Trotz Pillen landet der BVB in der Realität
In einem in der ersten Halbzeit phasenweise begeisternden Spiel unterlag der BVB der Konzerntochter mit 0:2. Die Niederlage war insgesamt nicht unverdient, auch wenn mal wieder ein angeblich Unparteiischer zu Ungunsten der Borussia entscheidend in den Spielverlauf eingegriffen hat. Trotz einiger guter Ansätze steht am Ende des Tages die Erkenntnis, dass man mit den Spitzenteams der Bundesliga wohl noch nicht wirklich mithalten kann und zu denen muss man Leverkusen nach der heutigen Leistung definitiv zählen.
Vorspiel
Bereits vor dem Anpfiff tat Block drölf seine Meinung zu dem neuen Bezahlsystem im Westfalenstadion kund. Zunächst wurden zwei Transparente „Das Warten verringert?“ und „Die Wege verlängert!!!“ präsentiert und um es dann auch dem Letzten klar zu machen, was gemeint war, wurde noch „Nein zum Stadiondeckel“ nachgelegt. Ob Transparente hier helfen, darf aber bezweifelt werden, einzig der Konsumverzicht größerer Teile des Publikums dürfte Eindruck beim BVB hinterlassen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Fans mit der ungeliebten Karte abfinden oder ob deswegen tatsächlich Verluste beim Catering zu verzeichnen sind.
Nachdem die geweihte Standarte aus der Dreifaltigkeitskirche am Borsigplatz für die Saison an den Vorsitzenden des BVB-Ältestenrates Wolfgang „Stopper“ Paul übergeben worden war, durften die Fahnenschwenker zu „You´ll never walk alone“ auf´s Spielfeld, wo sie wie schon gegen Manchester von einem beeindruckenden Platzregen begrüßt wurden. Das sah aus dem Trockenen betrachtet schon etwas bemitleidenswert aus, wie sie versuchten in den Sturmfluten ihre Banner zu schwenken.
Die Pillendreher aus der Farbenstadt hatten heute farbenmäßig total ins Klo gegriffen, was von der Süd gleich mal zum Anlass genommen wurde, sie darauf hinzuweisen, welche Farben der Ruhrpott hat und was für Schädlinge hier absolut unerwünscht sind. Für Stimmung war also schon vorSpielbeginn gesorgt.
Der BVB trat im gewohnten 4-2-3-1 System an. Der verletzte Kuba wurde von Götze ersetzt und Owomoyela kehrte nach überstandener Magen-Darm-Grippe erwartungsgemäß in die Stammelf zurück. Ansonsten startete der BVB wie zuletzt, also zunächst ohne den teuersten Neuzugang Robert Lewandowski. Erstmals in dieser Saison hatte Tamas Hajnal zumindest einen Platz auf der Bank gefunden.
Leverkusen mit dem (ehemaligen?) Nationalmannschaftskapitän Ballack und dem Abwehrroutinier Hyypiä in der Startelf, zudem ersetzte Derdiyok den verletzten Helmes. Jupp Heynckes setzte auf ein 4-4-2 wobei sich Kießling bei Dortmunder Ballbesitz in die Mittelfeldreihe zurückfallen ließ.
Die Platzwahl gewann Hyypiä und entschied sich zum Entsetzen von Kehl und der Süd zum Seitentausch. Er hatte aber die einleuchtende Begründung parat, dass niemand gerne in der zweiten Halbzeit die Süd im Rücken habe.
Halbzeit Eins
Nach einer kurzen Abtastphase drückten beide Teams aufs Gas und lieferten sich einen offenen Schlagabtausch. Die Dortmunder Rasselbande in der Offensive um Kagawa und Götze kombinierte phasenweise in einem irrsinnigen Tempo, dass es eine wahre Freude war. Teilweise wirkte es im Vergleich schon wie Zeitlupe, wenn mal Kehl oder Owomoyela in Ballbesitz waren. Insbesondere Shinji Kagawa zeigte einen enormen Zug zum Tor in Halbzeit eins und wurde zu Recht von der Süd gefeiert. Auch Nuri Sahin zeigte in der Offensive seine Qualitäten und setzte seine Mitspieler immer wieder mit klugen Pässen ein.
Doch leider stand auf der anderen Seite eine Mannschaft mit mindestens ebenso großem Offensivpotential. Die Leverkusener zeigten die reifere Spielanlage und stellten unsere Doppelsechs vor erhebliche Probleme. Sahin hatte Vidal defensiv nichts entgegen zu setzen und auch Kehl gelang es nur selten, die gegnerischen Angriffe entscheidend zu stören.
Zudem erwies es sich als Fehler, dass Klopp das eingespielte Pärchen Schmelzer/Großkreutz auf der linken Seite auseinander gerissen hatte, um Mario Götze sein Debüt auf der gewohnten Seite zu ermöglichen. Großkreutz fand auf Rechts nur selten Bindung zum Spiel und Schmelzer war ohne seine Unterstützung nicht in der Lage Renato Augusto in den Griff zu bekommen. Immer wieder wurde Dortmund über die linke Abwehrseite unter Druck gesetzt. Dass Götze nicht in gleichem Maße nach hinten arbeiten kann wie Großkreutz, darf man ihm nicht zum Vorwurf machen, zudem fehlte augenscheinlich auch die Abstimmung zwischen ihm und Schmelzer.
Die erste Chance hatte der BVB nach 9 Minuten: Einen langen Ball von Hummels köpfte Großkreutz in die Mitte wo ihn sich Kagawa eigentlich ein wenig zu weit vorlegte. Doch der blitzschnelle Japaner erreichte den Ball auf Höhe des Fünfmeterraumes noch vor dem heraus stürzenden Adler, konnte diesen aber nicht mehr überlupfen. Fünf Minuten später war dann Derdiyok für die Pillen an der Reihe. Sein Schuss aus 18 Metern wurde von Subotic an den Pfosten abgefälscht. Da wäre Weidenfeller geschlagen gewesen.
Nach weiteren 5 Minuten war es dann aber doch soweit. Nach einem schwachen Befreiungsschlag von Schmelzer spielten Castro und Vidal Schmelzer, Götze und Sahin schwindelig, Vidal legte quer auf Barnetta und der ließ Weidenfeller aus 14 Metern keine Chance, 0:1.
Nur zwei Minuten später aber der Ausgleich: Owomoyela flankt in den Strafraum Hyypiä gewinnt natürlich auch diesen Kopfball, verlängert aber eher unglücklich auf den lauernden Götze. Der legt per Kopf überlegt quer auf Kehl und der Käptn stolpert ihn irgendwie rein. Jubel, Trubel, Heiterkeit...denkste! Der Linienrichter hatte als einziger im Stadion eine Abseitsstellung von Kehl gesehen, die sich im Fernsehen aber eindeutig als gleiche Höhe herausstellte. Mal wieder eine eklatante Fehlentscheidung zu Ungunsten der Borussen.
Die Mannschaft zeigte sich kurzzeitig geschockt und im direkten Gegenstoß erhöhte Augusto nach einem weiten Abschlag von Adler und einer Kombination über Kießling und Derdiyok auf 0:2.
Der BVB steckte nicht auf und versuchte weiter schnell nach Vorne zu spielen. Leverkusen verlegte sich aufs Kontern. So konnte Hummels den aufs Tor ziehenden Vidal nur in größter Not abdrängen. Auf Dortmunder Seite spielte Owomoyela einen Traumpass über das halbe Spielfeld auf den durchgestarteten Götze, der den Ball aber nicht kontrollieren konnte und sich dann auch noch mit Barrios ins Gehege kam, so dass letztlich nur ein harmloses Schüsschen des Panthers heraus sprang.
Die Süd, die sich zunächst prächtig aufgelegt zeigte, ließ nun angesichts des deutlichen Rückstandes merklich nach, nur der harte Kern versuchte weiter Stimmung zu machen. Der Arbeitskreis Stimmung, der traditionsgemäß nicht sehr zahlreich aus der Farbenstadt angereist war (die Nordost-Ecke blieb mal wieder komplett leer), präsentierte sich in der ersten Halbzeit überraschend laut, um dann in der zweiten Halbzeit die Unterstützung komplett einzustellen. Erst fünf Minuten vor Schluss fiel ihnen dann wieder ein, dass es einen Auswärtssieg zu feiern galt.
Nach einem wirklich guten Spiel beider Mannschaften ging Leverkusen mit einer verdienten Führung in die Kabine, die aber aufgrund der bitteren Fehlentscheidung des Linienrichters um ein Tor zu hoch ausgefallen ist. In der Pause konnte man dann mal wieder über „was wäre wenn“ und hätte, wenn und aber“ diskutieren, was leider ebenso freud- wie fruchtlos ist.
Halbzeit Zwei
Die zweite Halbzeit ist schnell erzählt. Leverkusen stand nun etwa zehn Meter tiefer gestaffelt und beschränkte sich darauf, die Führung zu verteidigen und gelegentliche Nadelstiche zu setzen. Dabei blieben sie aber immer gefährlich, so dass auch Dortmund zunächst nicht komplett aufmachen konnte.
Beim BVB wechselten Götze und Großkreutz nach der Pause die Seiten und in der Folge zeigte Jürgen Klopp durch personelle wie taktische Wechsel, dass sein Kader ihm in dieser Saison deutlich mehr Varianten anbietet als zuletzt. So wurde Lewandowski für Kehl eingewechselt und Götze ins defensive Mittelfeld neben Sahin zurück gezogen. Dann kamen Piszczek für Großkreutz und schließlich auch noch Rangelov für Owomoyela, womit der BVB zum Schluss in einem klassischen 4-3-3 á la Holland-Berti agierte.
Insgesamt verflachte die Partie in Durchgang zwei aber zusehends und das hohe Tempo der ersten Halbzeit wurde nie mehr erreicht. Dortmund tat sich schwer, Chancen herauszuarbeiten und wenn doch mal was ging, war der starke Adler auf dem Posten. Der Leverkusener Sieg geriet nicht mehr in Gefahr und das musste dann irgendwann auch die Südtribüne einsehen, die sich nach der Pause nochmal machtvoll zurückgemeldet hatte, um die Mannschaft nach vorne zu peitschen. Leider ist es nie gelungen, den Rest des Stadions zum Mitmachen zu bewegen, aber für die Ost gilt leider „you only sing, when you´re winning“.
Alles in Allem geht der Leverkusener Sieg auch in Ordnung, da sie defensiv meist sicher standen und nach vorne die reifere Spielanlage zeigten und eiskalt zuschlugen, wenn sich die Chance ergab. Die junge Dortmunder Mannschaft muss sich aber mit dieser Leistung bestimmt nicht verstecken. Es waren viele gute Ansätze erkennbar und es werden sich in dieser Saison noch genug schlechtere Gegner im Westfalenstadion präsentieren. Der Capitano fiel nicht weiter auf und wenn dann nur dadurch, dass er das Spiel seiner jungen Nebenleute bremste. Echt blöd für seine weiteren Nationalelfambitionen, dass Löw ausgerechnet heute den weiten Weg ins Westfalenstadion angetreten hatte.
Leider hat die so erfreulich begonnene Saison des BVB nun einen ersten Makel bekommen. Jetzt gilt es, sich am anderen Ende der Welt neues Selbstvertrauen zu erarbeiten und in den nächsten Bundesligaspielen die guten Ansätze in Torerfolge umzumünzen.
Erwähnt werden muss noch, dass es Supportern in der Südwest-Ecke unter Verweis auf die Stadionordnung und unter Androhung des Rauswurfs verboten wurde aufzustehen.
Statt der Laufkundschaft mal zu erklären, dass in den Randbereichen der Südtribüne mit dem Auftreten von aktiven Fußballfans und deren typischen Verhaltensweisen wie Aufstehen, Rumbrüllen oder gar Singen gerechnet werden muss, versucht man die Stammbesucher auf osttribühnenübliches Niveau herunter zu drosseln.
Das ist einfach nur traurig und lässt befürchten, dass auch in unserem schönen Stadion englische Verhältnisse auf dem Vormarsch sind. Vielleicht sollte der Verein endlich Ruheblöcke für den gentrifizierten Teil seiner Kunden ausweisen, wo sie garantiert unbelästigt von Fußballfans dem Treiben auf dem Rasen zusehen können. Sonst wird sich demnächst über die Sichtbehinderung durch hochgereckte Schals oder die Lärmbelästigung durch ausgiebiges Klatschen beschwert.
Die Noten
Roman Weidenfeller: Eine Partie in der er sich nicht sich nicht groß auszeichnen konnte. Machtlos bei den Gegentreffern, sonst ohne größere Bewährungsprobe. Seine Spieleröffnung ließ manchmal etwas zu wünschen übrig. Aber das ist ja auch keine wirklich neue Erkenntnis. (3,5)
Patrick Owomoyela: Mal wieder mit Licht und Schatten. Teilweise überragende Aktionen in der Offensive wie der 50 Meter Pass auf Götze wechselten sich mit den üblichen Stock- und Passfehlern ab. Da Leverkusen mehr über die andere Seite angriff, defensiv nicht so stark gefordert. (3)
Mats Hummels: Stärkster Dortmunder Innenverteidiger. Räumte ab, was ging und setzte auch ein paar Akzente nach vorn. (3)
Neven Subotic: Auch nicht so viel schlechter als sein Konterpart, aber nicht so auffällig und mit einigen Wacklern. (3,5)
Marcel Schmelzer: Vermisste den Kevin in der ersten Halbzeit doch sehr. Bekam Augusto nie in den Griff. Später mit einigen gelungenen Aktionen nach vorn. So zwang er Adler mit einem Hammer aus der zweiten Reihe zu einer Glanzparade. (4,5)
Sebastian Kehl: Konnte teilweise nur staunend zusehen, wie die jungen Leute um ihn herumwuselten. Leider trugen manche von denen blaue Trikots. Sein Tor wurde zu Unrecht aberkannt. (4)
Nuri Sahin: Mit einigen Zuckerpässen in der ersten Halbzeit, dafür defensiv völlig überfordert. Wurde ständig von Vidal überlaufen, was zu Schmelzers Problemen beitrug. Ein schöner Freistoß wurde von Adler abgewehrt. Er kann viel mehr, als er heute zeigte. (4)
Shinji Kagawa: War zwischenzeitlich auf dem Weg zur 1+mit*. Fiel nach dem Rückstand dann etwas ab und tauchte nach den ständigen Umstellungen in der zweiten Halbzeit total unter. Seine Schnelligkeit und sein Zug zum Tor lassen für die Zukunft auf Großes hoffen. (2,5)
Mario Götze: Kombinierte zeitweise zauberhaft mit Kagawa durch die Leverkusener Abwehr. Schnell, technisch versiert, mit großem Spielverständnis. Leider auch noch mit unübersehbaren Schwächen in der Defensive. Genießt aber auch noch etwas Welpenschutz. Insgesamt ein gelungenes Debüt in der Startelf. Mehr davon, bitte. (3)
Kevin Großkreutz: Fand auf der ungewohnten rechten Seite selten eine Bindung zum Spiel. Viel Aufwand, wenig Ertrag. Eines seiner schlechteren Spiele. (4)
Lucas Barrios: Totalausfall. Bekam wenige Bälle und wenn er mal einen hatte verstolperte er ihn oder gab bestenfalls ein harmloses Schüsschen ab. Da muss bei seiner Klasse einfach mehr kommen. (4,5)
Die eingewechselten Lewandowski, Piszczek und Rangelov konnten andeuten, dass sie Alternativen sind. Mehr aber auch nicht. Wegen zu weniger Minuten auf dem Feld bleiben sie ohne Bewertung.
Daten:
Borussia Dortmund: Weidenfeller – Owomoyela (Rangelov), Subotic, Hummels, Schmelzer – Kehl (63. Lewandowski), Sahin – Großkreutz (67. Piszczek), Kagawa, Götze – Barrios.
Werkssportgruppe Vizekusen: Adler - Castro, Reinartz, Hyypiä, Kadlec - Renato Augusto (81. Schwaab), Vidal (83. Balitsch), Ballack, Barnetta (75. L. Bender)- Kießling, Derdiyok.
Tore: 0:1
Barnetta (19., Vidal), 0:2 Renato Augusto (22., Vidal).
Schiedsrichter:
Meyer (Burgdorf)
Gelbe Karten: Der
Schiri hatte keine dabei, obwohl Vidal wirklich um eine bettelte.
Zuschauer: 73.300
Stimmen:
Jupp
Heynckes: Grundsätzlich möchte ich sagen, dass es nicht so einfach
ist, in Dortmund zu gewinnen. Das habe ich auch schon vor der
Begegnung gesagt, dass ich die Borussia für eine sehr gute
Fußballmannschaft halte. Meine Mannschaft hat über weite Strecken
ein hervorragendes Spiel geliefert, besonders in der ersten Halbzeit.
In der zweiten Halbzeit den Sieg clever und souverän nach Hause
gefahren und weniger anbrennen lassen als noch in der ersten
Halbzeit. Trotz Vorbereitungsspiele und dem Pokal- und
Europapokalspiel weiß man als Trainer nicht genau wo seine
Mannschaft steht. Meine Mannschaft war auf den Punkt topfit. Gerade
die Nationalspieler können nach 20 Tagen Training noch nicht die
Topform haben. Der Sieg war insgesamt verdient. Michael Ballack hat
ein gutes Comeback gefeiert, er brauchte allerdings etwas Zeit, um in
die Partie zu finden.