Manchmal ist Fußball egal
Es ist nun schon über 24 Stunden her, dass wir erfahren mussten, dass ein junger Mann beim Spiel des BVB gegen Werder in meinem, in unserem Wohnzimmer, dem Westfalenstadion, sein Leben verloren hat. Noch gestern dachte ich, jedes Wort zu diesem Thema sei überflüssig, alles würde an anderer Stelle gesagt werden. Nachdem ich heute überall viele schöne und unschöne Kommentare und Reaktionen gelesen habe, muss ich einfach loswerden, was mir persönlich am Herzen liegt.
Knapp 35 Jahre ist es her, dass ich als pickeliger Jüngling mit langer Matte auf dem Kopf von der Roten Erde in das Westfalenstadion umgezogen bin, umgezogen werden durfte. Mein erster Weg beim Eröffnungsspiel der Damen von Mengede gegen Waltrop am 2. April 1974 vor knapp 50.000 Zuschauern führte mich aus unerfindlichen Gründen in den Block 13, mittlere Ebene, Treppe hoch, links rum, dritter Wellenbrecher von unten.
Dieser Platz war bei den Spielen des BVB für viele, viele Jahre meine Heimat. Vor dem Aufgang zu diesem Block haben meine Kumpels und ich vor und nach den Spielen endlos über Aufstellungen, Fantum, Frauen, Gott und die Welt diskutiert, uns die Kehlen schon vor dem Spiel heiser gegröhlt und waren zugegebenermaßen manchmal auch froh, wenn wir dem Taxifahrer nach dem Spiel ohne Totalabriss des Zungenbändchens noch unsere Heimatadresse ansagen konnten.
Später wechselte ich aus den verschiedensten Gründen die Plätze im Stadion. Mal war es die Nord, dann die West, gerne auch die Osttribüne. Bei jedem Spiel zog und zieht es mich in diesem riesigen Stadion allerdings immer wieder zu diesen wenigen Quadratmetern vor dem Eingang zu Block 13. Nur zu Block 13 und nicht zu den angrenzenden Aufgängen. Mal vor dem Spiel, mal in der Halbzeit, mal nach einem Spiel. Mit Gleichgesinnten ein Pils trinken und über Aufstellungen nörgeln oder einfach nur die Atmosphäre aufsaugen.
So führte mich mein Weg auch gestern in der Halbzeit vor „meinen“ Block und Freunde erzählten mir von dem tödlichen Unfall. Von dem Unfall neben „meiner“ Treppe. Irgendwann, so 20 Minuten vor Abpfiff, bin ich nach Hause gefahren. Manchmal ist Fußball so egal.
Warum ich das erzähle?
Es gibt immer und überall tragische Ereignisse und Todesfälle. Einige gehen einem näher, andere nicht. Manchmal stirbt auf der Tribüne jemand wegen eines Herzanfalls, manchmal auf dem Heimweg bei einem Verkehrsunfall.
Gestern ist jemand in meinem Zuhause, in meinem Block gestorben.