Hajnal: Anfangs noch etwas blass, fand er mit der Zeit aber immer besser ins Spiel hinein, gewann mehr Zweikämpfe und half bei der Spielgestaltung. Note 2,5

Kehl spielte souverän

Kehl: Präsent in der Vorwärts- und Rückwärtsbewegung und steuerte seinen Teil zur soliden Defensivleistung bei, allerdings nicht so stark wie in den letzten beiden Spielen. Note 3

Kuba: Auch wenn er noch nicht wieder in Topform ist, waren heute wieder einmal gute Ansätze zu sehen, auch in der Rückwärtsbewegung. Note 3

Zidan: Gefiel in der schwachen ersten Halbzeit noch mit am besten und war an fast allen Offensivaktionen beteiligt. Klasse seine Vorbereitung zum 2:0. Note 2

Großkreutz: Hatte selbst die Führung auf dem Fuß (49.), fiel allerdings im ersten Durchgang kaum auf, da auch kaum etwas über die Flügel ging. Danach mit einer sehr engagierten kämpferischen Leistung. Note 3,5

Barrios: Der Panther mit zwei immens wichtigen Toren, eiskalt vor allem beim 2:0. Hatte in der ersten Halbzeit aber das ein oder andere Problem. Note 1,5

Rangelov: Kommt rein, macht ’ne Bude und entscheidet das Spiel. Trotzdem reichen die 17 Minuten nicht für eine faire Bewertung

Hünemeier und Feulner: Kamen beide erst in der 90. Minute kurz vor dem Abpfiff.

Aufstellungen

Borussia Dortmund: Weidenfeller – Owomoyela, Subotic, Santana, Schmelzer – Hajnal, Kehl (90. Hünemeier) – Kuba (90. Feulner), Zidan, Großkreutz – Barrios (73. Rangelov)

Bayer Leverkusen: Adler – Schwaab, M. Friedrich, Hyypiä, Kadlec – Vidal, Castro – Renato Augusto (66. Kroos), Barnetta (67. L. Bender)– Kießling (46. Helmes), Derdiyok

Karten: Gelb für Vidal (55.)

Der jubelnde Panther

Zahlen über Zahlen

Torschüsse: 13 – 16


Ecken: 4 – 6

Flanken: 6 – 12

Ballkontakte: 43% - 57%

Zweikämpfe: 47% - 53%

Fouls: 10 – 14

Abseits: 5 – 3

meiste Torschüsse: Barrios, Derdiyok (beide 5)

meiste Torschussvorlagen: Owomoyela, Castro (beide 4)

meiste Ballkontakte: Hyypiä (84)

Zweikampfstärkster: Hyypiä (72%)

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