Fleischer, bleib bei Deinen Koteletts!
Das Wichtigste zuerst: Die schwarzgelbe Horrorwoche hat ein Ende. Nach 1:4 in Hamburg und 0:5 gegen Real reichte es gegen den VfB Stuttgart. Das ist aufgrund des Spielverlaufs zwar ärgerlich, im Grunde aber durchaus verdient. Deutlich ärgerlicher mutet hingegen die Nicht-Leistung des Schiedsrichtergespanns an. Selbst willkürliches Raten hätte wohl eine bessere Trefferquote erbracht als die Abseits- und Zweikampfbeurteilungen von Dr. Helmut Fleischer und seinen Assistenten.
Vielleicht wollte der Mann mit der Pfeife aber auch nur die schwatzgelb.de-Schreiberlinge ihres fehlenden Sachverstandes überführen. Die waren sich zu Beginn der Partie nämlich noch einig gewesen: „Der Fleischer gehört zu den besseren Schiris." Wie man sich irren kann.
Nein, keine Panik: Wir wollen jetzt nicht ellenlang lamentieren, wie übel der Borussia doch mitgespielt wurde. Das 1:1 ist weitgehend leistungsgerecht und die Fehlentscheidungen fielen ganz sicher nicht allein zu schwarzgelben Ungunsten. Die Summe der übersehenen Tätlichkeiten, nicht gegebenen Elfmeter und zu Unrecht abgepfiffenen Angriffe ist für ein Schiedsrichtergespann der obersten Spielklasse schwerlich tolerierbar.
Doch beginnen wir mit dem Sportlichen: Für den BVB bedeutete das Spiel gegen den VfB in erster Linie eine Rehabilitationsmöglichkeit für die beiden Klatschen der letzten Tage - und so wollte Jürgen Klopp offenbar die Seinen auch in die Pflicht nehmen. Lediglich Dede rückte für Schmelzer ins Team, der Rest des Teams sollte wohl beweisen, dass Hamburg ein Ausrutscher war. Ganz anders der VfB, wo Armin Veh mit Schieber, Rudy und Niedermeier gleich drei weitgehend unbekannte Nachwuchsspieler nominierte - der BVB also konfrontiert mit einer halben Stuttgarter B-Elf. „Moment mal", denkt der aufmerksame Leser. „Wieso Armin Veh?" Auch die schwatzgelben Beobachter zeigten sich überrascht vom offenbar schon dritten Trainerwechsel in der Saison, den die Bildregie im Westfalenstadion dort unterschwellig verkündete. Die Personalie warf Fragen auf: Wie verkraftet Veh die Doppelbelastung? Und sparen die knausrigen Schwaben Reisekosten durch ein Helikopter-Sharing mit Jens Lehmann?
Während wir also noch sinnierten, knüpfte Patrick Owomoyela nahtlos an seine Hamburger Darbietungen an: Ballverlust im eigenen Strafraum, so dass Weidenfeller gegen Cacau Kopf und Kragen riskieren muss. In der zweiten Minute wohlgemerkt, das konnte ja heiter werden.
Und die Nachrichten wurden kaum besser. Ohne Einfluss des Gegners verletzte sich Tinga im Mittelfeld. Die Aufgabenverteilung der Physiotherapeuten ließ dabei nichts Gutes erahnen: Während der eine behandelte, spendete der andere Trost. Für Tinga war die Partie also nach nicht einmal vier Minuten gelaufen, Mats Hummels kam an seiner statt ins Spiel.
Wobei das Dargebotene in dieser Phase nicht viel mit Fußball zu tun hatte . Beide Mannschaften konnten mit dem runden Leder wenig anfangen und spielten es nach Herzenslust dem Gegner zu. Sollte der doch zusehen, dass er was mit dem Ball anfangen kann. Und während die Teams auf dem Platz sich bei entsprechendem Wetter dem gedanklichen Biergarten hingaben, blieb dem Fan auf der Tribüne immerhin Zeit, den Blick schweifen zu lassen: Eine völlig leere Nord-Ost-Ecke und große Lücken auf der Nordtribüne fielen dabei ins Auge. Hitzlsperger ist halt nicht Ronaldo, der VfB ist nicht Real und die Bundesliga eben kein Freundschaftsspiel. Manchmal muss man eben Prioritäten setzen. Das taten übrigens nicht nur die Dortmunder, sondern wohl auch die Stuttgarter, die einmal mehr daheim in Schwaben blieben. Immer wieder seltsam, wie wenige Fans den doch gar nicht so kleinen VfB begleiten. Und - so viel sei verraten: Die fehlende Masse wurde in der Folge auch nicht mehr ausgeglichen durch gesangliche Klasse. Zwar bespaßten sich die Stuttgarter Ultras diesmal nicht ausschließlich selbst, so richtig überzeugend war der Auftritt aber auch nicht. Da haben wir selbst von kleineren Vereinen schon Besseres gesehen.
Nach einer guten Viertelstunde nahm das Spiel ein wenig Fahrt auf - und dem Butcher seine Show konnte beginnen: Nelson Valdez hatte den Ball mustergültig per Kopf auf Barrios abgelegt und damit die wenig standfeste Hintermannschaft der Schwaben völlig überrumpelt. Barrios brauchte nur noch einzuschieben und das tat er auch. Dass er bei der Ballabgabe nicht im Abseits stand, interessierte das Schiedsrichtergespann dabei jedoch wenig. Der Treffer zählte nicht. Nur fünf Minuten später dasselbe Spiel: Diesmal bediente Barrios Hajnal, der frei auf das Tor von Lehmann zulaufen wollte, als die Pfeife das Spiel erneut unterbrach. So langsam wurde es ärgerlich, doch der anfänglich Groll sollte schnell verfliegen.
27. Minute, ein wundervoller Pass von Nuri Sahin setzt Valdez in Szene und Nelson beweist Knipserqualitäten. 1:0, noch dazu durch die Beine von Jens Lehmann. Was will man mehr?
Das Tor brachte der Borussia Elan und Mut. Einen strammen Schuss von Hummels kann Jens Lehmann wenige Minuten später nur abprallen lassen und in der nächsten Szene ist es wieder das Pärchen vom 1:0. Nuri Sahin spielt Valdez mit einem sehenswerten Hackentrick frei, der zieht halbrechts in den Strafraum, scheitert allerdings mit einem direkt auf Lehmann platzierten Schussversuch.
Spielerisch war es das in Hälfte 1, doch da gab es ja noch Helmut Fleischer: Einen Ellbogenschlag von Jens Lehmann übersah der Unparteiische genauso wie Subotics Revanche mit gleichen Waffen. Auch Cacaus Ellbogencheck gegen Kuba blieb ungeahndet. Zwei glasklare Elfmeter für die Gäste nach Foul von Dede und Handspiel von Santana interessierten das Gespann nicht einmal am Rande. Die Aktion zwischen Lehmann und Subotic soll nun untersucht werden, obwohl der Schiedsrichter die Aktion gesehen und mit einer Ermahnung und einer zahnärztlichen Untersuchung von Lehmanns Kiefer abschloss. Hier wäre Dr. Markus Merk wohl doch der bessere Schiedrichter gewesen. Herr Watzke bedachte das Mimimi-Gehabe von Herrn Lehmann dann auch im Nachhinein mit dem Hinweis auf den möglichen altersbedingten Zahnausfall des Stuttgarter Fußballgreises.
So ging es nach viel anfänglichem Gewürge, ein paar spielerischen Glanzlichtern der Schwarzgelben und mehreren unschönen Szenen in die Pause, wo die Borussen im Gefühl einer verdienten Führung offenbar eine Idee zu lang verschnauften. Denn nur kurz nachdem Jens Lehmann zum vielleicht letzten Mal ins Westfalenstadion eingelaufen war und die Südtribüne lautstark über die Profession seiner Mutter spekulierte, passierte, was nicht passieren sollte.
Freistoß für den VfB von der rechten Seite. Eine weite Flanke segelt in den Strafraum, wird von Khedira abgefälscht und landet am zweiten Pfosten, wo Georg Niedermeier völlig unbedrängt mit dem Kopf zur Stelle ist. Ein ganz dummes und vermeidbares Tor.
Dass die Schwarzgelben gedanklich noch nicht wieder so richtig auf dem Platz sind, zeigt sich kurz darauf erneut. Weidenfeller fängt einen Eckball ab, will das Spiel schnell machen und wirft schnell ab auf Hummels, den spontan einfach mal alle guten Geister verlassen: Fehlpass direkt in den Fuß von Hitzsperger, der den weit vor seinem Gehäuse stehenden Weidenfeller registriert und es mit einem Schuss aus der Distanz probiert. Knapp streicht das Leder über das Gehäuse, da wäre Weidenfeller völlig machtlos gewesen.
Der Weckruf allerdings tat seine Wirkung, der BVB kämpfte sich wieder zurück in die Partie - und blieb auch gefährlich. In der 58. Minute ist es Kuba, der von Hummels auf die Reise zum Konter geschickt wird, Magnin überläuft und von diesem 20 Meter lang festgehalten wird, bis er den Ball vertändelt. Eine klare Notbremse, die der Schiedsrichter wahrscheinlich sogar gepfiffen hätte, wenn sich Kuba hätte fallen lassen. Schade, dass die Fairness nicht honoriert wird, trotz Foul noch weiterspielen zu wollen. Beim nächsten Mal wird der Pole wahrscheinlich schneller zu Boden gehen.
In der Folge sollte sich lange Zeit nur noch wenig tun. Hier mal ein Schussversuch, dort mal eine aussichtsreiche Flanke, doch beide Mannschaften agieren nicht zielstrebig genug, um für nennenswerte Torgefahr zu sorgen. Erst in der Schlussphase bemüht sich die Borussia wieder intensiver um einen Siegtreffer.
Erst ist es der eingewechselte Rangelov, der einen Kopfball in der 83. Minute an die Latte setzt. Drei Minuten später ist es dann der nächste Einwechselspieler, Kevin Großkreutz, der die Lücke sieht und mit dem Ball am Fuß über den halben Platz sprintet. Am Ende fehlt jedoch auch hier die Präzision und das sehenswerte Solo endet mit einem Schuss etwas zwei Meter rechts am Tor der Stuttgarter vorbei. Eine wirklich tolle Einzelaktion unseres Nachwuchskickers und Teilzeikolumnisten.
Kurz vor Schluss will es sich das Schiedsrichtergespann nicht nehmen lassen, nach all den Mühen auch für den Schlusspunkt der Partie zu sorgen. Schieds- und Linienrichter kommen zum Boxenstopp an die Seitenlinie und erhalten ein neues Fähnchen samt Vibrator. Um aus diesem Spiel noch einen Karrierehöhepunkt zu machen, kamen die neuen Hilfsmittel allerdings zu spät.
Die Schlussphase ist gekennzeichnet von den Bemühungen beider Teams, doch noch das Siegtor zur erzielen. Das Spiel steht auf des Messers Schneide. Sieg, Unentschieden und Niederlage sind noch drin. Derweil verlassen auf den Seitentribünen die Leute reihenweise ihre Plätze und das Stadion. Da fällt einem nicht mehr viel zu ein.
Am Ende bleibt es beim 1:1. Nicht unverdient aufgrund der Chancen und Spielanteile, aber doch ärgerlich. Mit etwas Glück wären auch ein Dreier und damit eine etwas bessere Ausgangslage vor den nächsten Partien drin gewesen. Die werden schwer genug.
Das etwas zerfahrene Spiel spiegelte sich letztlich auch in der Stimmung wieder. Die Stuttgarter konnten bis zum Schluss das mittelmäßige Bild nicht mehr begradigen, aber auch die Süd war an diesem Tag nicht durchweg in Topform. Einige wenige Male, insbesondere in der Schlussphase, erwachte das große Potential zum Leben und es wurde richtig laut. Besonders hervorzuheben der Westfalenstadion Roar vor dem letzten Eckball des Spiels. So laut war das Westfalenstadion wohl nur ganz selten. Über weite Strecken allerdings passte sich die Stimmung dem Geschehen auf dem Platz an.
Die Spieler in der Einzelbewertung:
Weidenfeller: Teilweise problematische Schwächen in der Strafraumbeherrschung, auf der Linie dagegen gewohnt sicher. Trotzdem noch lange nicht in Top-Form. Note 4
Subotic: Etwas sicherer als zuletzt, im Duell mit Jens Lehmann zu unbeherrscht. Note 3,5
Tinga: Leider nur drei Minuten auf dem Platz
Sahin: Gefällt allein durch Körpersprache und Präsenz auf dem Platz, dazu kommen sehenswerte Spielzüge und feine Pässe. Bereitete das 1:0 vor und war damit der beste Borusse auf dem Platz. Note 2
Valdez: Souveräner Torschütze des Borussentores, der auch das 2:0 auf dem Fuß hatte. In einigen Szenen fehlte es an Durchschlagskraft. Note 2,5
Kuba: Stark verbessert, das war aber auch nicht so schwer. Hat seine Sache ordentlich gemacht. Note 3
Dede: Nach der Verletzung noch nicht auf der Höhe. Ließ sich defensiv ungewohnt oft düpieren. Note 4
Barrios: Engagiert, aber glücklos. Mit den Laufwegen und der Abstimmung passt es noch nicht so ganz. Note 3,5
Owomoyela: Die Außen sind aktuell die Problemzone. Sicher ist das alles nicht, „Uwe" sucht noch seine Form der Rückrunde. Note 4
Santana: Nicht immer sicher, aber recht solide. Note 3,5
Hajnal: Zeitweise sehr gefällig, in der anderen Zeit recht unscheinbar. Wie viele seiner Mitspieler: Note 3,5
Rangelov: Ein Kopfball an die Latte, ansonsten kaum zu sehen. Barrios war bis dahin rühriger. Note 4
Hummels: Hat seine Sache sehr ordentlich gemacht. Note 2,5
Großkreutz: Starker Kurzauftritt des Evinger Jungen. Super Sololauf, dem nur das krönende Tor fehlte, und dazu auch mit guten Defensivszenen. Für eine Benotung reicht die Spielzeit leider nicht.
Aufstellungen und Statistik
Borussia: Weidenfeller - Owomoyela, Subotic, Santana, Dede - Tinga (4. Hummels) - Kuba (77. Großkreutz), Hajnal, Sahin - Valdez, Barrios (65. Rangelov)
Stuttgart: Lehmann - Celozzi, Niedermeier, Delpierre, Magnin - Rudy (62. Gebhart), Khedira, Hitzlsperger, Hleb (46. Elson) - Schieber (70. Pogrebnyak), Cacau
Tore: 1:0 Valdez (27.), 1:1 Niedermeier (46.)
Gelbe Karten: Barrios, Valdez - Hitzlsperger, Gebhart
Zuschauer: 72.100
Schiedsrichter: Dr. Helmut Fleischer - „Setzen, Sechs!"