Ein Tag Gefängnis in Sevilla III
Hier ist der dritte Bericht eines der Verhafteten aus Sevilla. Wir veröffentlichen die Berichte, weil es uns am Herzen liegt, die unglaublichen Vorgänge, die mitten in der europäischen Union geschehen sind, zu dokumentieren. Wie einzelne Berichte von Fans anderer Vereine zeigen, scheinen wir Borussen kein Einzelfall gewesen zu sein. Wir bedanken uns bei allen Geschädigten, die in so kurzer Zeit es fertig brachten, von diesen Geschehnissen zu berichten.
Am Mittwoch, den 16.12.2010, bin ich zusammen mit mehreren Freunden zum BVB-Fan-Treffpunkt in Sevilla gegangen. Von dort bin ich um ca. 19 Uhr zusammen mit einigen BVB-Fans in Richtung Stadion aufgebrochen. Die Stimmung war zu Beginn des Marsches sehr friedlich. Je näher man sich dem Stadion näherte, umso aggressiver wurde aber das Verhalten der spanischen Polizei. Es wurde ohne ersichtlichen Grund mit dem Knüppel auf Dortmundfans eingeschlagen, bzw. wurden Dortmundfans aus der Gruppe herausgerissen. Zum weiteren Verlauf kann ich leider keine Angaben mehr machen, da ich wahrscheinlich kurzzeitig bewusstlos geschlagen wurde. Das Erste, an was ich mich wieder erinnern kann, ist, dass ich kniend und stark blutend im Stadion festgehalten wurde. Ein Dortmunder Zivilpolizist kam zu mir, um mit mir zu sprechen, wurde aber umgehend von der spanischen Polizei weggeschickt. Die einzige Info, die ich erhalten habe, war, dass ich angeblich eine Dose auf spanische Polizisten geworfen habe und dass der Dortmunder Zivilpolizist nichts weiter für mich tun könnte. Nach einigen Minuten wurde ich im Stadion zum Arzt gebracht, welcher meine stark blutende Kopfverletzung notdürftig mit einem Pflaster behandelte.
Anschließend wurde ich zur Aufnahme meiner Personalien auf eine Polizeistation gebracht. Des Weiteren wurden noch Fingerabdrücke genommen, und später kam eine Dolmetscherin hinzu.
Zusammen mit der Dolmetscherin musste ich einige Formulare unterschreiben. Der Dolmetscherin teilte ich mit, dass ich umgehend wegen meiner Kopfverletzung von einem Arzt behandelt werden muss. Stattdessen wurde ich aber in eine Einzelzelle gesteckt.
In der Zelle wurde mir eine Matte und eine Decke zur Verfügung gestellt. Ich habe in der ganzen Zeit nichts zu Essen und nichts zu Trinken bekommen. Ich hatte starke Schmerzen am Oberarm, und vor allem mein Kopf schmerzte sehr, trotzdem musste ich in einer dunklen Zelle ohne Toilette und Bett übernachten. Am nächsten morgen um ca. 09:00 Uhr wurde ich von zwei Polizeibeamten zu einer nahe gelegenen Arztpraxis gebracht. Dort wurde ich, in Handschellen gefesselt, mit drei Stichen über meinem rechten Auge genäht. Zurück in der Polizeistation wurden weitere Fingerabdrücke von mir genommen, ich wurde gemessen und es wurden Bilder von mir gemacht. Danach wurde ich zurück in die Einzelzelle gebracht. Gegen Mittag wurde ich zusammen mit einem älteren bosnischen Dortmund-Fan zum Gericht gebracht. Dort kamen wir beide zusammen in eine Zelle. Diese Zelle war menschenunwürdig. Auch hier bekam man nichts zu Trinken und erst am späten Nachmittag bekamen wir eine Kleinigkeit zu Essen. Kurze Zeit später traf ich auf einen weiteren Dolmetscher und einen Anwalt. Hier wurde mir mitgeteilt, dass ich die öffentliche Ruhe gestört und mich gegen die spanische Polizei zur Wehr gesetzt haben soll. Der Anwalt und der Dolmetscher teilten mir mit, dass ich auf 18 Monate Bewährung verurteilt werden würde und eine Geldstrafe in Höhe von 180 € zu zahlen hätte (30 Tagessätze). Man wies mich darauf hin, dass, wenn ich mein Fehlverhalten eingestehen würde, die Strafe auf 12 Monate Bewährung und auf 120 € (20 Tagessätze) reduziert wird. Dem stimmte ich sofort zu, damit ich endlich wieder auf freien Fuß komme, obwohl ich mir absolut keiner Schuld bewusst bin.
Dadurch, dass der zuständige Richter das Gebäude fünf Minuten zuvor verlassen hatte und somit eine Unterschrift von ihm fehlte, wurde ich für weitere vier Stunden in die Zelle gesperrt. Vorher wurde mir versprochen, dass ich bis ca. 13:30 Uhr entlassen werde, damit ich meinen Rückflug von Malaga nach Frankfurt-Hahn noch wahrnehmen kann. Letztendlich wurde ich erst gegen ca. 18:00 Uhr aus der Zelle entlassen.
Vor dem Gerichtsgebäude nahm mich unser BVB-Fanbeauftragter Jens Volke in Empfang. Umgehend habe ich ein Internetcafe aufgesucht, um einen neuen Rückflug aus Sevilla zu buchen. Letztendlich bin ich am Freitagmorgen um 09:20 Uhr von Sevilla nach Palma de Mallorca und von dort aus, mit fast fünfstündiger Verspätung, weiter nach Frankfurt/Main geflogen. Nach meiner Ankunft um ca. 18:30 Uhr in Frankfurt/Main bin ich direkt in ein Krankenhaus gefahren worden. Dort wurde mein rechter Oberarm geröntgt und meine Kopfverletzung wurde gereinigt.
Meiner Einschätzung nach kann man das Verhalten der spanischen Polizei so nicht hinnehmen. Der Polizeieinsatz war völlig übertrieben, dabei wurde grundlos auf friedliche Dortmundfans eingeschlagen. Die Haftbedingungen in der Polizeistation und auch im Gerichtsgebäude waren menschenunwürdig. Die Behandlung durch die Polizisten kann ich kaum in Worte fassen. Auch auf mehrmaliges Nachfragen, wurde mir nichts zu Essen und nichts zu Trinken gewährt. Am schlimmsten war allerdings für mich die Nacht, alleine in dieser dunklen Zelle, ohne jegliches Zeitgefühl und Informationen, was mit mir passieren wird. Man wurde permanent beschimpft. Kaum ein Polizist war der englischen Sprache mächtig und somit war eine Kommunikation nicht möglich.
An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich bei den Verantwortlichen von Borussia Dortmund und vor allem bei unserem Fanbeauftragten Jens Volke für die Betreuung vor Ort bedanken.
Abschließend möchte ich bemerken, dass ich seit ca. 15 Jahren regelmäßig zum Fußball fahre und in dieser Zeit auch in über 40 Ländern Fußballspiele gesehen habe. Mir ist in dieser gesamten Zeit ein solch völlig übertriebener Gewalteinsatz von Seiten der Polizei noch nie begegnet.
Verletzungen:
- Linke Augenbraue musste mit drei Stichen genäht werden
- Mehrere Beulen am Kopf, starke Kopfschmerzen
- Starke Prellungen und Blutergüsse am rechten Oberarm
- Taubheitsgefühl im rechten Daumen
- Schürfwunde am rechten Knie
geschrieben von T. (Person der Redaktion bekannt)
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