Spielbericht Profis

Alles wie gehabt...

27.02.2010, 15:42 Uhr von:  Ramona Arne Sascha
Alles wie gehabt...

So langsam weiß man als BVB-Fan, wie sich Menschen fühlen, die in einer erdbebenintensiven Zone leben oder ihr Haus in der Nähe aktiver Vulkane haben. Man verdrängt die Gefahr, hofft dass alles gut geht und wenn es dann passiert ist, denkt man sich: Hätte man ja eigentlich wissen müssen. 23 Derbies und nur 2 davon gewonnen. Man macht sich in der Derbyvorwoche Mut, fährt in der Hoffnung auf drei Punkte nach Gelsenkirchen, nur um dann 90 Minuten später mit hängenden Köpfen festzustellen, dass man mal wieder auf den Sack gekriegt hat. Schön ist was anderes.

Um sich den Massentransport vom blauen Hauptbahnhof hin zum Stadion zu ersparen, ging es gegen 17.15 Uhr vom Westfalenstadion mit den Bussen der Fanabteilung in die ungeliebte Stadt. Diese Art der Anreise war eigentlich ziemlich entspannt, hatte aber doch das ein oder andere Kopfschüttelpotential zu bieten. Zwar hat sich das „Schalalalala Scheiße 04“ zu einem mittlerweile leider gewohnten Gassenhauer entwickelt, aber muss man denn wirklich blaue Lieder Eins zu Eins kopieren und auch noch davon singen, dass Dortmund der geilste Club der Welt ist? Natürlich ist das so, keine Frage – aber wir sollten eigentlich mehr drauf haben, als Lieder aus der Nordkurve zu nehmen und einfach nur den Vereinsnamen auszutauschen. Ebenfalls kaum nachzuvollziehen, wenn bei der Monstertour Dortmund – Gelsenkirchen bereits nach 10 Minuten auf der Autobahn eine Pinkelpause gefordert wird, die der Fahrer dann auch konsequent und entnervt mit dem Verweis auf die Fahrt im Konvoi ablehnt. Vielleicht hätte man sich taktisch clever das ein oder andere Bier direkt vor der Abfahrt sparen sollen.

Klare Ansage der Fanszene DO

Sei‘s drum, die Fahrt verlief ansonsten komplikationslos und an der Turnhalle angekommen, erwies sich die frühe Abfahrtszeit als goldrichtig. Trotz der angekündigten verschärften Sicherheitsvorkehrungen ging es fix durch den Einlass, bei der Durchsuchung fühlte man sich keinesfalls wie bei einem Schiedsrichterlehrgang und das Ordnerpersonal am Eingang erwies sich als überraschend freundlich. Später ankommenden Redaktionsmitgliedern zufolge, soll der Einlass dann nicht mehr so relaxed verlaufen sein. Aber ab durch den Löwenkäfig, kurz noch aufs Klo und dann rein in den zu diesem Zeitpunkt noch sehr geräumigen Gästeblock. Das Dach der Turnhalle geschlossen, die Sitze auf den Tribünen sehen immer noch so aus wie frisch ausgeliefert – kurzum, auch wenn das nicht die Heimat der Blauen wäre, könnte man diesem Stadion nichts abgewinnen. Steril, ohne Flair und nicht zum gemütlichen Verweilen einladend. Hässliches Teil. Nun gilt es noch knapp anderthalb Stunden mit der wohl blödesten Beschäftigung überhaupt zu überbrücken: dem Warten auf den Anpfiff. Ist Warten und die-Zeit-totschlagen schon im Allgemeinen eine enervierende Angelegenheit, wird’s beim Derby zur Qual. Zu oft hat man hier die Blauen jubeln gesehen und zu oft ist man hier mit hängendem Kopf rausgegangen. Kein Wunder, dass da so langsam der vorher noch vorhandene Optimismus schwindet und man eigentlich nur wieder in den Bus zurück nach Hause möchte. Viel zum Ablenken von der Warterei gibt es dann auch nicht. Auf dem Platz ein schier endlos erscheinendes und ebenso überflüssiges Fanspielchen und auf den Tribünen zaghafte Bekundungen, dass man die Gegenseite so gar nicht mag. Dabei hat der oben schon erwähnte Scheiße-04-Gesang mittlerweile ebensolchen Fremdschämcharakter wie das „BVB Hurensöhne“ aus der Nordkurve. Dennoch ist es lange Zeit auf beiden Seiten angespannt ruhig und leise.

Chancentod Valdez in Action gegen Bordon

Unterdessen rückte der Uhrzeiger langsam aber sicher auf 20.30 Uhr zu. Endlich. Anstoß. Nach ein paar unsicheren Minuten zu Beginn übernahmen unsere Jungs mehr und mehr das Kommando, so dass die ersten Chancen nicht lange auf sich warten lassen. Ausgerechnet der von Gelsenkirchener Seite aus mit lautstarken Pfiffen bedachte „Dortmunder Jung“ hat das erste, dicke Ding auf dem Fuß. Leider ist Kevin die Nervosität deutlich anzumerken, so dass er, statt entweder in die Mitte zu legen, oder den Ball ins lange Eck zu platzieren, aus aussichtsreicher Position den Ball Neuer in die Arme schießt. Kurze Zeit später dann ein erster, richtiger Aufreger. Kuba wird an der Grundlinie, Grenze Strafraum, am Trikot gehalten und fällt endgültig im Strafraum. Zum absoluten Unverständnis im Gästeblock entscheidet Manuel Gräfe, dass das Foulspiel außerhalb des Sechzehners begann und gibt nur Freistoß. Sicherlich diskutabel, aber bei aller Kritik, die Gräfe sonst so einstecken muss, eine nachvollziehbare Entscheidung. Die Situation war grenzwertig und er wollte wohl vermeiden, dass das Derby zu so einem frühen Zeitpunkt noch mehr an Hitze und Aggressivität gewinnt. Sein Kollege Wagner kann ein Liedchen davon singen, wie sehr dieses Spiel aufgrund zweifelhafter Schiedsrichterentscheidungen aus den Fugen geraten kann.

Nicht nur auf dem Platz, auch auf den Rängen hat der BVB jetzt deutlich Oberwasser. Zwar ist der Gästeblock angesichts der normalen Derbynervosität nicht so explosiv wie bei anderen Auftritten in der Fremde, aber von den Blauen ist zu diesem Zeitpunkt eigentlich kaum was zu vernehmen, außer wildem Fähnchenschwenken und leisen Gesängen, die nicht einmal von einem Drittel der Nordkurve getragen werden.

Auch Zidan brachte nichts zu Stande

Der Rest der ersten Halbzeit verläuft derbytypisch. Viel Hektik, viel Nervosität auf beiden Seiten. Für uns schafft Kevin es leider nicht, nach einem blauen Abwehrfehler den Ball schnell genug unter Kontrolle zu kriegen und Valdez, diesmal auf seiner Stammposition als vorderste Spitze, lässt in aussichtsreicher Position mehrmals lange Bälle so weit vom Fuß springen, dass er dem von Klopp propagierten Spiel gegen den Ball eine völlig neue Bedeutung gibt. Leider erweist sich der Ball zumeist als Sieger dieses ungleichen Zweikampfes. Auf Seiten der Blauen sind Kevin Kuranyi und der Farfan bei der Dortmunder Defensive gut aufgehoben, sodass Abwehrspieler Bordon mit einem Fernschuss die erste nennenswerte Gefahr herauf beschwört. Den Ball kann Weidenfeller mit Mühe und Not zur Ecke klären, die auch direkt für die nächste brenzlige Situation sorgt. Unser Keeper zögert beim Rauslaufen und Zidan muss den Kopfball von Bordon von der Linie kratzen.

Erwähnenswert noch, dass Rafinha mal wieder eindrucksvoll zeigt, dass die zahlreichen negativen Charakterstudien über ihn nicht aus der Luft gegriffen sind. Kuba liegt am Boden, Bordon spielt den Ball raus zu Rafinha und bedeutet ihm, dem Ball ins Aus zu spielen, damit Kuba behandelt werden kann. Der überlegt eine halbe Sekunde und entscheidet dann, sich über die bundesligaüblichen Gepflogenheiten der Fairness hinweg zu setzen und läuft mit dem Ball weiter. Bei dem darauf folgenden Schiedsrichterball kann man sich als Dortmunder mal wieder gepflegt in den Allerwertesten beißen, da wir den Ball brav wieder zu den Blauen zurück schießen. Sorry, aber da muss man den Blauen auch mal ihre eigene Medizin zu schmecken geben und den Ball in den eigenen Reihen behalten.

0:1 - da war die Welt noch in Ordnung

Dann ist auch schon Halbzeit. Kein Tor kassiert, mitgehalten, alle Chancen für die zweite Halbzeit offen gehalten. Ein kleines bisschen Aufatmen im Block. Vielleicht geht ja diesmal was.

Und wie da was ging! Ein paar Minuten gespielt und Schiri Gräfe zeigt nach einem Foul an Valdez auf den Punkt. Ungläubiges und erwartungsvolles Grinsen im Block. Aus der Entfernung sah das nach allem möglichen aus, aber nicht nach einem elfmeterwürdigen Foul. Die Fernsehbilder zeigen aber eindeutig, dass Rakitic auf den Fuß von Nelson tritt. Korrekte Entscheidung. Umgedreht, nicht hingeguckt, Nuri hämmert den Ball humorlos und unhaltbar ins Netz. Kollektives Ausrasten im Block und auf dem Platz. Den Spielern sieht man deutlich an, was auch ihnen die Führung bedeutet, der BVB-Anhang liegt sich in den Armen. Eins zu Null vorne. Das Unternehmen Derbysieg scheint auf einmal nicht mehr nur ein feuchter Traum zu sein.

Die weitere Reaktion im Block ist allerdings total behämmert. Bengalo und Böller, letzterer dem Vernehmen nach sogar in den angrenzenden Block der Blauen geworfen. Das Werfen von Feuerwerkskörpern auf Personen geht gar nicht. Da brauchen wir nicht drüber reden. Aber auch ansonsten eine selten dumme Aktion. Da geistern im Vorfeld des Derbys Gerüchte über Zelte mit Ganzkörperkontrolle durch die Gegend, man überlegt sich, wie man in diesem Falle gegen Derartiges protestieren kann und während des Spiels beweisen Spezialisten, dass die vorhandenen Kontrollen nicht ausreichen, um sowas zu vermeiden. Mal ganz davon abgesehen, dass das eine prima Steilvorlage für GE ist: Die haben ihren Haufen soweit disziplinieren können, dass im Stadion keine Verfehlungen dokumentierbar sind. Jetzt kann man aus der Opferrolle heraus wieder bequem mit den Finger auf Dortmund zeigen. Großes Kino.

Rafinha jubelt, Kevin kann es nicht fassen

Auf dem Platz bekommen unsere Jungs jetzt das große Nervenflattern. Man führt zwar, aber Sicherheit scheint das nur dem Gegner zu geben. Zwar völlig unverständlich, aber leider auch nicht gerade neu. Die Stimmung im Block ist trotzdem gut. Die „Im Wagen vor mir“ Adaption wird lautstark zum Besten gegeben und dabei mit bangen Blicken zur Uhr geschaut. Verdammt, noch richtig viel Zeit zu überstehen. Und es kommt wie es kommen muss, denn Borussia stellt seine Angriffsbemühungen ein und lässt die Blauen clevererweise kommen. Natürlich aus einer der unzähligen Standardsituationen heraus köpft Höwedes den Ball zum Ausgleich in die Maschen. Owomoyela springt zwar mit hoch, aber bei einer Distanz von drei Metern zum Torschützen völlig uneffektiv. Und schon sind wieder alle Träume dahin und man flüchtet sich in „wenigstens mit einem Punkt nach Hause fahren“-Gedanken. Und siehe da, jetzt können sogar die Blauen laut werden.

Der Rest ist fix erzählt: Ausgerechnet der in den letzten Spielen so gut aufspielende Bender verliert den Ball am eigenen Strafraum, Edu spielt zurück und Rakitic schlenzt den Ball in den Winkel. Nicht nur, dass die Blauen so oft gegen uns treffen, unerklärlicherweise treffen die den Ball im Derby auch immer so, wie sonst bei zehn Versuchen vielleicht ein einziges Mal. Von unserer Seite aus kommt dann nicht mehr viel. Erwähnenswert noch die Einwechselung von Rückkehrer Sebastian Kehl und Kuranyis Schubser gegen Hummels. Der prallt daraufhin mit Weidenfeller zusammen und muss nach dem Spiel mit Verdacht auf Kieferbruch ins Krankenhaus. Leider wird der Verdacht am nächsten Tag zur Gewissheit und Mats muss vier Wochen lang pausieren. Scheiß Aktion vom Nutella-Mann, aber in der Bundesliga ein normales Verhalten. Chancen auf einen Ausgleich? Fehlanzeige.

Hummels musste raus und fällt aus
Achja, in der Schlussphase kommt für den Gegner noch Gerald Asamoah aufs Feld. Die Troika Neuer, Rafinha und Asamoah damit also komplett auf dem Platz vertreten. Klar, jeder einzelne eine Person, auf die man als Dortmunder nur einen totalen Hals haben kann. Rechtfertigt trotzdem in keinster Weise die erschreckend lauten und vielfältigen Affenlaute gegen Asamoah. Man kann sich jetzt einreden, dass es „nur“ ein primitives, gedankenloses Pöbeln speziell gegen ihn ist, aber Beschimpfungen aufgrund der Hautfarbe eines Spielers gehen einfach gar nicht. Diese widerliche Form war glücklicherweise eigentlich komplett aus den Stadien der ersten Liga verschwunden und es ist eine erbärmliche Visitenkarte, die wir da abgeben, wenn sowas bei uns wieder salonfähig wird. Bitte schaltet auch beim Derby das Hirn nicht komplett auf Durchzug und verzichtet auf diesen Scheiß!


Dann der Abpfiff. Die einen bauen ihren Frust durch Rumgepose vor der Plexiglasscheibe ab, die anderen gehen einfach mit hängenden Köpfen aus dem Block. Mal wieder das Derby verloren. Mal wieder die Frage, warum man sich den Scheiß überhaupt noch antut, wenn man eh weiß, wie das ausgeht.

Auf dem Rückweg zu den auf dem Gästeparkplatz parkenden Bussen dann eine erstaunliche Interpretation des Wortes Sicherheitskonzept. Dunkler, enger Weg, auf dem sich abrückende Dortmunder und Blaue vermischen. Sowohl die Fanabteilungsbusse wie auch das Shuttle zum Hauptbahnhof sind in einiger Entfernung vom Gästeblock geparkt und den Weg darf sich jeder einzeln bahnen. Die einzige Farbe, die man weit und breit nicht sieht, ist Grün. Da kann man eigentlich auch gleich Einladungskarten rausschicken.

Gegen 23.15 Uhr geht’s dann recht zügig wieder in die Heimat. Der Busfahrer drückt ordentlich aufs Gas und schiebt sich von Startnummer 15 Richtung Podestplatz vor. Ob er einfach nur Feierabend haben will, oder wie der Rest entnervt von den lautstarken Telefonaten eines Mitfahrers mit Angelo, Uwe, Conny, Conny-Uwe und sonst wem ist, bleibt ungeklärt. Fast genau um zwölf ist man wieder zurück am heimischen Stadion. Mal wieder nicht als Derbysieger...

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