War's das?
Mit großen Erwartungen hatte sich der Dortmunder Anhang in einer der unwirklichsten Städte Deutschlands versammelt, um den BVB in einen europäischen Wettbewerb zu schreien. Tagelang hatten sie hochgerechnet, wie man auf der Schlussgeraden der Saison doch noch an die monetären Fleischtöpfe Europas gelangen könnte.
Das 0:3 bei Spitzenreiter Wolfsburg war gewiss ein herber Dämpfer, kann man dieses Ziel doch im Moment wohl nicht mehr aus eigener Kraft erreichen. Es hat andererseits auch den Vorteil, dass wir wieder einschlafen können, ohne uns bei unzähligen Rechnereien und dem Durchspielen aller möglichen Konstellationen im Bett hin- und herwälzen zu müssen.
Tribüne
Knapp 5.000 hoffnungsvolle Dortmunder hatten Karten für den überdachten VW-Betriebssportplatz ergattern können. Allerdings herrschte bei einem Teil der Fans eine bedrückte Stimmung. Ein Mitglied von The Unity war am Vortag durch einen tragischen Verkehrsunfall ums Leben gekommen und so wurde auf eine geplante Choreo und Schwenkfahnen verzichtet. Lediglich eine Zaunfahne mit der Aufschrift „Wer für Borussia lebt, den vergessen wir nie“ hing als Zeichen der Trauer und Verbundenheit in der Kurve, beim Spiel erschallte zudem mehrmals „You'll never walk alone“ im Gästeblock. Insgesamt präsentierte sich der BVB–Anhang wieder in blendender Form.
Bei den Gipfelstürmern aus Wolfsburg gab es reichlich Fahnen zu sehen, stimmlich war es so, wie man es seit Jahren von den Autoschraubern gewohnt ist, nämlich mau. Auch wenn auf der Nordtribüne im Vergleich zu den Vorjahren etwas mehr Aktivität zu beobachten und eine höhere Phonzahl zu messen war, käme man als Unkundiger in Sachen Tabellenstand niemals auf die Idee, dass in diesem Stadion gerade der aktuelle Tabellenführer der Bundesliga gegen einen vermeintliche Verfolger um die erste Meisterschaft in der Vereinsgeschichte spielt. Überwiegend emotionsloses Klatschvieh, dass sich pro Halbzeit lediglich zwei mal brav zum „Steht auf...“ erhebt. Ungläubiges Kopfschütteln bei der Borussenschar rief zudem ein Transparent der Wolfsburger hervor: “Geld kann vieles aber nicht alles. Wir sind der Verein.“ Was wollte man damit wem sagen? Laufen die Wölflein nun auch schon mit Anti-Hoffenheim Aufklebern durch die Gegend? Umrahmt wurde das ganze durch eine geniale Choreo: Alle hielten brav weiße und grüne Papptafeln hoch. Einfach klasse...
Vor dem Spiel holte sich Felix Magath erst einmal den verdienten Lohn dafür ab, dass er Wolfsburg Hals über Kopf den Rücken kehren wird und beim Pack angeheuert hat. Bei der Nennung seines Namens gellte von allen Tribünen ein lang anhaltendes Pfeifkonzert. So laut war es in dieser Arena sicherlich noch nie, aber immerhin...
Auf'm Platz
Beide Mannschaften konnten in Bestbesetzung antreten. Die leicht angeschlagenen Misimovic und Riether konnten ebenso auflaufen wie Dede (Glückwunsch zum 300. Bundesligaspiel!). Die Partie begann für die Sympathisanten von Schwatzgelb erfreulich munter. Borussia spielte, als wenn sie Gastgeber wäre und Wolfsburg schien im eigenen Laden eher auf Konter zu lauern als selbst offensiv aktiv zu werden. Riesenchance schon in der 11. Minute, als Alex Frei den Ball im Sechzehner freistehend verzieht. Aus unerklärlichen Gründen riss beim BVB nach etwa zwanzig Minuten plötzlich der Faden und der VfL begann seinerseits, mit schönen Kombinationen Druck auf das Dortmunder Tor aufzubauen.
Pfeife
In dieser Phase rückte auch ein Mensch namens Lutz Wagner mehr und mehr ins Rampenlicht. Der Schiri verstand es von nun an immer wieder, Spieler und Zuschauer beider Seiten zu erzürnen. War es hier mal ein kleiner Schubser, der zu einem unnötigen Freistoß führte, wurden im nächsten Moment ein Tor wegen angeblicher Abseitstellung nicht gegeben, später zwei elfmeterreife Situationen geflissentlich übersehen (Madlung reißt Santana um, Handspiel Hasebe im Strafraum) oder ein Stoppen des Balles mit der Brust als Handspiel mit anschließendem Gelb geahndet (Subotic). Über das gesamte Spiel gesehen lieferte Wagner eine indiskutable Leistung ohne Linie und Fingerspitzengefühl ab.
Und sonst?
Zum BVB sei anerkennend erwähnt, dass man auch nach dem frühen 1:0 der Wölfe durch Dzeko, nach einer schöne Kombination von Josué und Grafite, zu jeder Zeit versuchte, der spielstarken Offensivabteilung der Autostädter Paroli zu bieten. Das schnelle 2:0 durch Grafite (47.) kurz nach der Halbzeit war sicherlich eine kleine Vorentscheidung, das 3:0, wieder durch Dzeko (85.), lediglich Makulatur.
An der B1 wird der Platzverweis von Boateng intern sicher noch für Gesprächsstoff sorgen. Erst neun Minuten auf dem Platz, musste Kevin den Rasen schon wieder verlassen. Nach einem Kung-Fu-Tritt, die Stollen in Kopfhöhe voran, erwischte er Hasebe derart schwer am Kopf, dass dieser anschließend blutend ausgewechselt werden musste. Ein absolut überflüssiges Einsteigen, das hinter einen möglichen Vertrag bei der Borussia ein großes Fragezeichen setzt, auch wenn die Aktion keinesfalls als vorsätzlich zu bewerten ist.
Fazit
Die Niederlage ist sicher um das eine oder andere Tor zu hoch ausgefallen. Man hatte sehr gute eigene Möglichkeiten, die entweder nicht eiskalt genutzt wurden oder Schiri Wagner nicht in sein nicht vorhandenes Konzept passten. Kopf hoch und die Saison weite so zuende spielen, wie wir es lieben gelernt haben: mit Herz und Kampf.
Spruch des Tages:
Wir waren überrascht, dass das Stadion ausverkauft ist. Daher haben wir durch den Stau das Stadion so spät erreicht
Eine Provinzposse vom Allerfeinsten.
Noten
Schiedsrichter Lutz Wagner: Hat eine Begründung der Note nicht verdient: 6
Roman Weidenfeller: Was zu halten war, wurde gehalten. Bei den Toren machtlos: 2
Leonardo Dede: Hat seine Seite absolut sauber gehalten, nach vorne viel Druck erzeugt: 2
Felipe Santana: Solides Zweikampfverhalten, konnte Dzeko dennoch nicht völlig ausschalten: 2,5
Neven Subotic: Das 1:0 geht auf seine Kappe. Nach der unberechtigten Karte sichtlich gehemmt. Nach leidenschaftlicher Fürsprache einer einzelnen Dame: 3,5
Patrick Owomoyela: Siehe Dede, aber mit dem Leichtsinnfehler, der das 2:0 einleitete: 2,5
Sebastian Kehl: Wieder stark, im Angriffspiel kam diesmal wenig: 3
Nuri Sahin: Sehr aktiv, mit Ungenauigkeiten beim finalen Pass, trotzdem: 2,5
Tamas Hajnal: Anfangs stark, danach kaum noch mit erfolgreichen Aktionen zu sehen: 4
Jakub Kuba: Ähnlich wie Hajnal, in der 1. Halbzeit mit besseren Aktionen: 3,5
Nelson Valdez: Rückfall in alte Zeiten. Viel gerackert, kaum Ertrag: 4
Alexander Frei: Hätte das Spiel durch seine Chance am Anfang in ruhige Bahnen lenken können. Diesmal kein Killerinstinkt: 4