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Vier Wochen in Südafrika (Teil 2) - Stadtrundfahrt und Argentinien gegen Nigeria

16.06.2010, 09:04 Uhr von:  Rene
Vier Wochen in Südafrika (Teil 2) - Stadtrundfahrt und Argentinien gegen Nigeria
Vier Wochen Südafrika

Nach der ersten ruhigen Nacht nach unserer Abreise mit wohltuenden neun Stunden Schlaf geht es nach dem Frühstück wieder in den Bus. Leider stellt sich heraus, dass er immer noch nicht getauscht wurde. Ohnehin bekomme ich langsam den Eindruck, dass die Reiseleitung die afrikanische Gemütlichkeit früher als erwartet adaptiert hat. Ich habe meine Zweifel, dass wir bis zur langen Fahrt nach Durban noch einen ordentlichen Bus bekommen.

Mit einer knappen Stunde Verspätung beginnt unsere Stadtrundfahrt zum Sightseeing. Erstes Ziel ist ein Denkmal außerhalb von Pretoria. Von dort kann man einen wunderbaren Blick auf den Stadtkern und das Umland genießen und die Sonne bringt richtig Laune. Nächstes Ziel ist der Freedom Park, der allerdings nur kurz durchschritten werden kann, da es offenbar nicht möglich ist, 50 Mann regelmäßig zu einer nur halbwegs pünktlichen Abfahrt zu bewegen. Vom Freedom Park aus lassen wir uns an einem Fußweg zum Hauptbahnhof absetzen. Mit einer Gruppe von insgesamt fünf Leuten haben wir Karten für das Spiel im Ellis Park Stadion in Johannesburg, während der Rest der Gruppe später im 120 km entfernten Rustenburg das Abend-Spiel USA gegen England schauen wird. Wir haben uns dagegen entschieden, da die morgige Fahrt nach Durban bereits um 5 Uhr beginnen soll (!) und mit einer Rückkehr vor 1 Uhr wohl nicht zu rechnen ist.

Denkmal in Johannesburg

Der Weg von hinten zum Hauptbahnhof über eine alte Fußgängerbrücke gibt einen ersten Eindruck auf die Stadt außerhalb geführter und von der Fifa überwachter Routen. Die Leute lächeln und sind freundlich, dennoch bleibt vereinzelt irgendwie ein mulmiges Gefühl, da die ganze Situation schwer einzuschätzen ist. Am Bahnhof angekommen steht schnell fest, dass wir mit dem Zug fahren können. Es gibt Sonderzüge der Fifa, die kostenfrei mit den Tickets genutzt werden können, auch ein normaler Pendelzug ist eine Option. Er braucht zwar länger und hält an jeder Station, fährt aber auch früher ab, zumindest nach Plan.

Der Bahnhof in Johannesburg

Wir entscheiden uns, den normalen Zug zu nehmen, falls dieser rechtzeitig abfährt. Auf dem Bahnsteig sind wir die Attraktion und werden ca. eine halbe Stunde lang von einem etwas angetrunkenen Menschen bespaßt. Vielleicht bespaßen wir ja auch die Einheimischen, kommt wohl auf die Sichtweise an. Langweilig wird es auf jeden Fall nicht. Der Zug lässt allerdings auf sich warten, so dass wir uns dann doch für den schnelleren Sonderzug eine Stunde später entscheiden. Die Zeit nutzen wir, um erstmal Bier zu holen. Im Bahnhofsviertel findet sich ein Supermarkt, der zwar kein Bier verkauft, uns aber eine Bar zeigt, in der es etwas geben soll. Mit Rene geht's hinein und wir werden von ca. 10 Billiard spielenden Farbigen recht grimmig angesehen. Der Wirt hinter der vergitterten Theke lächelt uns aber freundlich zu, bittet uns herein, drückt die Hand und berät uns gut. Mit 7 Kannen einheimischem Hansa Pils in trinkfreudigen 750ml Flaschen geht es zurück zum Bahnsteig.

Der Sonderzug kommt pünktlich und ist im Gegensatz zu den normalen Zügen mit ca. 5-8 Polizisten pro Abteil auch gut gesichert. Das Angebot wird von Einheimischen und Touristen allerdings kaum wahrgenommen. Neben den Polizisten befinden sich nur noch unsere Gruppe und wenige Argentinier in unserem Wagen. Nachdem wir einige Stationen durchfahren haben, die in oder an den Townships liegen, finde ich es doch ganz gut, dass wir den offiziellen Zug genommen haben. Der Blick auf die Armenviertel in Johannesburg lässt die Stimmung merklich sinken. Alle wirken nachdenklich ob der Bilder, die wir zwar nur im Vorbeifahren sehen, die aber doch nachhaltig Eindruck hinterlassen. Irgendwie unwirklich, wenn man den Trubel in den und um die Stadien als Vergleich heranzieht.

Der Stadioneingang in Johannesburg

Wir kommen an einer vollkommen neuen Bahnstation in der Nähe des Ellis Park an. Auch die anderen Stationen, an denen der Sonderzug hielt, sind neu bzw. modernisiert - im Gegensatz zu den anderen Stationen der Strecke. Der Weg zum Stadion ist wieder gut bewacht und schnell entern wir den Ellis Park. Ein schönes altes Stadion, mit alten Tribünen, Toiletten ohne Licht und etwas holpriger Bierversorgung (Die Kühlschränke waren schon zur Halbzeit leer und wurden leider nur mit lauwarmen Bier nachgefüllt.). Nach den Erfahrungen mit den Würstchen haben wir uns übrigens vor dem Stadion gestärkt. Der Geruch von diesen ist aber leider omnipräsent und deutlich nerviger als das Getröte. Da muss ich René übrigens recht geben, ich fand das im zweiten Spiel auch nicht mehr sonderlich irritierend, sondern irgendwie passend. In den Übertragungen kommt das übrigens auch deutlich lauter rüber als live. Das Stadion ist fest in argentinischer Hand, südamerikanischer Flair wird allenthalben verbreitet, und der Jubel über den Führungs- und Siegtreffer bereits in der 6. Minute heizt die Stimmung nochmal an.

die argentinische Kolonie im Stadion
Leider so sehr, das etwa 10 Reihen unter uns eine kleine Schlägerei entsteht. Es bleibt zwar insgesamt ruhig, allerdings ist die Einsatzgeschwindigkeit der lokalen Kräfte doch erschreckend. Erst kommt eine Ordnerin, schaut kurz, holt dann die Supervisorin, die schaut auch. Nach ca. zehn Minuten kommen dann zwei Polizisten und … schauen kurz.. Gab aber wohl nichts mehr zu sehen, also sind alle wieder verschwunden?! In einem anderen Block kurz vor Schluss eine ähnliche Szene. Nachdem ein Argentinier trotz mehrfacher Ermahnung immer wieder auf die Bande gestiegen ist, wurde versucht, ihn mit zwei Polizisten aus dem Block zu entfernen. Die Szenerie begann ca. in der 80. Minute und zog sich bis nach Abpfiff – Ausgang ungewiss. Hoffentlich passiert nicht mal richtig was, zur Zeit ist wohl eher Deeskalation statt energischem Durchgreifen die Parole.


Nach dem Abpfiff geht es schnell zu den Sonderzügen, die uns sicher wieder nach Pretoria bringen. Im Endeffekt war es wohl die beste Lösung, den Sonderzug zu nehmen. Den Weg in die Kneipe zum nochmaligen Bierholen sparen wir uns aber und fahren direkt ins Hotel, um noch das Spiel USA-England in einem Steakhouse zu schauen. Nach ein paar Bier später gehen wir auf die Zimmer zum Koffer packen. Morgen geht es um 5 Uhr los nach Durban zum Deutschlandspiel. Mal sehen, wann wir tatsächlich loskommen...

Weitere Impressionen

Text: Mirko

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