Endlich Derby-Stimmung
Geil, geil, geil. Was für ein Tag liegt hinter uns! Was für ein großartiges Spiel, was für eine wundervolle Derbyatmosphäre. Nur knapp ein Jahr nach dem Spiel der Spiele hat die Mannschaft es erneut geschafft, den Blauen eine bittere Klatsche zu verpassen. Denn trotzt Unentschieden steht fest: Dieses Spiel haben WIR mit 3:3 gewonnen.
Oft haben wir an dieser Stelle gemäkelt, weil ein Derby in Sachen Stimmung wieder einmal nicht hielt, was es vorher versprochen hatte. Nicht so in diesem Jahr. Bereits eine Stunde vor Spielbeginn grassierte das Derbyfieber und wurde eifrig geschürt vom „Fanomenal"-Stadion-TV-Team der Fanabteilung, das den Szenen der glorreichen vergangenen Spiele zu guter Letzt „Conny Kramer" folgen ließ - laut wie selten begleitet vom beinahe gesamten Stadion. Schon da war zu spüren, dass Dortmund heiß war.
Und es sollte noch besser werden, Lutz Wagner und dem Spielverlauf sei Dank. Die ungleiche Beurteilung von Zweikämpfen sorgte von Beginn an für ordentlich Rabatz und Unruhe auf den Rängen. Die Dramaturgie des Spiels tat ihr Übriges. Ärger nach dem 0:1, Fassungslosigkeit nach dem 0:2, Entsetzen beim 0:3. Und die totale Frustration bei den Gesängen aus dem Norden: „Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey", „Wo ist Euer Derbysieg?", „Für ein Heimspiel seid Ihr ganz schön laut".
Zu früh gefreut. Mal wieder. Sie werden es wohl nie lernen, dass ein Spiel erst beendet ist, wenn der Schiri abgepfiffen hat. Hochmut kommt eben vor dem Fall - und der war an diesem Tag für das Blaukraut unangenehm tief. Jetzt sind sie wieder am Heulen und Flennen. Reden von Manipulation und schimpfen über den Schiedsrichter, der Rafinha nicht vom Platz stellte und sie mit seinem frühen Schlusspfiff vor dem totalen Debakel bewahrte. Geschenkt, das war ja nicht anders zu erwarten.
Uns Borussen - zumindest jenen, die nach dem 0:3 nicht den Heimweg angetreten hatten - wird dieses ganz besondere Derby noch lange in Erinnerung bleiben. Es hat den zwölften Mai ganz sicher nicht getoppt, aber es war verdammt nah dran. Wie schön war es zu sehen, wie der blaue Ernst wie ein getretener Hund den Platz verlassen musste - nur eine gute Stunde nach seiner Provokation vor der Südtribüne?
Wie schön war es, später im Fernsehen die betretenen Gesichter von Asamoah und Rafinha zu sehen, die Wagner zuvor vergaß vom Platz zu stellen? Wie großartig war dieser Torjubel und die plötzlich wieder erstarkte Hoffnung nach Alex Freis genialem Anschlusstreffer? Und wie gigantisch jener nur wenige Minuten später, der das Stadion zur Explosion brachte und die Blauen in ihr übliches Tränental stürzte? Abseits? Klar! Niemals ein Elfer? Natürlich nicht. Das ist ja grad das Geile daran. So können sie sich wieder grämen und jammern und wir stehen feixend daneben.
Einfach ein wundervoller Derbytag.
Abseits des Jubels
Bei allem Überschwang: Abseits des Platzes gab es am Samstag auch einige Härchen in der Derbysuppe. Die meisten davon hatten die Verantwortlichen fürs Rahmenprogramm dort drapiert, Misslungene Choreo auf der Westtribüne aber auch von Fanseite war nicht alles Gold, was da so glänzte. Doch der Reihe nach:
- Dann und wann finden im Westfalenstadion Ereignisse statt, die mit Fußball wenig am Hut haben. „Jazz im Stadion" ist ein solches Event. Weil Werbung dafür aber anscheinend Not tut, wurde kurzerhand der Wolf aus dem Hut gezaubert. Nicht der böse mit Rotkäppchen und so, sondern jener, der einst Deutschland Hitparaden mit „Oh shit, Frau Schmidt" bereicherte. Der hat mit Jazz allerdings nur am Rande zu tun und so wurden die Zuschauer vor Spielbeginn mit dem schlechtesten Stadion-Live-Auftritt seit Jürgen Drews gefoltert.
- Eine Choreographie ist üblicherweise ein Geschenk der Fans an ihren Verein und somit Ausdruck großer Leidenschaft und Zuneigung. Wenn sich der Verein hingegen selbst mit einer solchen Choreo beschenkt, schmeckt das irgendwie fad. Wenn sie obendrein derart mies aussieht, wie ausgerechnet im Derby, ist es direkt ärgerlich. Ausgerechnet gegenüber dem ungeliebten Nachbarn blamierte man sich mit undefinierbaren Farbklecksen auf der Westtribüne, die wohl inzwischen selbst die Wolfsburger besser hinkriegen würden. Da hätte man besser die Leute gefragt, die sich damit auskennen - und die dies aus Liebe zum Verein tun.
- Minuten vor dem Anpfiff, das Publikum ist heiß, die Stimmung auf dem Höhepunkt. Was passt da besser, als das Auflaufen der Mannschaften minutenlang mit gefühlten 200 Dezibel einzuleiten? In Sachen Einlaufmelodie ist Dortmund offenbar Testgelände für allerhand obskure Ideen, die nur eines gemeinsam haben: Sie nerven. Von „Thunderstruck" über „Let's get ready to rumble" bis hin zu „Eye oft he Tiger" bleibt einem nichts erspart. Lasst die Leute doch einfach singen!
- Schals zu klauen und zu präsentieren ist asozial - nicht nur wenn das Diebesgut schwarzgelb ist. Entsprechend beschämend ist es, wenn sich rund ums Stadion, im Kreuzviertel und auf der Hohen Straße Jagdszenen abspielen, wahllos gegnerische Fans und sogar Polizisten angegriffen werden. Leider fehlt es bei Derbys zuletzt an beidem: An gesunder Vernunft der beiden Fangruppierungen und an einem funktionierenden Sicherheitskonzept der „Ordnungshüter", die an diesen Tagen lediglich zum Verwalten des Chaos im Stande sind.