Topspiele in schwatzgelb

Die Könige Europas und ein früh gefallenes Tor

10.11.2008, 22:35 Uhr von:  Simon

Borussia Dortmund, Sieger der Champions-League 1997 und somit die Könige Europas, und die Königlichen von Real Madrid sollten also im Halbfinale der Champions-League 1998 aufeinander treffen. So lautete das Los für diese Ausscheidungsspiele Richtung Finale. Somit war es an der Zeit nach Spanien aufzubrechen.

Estadio Santiago Bernabéu

Wir schreiben den 01.04.1998, auf dieses Datum komme ich später noch zurück, aber erstmal weiter im Text. Karten waren organisiert und so ging es zu dritt früh am Morgen per PKW Richtung Köln Flughafen los, wo eine Air-Berlin-Maschine uns auf die iberische Halbinsel bringen sollte. Man wird ja älter und eine Bustour kam nicht in Frage.

In Madrid gelandet sollte es direkt in die Stadt gehen. Unsere Busse vom Flughafen steuerten auch direkt ins Zentrum. Von dort ging es auf, die schmalen Gassen zu erkunden. Wir hatten inzwischen auf der Tour einen allein reisenden, jungen Dortmunder kennen gelernt und ihn eingeladen mit uns durch die Stadt zu ziehen. Auf ging es also.

Estadio Santiago Bernabéu

Nach einem Imbiss bei einer großen Fastfood-Kette landeten wir auf einem sehr schönen Platz inmitten der Stadt. Dort wurde gegen Mittag ein Café geentert und diese Belagerung auch bis zur Abfahrt Richtung Stadion nicht aufgegeben. Im Laufe des Tages trudelten in den angelegenen Cafés auch immer mehr Dortmunder ein. Die Trinkfestigkeit hatten die Wirte leider unterschätzt. Bei einem Gang aufs Stille Örtchen konnte man die Zapfkunst des einheimischen Gastronomen bewundern. Die Gläser, egal wo sie her kamen, wurden einfach nicht mehr gespült, sondern fix mit neuem Gerstensaft für die durstende Kundschaft draußen neu befüllt. Lecker, aber nicht jedermanns Geschmack.

Der Senior der Reisegruppe begab sich am frühen Nachmittag auf Sightseeing-Tour. Kirchen und son Gedöns. Naja, jeder wie er mag. Wir verbrachten den Tag zu dritt und mit all den anderen Dortmundern auf dem Platz, in der Sonne. Beine hoch legen und den Tag genießen. Unserem allein reisenden Teilnehmer verließen am späten Nachmittag die Kräfte. Ein kleines Nickerchen. Er wurde aber rechtzeitig zum Abmarsch geweckt.

Vor dem Stadion Estadio Santiago Bernabéu

Per Bus brachen wir in einem Konvoi mit Polizeieskorte zum Stadion auf. Sämtliche Kreuzungen - mitten in Madrid im Feierabendverkehr - wurden gesperrt und wir Schwatzgelben brausten Richtung Estadio Bernabéu. Das Stadion ist schon ein guter Brocken. Mitten in der Stadt gelegen, von außen ein veritabler Hingucker. Rein in die Butze. Der erste Blick in den Innenraum des Stadions machte mächtig Eindruck. Sechs Ränge und diese im oberen Bereich unfassbar steil. Wirklich ein beeindruckendes Dingen - lediglich ein Dach fehlte teilweise, was aber in Spanien nicht sehr ungewöhlich ist und den Gesamteindruck nicht schmälerte. Wir hatten unsere Plätze im zweiten Rang, also nicht ganz oben bei dem Rest des Dortmunder Anhangs, sondern direkt über dem damals noch existierenden unteren Stehplatzrang, prall gefüllt mit Madrilenen, der sich fast durch das ganze Stadion zog. Die Sicht war absolut spitze.

Kommen wir zum Spiel, oder eher zum Vorspiel. Kurz vor Spielbeginn kamen einige Leute aus der Kurve der "Ultras Sur" auf die Idee das Fangnetz hinter dem Tor zu erklimmen. Bis dahin ja noch nicht so erwähnenswert. Es gab nur ein kleines Problem. Das Tor auf dem Feld davor war mit den Pfeilern des Fangnetzes verbunden und so krachte beides zu Boden. Marcel Reif sprach im Fernsehen "von dem ersten Tor was schon vor dem Anpfiff gefallen ist". Er hatte Recht und es war kein Aprilscherz. Was nun passierte war Comedy pur.

Estadio Bernabéu

Günter Jauch kommentierte es mit "Hektische Menschen die von rechts nach links laufen und mit grade zu lächerlichen Werkzeugen, irgendwelchen Hämmerchen, irgendsoeinem kleinen Spachtel machten die sich an dem Tor zu schaffen". Diese Kommentare oder der Satz von Marcel Reif "Noch nie hätte ein Tor einem Spiel so gut getan", der in die Fernsehgeschichte eingegangen ist, versüßten den Zuschauer vor dem TV den Abend. RTL verzeichnete absolute wahnsinnige Einschaltquoten. Diese Übertragung und das gekonnte Überbrücken der Wartezeit bescherten Güter Jauch und Marcel Reif gar den Bayerischen Fernsehpreis. Die Reportage eines (Nicht-) Fußballspiels bekamen wir vor Ort leider nicht mit, aber die später gesehenen Mitschnitte im TV daheim ließen einen schon schmunzeln. Das beste daran, wir waren mittendrin.

Hier im Stadion passierte also relativ wenig und unser Spanisch ließ auch zu wünschen übrig. Wir kamen an keine Informationen. Anrufe in die Heimat zu einer Gruppe von Fans, die das Spiel gemeinsam am TV verfolgten, brachten auch keine Hinweise, wie es nun weiter gehen sollte.

Der Torfall von Madrid

Wir hatten nun Zeit. Da die Spanier fleißig am liegenden Tor rumschraubten, dachten wir uns, dass wir die Zeit nutzen und mal das regionale Bier im Stadion testen könnten. Dosenbier- ok, man ist ja nicht wählerisch - also ab die Post. Manch einer kennt evtl. noch die Aufklärungs- und Informationssendung "Der 7. Sinn" in der ARD, welche viele Fragen rund um den Straßenverkehr und ums Automobil aufklärte. Wir hatten den Teil "Betankung" verpasst. So ein Mist. Nach dem gefühlten fünften Bier schauen wir uns ungläubig an. “So richtig knallt das Zeug nicht“. Ein Blick auf die Verpackung lüftete das Geheimnis: "Non alcoholic". Also alles richtig gemacht, 'ne Menge Geld für nix vernichtet.

Irgendwann wurde im Stadtgebiet von Madrid doch noch ein Tor aufgetrieben und das Spiel wurde endlich mit einer mehr als 70-minütigen Verspätung angepfiffen. Eine wirkliche Chance hatten wir hier nicht und so ging das Spiel durch Tore von Morientes (25.) und Karembeu (67.) 2-0 verloren. Zwei Wochen später trennte man sich 0:0 im Westfalenstadion und wir verpassten damit den erneuten Einzug in das Champions-League Finale.

Real Madrid - Borussia Dortmund
Jetzt aber gab es erstmal ein ganz anderes Problem als das 0:2 und die Gedanken daran, wie man das Rückspiel noch drehen könnte. Da das Spiel so spät zu Ende war befand sich unser Flieger schon quasi in der Luft, wir aber hockten noch im Stadion. Es blieb uns nur eine Wahl: Ab in die Busse und los zum Flughafen. Zum Glück wurde unserer Rückflug geblockt und wir konnten die Rückreise in dieser Nacht noch antreten. Irgendein Slot ließ uns gegen ca. 1:30 Uhr Madrid verlassen. Nach ca. zwei Stunden Flug erreichten wir wieder deutschen Boden. Am Flughafen Köln wurde noch Gerd Cyliax, Gott hab ihn selig, und ein weiterer Mitfahrer aufgesammelt und es ging mit fünf Mann zurück in die heimischen Gefilde. Erschöpft erreichten wir gegen ca. vier Uhr die Heimat, um zehn nach vier fand uns der Schlaf.

Festzuhalten bleibt. Wir hatten keine Chance mit dieser Mannschaft gegen das Team der Königlichen. Die Stadt kann man ruhigen Gewissens besuchen. Zumindest die Ecken in der Innenstadt, die wir gesehen haben und das Stadion lohnen auf jeden Fall. Das Ding ist zwar in Teilen recht marode, aber der Gesamteindruck ist doch schon gewaltig.

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