...Dede: (Teil 2) "So wie in diesem Stadion muss die Stimmung sein."
Im zweiten Teil des Interviews mit schwatzgelb.de erzählt Dede von der Zeit seiner Verletzung, von Wechselgedanken, Brasilianern beim BVB. seinem Verhältnis zu den Fans von Borussia Dortmund und von den Eindrücken, die er und seine Landsleute vom Westfalenstadion haben.
schwatzgelb.de: Leonardo, warst Du eigentlich lange in Brasilien, als Du verletzt warst?
Dede: Zweieinhalb Monate war ich in Brasilien, die andere Zeit in Deutschland. In den ersten acht Wochen war ich dort, als ich gar nichts machen konnte. Und über Weihnachten natürlich. Dazwischen habe ich in Deutschland dafür gearbeitet, wieder spielen zu können.
Wie schwer fiel Dir die Zeit, als Du nicht auf dem Platz stehen konntest?
Dede: Es war schlimm. Als ich in Brasilien war, habe ich das Derby gegen Schalke im Fernsehen geschaut. Das war richtig brutal. Ich kann Spiele nicht im Fernseher sehen. Das ist nichts für mich, ich leide dann zu viel. Der ganze Tag ist dann kaputt. Da ist es besser, wenn ich alles ausmache, auch das Radio, und mir nach dem Spiel das Ergebnis anschaue. Aber jetzt ist diese Zeit Gott sei Dank vorbei. Die Mannschaft hat in der Zeit auch gut und schnell gespielt. Auch meine beiden Konkurrenten auf meiner Position. Aber das ist auch gut für den Verein. Die Mannschaft ist auf vielen Positionen gut besetzt. Mein Ziel ist es jetzt, die Borussia wieder nach oben zu bringen. Dahin, wo der Verein war, als ich gekommen bin, in die internationalen Spiele.
Früher spielten in der Mannschaft sehr viele Brasilianer. Hast Du sie zwischendurch vermisst?
Dede: Ja. Ewerthon, Evanilson, diese Leute vermisse ich hier oft, und ich habe immer noch ein gutes Verhältnis zu ihnen.
Und zu Lincoln!...
Dede: Lincoln ist mein Bruder. Wir haben noch heute Morgen telefoniert. Er würde auch gerne bei Borussia Dortmund spielen. (skeptische Blicke in der Runde) Ja, das hat er gesagt. Er weiß genau, was dieser Verein für mich bedeutet, und sagt auch immer, dass wir unbedingt wieder zusammen spielen müssen. Ich könne doch in die Türkei kommen. Aber ich glaube nicht, dass ich das machen werde. (lacht)
Als alle Brasilianer aus Dortmund weg waren, war das für mich wie ein Schock. Ich kann mich zwar mit allen Spielern gut verständigen und habe keine Probleme mit der Sprache, weder bei Trainern noch Physiotherapeuten, aber als ich dann in die Kabine kam, war es sehr ruhig. Mit den Brasilianern war es immer laut, und wir haben viel gelacht. Das war, als Matthias Sammer noch hier war. Der war natürlich auch manchmal sauer auf uns und hat dann gesagt, dass wir endlich einmal ruhig sein sollten. Aber die haben eine positive Stimmung in die Kabine gebracht, was man auch auf dem Platz gespürt hat. Dann waren wieder alle weg, und es war schwer für mich. Aber nicht so schlimm wie in meiner ersten Zeit beim BVB.
Wir feiern ja dieses Jahr unseren 100. Geburtstag, und uns interessiert natürlich auch, wie die Spieler die Vereinsgeschichte wahrnehmen. Hast du allein oder mit der Mannschaft schon einmal das Borusseum besucht, um Dir eine Vorstellung zu machen, wie es früher hier in Dortmund war?
Josef Schneck klinkt sich kurz ein: Wir haben in allernächster Zukunft vor, das Borusseum mit der kompletten Mannschaft zu besuchen. Allerdings ist es aktuell auch durch die Abstellungen für die Nationalmannschaften sehr schwierig, einen Termin zu finden, an dem alle Spieler teilnehmen können. Wir stehen mit Jürgen Klopp in Verbindung. Die Geschichte von Borussia Dortmund ist im Borusseum so spannend dargestellt, dass selbst Dede seinen Spaß daran haben wird, auf die vielen Knöpfe zu drücken. Vor allem bei den Derbysiegen...
Du hast gerade Mathias Sammer erwähnt. Von den Lesern einer Dortmunder Zeitung bist Du kürzlich in die Abwehr der Jahrhundertelf des BVB gewählt worden, zusammen mit Sammer, Jürgen Kohler und Julio Cesar. Was bedeutet Dir das?
Dede: Das ist eine der tollsten Sachen, die mir passiert ist seit ich bei Borussia bin. Fast elf Jahre bei einem Verein, das können bestimmt auch in Dortmund nur wenige von sich sagen, das ist ein halbes Sportlerleben. Ich habe nicht immer optimal gespielt, aber immer alles gegeben und um jeden Ball gekämpft.
So ein Typ bin ich nun einmal. Da freut es mich natürlich, dass die Fans das genau so sehen. Diese Ehre habe ich mir nicht durch Interviews erarbeitet oder durch Werbung im Fernsehen, sondern auf dem Platz. Auch wenn ich verletzt war, habe ich versucht zu spielen und gesagt: „Ich bin da, habe zwar etwas Schmerzen, möchte aber dem Verein helfen.“ Das haben die Leute gesehen. Neben dem Platz habe ich mich auch immer mit allen gut verstanden. Mit dem Verein, mit den Fans. Diese Ehrung ist für mich die Anerkennung für das, was ich für Borussia getan habe, für das Positive, was ich in den Verein eingebracht habe. Da freue ich mich wirklich drüber.
Wir Dortmunder müssen Dir auch dafür dankbar sein, dass Du dem Verein in all den Jahren treu geblieben bist. Bei dem letzten Angebot lag die Entscheidung nicht alleine bei Dir. Wie bist Du damit umgegangen, dass der Wechsel nach Rom nicht geklappt hat?
Dede: Das war auf keinen Fall einfach. Es ist ja bei allen Leuten, egal ob sie als Journalist oder in einer Bank arbeiten, so, dass sie sich verbessern und von anderen Firmen gute Angebote erhalten möchten. Die Anderen sehen ja, dass du deine Arbeit gut machst und denken sich: „So einen möchte ich auch in meiner Firma haben.“ Da geht schon viel im Kopf herum, wenn die Möglichkeit besteht, sich finanziell zu verbessern und ein anderes Land kennen zu lernen. Das war damals schon schwierig, bei dem Angebot von Galatasaray vor ein paar Jahren, aber bei Rom ging mir sehr viel durch den Kopf, das war erheblich schwieriger.
Du wolltest auch nach Rom.
Dede: Das kann man nicht so einfach sagen. Wenn ein Spieler sagt, er möchte unbedingt wechseln, hat es für den Verein keinen Sinn, ihn unbedingt zu halten, dann muss er ihn irgendwann gehen lassen, weil er nicht mit ganzem Herzen bei der Sache ist. Aber so war es bei mir nicht. Klar, Italien ist ein tolles Land und die Roma ein großer Verein, aber auch meine Eltern haben von Anfang an gemeint, ich solle in Dortmund bleiben, weil ich mein halbes Leben schon hier verbracht habe und mir der Verein viel bedeutet. Gerade mein Vater hat gesagt, dass ich in Rom vielleicht mehr Geld verdienen könne, aber da sei ich eben auch nur einer von vielen. Aber die Entscheidung haben sie mir überlassen. Am Ende habe ich einfach gesagt, dass mich das Geld und die Champions League nicht so jucken. Ich bin einfach stolz, dass ich Borusse geblieben bin. Und der Verein und die Fans geben mir alles wieder zurück.
Gab es andere Spieler, die gesagt haben, dass Du verrückt bist, weil Du in Dortmund geblieben bist?
Dede: Aus Spaß schon. Die haben gesagt: „Mensch, du bist schon so lange in Dortmund, acht Jahre. Was willst du da noch?“ Aber das ist doch doof! Die müssen mich auch verstehen, wenn ich sage, dass ich hier so viele gute und schlechte Zeiten erlebt habe, und das ist wichtig. Ich bin einfach froh, dass ich mich so entschieden habe, und diese Entscheidung kam von mir.
Du wirkst auch relativ zufrieden.
Dede: Relativ? Ich bin richtig zufrieden.
Lass uns zum Abschluss nochmal etwas näher auf das Verhältnis der Mannschaft zu den Fans eingehen: Wie ist das bei den Auswärtsspielen, wenn Ihr seht, wie viele Leute wieder mitgereist sind, viel Geld und viele Stunden für die Fahrt geopfert haben. Sprecht Ihr in der Mannschaft darüber, und was ist das für ein Gefühl für einen Spieler?
Dede: Ich spiele ja schon lange für diesen Verein und habe Tinga und Santana gesagt, dass sie einfach mal in Wolfsburg darauf achten sollen, wie viele Gästefans bei uns da sind und wie viele, wenn die gegen andere Mannschaften als Borussia spielen. Das Stadion ist dann nicht so voll. Bei jedem Auswärtsspiel, das ich gemacht habe, war der Gästeblock immer voll. Egal ob in Duisburg oder Bochum oder auch weiter weg in Rostock. Es ist immer voll. Und Tinga hat gesagt, dass ich Recht habe. Wenn wir zusammen ein Spiel vom HSV oder anderen Mannschaften gegen kleine Gegner schauen, sage ich immer wieder: Guck mal, da ist alles leer.
Die Borussen sind immer da, wir spielen nie mit elf Mann, immer mit zwölf. Die helfen uns sehr. Ich beobachte das schon seit sechs oder sieben Jahren, das ist einfach immer so. Auch vor dem Spiel reden wir darüber, auch der Trainer. Dann wollen wir für die Leute, die so weit mit uns fahren, einfach ein gutes Spiel machen und ihnen etwas für die Mühen zurückgeben. So denkt jeder Spieler.
Josef Schneck: Auch der Trainer ist immer wieder überrascht, wenn er die Zahlen hört, wie viele Fans zu den Auswärtsspielen mitreisen. Auch für ihn ist es immer wieder etwas Besonderes. Wir schöpfen fast immer unser volles Gästekontingent aus und noch mehr. Hannover war auch wieder wunderbar, gigantisch. Da bekomme auch ich jedes Mal eine Gänsehaut.
Dede: Das stimmt, das ist einfach die Wahrheit. Wie viele Spiele habe ich schon in Hannover oder in Bochum gesehen, wenn wir nicht gespielt haben? Das Stadion war oft leer. Borussia motiviert auch die anderen Vereine, es ist immer etwas Besonderes, wenn Borussia Dortmund mit seinen Fans kommt. Das ist fast wie eine Religion.
Josef Schneck: Ich erinnere mich noch, als der kleine BVB nach dem Wiederaufstieg 1976 sein erstes Spiel beim großen HSV, dem Pokalsieger, hatte. Da müssen etwa 30.000 Dortmunder gewesen sein, die ganze A1 war schwarz-gelb. 30.000! Und dann gewinnen wir da als krasser Außenseiter noch mit 4:3. Das war unglaublich.
Dede: Als Thomas Doll damals zu uns gekommen ist, war es genau so. Er war total begeistert von den Fans und der Stimmung in diesem Stadion. Dieses Stadion... Als wir gegen Real Madrid in der Champions-League gespielt haben, da haben sogar Ronaldo und Roberto Carlos mich gefragt: „Was ist denn hier los? Diese Stimmung!“ Ewerthon und Amoroso waren auch dabei, als wir nach dem Spiel darüber gesprochen haben. Alle haben gesagt: „So wie in diesem Stadion muss die Stimmung sein.“ Das ist gewachsen, so etwas schaffst du auch nicht, wenn du neue, moderne Stadien wie die Bayern baust. Das Westfalenstadion, das jetzt Signal Iduna Park heißt, hat von beidem etwas. Moderne Einrichtungen und die alten Tribünen und Mauern. Es ist wie früher und hat durch den Umbau nichts verloren.
Gab es in all den Jahren auch Momente, wo Du von den Fans richtig enttäuscht warst, wo Du wütend in die Kabine gerannt bist und gesagt hast, die können mich alle mal?
Die Leute bezahlen hier für ihre Karte. Da müssen wir Spieler auch verstehen, dass sie mal schimpfen und sagen, dass es so nicht geht. Mir fällt wirklich nichts Schlimmes ein, was ich gegen unsere Fans sagen könnte. Alle Gegner haben Angst vor unseren Fans. Wir sprechen ja auch in der Kabine darüber, und alle sagen, dass du in Dortmund bis zur Halbzeit ein Unentschieden halten musst, damit die Fans nervös werden und uns Spieler unter Druck setzen. Das erlebe ich allerdings nicht so häufig. Nein, wirklich Schlimmes fällt mir zu den Fans nicht ein.
Leonardo, vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Dir noch viele erfolgreiche Jahre in Dortmund!