Fankolumne: Ein traurig-schönes letztes Geleit für "einen von uns"
Es ist eine traurige Woche gewesen, mit der Borussia Dortmund in sein sportliches Jubiläumsjahr gestartet ist. Dabei spielten die Partien gegen Werder Bremen und Bayer Leverkusen für viele Fans nur eine Nebenrolle: Der Schrecken über den tragischen Unfall und das Entsetzen über den Tod eines jungen Borussen waren allgegenwärtig und vor allem am Samstag zu beinahe jeder Zeit greifbar.
Kevins trauriges Schicksal ging vielen Borussen unverkennbar nahe. Es war eine bedrückte und verhaltene Stimmung, die vor dem Spiel auf der Tribüne herrschte. Viele, die ihren Platz am Samstag auf der Südtribüne eingenommen hatten, waren zuvor am Ort des Geschehens gewesen, hatten Blumen oder Schals niedergelegt, eine Kerze angezündet, sich in das Kondolenzbuch von Fanprojekt und Fanabteilung eingetragen oder einfach nur wortlos dagestanden.
Obwohl nur wenige den Verstorbenen persönlich kannten, war es trotzdem dieses Gefühl, dass „einer von uns" dort sein Leben gelassen hat, das die Tribüne in ihrer bedrückten Stimmung einte: Einer von uns, der in unserem Zuhause gestorben war.
Leider gibt es selbst inmitten des Schreckens noch Menschen, die aus persönlichen Schicksalen Kapital schlagen wollen und für die ein solcher Unfall eine willkommene Headline darstellt. Die reißerischen und infamen Umtriebe mancher Medien in diesem Fall miterleben zu müssen, hat viele Fans zu Recht erzürnt. In Unwürdigkeit vereinte sich der Boulevard mit all jenen Naseweißen, die bereits unmittelbar nach dem Unglück mit erhobenem Zeigefinger und Ich-weiß-das-schon-lange-Miene aufzuzählen wussten, welche vermeintlichen Sicherheitsmängel schon seit Ewigkeiten bestehen und dringend behoben werden müssten. Vor einem solchen Unglück wären derartige Hinweise möglicherweise hilfreich gewesen. Im unmittelbaren Anschluss daran schmecken sie hingegen schal nach pietätloser Effekthascherei.
Die Südtribüne und das gesamte Stadion hingegen haben an diesem
zurückliegenden Samstag einen sehr würdigen Weg gefunden, mit dem
Unglück umzugehen und Kevin die letzte Ehre zu erweisen - auf ihre ganz
eigene Art. Das inbrünstige „You'll never walk alone" bekam seine ganz
besondere, wortwörtliche Bedeutung. Gemeinsam mit der Schweigeminute und
„Kevin"-Sprechchören vervollständigte es die Anteilnahme der Tribünen
und war ergreifend mitzuerleben. Ein traurig-schönes letztes Geleit für
einen Borussen. Einen von uns.
Der Text ist am vergangenen Dienstag im Rahmen der Fankolumne von schwatzgelb.de in der Westfälischen Rundschau veröffentlicht worden.