Oh, wie ist das schön...
Mein Gott, was für ein Spiel! Pünktlich zu den Feierlichkeiten rund um die Varus-Schlacht hat die glorreiche Legion aus Tremonia der ostwestfälischen Arminia eine vernichtende Niederlage bereitet und darf sich nun berechtigte Hoffnungen auf einen Feldzug durch die europäischen Stadien machen.
Dabei haben es die Bielefelder unter ihrem Anführer Frontzeck dem BVB gar nicht so leicht gemacht, wie das Ergebnis letztlich verkündete. Im Gegenteil: Über weite Strecken der ersten Hälfte tat sich die Borussia unglaublich schwer und hätte sich auch über einen Rückstand kaum beschweren dürfen. Doch am Ende blieben die Schwarzgelben unter der Führung des sagenumwobenen Borussia-Feldherren Klopp wieder einmal siegreich.
„Wir haben eine einzigartige Chance, weil wir anders sind als die anderen" verkündeten die nicht sonderlich zahlreich angereisten Arminen zu Beginn auf einem Spruchband. Der schwarzgelbe Beobachter blieb etwas ratlos zurück, was genau die Gäste damit wohl meinen würden. Sofern darin ein Geheimcode an die Mannschaft enthalten war, ging das Ganze jedenfalls ziemlich nach hinten los.
09. Minute - eine traurige Choreo
Auf der anderen Seite des Stadions gedachte ein Spruchband dem unter der Woche tragisch verstorbenem Mitglied Marion von The Unity: „Größer als die Lücke, die Du im Leben vieler hinterlässt, ist der Platz, den Du in ihrem Herzen eingenommen hast." Schöne Worte zu einem traurigen Anlass. Marion war bei The Unity so etwas wie die gute Seele der Gruppe. Entsprechend groß war die Bestürzung über ihren Unfalltod, der bei vielen Bekannten sichtbar Spuren hinterlassen hat. In der neunten Spielminute gedachten darum noch einmal zahlreiche Fans im Herzen der Tribüne Marion mit einer Choreo. Die Tribüne wurde teilweise in komplettes Schwarz gehüllt, Spruchbänder verkündeten den letzten Gruß: „Auch wenn Du jetzt ein Engel bist. Deine Kinder werden immer bei Dir sein. Ruhe in Frieden, Marion." Gemeinsam mit lautstarken „You'll never walk alone"-Gesängen ein ebenso bedrückendes wie würdiges letztes Geleit.
Von den wirklich wichtigen Dingen im Leben zurück zur
manchmal-eben-doch-Nebensache: Während die Arminen mit einigen Blessuren
aus den vergangenen Kämpfen klar zu kommen hatten und nicht in
Bestbesetzung antreten konnten, schickte Jürgen Klopp einmal mehr seine
so oft siegreiche Stammformation aufs Feld. Vom 0:3 in Wolfsburg wollte
man sich bei der Borussia offensichtlich nicht beeindrucken lassen.
Vom
Gegner dafür allerdings umso mehr: Zwar kamen die Schwarzgelben mit dem
Anpfiff gut ins Spiel und suchten schnell die Feldüberlegenheit, alle
Angriffsversuche scheiterten jedoch an der gut gestaffelten
Defensivformation der Gäste. Je länger die erste Hälfte andauerte, umso
schwerer taten sich die Borussen. Viele Flanken aus dem Halbfeld
segelten ins Leere, der Spielaufbau wirkte uninspiriert bis schlampig
und mischte sich schließlich auch mit einigen Unkonzentriertheiten.
So kam es, dass sich trotz schwarzgelber Feldüberlegenheit vor allem die Arminen Torgelegenheiten heraus spielten. Neun Minuten waren gespielt, als Sebastian Kehl mit einer Kopfballrückgabe beinahe den Rückstand einleitete. Doch die Arminen vermochten den Riesenbock des Kapitäns nicht zu nutzen und versagten völlig. Erst scheiterte Tesche direkt an Weidenfeller, dann brachte Katongo den Ball per Kopf nicht im leeren Tor unter. Viel, viel Glück für den BVB - normalerweise muss so ein Ball drin sein.
Die Legion zeigte sich beeindruckt und agierte nun noch zaghafter. Kaum ein Angriff wurde bis zum Ende vorgetragen, viele Spielzüge endeten bereits weit vor dem Strafraum und so langsam machte sich Unruhe breit im Westfalenstadion. Denn auch die nächste Großchance nach gut einer halben Stunde gehörte den Ostwestfalen. Bielefeld konterte über Lamey, Oliver Kirch köpfte aus vollem Lauf aufs Tor des BVB, doch Roman Weidenfeller vereitelte die nächste Großchance mit einer Glanzparade. Borussia erneut im Glück, und die Schwarzgelben strapazierten weiterhin die Nerven: Drei Minuten vor der Halbzeit erkämpfte sich Wichniarek an der Torauslinie den Ball, überrumpelte mit seiner Hereingabe die gesamte BVB-Defensive, doch Tesche am zweiten Pfosten verfehlte desaströs das Tor. Längst hätte die Arminia führen müssen, der BVB in dieser Phase völlig neben sich. Doch es kam ganz anders.
Die vergebenen Chancen rächen sich für Bielefeld
Beinahe im direkten Gegenzug: Freistoßhereingabe durch Alex Frei, Sebastian Kehl kommt am Fünfmeterraum vor Eilhoff an den Ball, das Leder überwindet den Arminia-Keeper und landet im Netz. Kurzer Blick zu Schieds- und Linienrichter, dann Riesenjubel im gesamten Stadion.
Der BVB aktuell wieder auf Platz 5, weil Köln gegen Hamburg führt. Völlig unverdient zu diesem Zeitpunkt, aber wer fragt danach am Ende noch?
Für die zweite Halbzeit musst man dennoch auf eine Leistungssteigerung der Schwarzgelben hoffen, sonst würden es noch 45 schwere Minuten werden. Während sich die Borussen in der Kabine wohl eine Gardinenpredigt anhören durften, wurden die Zuschauer im Stadion einmal mehr Zeuge eines Halbzeitspiels der peinlichen Sorte: Zwei Menschen in jeweils einer überdimensionalen Kugel müssen ins Tor rollen und zwei ebenso überdimensionale Colaflaschen müssen sie daran hindern. Wieviele Semester Marketing braucht es eigentlich für solch bizarre Einfälle?
Doch die zweite Hälfte sollte für vieles bis dahin Geschehene entschädigen, denn die Borussia machte plötzlich ziemlich viel richtig, was in der ersten Halbzeit noch so gar nicht klappen wollte. Und so musste man nicht lange warten, bis erneut gejubelt werden konnte:
Auftakt zum Schützenfest
53. Minute: Kuba legt auf Valdez ab, der zieht den Ball nach innen. Frei spielt Flipper und ist einen Tick später am Ball als Hajnal, der das Leder kurzerhand ins Arminentor hinein tritt. 2:0 und damit eine beruhigende Führung. Kaum vorstellbar zu diesem Zeitpunkt, dass sich die Arminen von diesem Schock noch einmal erholen würden.
Und tatsächlich, die Gegenwehr der Gäste war dahin: In der 69. Minute
ist es Kuba, der nach Zuspiel durch Frei auf der rechten Seite auf und
davon läuft, Gegenspieler Schuler keine Chance lässt und das Leder in
den 16er flankt, wo Nelson Valdez eilig herbei grätscht und die
3:0-Führung markiert.
Drei Minuten später dann erneut Kuba, der
diesmal frei vor Eilhoff scheitert. Doch Mohamed Zidan, nach dem 3:0 für
Valdez ins Spiel gekommen, bewahrt die Übersicht und spielt von der
Torauslinie den Ball an die Strafraumgrenze zurück. Tamas Hajnal lässt
den Ball schön durch und eröffnet so Sebastian Kehl die
Schussgelegenheit. 4:0!
Die Arminia jetzt am Boden und beim BVB praktisch jeder Schuss ein Tor. So auch in der 84. Spielminute. Schöner Doppelpass zwischen Dede und Kringe, Dede flankt das Leder in den Strafraum und Tinga bringt mit wuchtigem Einsatz die Kugel per Kopf im Netz unter.
Und es sollte noch immer nicht Schluss sein: Drei Minuten vor Schluss kommt Zidan am 16er an den Ball, macht ein, zwei Körpertäuschungen und trifft dann platziert zum 6:0. Unglaublich!
Das Spiel, das so Besorgnis erregend begonnen hatte, wurde letztlich
also doch noch zum großen Triumph der schwarzgelben Legion. Gerade in
dem Ausmaß ist der Sieg sicherlich zu hoch ausgefallen, aber beschweren
will sich darüber wohl niemand.
Der größte Jubel schallte jedoch erst nach dem Abpfiff durchs Stadion, als Norbert Dickel endlich das ersehnte Endergebnis aus Hamburg verkündete. Die Borussia damit wieder zurück auf Platz 5 und damit vor dem letzten Spieltag mit der hervorragenden Ausgangslage, einfach „nur" gewinnen zu müssen.
Im Stadion brach sich die Euphorie schon einmal Bahn. Die Südtribüne war eine halbe Stunde nach Spielende immer noch gut gefüllt, die Mannschaft wurde auf ihrer Ehrenrunde durch das Stadion frenetisch gefeiert und sogar aus dem Norden schallte ein „Oh, wie ist das schön" durch das Stadion. Und damit hatten sie, die da sangen, verdammt Recht: Es hat lange, lange Zeit nicht mehr so viel Spaß gemacht, ins Westfalenstadion zu gehen und dem BVB zuzuschauen. Ganz unabhängig davon, ob die Borussia auch in der kommenden Woche gewinnt: Jürgen Klopp und der Mannschaft ist es gelungen, die enge Bindung zwischen Team und Anhang wieder zu entdecken. Das ist bei allen Europapokal Gedanken der schönstmögliche Erfolg dieser Saison.
Einen Wermutstropfen gab es dann aber doch: Durch Neven Subotics fünfte Gelbe Karte wird Jürgen Klopp seine so erfolgreiche Anfangsformation in Gladbach zwangsläufig ändern müssen. Für Mats Hummels dürfte die Partie zu früh kommen. Ob also Uwe Hünemeier in der nächsten Partie zum Einsatz kommt oder beispielsweise Sebastian Kehl in die Innenverteidigung rückt, bleibt abzuwarten.
Die Spieler in der Einzelbewertung (heute mal nach Halbzeiten getrennt)
Weidenfeller: Starke Paraden in der ersten Hälfte, wenig zu tun in der zweiten. War da, wenn er gebraucht wurde. Note 1 / 2,5
Owomoyela: Hinten weitgehend sicher, nach vorne in der ersten Halbzeit sehr uninspiriert. Zweite Hälfte dann besser. Note 4 / 3,5
Subotic: Nicht immer ganz im Bilde, kassierte leider die unnötige fünfte Karte. Note 4,5 / 3,5
Santana: In der ersten Hälfte auch nicht durchweg sicher, in der zweiten dann weitgehend unbeschäftigt und mit Ausflügen nach vorne. Note 4 / 3
Dede: Emsig, aber über seine Seite kamen auch die meisten gefährlichen Arminia-Angriffe. Note 4,5 / 3,5
Kehl: Bis zum Führungstor kaum in Erscheinung getreten, vermochte das Spiel auch nicht zu ordnen und hatte (wie der Rest der Mannschaft) viel zu viele Fehlpässe in seinen Aktionen. Doppeltorschütze und letztlich Mann des Spiels. Note 3,5 / 2
Kuba: Zuerst oft falsch angespielt, konnte später dann besser seine Schnelligkeit ausspielen und wurde so auch gefährlicher. Leitete das 2:0 ein und bereitete das 3:0 vor. Note 5 / 2,5
Sahin: Deutlich unauffälliger als zuletzt. Bemüht, das Spiel zu ordnen, aber auch ohne wirkliche Ideen. Note 4 / 3,5
Hajnal: Teilnehmer beim Fehlpassfestival in Halbzeit 1, in der zweiten Hälfte dann verbessert. Markierte das 2:0 und ließ beim vierten Treffer den Ball clever für Sebastian Kehl durch. Note 5 / Note 2
Frei: Der etwas aktivere (aber schließlich glücklose) der beiden Stürmer. Mühte sich redlich, wurde aber selten in Szene gesetzt und war in den wenigen Momenten dann meist etwas zu langsam. Vorbereiter des ersten und unfreiwillig auch des zweiten Tores. Note 4 / Note 3,5
Valdez: Schöner Einsatz im Zuge des 2:0, dann selbst erfolgreich mit dem dritten Treffer. Tat sich über weite Strecken aber schwer und hing vorne in der Luft. Note 5 / 2,5
Zidan: Wusste sich in den 20 Minuten durchaus in Szene zu setzen und erzielte das 6:0. Was will man mehr? Trotzdem zu kurz auf dem Platz für eine Bewertung.
Tinga: Noch weniger auf dem Platz, aber genauso erfolgreich wie Zidan.
Kringe: Einziger Einwechselspieler ohne Torerfolg, aber man kann ja nicht alles haben. Schöner Doppelpass mit Dede vor dem 5:0.
Aufstellungen & Co.
Borussia: Weidenfeller - Owomoyela, Subotic, Santana, Dede - Kehl (74. Kringe)- Kuba, Hajnal (74. Tinga), Sahin - Frei, Valdez (70. Zidan)
Arminia: Eilhoff - Lamey, Herzig, Kucera, Schuler - Tesche, Kauf, Kirch - Katongo, Munteanu (84. Halfer) - Wichniarek (72. Kamper)
Tore: 1:0 Kehl (43.), 2:0 Hajnal (53.), 3:0 Valdez (69.), 4:0 Kehl (72.), 5:0 Tinga (84.), 6:0 Zidan (87.)
Zuschauer: 80.200
Schiedsrichter: Helmut Fleischer und Co., Note 3,5: Unauffälliger Leiter der Partie. Abseitsentscheidung nach Einwurf ist uns allerdings neu.
Daten zum Spiel:
Torschüsse: 20:13
Ecken: 5:5
Flanken: 12:15
Ballkontakte in Prozent: 56:44
Gewonnene Zweikämpfe in Prozent: 56:44
Fouls: 15:11
Freistellungen: 3:0